Diagnose Borderline
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Diagnose Borderline

Diagnostik und therapeutische Praxis

  1. 97 Seiten
  2. German
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Diagnostik und therapeutische Praxis

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Über dieses Buch

The borderline personality disorder is an ambiguous phenomenon and often gives rise to diagnostic difficulties. This book offers help with the diagnosis, uses psychodynamic aspects to trace the development of individuals with the disorder, and indicates ways of treating them. The intense emotions triggered by the patients and therapists concerned are also addressed, and the book explains how these can be dealt with constructively. The theoretical explanations are illustrated with numerous helpful brief case studies.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783170359987

Vierte Vorlesung: Behandlung und Behandlungstechnik

Übertragung

Mit Freud verstehen wir Übertragungen als »Neuauflagen, Nachbildungen von den Regungen und Fantasien, die während des Vordringens der Analyse erweckt und bewusstgemacht werden sollen, mit einer für die Gattung charakteristischen Ersetzung einer früheren Person durch die Person des Arztes«41. D. h. die PatientInnen nehmen die Professionellen gleichsam durch die Brille der Erfahrungen wahr, die sie in Kindheit und Jugend mit ihren nächsten Bezugspersonen gemacht haben. An den Professionellen aktualisieren sie ihre frühkindlichen Konflikte.
Im stationären oder im Gruppensetting unterscheiden wir unidimensionale Übertragungen, die sich ausschließlich auf eine Person richten (sie stellen meist einen regressiven Widerstand gegen die Entfaltung familiärer Objektbeziehungsmuster dar), und multidimensionale Übertragungen (sie stellen Externalisierungen verschiedener internalisierter Objektbeziehungen in unterschiedlichen Beziehungsgestaltungen mit verschiedenen Personen dar). Dabei kann es auch zu Übertragungsspaltungen kommen, bei denen verschiedene Selbstanteile auf verschiedene Personen verteilt werden (entsprechend den gespaltenen Selbst- und Objektbilder der Patienten).
Bei Borderline-Persönlichkeiten finden wir verschiedene Übertragungsdispositionen:
Entsprechend der Pathologie dieser PatientInnen werden in der Übertragung rasch wechselnde konflikthafte, voneinander gespaltene Aspekte ihrer verinnerlichten Objektbeziehungen aktualisiert. Es bildet sich bei ihnen charakteristischerweise keine konsistente Übertragung aus, wie wir sie bei Menschen mit neurotischen Störungen finden.
Dabei wird jeweils nur ein Übertragungsaspekt sichtbar. Der andere, abgespaltene Anteil bleibt latent. Aus diesem Grund wird die Übertragung oft von Anfang an zum Widerstand. Therapeutische Regel: Die »negative« Übertragung, die zu Wahrnehmungsverzerrungen der PatientInnen führt, muss frühzeitig im Hier und Jetzt gedeutet werden, da sie die Entstehung eines Arbeitsbündnisses42 behindert. Eine gemäßigte »positive« Übertragung hingegen wird nicht gedeutet, da sie dem Aufbau des Arbeitsbündnisses dient.
Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung verfügen im Allgemeinen nicht über die Fähigkeit der therapeutischen Ich-Spaltung43, d. h. ihnen fehlt ein ihr emotionales Erleben beobachtender Ich-Anteil. Kommentare der TherapeutInnen werden in der Übertragung, entsprechend der gespaltenen Selbst- und Objektbilder, entweder als narzisstische Gratifikation oder als Angriff erlebt. Oft »ertrinken« sie geradezu in ihren Übertragungsaffekten und sind nicht in der Lage, eine Intervention von therapeutischer Seite als Hypothese aufzufassen, mit deren Hilfe sie weiter erforschen können, was in ihnen vorgeht.
Aufgrund der narzisstischen Störungsanteile ist es charakteristisch für Borderline-PatientInnen, dass sie die TherapeutInnen funktionalisieren. Entsprechend ihrer Entwicklungsgeschichte betrachten diese PatientInnen andere Menschen, und so auch die Professionellen, als »Mittel zum Zweck«. Es ist wichtig, sich dieser Dynamik bewusst zu sein, damit es nicht zur Ausbildung einer negativen, den Therapieprozess belastenden Gegenübertragung kommt (s. meine Ausführungen zur Gegenübertragung).
Infolge der aggressiven Konflikte der Borderline-Persönlichkeiten und ihrer pathologischen verinnerlichten Objektbeziehungen kommt es bei ihnen häufig zu unbewusst verlaufenden »negativen therapeutischen Reaktionen«44. Wenn diese PatientInnen bei ihren TherapeutInnen eine Zufriedenheit mit dem Stand der Behandlung spüren, reagieren sie nicht mit eigener Zufriedenheit oder Freude, sondern mit einer Verschlechterung ihres Befindens. Der negativen therapeutischen Reaktion können verschiedene Motive zugrunde liegen (
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Kasten).

Negative therapeutische Reaktionen bei Borderline-Persönlichkeiten

• Es äußert sich hierin eine Rivalität zu Therapeuten;
• die Interventionen des Therapeuten werden als Kränkung erlebt (dies vor allem bei PatientInnen mit ausgeprägten narzisstischen Störungsanteilen);
• es liegt eine Angst vor Erfolg zugrunde, weil die PatientInnen befürchten, dann letztlich zu versagen;
• die Interventionen der TherapeutInnen werden als ungerechtfertigte Beschuldigung erlebt. Die Therapie stellt für die PatientInnen gleichsam ein Gerichtsverfahren dar;
• Deutungen der TherapeutInnen werden als Zurückweisung und als Ausdruck ihrer Verachtung erlebt, gegen die die PatientInnen sich wehren, um ihre Selbstachtung zu retten;
• es besteht Neid auf die als mächtig erlebten TherapeutInnen, die emotional wichtig geworden sind;
• in der Reaktion äußert sich die Wut darüber, dass sich die PatientInnen das, was die TherapeutInnen ihnen geben, nicht selbst geben können;
• je stärker eine depressive Persönlichkeitsstruktur eine Rolle spielt, desto größer ist die Angst vor dem Zerreißen des symbiotischen Bandes45. Eine Verbesserung des Befindens bedeutet das nahende Ende der therapeutischen Beziehung.

Gegenübertragung

In der psychoanalytischen Literatur finden sich zwei Gegenübertragungskonzepte46:
Das »klassische« Konzept, das die Gegenübertragung als unbewusste Reaktion der TherapeutInnen auf die Übertragung der PatientInnen versteht. Nach dieser Auffassung ist die Gegenübertragung gleichsam Ausdruck der »blinden Flecke« der TherapeutInnen und muss von ihnen deshalb bearbeitet werden.
Ein zweites Konzept betrachtet die gesamten emotionalen Reaktionen der Professionellen als Gegenübertragung und geht davon aus, »dass die bewussten und unbewussten Reaktionen des Analytikers auf den Patienten in der Behandlungssituation sich sowohl auf die Realität des Patienten wie auf seine Übertragung und sowohl auf die realitätsgerechten Bedürfnisse des Analytikers wie auf seine neurotischen Bedürfnisse beziehen«47.
Dieses zweite, heute weitgehend verwendete Konzept nutzt die Gegenübertragung, um mit ihrer Hilfe den Patienten besser zu verstehen. Wir können unterscheiden zwischen »komplementären Identifizierungen« der TherapeutInnen (die bei sich die Gefühle erleben, die die PatientInnen den Übertragungsobjekten zuschreiben – während sie selbst die Gefühle erleben, die sie früher in der Beziehung zu diesen Personen empfunden haben); hier spricht man von einer komplementären Gegenübertragung. Davon unterschieden werden »kompensatorische Identifizierungen«, bei denen die TherapeutInnen sich mit der jeweiligen Instanz der PatientInnen identifizieren, d. h. das gleiche Gefühl wie die PatientInnen bzw. es stellvertretend für sie erleben. In diesem Fall spricht man von einer konkordanten Gegenübertragung.
Während sich bei der Arbeit mit neurotischen PatientInnen, je nach Art der Störung und je nach Persönlichkeit der TherapeutInnen, ganz individuelle Gegenübertragungen entwickeln, zeichnen sich die Interaktionen mit Borderline-PatientInnen durch relativ gleichartige Gegenübertragungsreaktionen aus. Schon in frühen Phasen der Behandlung kommt es bei den TherapeutInnen typischerweise zu emotional heftigen Gegenübertragungen, die eine Reaktion auf die intensiven, chaotischen Übertragungen der PatientInnen darstellen.
Im therapeutischen und betreuerischen Kontakt mit Borderline-PatientInnen kann es zu den folgenden Gegenübertragungsproblemen kommen.
Ein erstes Problem ergibt sich daraus, dass die Professionellen durch den intensiven Gefühlsaustausch mit den PatientInnen sehr weit in eine empathische Regression hineingezogen werden können. Unter dem Einfluss der projektiven Identifizierung der PatientInnen kann es dann auch bei den Professionellen zu einer Wiederbelebung früher konflikthafter Objektbeziehungen und damit auch bei ihnen zu einer Reaktivierung der projektiven Identifizierung kommen. Die Konsequenz einer solchen Gegenübertragung kann sein, dass
• in den TherapeutInnen alte Ängste in Verbindung mit frühen aggressiven Impulsen auftauchen
• es bei den TherapeutInnen zu einer gewissen Auflösung der Ich-Grenzen kommt
• eine starke Versuchung besteht, den Patienten dominieren zu wollen, da dieser nun mit einem bedrohlich erlebten Objekt aus der eigenen Vorgeschichte der TherapeutInnen identifiziert wird.
Die TherapeutInnen besitzen indes eine Reihe wirksamer Kompensations- und Kontrollmechanismen. So bleiben bestimmte Ich-Anteile intakt, und es kommt in der Regel nur zu einer umschriebenen Auflösung der Ich-Grenzen. Meist finden die TherapeutInnen während oder nach der Therapiesitzung ihr seelisches Gleichgewicht wieder und arbeiten die Gegenübertragungsgefühle in der Selbstreflexion oder in der Supervision durch.
Das zweite Gegenübertragungsproblem rührt von der ausgeprägten prägenitalen Aggression der Borderline-PatientInnen (
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2. Vorlesung, Entwicklung) her, die einen starken Einfluss auch auf die Gegenübertragung ausübt. Die TherapeutInnen stehen häufig unter dem Eindruck, alles falsch zu machen und sehen sich mit massiven Entwertungen seitens der PatientInnen konfrontiert, was bei den Professionellen zu den folgenden Gegenübertragungsreaktionen führen kann:
Masochistische Unterwerfung unter das aggressive Verhalten der PatientInnen,
unverhältnismässige Zweifel an den eigenen Fähigkeiten,
übertriebene Furcht vor Kritik durch Dritte,
Ausagieren heftiger aggressiver Impulse gegen den Patienten. In diesem Fall identifiziert sich der Therapeut mit den autoaggressiven Tendenzen des Patienten.
• Ein sado-masochistischer Clinch zwischen Therapeut und Patient in Form einer Macht-Ohnmacht-Spirale mit schnell wechselnden Rollen.
Eine dritte Art von Gegenübertragungsdispositionen resultiert aus den narzisstischen Störungsanteilen der Borderline-PatientInnen: Es kann auf Seiten der Professionellen zu einem narzisstischen Rückzug der TherapeutInnen kommen, der sich in der folgender Weise zeigt:
Emotionale Distanzierung des Therapeuten vom Patienten,
narzisstischer Rückzug des Therapeuten aus der Realität, z. B. durch die Vorstellung, diesem Patienten auf jeden Fall helfen zu können. Zusammen mit den Spa...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Erste Vorlesung: Deskriptive Diagnostik
  7. Zweite Vorlesung: Strukturelle Diagnostik und entwicklungspsychologische Aspekte
  8. Dritte Vorlesung: Differentialdiagnose
  9. Vierte Vorlesung: Behandlung und Behandlungstechnik
  10. Fünfte Vorlesung: Arbeit mit Borderline-PatientInnen auf tiefem Funktionsniveau
  11. Literatur
  12. Stichwortverzeichnis
  13. Personenverzeichnis