Expressive Sandarbeit in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen
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Expressive Sandarbeit in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

  1. 240 Seiten
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Expressive Sandarbeit in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

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Über dieses Buch

Psychotherapiemethoden, die ohne sprachliche Verständigung auskommen, den Körper als Ausdrucksorgan miteinbeziehen, interkulturell anwendbar sind und die psychischen Selbstheilungskräfte aktivieren, gehört die Zukunft. Die von Dora Kalff konzipierte Sandspieltherapie und die von Eva Pattis Zoja entwickelte Expressive Sandarbeit kann auch in der Therapie mit fremdsprachlichen Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden und so einen wichtigen Beitrag zur Arbeit mit Flüchtlingsfamilien leisten. Zehn Autoren aus unterschiedlichen Kulturkreisen und Ländern beschreiben in diesem Buch anschaulich und übersichtlich Sandspielprozesse von Kindern verschiedener Altersgruppen. Im Vordergrund stehen die Themen Migration und Adoption.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783170306370
Auflage
1

Teil I: Sandspieltherapie

1 Sandspieltherapie als präverbale Sprache und Ausdruck des Körpers

Ana Deligiannis, aus dem Spanischen übersetzt von Elisabeth Zoja

Dieses Kapitel der argentinischen Analytikerin Ana Deligiannis bildet den theoretischen Rahmen, der es uns ermöglicht, Sandspieltherapie und Expressive Sandarbeit einzuorden. Das Hauptaugenmerk liegt auf präverbalen Ausdrucksformen und Prozessen. Und gerade weil letztere noch in keiner sprachlichen Struktur eingebettet sind (sprechen bedeutet ja bereits denken), ist es wesentlich, dass einerseits die vom Therapeuten beobachteten Phänomene nicht unreflektiert und unartikuliert ›in der Luft hängen‹ und andererseits auch nicht in starre Interpretationsschemen gepresst werden. Welche wesentliche Rolle der Körper und das reziproke Körperbewusstsein von Therapeut und Klient dabei spielt, wird hier angedeutet und in den folgenden Kapiteln vertieft.
Die Sandspieltherapie ist eine psychotherapeutische Methode, die mit tiefen, präverbalen Ebenen der Psyche arbeitet. Die theoretische Grundlage dafür bietet die Psychologie Carl Gustav Jungs: Sandspieltherapie kann im weitesten Sinne als eine Form von Aktiver Imagination betrachtet werden. Sie stellt einen unbewussten Prozess dar, der direkt in Kontakt mit der Innenwelt steht und als Brücke zur Außenwelt fungiert, das Hervortreten einer symbolischen Haltung fördert und die Möglichkeit bietet, vergangene Situationen und sich wiederholende Muster neu zu gestalten.
Die heilende Wirkung liegt dabei nicht in der Interpretation der Gestaltung, sondern vor allem im Erleben des Prozesses, wobei dasselbe selbstverständlich verschiedene Bewusstseinsgrade hat. Im Unterschied zu rein verbalen Therapien (bei denen Erkenntnisse auf kognitiver Ebene bleiben könnten), wird hier über den taktilen Kontakt der Hände mit dem Sand und der benutzten Objekte der Körper miteinbezogen, also eine »Verköperung« der Prozesse angestrebt. Der Körper registriert neue Erlebnisse, die als verkörperte Erkenntnisse aufbewahrt werden, sodass sie später in Form von spontanen Bildern wieder auftauchen können. Sandspieltherapie aktiviert die präverbale Kommunikation: deshalb ermöglicht sie uns, zu Erinnerungen aus dem Unbewussten und in das implizite Gedächtnis vorzudringen, Abwehrmechanismen zu umgehen und verborgenen Bedürfnissen, seelischen Verletzungen oder unausgedrückten Talenten auf die Spur zu kommen. Die Erfahrung von Primärgefühlen – Angst, Wut, Trauer, Freude, Ekel und Überraschung – die vor dem Eintreten der Sprachfähigkeiten stattfand, ist in frühen Bewegungsmustern abgespeichert und leben in unserer Gestik und Körperhaltung weiter: Der Körper kann sich entweder über psychosomatische Symptome an eine traumatische Erfahrung erinnern oder sie völlig ausschalten, in dem er die bewusste Erinnerung blockiert bzw. betäubt. Diese im Körper abgespeicherten Emotionen – »verkörperte Erinnerungen« – sind in einem Großteil der Fälle wiederum nur über den Körper, über die Bewegung oder auch über das Gestalten im Sand zugänglich. Doch selbst emotional intensive Erfahrungen aus späteren Lebensjahren können oft nicht verbalisiert werden, während ihnen eine Inszenierung im Sandspiel Ausdruck verleihen kann. Traumatische Erlebnisse aus der frühen Kindheit sind meist dissoziiert, d. h. aus dem Bewusstsein ausgeblendet und in Form von Komplexen im Unbewussten, im impliziten Gedächtnis aufbewahrt (Wilkinson, 2007). Solche Erfahrungen erhöhen die Tätigkeit der Amygdala und verursachen eine Aktivitätssteigerung des impliziten emotionalen Gedächtnisses: Damit wird die Einspeicherung neuer Inhalte im expliziten oder deklarativen Gedächtnis gehemmt, was natürlich den Erinnerungsprozess erschwert. Jene emotional geladenen Fragmente, die in Form von Komplexen im Unbewussten aufbewahrt werden, werden auch im Körper gespeichert und treten oft in Form somatischer Symptome auf. Solche zurückgehaltenen oder eingefangenen Affekte können durch imaginative Tätigkeiten ihren Ausdruck finden und dazu beitragen, eine Beziehung zwischen implizitem und explizitem Gedächtnis herzustellen. Das Imaginieren mit Hilfe der Hände begünstigt sowohl den dramaturgischen Ausdruck psychischer Inhalte als auch die meist überraschende Begegnung mit einer neuen, kräftigenden Instanz, der transzendenten Funktion. Laut Chodorow (1994) ist Imagination nicht nur ein symbolischer Prozess, sondern führt zum emotionalen Kern der Komplexe. Die Imagination hat neben der reproduktiven auch eine produktive Funktion, dank der sie Bilder erschafft. Seit dem Beginn neurowissenschaftlicher Forschung hat Johnson (1992) die These aufgestellt, dass Imagination die körperlichen Strukturen und das kognitive Denken miteinander verbindet und deshalb bei Prozessen wie Verständnis, methodischem Gedankengang und Kommunikation eine wichtige Rolle spielt. Johnson argumentiert, dass es keine unüberwindbare Kluft zwischen Vernunft und Imagination und damit keine nackte Rationalität gibt: Es sei also unentbehrlich, unseren Erfahrungen mit Imagination zu begegnen, um ihren Sinn zu erkennen. Diese ermöglicht nämlich erst den Ablauf von Prozessen wie Schlussfolgern, Problemlösen, propositionelle Strukturen und Abstrahierung von Konzepten. Nach Johnson (1992) wirkt die Imagination als eine Art Brücke zwischen konkreter Erfahrung und abstrakter Konzeptualisierung. Aus philosophischer Perspektive hat Bachelard die Imagination als Vorläuferin wissenschaftlicher Entdeckungen betrachtet. Wenn man nun von dieser imaginierenden Fähigkeit der Seele (Jung, 1926) und von der Idee der Imagination als via regia zum Unbewussten ausgeht, kann man annehmen, dass Sandspiel die schöpferische Fantasie fördert: Es werden dabei Kanäle geöffnet, die der Psyche ermöglichen, sich auszudrücken und zu verwandeln. Die Arbeit mit dem Sandspiel ist ein Weg der Erkenntnis, der auf die präverbale Stufe zurückgreift: Er zielt weniger auf eine kathartische Entladung der Emotionen ab und versucht vielmehr, Bedeutungen zu enthüllen und seelische Verletzungen zu versorgen, in anderen Worten: es entstehen neue Sinnesinhalte. Dabei wird »[d]iese merkwürdige Verwandlungsfähigkeit der menschlichen Seele, die sich eben in der transzendentalen Funktion ausdrückt […]« (Jung GW 7, 1934, S. 241, §360) aktiviert: eine angeborene Fähigkeit, die im Rahmen der Selbstregulierung und Kompensation der Psyche wirkt, einen Bereich von Grenzüberschreitungen generiert und damit letztendlich eine neue symbolische Haltung erzeugt. Sie ermöglicht dem zurückgehaltenen oder eingefangenen Affekt einen Ausdruck über die Bilder, in einem Stadium, in dem die Wörter noch nicht in der Lage sind, ihn zu erfassen.
Heutzutage sind die Neuroplastizität und ihre Beziehung zur Kreativität bedeutende Bestandteile der Neurowissenschaften. Dieses Konzept könnte mit dem jungianischen der schöpferischen Kraft und ihren Implikationen für das therapeutische Arbeiten in Bezug gesetzt werden (Wilkinson, 2007). Es gibt eine Wechselbeziehung zwischen organischer und psychischer Plastizität. Inzwischen ist bekannt, wie wichtig für Kinder in den ersten Lebensjahren die Beziehung zu ihren Bezugspersonen ist und wie gravierend andererseits die Auswirkungen emotionaler Deprivation sein können. Nichtsdestoweniger kann man sagen, dass Gehirnplastizität – auch im Falle negativer Erfahrungen oder einer beschränkten emotionalen Entwicklung – die Möglichkeit zur Veränderung bietet, vor allem im Rahmen offen-annehmender und stützender Beziehungen. Siegel (1999) schreibt: »Es sind die menschlichen Beziehungen, die den neuronalen Verbindungen, aus denen der Geist entsteht, Form geben«. Im Unterschied zum genetischen Determinismus eröffnet die Neuroplastizität die Möglichkeit der Andersartigkeit und Einzigartigkeit. Wenn das neuronale Netz die Möglichkeit seiner eigenen Veränderung impliziert (Anserment & Magistretti, 2010) und das Unbewusste nach Jung eine schöpferische und heilende Kraft besitzt, könnten sich selbst die seelischen Wunden frühester Kindheit tilgen, oder genauer, sich einen Weg bahnen, der anders ist als der bisher betretene. Im Kontext eines therapeutischen Prozesses könnten sowohl die Übertragungsbeziehung als auch Methoden zur Aktivierung der transzendenten Funktion neue Wege einleiten und somit die Entstehung einer neuen inneren Wirklichkeit ermöglichen. Aus neurologischer Sicht: Es könnten neue neuronale Verbindungen entstehen.
Eine Reihe von therapeutischen Prozessen könnten mit dem Konzept der Umgestaltung im Rahmen der Psychoanalyse in Beziehung gesetzt werden. Es ist bereits bekannt, dass der Wiederholungszwang den unbewussten Versuch darstellt, zur konflikthaften oder traumatischen Situation zurückzukehren, um sie ein für alle Mal zu berichtigen. Das Unangenehme oder Schmerzhafte zeigt sich demnach immer wieder in Form von Wiederholungen: sowohl im Leben, als auch im analytischen Übertragungsprozess. Im klinischen Bereich kann immer wieder diese Art von »Wiederholung« beobachtet werden, doch seit zwei Jahrzehnten spricht man im psychoanalytischen Kontext auch von Umgestaltung. Statt das Altbekannte zu wiederholen, wird es neu gestaltet. Dabei geht es darum, das bisher Unveränderte zu verarbeiten, das bereits Erlebte zu verändern statt zu wiederholen (Lerner, 2001). Es bezieht sich auf die Erscheinung dessen, was niemals erlebt wurde, sich jedoch im therapeutischen Rahmen zum ersten Mal ereignen kann. Wie kann man das bisher Unveränderte verändern? Wie das bisher niemals Dargestellte darstellen? Welche sind die Bedingungen, die für die Möglichkeit eines Umgestaltens im therapeutischen Rahmen notwendig sind? Die Möglichkeit Geschehnisse zu verarbeiten und umzugestalten existiert in einem potentiellen Raum. Es ist ein vertrauenswürdiger Rahmen mit folgenden Faktoren nötig: Empathie, Verständnis, Unterstützung bei der Symbolisierung (Lerner, 2008), bei der Reflexion sowie der Kohärenzerzeugung, der Bezeichnung und Unterscheidung von Emotionen (Nemirovsky, 2009). Eine Bindung solcher Art kann bei der Umgestaltung von Mustern behilflich sein und ermöglicht die Bewusstwerdung früher unbefriedigter Bedürfnisse und entsprechender Verarbeitungsmöglichkeiten.

Zusammenfassung

Sandspieltherapie aktiviert die präverbale Kommunikation: deshalb ermöglicht sie uns, zu Erinnerungen aus dem Unbewussten und in das implizite Gedächtnis vorzudringen, Abwehrmechanismen zu umgehen und verborgenen Bedürfnissen, seelischen Verletzungen oder unausgedrückten Talenten auf die Spur zu kommen. Davon ausgehend werden die Konzepte von Imagination, Körperbewusstsein, Neuroplastizität und psychische Umgestaltung erläutert.

Literatur zur vertiefenden Lektüre

Jung, C.G. (1971). GW Bd. 7. Olten: Walter Verlag.
Ammann, A. (1991). Aktive Imagination, Darstellung einer Methode. Olten: Walter Verlag.
Siegel, D. (2012). Mindsight, die neue Wissenschaft der persönlichen Transformation. München: Goldmann.
Hüther, G. (2006). Die Macht der inneren Bilder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Müller, L., Lutz, A. (2003). Wörterbuch der analytischen Psychologie. Düsseldorf: Patmos.

Weiterführende Fragen

• Auf welche Weise stehen Immagination und kognitives Denken miteinander in Zusammenhang?
• Über welche vorsprachlichen Kommunikationskanäle teilen sich unbewusste Inhalte in der Sandspieltherapie dem Therapeuten mit?
• Wie stehen der von Jung geprägte Begriff der Komplexe und die von Jung beobachtete Tatsache, dass die Psyche Bilder erzeugt (Bild = Seele) zueinander?

2 Psychische Aspekte bei Kindern und Jugendlichen der zweiten Generation nach Migration1

Alexander von Gontard

Der Kinderpsychiater und Sandspieltherapeut Alexander von Gontard beschreibt hier anhand von zwei Therapiebeispielen von Kindern aus unterschiedlichen Kulturen das Thema der sogenannten »secundos«, nämlich Kinder aus der zweiten Generation der Migration.
Migration und Flucht haben in den letzten Jahren zugenommen und waren das bestimmende politische Thema in Deutschland seit 2015. Nach dem Lagebericht der Unicef (2016) reisten 2015 ca. eine Million Menschen nach Deutschland, wobei mehr als 40% aus Syrien stammten. Es wurden 440 000 Erst-Asylanträge gestellt, davon 137 000 von Minderjährigen. Von Januar bis Mai 2016 folgten weitere Asylanträge von Kindern und Jugendlichen, von denen 90 000 begleitet und 9 000 unbegleitet waren. Ende Februar befand...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Autorenverzeichnis
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. Teil I: Sandspieltherapie
  8. Teil II: Expressive Sandarbeit
  9. Literaturverzeichnis
  10. Stichwortverzeichnis
  11. Teil III: Anhang