Inklusion im Förderschwerpunkt Sprache
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Inklusion im Förderschwerpunkt Sprache

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Es ist zu erwarten, dass die Inklusion das beherrschende Thema der nächsten Zeit für die Sprachheilpädagogik sein wird. Die Brisanz der damit verbundenen Entscheidungen wird sich wesentlich und verändernd auf das Selbstverständnis der Fachdisziplin auswirken. Es ergibt sich eine vollkommen neue Konstellation von Sprachheilpädagogik, Logopädie und akademischer Sprachtherapie zur Regelschulpädagogik.Das Buch verdeutlicht die Thematik zunächst in Grundsatzartikeln, die auf unterschiedliche Merkmale einer inklusiven Sprachförderung und Sprachtherapie eingehen. Es folgen Darstellungen von aktuellen Ergebnissen aus der Forschung im In- und Ausland. Verschiedenartige Beispiele zur konkreten Umsetzung von Inklusion geben einen Einblick in neuere Ansätze und Aufgabenstellungen. Das Buch ist damit für Fachwissenschaftler, Studierende und Praktiker der Sonder- und Regelschulpädagogik gleichermaßen von Interesse.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170268869

II

Grundlagen

›Unterrichtsintegrierte Sprachtherapie‹ als Baustein eines multiprofessionellen Angebots in inklusiven schulischen Kontexten1

Ulrike Lüdtke

Vor dem Hintergrund einer historisch wie global begründeten Notwendigkeit, hochwertige multiprofessionelle Angebote für Kinder mit sprachlich-kommunikativen Beeinträchtigungen zukünftig vermehrt unter einem Dach bereitzustellen, zeigt dieser Beitrag Möglichkeiten auf, die Vision Inklusion qualitativ und quantitativ hochwertig zu realisieren. Aus Perspektive der Akademischen Sprachtherapie und Logopädie stellt dabei das Modell der ›Unterrichtsintegrierten Sprachtherapie‹ den Kernbeitrag zu solch einem multiprofessionellen Ansatz in inklusiven schulischen Kontexten dar. Um jedoch multiprofessionelle Synergien tatsächlich als inklusionspädagogische Ressource nutzen zu können, muss zunächst der Professionalisierungsbedarf akademischer SprachtherapeutInnen und LogopädInnen in inklusiven schulischen Kontexten erkannt werden. Im Zentrum eines grundsätzlichen Wandels von ihrer bisherigen klassisch-klinischen zu einer nicht-additiven, Schul- und Unterrichts-kompatiblen Expertise steht dabei die inklusive Erweiterung der Sach-, Methoden- und Dialogkompetenz der Fachkräfte. Auf dieser Basis kann eine inklusiv veränderte Fachexpertise dann in ein multiprofessionelles ›Komplementäres Unterstützungsprofil Sprache und Kommunikation‹ eingebracht werden, dessen fünf Kerndimensionen hier erläutert werden. Abschließend wird auf veränderte Ausbildungsnotwendigkeiten aller drei inklusiv tätigen Kernprofessionen hingewiesen, um den Weg von der Vision zur Realisierung auch tatsächlich gehen zu können.

1 Vision Inklusion: Bereitstellung hochwertiger multiprofessioneller Angebote für Kinder mit sprachlich-kommunikativen Beeinträchtigungen unter einem Dach

Dieser Beitrag versteht sich als Plädoyer, zur bestmöglichen Unterstützung von Kindern mit sprachlich-kommunikativen Beeinträchtigungen in inklusiven schulischen Kontexten ihnen dort ein hochwertiges multiprofessionelles Angebot flächendeckend bereitzustellen. Der Aspekt »hochwertig« verweist qualitativ auf den Anspruch, dass alle im Feld tätigen Professionen für die neuen, spezifischen Anforderungen inklusiver schulischer Praxis explizit qualifiziert sind, und nicht lediglich ihre bisherige Expertise additiv einbringen; quantitativ verlangt diese Hochwertigkeit eine hochfrequente und kontinuierliche Angebotsbereitstellung – beides allerorten, unabhängig von Stadt-Land- oder sonstigen sozioökonomischen bzw. soziokulturellen Gefällen.
Um diese von Kritikern häufig gleich als unrealistisch abgetane Vision nicht unverzüglich zu begraben, sei die Metapher des ›Bausteins‹ noch ein bisschen weiter ausgeschmückt (vgl. Abb. 1). In meinem Bild von Inklusion gehen alle Kinder in eine Schule. Diese Schule wurde auf dem Boden der KMK-Empfehlungen zur inklusiven Bildung (2011) und der neuen Heilmittelrichtlinien (2011) erbaut. Ihre Grundmauern wurden aus den Bausteinen der verschiedenen Professionen der RegelschullehrerInnen, SonderpädagogInnen, SprachtherapeutInnen, LogopädInnen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen, SozialpädagogInnen etc. errichtet. Die Wände sind stark, denn so wie 1+1 mehr als 2 sein kann, sind hier die verschiedenen Fachexpertisen zu einer multiprofessionellen Synergie verschmolzen. Aus den Fenstern schauen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Begabungen oder Beeinträchtigungen, verschiedenen Hautfarben und kulturellen Bezügen, vielen Muttersprachen und Religionen. Sie fühlen sich geborgen unter dem Dach einer inklusiven Ethik, die sich Partizipation, Bildungsgerechtigkeit und Barrierefreiheit auf die Fahne geschrieben hat. Diese Schule bildet nicht nur für die Kinder, sondern auch für ihre Eltern, ihre Familien und die Nachbarschaft sowie alle dort Tätigen ein sicheres Zuhause, denn ihr unerschütterbares Fundament, welches selbst anstürmenden lobbyistischen Anfeindungen standhält, ist das pädagogische Primat der unantastbaren Person (Lüdtke 2012a).
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Abb. 1: Vision einer inklusiven Schule
Diese Vision darf meines Erachtens keine Phantasie sein und bleiben, sondern ihre konkrete Realisierung ist eine historische Notwendigkeit, die sich zwingend durch den inklusiven Umbau des deutschen Schulsystems aufgrund der nationalen und föderalen Implementierung der UN-Behindertenrechtskonvention (2006) begründet. Um Visionskritikern die Unausweichbarkeit einer neuen Bildungsarchitektur für Kinder mit sprachlich-kommunikativen Beeinträchtigungen zu verdeutlichen, können sowohl historiographische (vgl. 1.1) wie international vergleichende (vgl. 1.2) Argumente herangezogen werden.

1.1 Die historische Notwendigkeit eines multiprofessionellen Angebots

Historisch betrachtet ist die gemeinsame Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sprachlich-kommunikative Beeinträchtigungen unter einem Dach die notwendige strukturelle Realisierung des aktuell gültigen (sonder)pädagogischen Paradigmas der Inklusion. Abbildung 2 veranschaulicht, wie sich zum einen sonderpädagogische bzw. sprach(heil)- pädagogische Paradigmen im Laufe der Zeit verändern – so wie auch in Zukunft die Inklusion von einem neuen, derzeit noch unbekannten Paradigma abgelöst werden wird – und wie zum anderen jedes tonangebende Paradigma jeweils auch entsprechende strukturelle Rahmenbedingungen, übergeordnete Bildungsziele und spezifische fachliche Expertisen zwingend mit sich bringt:
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Um in der architektonischen Metaphorik zu bleiben, waren zu Zeiten der Exklusion, etwa im 19. Jahrhundert oder im Nationalsozialismus, schwer sprachlich und kommunikativ behinderte Kinder vor die Tore des allgemeinen Schulsystems verbannt. Dieser verwehrte Zugang zum Bildungssystem bzw. ihr Ausschluss aus ihm wurde durch die postulierte ›Nicht-Bildbarkeit‹ dieser Schülergruppe begründet. Kennzeichen eines derart abjektionsorientierten Professionsverständnisses war die Macht der Ausgrenzung durch Selektionsdiagnostik (Lüdtke 2012a).
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Im sich in den Nachkriegsjahrzehnten anschließenden Paradigma der Separation wurde jeder Behinderungsgruppe ihre eigene Schule, ja sogar ihr eigenes Gebäude gebaut. Damals sah man viele Vorteile in hochspezialisierten vielfältigen Schulstrukturen, die der jeweiligen relativ homogenen Schülergruppe einen Schutz- und Schonraum bieten konnten. Der kontinuierliche Ausbau der klassischen Sprachheilschule war beispielsweise gemäß der KMK-Empfehlungen zur Ordnung des Sonderschulwesens (1972) durch eine besondere Bildung für Sprachbehinderte begründet. Die hierfür benötigte professionelle Expertise kristallisierte sich im Bild des klassischen ›Sprachheillehrers‹ (dgs 2003) mit seiner einzigartigen Doppelbefähigung zum therapieimmanenten sprachtherapeutischen Unterricht (Braun 1983).
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Das im Zuge des Pisa-Schocks Ende des Jahrtausends nachfolgende Paradigma der Integration brachte strukturell erste Brüche im separierenden Sonderschulsystem mit sich. Entsprechend des in den KMK-Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung (1994) vollzogenen Wandels von einer Schulsystemorientierung zu einer Individuumszentrierung wurde eine Vielfalt der Förderorte auch räumlich etabliert: Sprachförderklassen und Mobile Dienste sowie flächendeckende Sprachförderprogramme an der strukturell-organisatorischen Schnittstelle von Elementar- und Primarbereich. Zielvorgabe war nun, Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Sprache eine hohe Durchlässigkeit zum Regelbereich zu ermöglichen. Das fachliche Profil des ›Sprachheillehrers‹ musste sich dementsprechend zu einem Experten verändern, der aus seiner Stammschule heraus mobil agierte und zieldifferenten wie gemeinsamen Unterricht kooperativ didaktisch gestalten konnte (vgl. Abb. 2).
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Der zu Beginn des neuen Jahrtausends bislang letzte Wechsel zum Paradigma der Inklusion brachte unterstützt durch die KMK-Empfehlungen zur inklusiven Bildung (2011) eine schularchitektonische Umbauwelle ins Rollen, durch die strukturell gemeinsame Unterrichts- und Förderangebote unter einem Dach für alle Kinder mit und ohne Beeinträchtigungen im allgemeinen Schulsystem sicher gestellt werden sollen. Oberstes Ziel ist die Bildungsteilhabe von Allen. Primat der FörderschullehrerIn ist durch einen Einsatz in allen Schulformen auf Augenhöhe mit Kolleginnen und Kollegen anderer Professionen die Sicherstellung der sprachlich-kommunikativen Barrierefreiheit für Schülerinnen und Schüler mit allen Förderbedarfen zu gewährleisten. Dazu muss ihre Fachexpertise von der klassischen Fokussierung auf spezifische Sprachentwicklungsstörungen und Redeflussstörungen auf ein sehr viel umfangreicheres Störungsbildspektrum auch bei anderen primären Beeinträchtigungen erweitert werden.
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Abb. 2: Sprach(heil)pädagogische Paradigmen im historischen Wandel: Von der Exklusion zur Inklusion (modifiziert nach Lüdtke/Stitzinger 2015, Abb. 34)

1.2 Die globale Notwendigkeit eines multiprofessionellen Angebots

Auch global betrachtet ist die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne sprachliche Beeinträchtigung unter einem Dach zwingende Folge des national, föderal und institutionell-individuell umgesetzten, global derzeit favorisierten Paradigmas der Inklusion (vgl. Abb. 3). Die international vergleichende Forschung gerade auch im Bereich der Sprachheilpädagogik und Logopädie (u. a. Lüdtke & Schütte 2014) weist darauf hin, dass sowohl im nationalen Fachdiskurs zur Inklusion im Förderschwerpunkt Sprache (vgl. u. a. Glück & Mußmann 2009; Grohnfeldt 2011; Grohnfeldt & Leonhardt 2012; dgs 2013; Glück; Reber & Spreer 2013; Lüdtke & Licandro 2013; Mußmann 2012; von Knebel 2010, 2013; Lüdtke 2010a, 2015) als auch im Belastungserleben von durch die inklusive Umgestaltung betroffenen Schulen, Lehrkräften, Kindern und Eltern Bewusstheit dafür geschaffen werden muss, dass Veränderungen auf der institutionellen fachlichen Mikroebene primär durch Global Governance-Prozesse (Ellger-Rüttgardt 2011) auf der Makroebene verursacht und über die national-föderale Mesoebene bis an die verschiedenen Einzelpersonen weiter gereicht werden.
Im Fall der inklusiven Umgestaltung des Bildungs- und auch Gesundheitssystems mit all ihren Folgen für sprachlich-kommunikativ beeinträchtigte Kinder und Jugendliche, SprachheilpädagogInnen, RegelschullehrerInnen und SprachtherapeutInnnen sowie Sprachheilschulen, Grundschulen, weiterführende Schulen und Logopädische Praxen bedeutet dies, dass globale Übereinkommen wie die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) (WHO 2001), die UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (2006) oder der World Report on Disability (WHO 2011) und deren nationale Implementierung, beispielweise durch den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (BMAS 2011), die KMK-Empfehlungen zur inklusiven Bildung (2011) oder die Orientierung der Krankenkassenverordnungen (KKVO) und der neuen Heilmittelrichtlinie (2011) an der ICF unsere Fachpraxis bestimmen. Dies bedeutet letztlich ein zuweilen schmerzliches Sich-Verabschieden von der bisherigen Illusion nationaler, institutioneller oder individueller fachlicher Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Öffnung für die Zusammenarbeit mit anderen inklusiv tätigen Professionen.
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Abb. 3: Sprach(heil)pädagogische Paradigmen im globalen Wandel: Von der nationalen Selbstbestimmung zur Global Governance (modifiziert nach Lüdtke & Stitzinger 2015, Abb. 37)

2 Multiprofessionelle Synergien als inklusionspädagogische Ressource

Die verstärkte Zusammenarbeit verschiedener Professionen ›auf Augenhöhe‹ ist eine Neuerung, die die Inklusion mit sich bringt. Grohnfeldt (2011) hat für die anstehenden Veränderungen im Förderschwerpunkt Sprache schon ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort der Herausgeber
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. I Einführung
  8. II Grundlagen
  9. III Forschung
  10. IV Beispiele zur Inklusion
  11. V Resümee
  12. Autorenverzeichnis