Förderung bei sozialer Benachteiligung
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Förderung bei sozialer Benachteiligung

  1. 174 Seiten
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Förderung bei sozialer Benachteiligung

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche weisen primär keine körperlichen Beeinträchtigungen auf und werden vom deutschen Schulsystem bisher in keiner spezifischen eigenen Schule aufgenommen, sondern kommen in verschiedenen Institutionen unter bzw. scheitern dort. Das Buch beschäftigt sich mit der Förderung dieser Schülerinnen und Schüler, die eine sehr heterogene Gruppe in unterschiedlichen Lebenskontexten darstellen. Grundsätzlich werden Kinder aus armen Familien, Kinder mit Migrationshintergrund und aus Flüchtlingsfamilien, Risikokinder aus Risikofamilien und traumatisierte Kinder als sozial benachteiligt bezeichnet. Weil soziale Benachteiligung allerdings nicht ohne ihre gesellschaftliche Kehrseite, die soziale Bevorzugung, zu denken ist, stellt dieses Buch auch ein soziologisches Plädoyer für mehr Gerechtigkeit in Deutschland dar und reflektiert zudem professionstheoretische Untersuchungsergebnisse für ein Umdenken im schulischen Alltag.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783170275683
1

Soziale Benachteiligung

1.1 Grundmuster sozialer Benachteiligung

Das Grundmuster sozialer Benachteiligung orientiert sich nicht strukturgebend an einer Polarisierung von individueller Leistung eines Menschen oder einer Menschengruppe auf der einen Seite und Minderleistung auf der anderen Seite. Eine so entstandene Hilfsbedürftigkeit ist nicht in erster Linie gemeint, wenn im Folgenden von sozialer Benachteiligung die Rede sein wird. Vielmehr entsteht und stabilisiert sich soziale Benachteiligung durch die Prioritätensetzungen derjenigen, die mehr oder weniger zufällig wohlhabend sind. Soziale Benachteiligung ist die Kehrseite sozialer Bevorzugung in einer Gesellschaft oder Weltgemeinschaft. Sie ist in einigen Fällen leicht zu erkennen, weil Glaubensgemeinschaften, ethnische Gruppen oder ein einzelnes Geschlecht bevorzugt werden. In vielen Fällen vollzieht sich soziale Benachteiligung allerdings weit weniger offensichtlich, dennoch in jeder wohlhabenden Gesellschaft mehr oder weniger häufig.
Der allgemeine Wohlstand innerhalb eines Landes kann in geographischer Fügung – etwa durch Bodenschätze oder Klima – wurzeln, kann aus einer geschichtlichen Vorrangstellung – etwa durch Fleiß und Pioniergeist einer früheren Generation – hervorgehen, resultiert aus längeren Abwesenheiten von Kriegen, wird begünstigt durch eine – z. B. rechtsstaatliche – Gesellschaftsordnung oder ist auf Erfindungsreichtum und Schaffenskraft einzelner Forschungsvertreter zurückzuführen. Wenn der Wohlstand einer Gesellschaft oder Weltgemeinschaft nur ausgewählten Mitgliedern dieser Gemeinschaft zugutekommt, muss allerdings von sozialer Benachteiligung der nicht-ausgewählten Mitglieder gesprochen werden. In einer zivilisierten Welt sollte es möglich sein, anhand belegbarer Beispiele das Grundmuster sozialer Benachteiligung zu beschreiben.
Der geneigte Leser ist deshalb im Folgenden eingeladen, über Beispiele eines zweifelhafte Umgangs der industrialisierten westlichen Welt mit Mensch, Tier und Natur nachzudenken. Dabei darf zu Beginn des ersten Kapitels in diesem Fachbuch ein eher journalistisch-reißerischer Stil helfen, die Brisanz des weltweiten Benachteiligungsmusters deutlich zu machen. Bewusst wird dabei ein provozierender Grundton angeschlagen. Dieser legt sich dann ab Kapitel 1.2 weitgehend wieder!

a) Wie unsere Handys und Computer die Menschen in Afrika quälen

Weltweit besitzen mehr als 5 Milliarden Menschen ein Mobiltelefon (Obert 2011). Der Journalist Frank Poulsen (2011) berichtet, dass potentiell jeder Handy-Besitzer mit dem Erwerb seines Mobiltelefons den Krieg im Kongo angeheizt hat, der in den letzten 15 Jahren 5 Millionen Menschenleben kostete (Obert 2011). Für einen Lohn von wenigen Cents graben und leben die Kinder oft Tage lang in dunklen Tunneln tief unter dem Tageslicht. Der Hintergrund ist schnell berichtet: Für die Produktion von Handys werden spezielle Mineralien benötigt, unter ihnen Coltan. Seit im Jahre 2003 die weltgrößte Mine zum Abbau von Coltan in Australien geschlossen wurde, boomt das Geschäft im Kongo. Bis zu 80 % der Weltvorkommnisse liegen hier im Inneren der Erde (Weber 2009). Im Ostkongo gibt es hunderte Minen mit den wertvollen Mineralien. Die knapp zwei Millionen Bergleute könnten reich sein, wenn sie nicht von den Rebellen unterdrückt und entrechtet würden. Diese verwenden die Einnahmen für die Finanzierung ihrer Waffen. Der Krieg wird auf dem Rücken der Arbeitenden geführt. Beobachter berichten über Zwangs- und Kinderarbeit, über Mord und Massenvergewaltigung. Ein französischer Journalist berichtet: „Wer nicht mehr arbeiten kann, weil ihn die Maloche in der schwülen Hitze ausgelaugt hat, wird einfach geköpft oder erschossen“ (Weber 2009). Als Frank Poulsen (2011) verschiedene Mobilfunkunternehmen mit seinen Rechercheergebnissen und den Filmaufnahmen konfrontierte, musste er erleben, dass den betreffenden Unternehmenssprechern die Umstände der Rohstoffgewinnung nicht nur bekannt waren, sondern dass die Unternehmen „aus Wettbewerbsgründen“ nichts im Alleingang unternehmen wollen, um den Grausamkeiten ein Ende zu bereiten. Aus Wettbewerbsgründen (Poulsen 2011)! Durch ein Gütesiegel, das Mineralien aus Minen mit fairem Umgang kennzeichnet, sollen in Zukunft die Wege der Rohstoffe transparent gemacht werden. Wissenschaftler der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover entwickelten ein Verfahren, mit dem die Herkunft und der Weg des Coltan eindeutig bestimmt werden können. Internationale Unternehmen können dann – trotz des Wettbewerbs – nur noch Erze aus fairem Bergbau einkaufen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat in dieses Projekt 3,2 Millionen Euro investiert (Obert 2011). Es könnte also sein, dass dem unmenschlichen Schicksal der achtjährigen Kinder in absehbarer Zeit ein Ende bereitet wird, nachdem die Unternehmen und alle übrigen Mitwissenden mehr als zehn Jahre lang viele Millionen Handys gebaut, beworben und mit hohem Gewinn verkauft haben, obwohl sie wussten, unter welchen Umständen die notwendigen Rohstoffe gefördert wurden. So quälen wir durch unsere immer neuen Handys die Menschen in Afrika.
Aber was hat es mit den Computern auf sich? Der Fotograf Pieter Hugo (2011) stellte einen Bildband zusammen, in dem er den Verbleib großer Mengen Elektroschrotts aus Europa und anderen Industriestaaten in Ghana dokumentierte (Hugo 2011). Jährlich fallen hierzulande rund 50 Millionen Tonnen Elektromüll an, die zu einem großen Teil per Container in die Dritte Welt verschifft werden. Dort entsteht eine gigantische Müllhalde. Die Landschaft wird zerstört und die Menschen leben im und zunehmend auch vom Elektroschrott. Auf den riesigen Schrotthalden suchen tausende Menschen nach Spuren von Gold, Coltan oder Kupfer in Handys, Computern und Laptops. Sie verbrennen Plastikgehäuse und Kabelisolierungen, um an die „Innereien“ heran zu kommen. Ganze Landstriche sind eingenebelt von unentwegt aufsteigenden schwarzen Rauchsäulen. Die Atemwege der so tätigen Kinder und Erwachsenen sind durch die hochgiftigen Dämpfe schweren Belastungen ausgesetzt. Das Recycling von Elektroschrott ist für die Industrieländer ein Kostenfaktor. Die billigere Lösung ist, den Elektroschrott illegal nach Afrika zu verschiffen, indem er über kriminelle Händler verkauft wird. In den letzten Jahren wurden auf diese Weise rund ein Drittel der Elektrogeräte, die angeblich als funktionstüchtig geliefert wurden, sofort als unbrauchbar aussortiert und auf den heimischen Schrottplätzen entsorgt. Laut Greenpeace werden die Geräte als gebraucht, aber funktionstüchtig ausgegeben, doch immer wieder stellt sich heraus, dass sie defekt sind (Zeisel & Kaledzi 2012). Während in der deutschen Politik an einer Lösung für diese menschenverachtende und naturzerstörende Praxis gearbeitet wird, quälen die Wegwerf-und-neu-kaufen-Verbraucher in den Industriestaaten mit diesem und auch anderem Schrott weiter die Menschen in Afrika.
Stellen wir den Fokus etwas weiter und lassen wir uns von einem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm der französischen Filmemacherin Cosima Dannoritzer inspirieren (Dannoritzer 2011). Nach jahrelanger Recherchearbeit berichtet die Dokumentation von der Entwicklung unserer Wegwerfmentalität. Sie ist bewusst erzeugt und wird gezielt unterhalten. Die Verbraucher sollen immer wieder neu kaufen und wegwerfen wollen. Das Ergebnis ist ein Lebensstil, der wirtschaftliches Wachstum ermöglicht – aber zugleich eine Müllmenge produziert, die den oben beschriebenen Computerschrott nahezu marginalisiert. Diesen Behauptungen soll im nächsten Abschnitt nachgegangen werden.

b) Geplante Obsoleszenz als Motor für die Wirtschaft

Mit dem Begriff der geplanten Obsoleszenz wird eine Strategie der Wirtschaftsvertreter bezeichnet, die auf Wachstum ausgerichtet ist. Wir unterscheiden heute zwei Formen geplanter Obsoleszenz. Die eindeutig ältere zielt auf technische Fehler, die nach einer vorgesehenen Zeit oder nach einem bestimmten Leistungsumfang auftreten und von den Herstellern geplant sind. Sie sollen das jeweilige Gerät funktionsunfähig machen. Uns allen ist geläufig, dass Drucker gemeinhin über eine sehr begrenzte Laufzeit verfügen. Sie melden je nach Marke bereits nach wenigen tausend Ausdrucken einen Fehler im System. Der Besitzer wird in vielen Fällen mit der etwas überraschenden Auskunft konfrontiert, dass es günstiger sei, einen neuen Drucker zu kaufen, als den alten reparieren zu lassen. Geht der Kunde darauf ein, hat die geplante Obsoleszenz ihren Zweck erfüllt. Nachforschungen haben ergeben, dass heute in handelsübliche Drucker von den Herstellern EPROM-Chips eingebaut werden, die nach einer vorgegebenen Menge an Ausdrucken – unabhängig vom realen Verschleißaufkommen – eine Fehlermeldung initiieren. Diese Fehlermeldung blockiert den weiteren Betrieb und führt schließlich über das oben beschriebene Procedere zu einem Neukauf. In Amerika wurden die Filmemacher Fan und Casey Neistat über Nacht berühmt, weil sie sich gegen diese Form des Wirtschaftswachstums von Apple wehrten (Neistat & Neistat 2012). Als Casey Neistat nach nur 18 Monaten einen Ersatz-Akku für seinen iPod benötigte, aber von der Firma keinen erhielt, sondern ihm lediglich zum Kauf eines neuen iPod geraten wurde, drehten die Brüder einen Film über das Geschehen. Der Film wurde im Internet mehr als zwei Millionen mal angesehen. Zahllose iPod-Besitzer bestätigten daraufhin eine ähnliche kurze Haltbarkeit ihres Akkus. Eine Anwältin aus San Franzisco reichte Klage wegen geplanter Obsoleszenz ein und Apple startete ein Ersatzprogramm für iPod-Akkus (Neistat & Neistat 2012).
Das berühmteste Symbol der geplanten Obsoleszenz ist die Glühbirne. Nach der Erfindung der Glühbirne 1879 erreichten die industriell produzierten Glühbirnen schon bald eine Lebensdauer von über 2500 Stunden. In den Räumen der amerikanischen Feuerwache Livermore brennt noch heute eine Glühbirne aus dem Jahr 1901. Sie war 1895 produziert worden und wird seit einigen Jahren täglich mehrfach fotografiert. Das jeweils aktuelle Foto findet sich im Internet auf der Homepage der wachsenden Fan-Gemeinde dieser tapferen Glühbirne (Bunn Graphics 2012). Bis ins Jahr 1924 hinein wurden immer längere Leuchtzeiten der Glühbirnen erreicht. An Weihnachten 1924 geschah dann etwas Wegweisendes für unser heutiges Wirtschaftssystem: Ein Kartell der damals führenden Glühbirnenherstellern der Welt beschloss in einer Geheimsitzung in Genf, die Lebensdauer der Glühbirne einheitlich auf 1000 Stunden zu begrenzen (Dannoritzer 2011). Ab 1929 gab eine Tabelle Auskunft darüber, wie viel Geld ein Unternehmer an Strafe zu zahlen hatte, falls seine Produkte im Durchschnitt wesentlich über der 1000-Stunden-Grenze brannten. Der Grund für diese Selbstbegrenzung lag in einer beabsichtigten Steigerung der Verkaufszahlen. 1942 flog das Kartell auf. Nach 11 Jahren Gerichtsverfahren wurde die künstliche Reduzierung der Lebensdauer gerichtlich untersagt. Obwohl zwischenzeitlich mehrere Patente erteilt wurden, die eine Produktion wesentlich robusterer Glühbirnen ermöglichen, beträgt die durchschnittliche Lebensdauer einer handelsüblichen Glühbirne auch heute noch rund 1000 Stunden. Die geplante technische Obsoleszenz hat sich in der weltweiten Produktion quer durch alle Produkte durchgesetzt. Taschenlampen, Nylonstrümpfe, Motorroller – in allen Produktkategorien wird mittlerweile durch geplante Obsoleszenz für mehr Absatz gesorgt. Die Kunden sind damit nicht glücklich, fühlen sich bisweilen über den Tisch gezogen, sehen dann aber häufig rasch ein, „dass da nichts mehr zu machen ist“, und kaufen eben neu.
Viel freiwilliger fügt sich der moderne Mensch allerdings in die geplante ästhetische Obsoleszenz. Auch hier reichen die Wurzeln in die 1920er Jahre zurück. Hernry Ford steht in dieser Zeit für die Entwicklung der Massenproduktion durch das Fließband. Sein Ford T wurde in legendär hoher Stückzahl hergestellt und galt als ausgesprochen robust. Filmdokumente aus der damaligen Zeit zeigen das Auto im Einsatz auf dem Feld ebenso wie im Straßenverkehr und auf unwegsamem Gelände (Dannoritzer 2011). Der zeitlo...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einführung: Ein Buch über Förderung bei sozialer Benachteiligung – Was ist da zu erwarten?
  6. 1 Soziale Benachteiligung
  7. 2 Pädagogische Förderung als Beruf
  8. 3 Schulische Förderung bei sozialer Benachteiligung
  9. Verwendete Literatur