Förderung bei Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen
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Förderung bei Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen

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Über dieses Buch

Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen gehören zu den meistdiskutierten Verhaltensauffälligkeiten. Dabei ist die Diskussion in erster Linie von der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestimmt. Aus pädagogischer Perspektive hingegen ist das Thema vergleichsweise wenig beleuchtet. Aus diesem Blick heraus bietet das Buch neben unverzichtbarem Grundlagenwissen (Erscheinungsbild, Klassifikation, Erklärungsansätze, Diagnostik, Therapie) sowohl eine eigene, interaktionistische Sicht auf AD(H)S als auch Informationen zu den Konzepten und konkreten Vorgehensweisen einer pädagogischen Förderung. Auch einschlägige Trainingsprogramme werden einer kritischen Betrachtung im Hinblick auf Evidenzbasierung und Effektivität unterzogen.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170269026

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Das Phänomen AD(H)S

Im Vergleich zu anderen bedeutenden Störungsbildern wie Ängstlichkeit oder Aggressivität und Gewalt dominiert in den fachlichen Beiträgen bei der Beschreibung dieses Phänomens nahezu ausschließlich ein – im deutschsprachigen Raum mittlerweile weitverbreitetes – Kürzel: AD(H)S. Angelehnt ist die deutsche Abkürzung am angloamerikanischen Kürzel ADHD der offiziellen Diagnosebezeichnung »Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder« des Klassifikationssystems DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, fifth edition, APA 2013). Die offizielle deutschsprachige Übersetzung der Diagnosebezeichnung im DSM-5 lautet »Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung«, wobei einige Autoren den Buchstaben ›S‹ des Kürzels AD(H)S anders wiedergeben und es als »Aufmerksamkeits-Defizit/Hyperaktivitätssyndrom«, »Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom« oder »Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitätssyndrom« bestimmen (Becker-Pfaff & Engel 2010, 177; Klicpera & Gasteiger-Klicpera 2007, 103; Ellinger 2007, 121). Hinter der Abkürzung AD(H)S steht ein Phänomen, das ein relativ komplexes Erscheinungsbild aufweist. In den international anerkannten Diagnosesystemen DSM-5 und ICD-10 meint AD(H)S das durchgängige Auftreten von unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Verhaltensweisen (APA 2013; Remschmidt et al. 2012). Für kritische Betrachter der Diagnose sowie des Störungsbildes AD(H)S erweckt es jedoch den Anschein, dass durch die gängige Verwendung dieses Kürzels eine vereinfachte Kategorie geschaffen wurde, um eine Vielzahl von normabweichenden Verhaltensmustern in diese Störungsgruppe einzuordnen, die aber letztlich recht heterogen sind (Dörpinghaus 2009, 23 f).
Des Weiteren findet sich in der Fachliteratur, synonym zum Begriff AD(H)S, die Bezeichnung »psychoorganisches Syndrom« (Preuss & Stümpfig 2010, 97) mit dem dazugehörigen Akronym POS, welches aber bis zum heutigen Tag ausschließlich in der Schweiz verwendet wird. Zudem nehmen einige Autoren in Bezug auf AD(H)S Begriffsneuschöpfungen vor – wie beispielsweise: »Mozart-Edison-Syndrom« (Brandau & Kaschnitz 2008, 17) oder die »Hypies« (Dietz 2006, 21; Harland 2003, 18; Schaupp 2009, 177). Mit solchen Umschreibungen wird die Absicht verfolgt, die Schwierigkeiten und Defizite der Betroffenen in den Hintergrund der Diskussion zu rücken und stattdessen deren Stärken zu betonen. Diese ressourcenorientierten Bezeichnungsformen scheinen bei einem von Autoren und Klassifikationssystemen so defizitär betrachteten Phänomen wie AD(H)S auf den ersten Eindruck durchaus nachvollziehbar zu sein. Bei einer genaueren wissenschaftlich orientierten Betrachtung fällt jedoch auf, dass diese Bezeichnungen ähnlich wie der Begriff »verhaltensoriginell« (Streßler 2008, 18; Neuhaus 2009, 108) dazu führen, empirisch nicht bzw. nicht eindeutig zu belegende positive Eigenschaften von Kindern und Jugendlichen mit AD(H)S in den Vordergrund zu rücken (
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Kap. 1.3). Dabei werden gleichzeitig die Schwierigkeiten, die sich in vielerlei Hinsicht für die betroffenen Kinder und Jugendlichen und für deren Umfeld in der schulischen und häuslichen Praxis ergeben, verschleiert – eine Folge, die letztlich für keine Seite wirklich hilfreich ist.

1.1 AD(H)S – ein klar definiertes und anerkanntes Störungsbild?

Die Mehrzahl der Autoren vertritt den Standpunkt, »dass AD(H)S und Hyperkinetische Störungen unzweifelhaft als Verhaltensstörungen mit Krankheitswert« (Biegert 2004, 73) anzuerkennen sind.
Als Gegenargument zu den in den letzten Jahren aufgekommenen Vorwürfen, AD(H)S sei eine »Modekrankheit« bzw. »Modediagnose« (Tschauer & Feuz 2011, 59 ff; Leuzinger-Bohleber 2006, 11 ff), wird häufig die Figur des »Zappelphilipp« als Prototyp eines Kindes mit AD(H)S angeführt, welcher bereits im Jahr 1844 vom späteren Psychiater Hoffmann in seinem Urmanuskript des Kinderbuches »Struwwelpeter« erschaffen wurde (Gawrilow 2013, 17). Diese Bildergeschichte belege »anschaulich, dass es die Kinder […] immer schon gab« (Hoberg 2013, 13). Ebenso beschreibt Hoffmann in diesem Werk Geschichten des »Hanns Guck-in-die Luft«, der in aktuellen Literaturbeiträgen als klassisches »Träumerchen« (Schäfer & Gerber 2007, 22), als »vorwiegend unaufmerksamer Typ« (Tücke 2005, 285) betrachtet sowie mit dem Diagnosekürzel »ADS« (Harland 2003, 17) versehen wird. In der Folgezeit des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kinder, denen vermutlich heutzutage die Diagnose AD(H)S zukommen würde, als »zappelig, impulsiv, ablenkbar, streitsüchtig, ungehorsam, rebellisch und antisozial« beschrieben (Vernooij 1992, 11).
Als nachweislicher Ursprung der wissenschaftlichen Anerkennung der Störungskategorie AD(H)S wird in vielen Beiträgen auf das Jahr 1902 und den englischen Pädiater und Professor für Kinderkrankheiten Sir George Frederic Still verwiesen (Krause & Krause 2009, 13; Müller et al. 2011, 34; Rothenberger & Neumärker 2005, 17 ff). Still (1902) habe anhand von 23 Fallgeschichten von ihm behandelter Kinder die heute gültigen Kernsymptome Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität beschreiben können (Gawrilow 2013, 18). Als Ursache für die beschriebenen Verhaltenssymptome machte er einen »defect of moral control« (Still 1902, 1009) verantwortlich, welchen er auf eine feine organische Hirnschädigung zurückführte. Historisch besonders erwähnenswert waren in der Folgezeit die Erkenntnisse der beiden Psychologen Strauss & Lehtinen (1947), die ein Buch über Kinder mit einer Hirnhautverletzung veröffentlichten und dabei Zusammenhänge zwischen Schädigungen im Zentralnervensystem und Verhaltensstörungen aufzeigen konnten (Myschker & Stein 2014, 471). Hieraus entwickelte sich für Kinder mit unaufmerksamen, hyperaktiven und impulsiven Verhaltensweisen die damalige Störungsbezeichnung einer »minimalen Hirnschädigung« (»minimal brain injury«, »minimal brain damage«) (Müller et al. 2011, 36). Mit Beginn der 1960er Jahre geriet die Bezeichnung »minimale Hirnschädigung« verstärkt in die Kritik, da bei mehreren betroffenen Kindern keine Schädigung des Gehirns gefunden werden konnte und es als unzulässig angesehen wurde, organische Schädigungen aufgrund von beobachtbaren Verhaltensweisen zu erschließen (Kessler 1980, zit. n. Myschker & Stein 2014, 473). Dementsprechend einigte man sich 1966 darauf, den »Schädigungsbegriff« durch einen »Funktionsstörungsbegriff« und die Bezeichnung »Minimal cerebral Dysfunction«, »Minimale cerebrale Dsyfunktion« (MCD) zu ersetzen (Heinemann & Hopf 2006, 9 f; Stiehler 2007, 4). Bis in die 1970er Jahre wurde in Deutschland das Kürzel MCD synonym zu den Begriffen Hyperaktivität und hyperkinetisches Syndrom verwendet. In den 1970er Jahren verlor dann das Konzept der MCD wegen fehlender wissenschaftlicher Befunde an Bedeutung (Rothenberger & Neumärker 2005, 33) – genauer gesagt zeigte eine Forschergruppe um Laucht, Eisert & Esser (1986) auf, dass bei ca. 75% der Kinder mit normaler bis höherer Intelligenz (IQ = 85) trotz nachgewiesener cerebraler Dysfunktion keine psychiatrischen Auffälligkeiten gefunden werden konnten, während wiederum bei etwa 80% der psychiatrisch auffälligen Kinder keine Hirnfunktionsstörung feststellbar war. Im Jahr 1980, mit der Veröffentlichung des DSM-III durch die APA (American Psychiatric Association), kam es infolgedessen zu einer Veränderung der Diagnosebezeichnung in »Attention Deficit Disorder« mit der Differenzierung in die beiden Subtypen »with or without hyperactivity« bzw. ADD-H (ADS) und ADD+H (AD(H)S) (Rothenberger & Neumärker 2005, 37; Müller et al. 2011, 37). Das DSM-III brachte darüber hinaus noch eine weitere Neuerung mit sich, indem erstmalig genaue Kriterien bestimmt wurden, die einer Diagnose zugrunde zu legen wären (Müller et al. 2011, 37). Es folgte im Jahr 1987 eine Revision des DSM-III, die es vorsah, auf den Subtyp »without hyperactivity« weitestgehend zu verzichten, weil man der Ansicht war, dass Aufmerksamkeitsstörungen gewöhnlich mit Hyperaktivität einhergehen (Krause & Krause 2009, 3). Aus diesem Grund wurde die »reine« Aufmerksamkeitsstörung in die Restkategorie »Undifferentiated ADD« verschoben, was wiederum zu einer weiteren und bisher letzten Namensänderung im DSM führte: »Attentiondeficit-Hyperactivity Disorder« (Müller et al. 2011, 37). Verglichen mit dieser begrifflichen Weiterentwicklung und dem Wechsel vom Fokus auf Hyperaktivität zum Aufmerksamkeitsdefizit im DSM blieb es im Klassifikationssystem der ICD (International Classification of Diseases) der WHO (World Health Organization) seit der ersten Aufnahme des Störungsbildes im Jahr 1974 bei einer Betonung der Hyperaktivität, sodass auch in der aktuellen Einteilung der ICD-10 die Bezeichnung »Hyperkinetische Störungen« (HKS) lautet (Remschmidt et al. 2012, 33). Somit wird hier die Diagnose »AD(H)S« nicht gestellt, sondern ist nur für das DSM gültig.

1.1.1 Definition und Klassifikation von AD(H)S

Beide international gültigen Klassifikationssysteme sind kategorial angelegt, d. h. es wird eine Entscheidung getroffen, ob eine Störung bzw. Krankheit vorliegt oder nicht. Dabei wird sowohl im DSM-5 als auch in der ICD-10 eine primär deskriptive Einteilung verfolgt, also in Unabhängigkeit von bestimmten Erklärungskonzepten und Theorien. Im Hinblick auf AD(H)S werden verschiedene Verhaltensauffälligkeiten bestimmten (Haupt-)Symptomen zugeordnet, um bei der Gesamtbeurteilung zu entscheiden, ob die Diagnose AD(H)S erfüllt ist. Angesichts ihrer deskriptiven Ausrichtung sind beide Klassifikationssysteme weder in der Lage, genauere Aussagen über die Ätiologie von AD(H)S zu treffen, noch direkte Hinweise für das pädagogische und didaktische Handeln zu geben (Staufenberg 2011, 30).
Übereinstimmend gehen sowohl DSM-5 für die Diagnose »Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung« (314) als auch ICD-10 für das Vorliegen von »Hyperkinetischen Störungen« (F90.0) vom Vorhandensein der drei Kernsymptome »Unaufmerksamkeit, motorische Unruhe und Impulsivität« aus (Lehmkuhl & Döpfner 2008, 215). In der Langfassung der Stellungnahme der Bundesärztekammer (2005) zur »Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung« werden die drei Hauptsymptome wie folgt dargestellt:
• Die Aufmerksamkeitsstörung zeigt sich durch eine fehlende Ausdauer bei Leistungsanforderungen sowie in der Neigung, nicht bei der zu bearbeitenden Aufgabe zu bleiben und stattdessen zu anderen Tätigkeiten zu wechseln.
• Die Hyperaktivität wird als »unruhiges Verhalten, insbesondere mit der Unfähigkeit, stillsitzen zu können« beschrieben (Bundesärztekammer 2005, 5).
• Kennzeichnend für die Impulsivität sind »abrupte[n] motorische[n] und/oder verbale[n] Aktionen, die nicht in den sozialen Kontext passen« (ebd.).
In beiden Klassifikationssystemen werden ähnliche zentrale Kriterien aufgelistet, die für die Diagnose Voraussetzung sind. Die erste Bedingung ist, dass die auftretende Symptomatik nicht dem zu erwartenden Entwicklungsstand entspricht, situationsübergreifend und in einem »abnormen Ausmaß« (Lehmkuhl & Döpfner 2008, 215) in Erscheinung tritt. Neben dem Grad der Ausprägung ist der frühe Beginn der Störung vor dem sechsten (ICD-10) bzw. zwölften Lebensjahr (DSM-5) sowie das konstante Auftreten der Symptome über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten maßgeblich (ICD-10 sowie DSM-5).
Zudem sollte die Störung in zumindest zwei Lebensbereichen gleichbleibend vorkommen – z. B. in der Schule, Familie, im Kindergarten oder im Unterricht (Lehmkuhl & Döpfner 2008, 215). Aufgrund der hohen Komorbiditätsrate (
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Kap. 1.1.3) von AD(H)S ist für beide Klassifikationssysteme eine gründliche Differentialdiagnose erforderlich (Lehmkuhl & Döpfner 2008, 215; Quaschner et al. 2011, 158). Hier gilt es auszuschließen, dass die auftretenden Symptome nicht vordergründig auf andere psychische Störungsbilder zurückzuführen sind – wie beispielsweise affektive Störungen, Angststörungen oder Störungen des Sozialverhaltens.

Klassifikation der Störung nach dem DSM-5

Im Klassifikationssystem des DSM-5 unterscheidet man drei »Präsentationen« von AD(H)S. Zunächst ist die »reine« Aufmerksamkeitsstörung, die vorwiegend unaufmerksame Präsentation zu nennen (APA 2013, 60). Die Betroffenen scheinen dauernd verträumt, den Faden zu verlieren und fallen durch ein langsames und eher introvertiertes (Arbeits-)Verhalten auf (Frölich et al. 2014, 15). Voraussetzung für die Diagnose ist, dass die Kriterien für Hyperaktivität und Impulsivität nicht erfüllt, jedoch sechs (oder mehr) Symptome der Unaufmerksamkeit vorhanden sind (APA 2013, 60). Zweitens soll davon die vorwiegend hyperaktiv-impulsive Präsentation mit vorherrschenden hyperaktiven und impulsiven Verhaltenssymptomen abgegrenzt werden. Hierunter sind Personen zu verstehen, die ein erhöhtes Defizit an motorischer, kognitiver und emotionaler Selbstkontrolle aufweisen, dabei jedoch keine Kriterien einer Aufmerksamkeitsstörung erfüllen (Frölich et al. 2014, 16 ff). Insofern dürfen für diese Gruppe weniger als sechs Symptome von Unaufmerksamkeit und gleichzeitig mindestens sechs Symptome aus den Bereichen Hyperaktivität und Impulsivität erfüllt sein. Drittens konstituiert sich in dieser Systematik aus der Kombination der beiden beschriebenen Symptomebenen die kombinierte Präsentation, bei der sowohl wenigstens sechs Symptome der Unaufmerksamkeit als auch mindestens insgesamt sechs Symptome aus Hyperaktivität und Impulsivität bestehen müssen (APA 2013, 60). Neben diesen drei Symptompräsentationen wird eine Restkategorie einer nicht näher bezeichneten AD(H)S vorgesehen, die gewählt werden kann, wenn einzelne Kriterien nicht vollständig erfüllt sind (ebd., 66).
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Abb. 1: Präsentationen der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nach DSM-5 (APA 2013, 60).
C = Combined presentation; H/I = Predominantly hyperactive/impulsive presentation; I = Predominantly inattentive presentation

Klassifikation der Störung nach der ICD-10

In der ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2013 wird die Kategorie der »Hyperkinetischen Störungen« zunächst in die beiden größeren Subtypen F90.0 »Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung« und F90.1 »Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens« ausdifferenziert. Für die Diagnose einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung müssen neben einer Aufmerksamkeitsstörung auch situationsübergreifende Störungen der Aktivität und Impulskontrolle vorliegen.
Insgesamt müssen mindestens sechs Kriterien aus dem Kardinalbereich Unaufmerksamkeit, drei Kriterien aus dem Gebiet Überaktivität und ein Kriterium der Impulsivität erfüllt sein, damit eine »Einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung« (F90.0) diagnostiziert werden kann. Von einer »Hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens« (F90.1) kann gesprochen werden, wenn zusätzlich eine Störung des Sozialverhaltens feststellbar ist. Dies betrifft überdauernde Verhaltensgewohnheiten, bei denen »entweder die Grundrechte anderer Menschen oder altersentsprechende Normen und Gesetze verletzt werden« (Freitag 2007, 74).
Neben diesen beiden großen Gruppen »Hyperkinetischer Störungen« (F90) tauchen in d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort des Reihenherausgebers
  5. Inhalt
  6. Einleitung
  7. 1 Das Phänomen AD(H)S
  8. 2 Diagnostik von AD(H)S
  9. 3 Bedingungsfaktoren und Theorien zur Entstehung von AD(H)S
  10. 4 Therapeutische Förderung bei AD(H)S
  11. 5 Förderkonzepte und Trainingsprogramme im Kontext von AD(H)S
  12. 6 Pädagogische Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten bei AD(H)S
  13. 7 Fazit
  14. Literatur