Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie
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Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie

Intervention, Prävention und Rehabilitation. Mit einem Therapiemanual

  1. 243 Seiten
  2. German
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Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie

Intervention, Prävention und Rehabilitation. Mit einem Therapiemanual

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Arbeit nimmt eine Schlüsselstellung im Leben ein. Deshalb ist die Integration ins Erwerbsleben nach überstandener Krankheit eine vordringliche Aufgabe, zu der Psychotherapie beitragen kann.Erstmals werden Konzepte für arbeitsplatzbezogene Psychotherapie in einem Band vorgelegt. Die besonderen arbeitsplatzbezogenen Probleme und deren Lösungswege im Rahmen strukturierter Psychotherapie werden systematisch dargestellt. Für praktisch tätige Psychotherapeuten ist ein Manual für eine arbeitsplatzbezogene Psychotherapie integriert.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170285033

1 Psychische Gesundheit und Arbeit

1.1 Burnout: Modelle und Kontroversen

Kai G. Kahl und Lotta Winter

1.1.1 Burnout in der öffentlichen Wahrnehmung

Die Zunahme von prekären Entlohnungen und Arbeitsplatzunsicherheit ist ein Zeichen der modernen Arbeitsweise. Waren in den 1960er und 1970er Jahren die »Doppelverdiener« noch eine teils belächelte, teils durch starre Rollenbilder stigmatisierte Gruppe von Arbeitnehmern, gehört das doppelte Einkommen speziell bei Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen heute zu den notwendigen Überlebensstrategien (Kahl et al. 2014). Die Integration älterer und leistungseingeschränkter Personen ist problematisch, zumal für diese ein sehr begrenztes und wenig differenziertes Angebot an Arbeitsplätzen zur Verfügung steht. Rationalisierungsprozesse, Personalabbau, Entlassungen, Auslagerung von Arbeitsbereichen und Umstrukturierungen werden voraussichtlich zur Intensivierung der Arbeitsleistung, zu Einbußen in Lohn und Gehalt, und einer weiteren Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheit führen. Vor diesem Hintergrund scheint das »Ausgebranntsein durch Arbeit« (Burnout) eine geradezu folgerichtige Konsequenz, denn der Burnout-Begriff suggeriert das Ergebnis einer Problemanalyse: Arbeit macht krank.

1.1.2 Entwicklung des Burnout-Begriffs

Burnout wurde 1974 erstmals von dem Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger bei ehrenamtlichen Mitarbeitern von Hilfsorganisationen beschrieben, frühe empirisch fundierte Symptombeschreibungen sind eng mit den Namen Christina Maslach und Ayala Pines verbunden (Freudenberger 1982; Maslach 1982; Pines 1981). Ursprünglich wurde das Burnout-Syndrom auf den drei Ebenen »Emotionale Erschöpfung«, »Depersonalisation« und »Leistungsmangel« konzeptualisiert. Eine dynamische Beschreibung dieses frühen Modells folgt dem Buch von Mathias Burisch: Professionelle Helfer erleben häufig mit ihren Klienten emotional aufgeladene Situationen und müssen diese aushalten. Die asymmetrische Beziehung (»immer nur geben müssen«), bürokratische Hürden und teilweise Undank auf Seiten der Klienten führt zu emotionaler Erschöpfung, die darauf folgende »Schutzreaktion« durch Distanzierung von emotional belastenden Themen führt zu »Depersonalisierung und Zynismus«. Sobald die veränderte persönliche Haltung des Helfers (Therapeuten) für sein Gegenüber spürbar wird, bleiben Erfolgserlebnisse aus, mit der Folge von Unzufriedenheit über das eigene Leistungsvermögen (Burisch 2006).

1.1.3 Klinischer Stellenwert und Prävalenz

Der klinische Stellenwert von Burnout ist umstritten. Burnout ist keine von den Krankenkassen anerkannte Hauptdiagnose, und wurde in der 5. Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-V) nicht berücksichtigt. In der 10. Ausgabe der International Classification of Disease (ICD 10) wird Burnout als Zustand vitaler Erschöpfung definiert und unter den Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen, als Z73 codiert (ICD 10). Im Gegensatz dazu wird über Burnout in der Forschung vermehrt publiziert. Im Zeitraum zwischen 2005 und 2014 stieg die Anzahl der Einträge in PubMed von 83 im Jahr 2005 auf 291 in 2014, was als Beleg für das rege Interesse an arbeitsassoziierten Stress-Syndromen interpretiert werden kann. Die Verbindung zwischen Burnout und körperlichen Erkrankungen, vor allem des Herz-Kreislauf-Systems ist ein weiterer Grund für das wachsende Interesse am »Ausgebranntsein« (
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Abb. 1.1). Interessanterweise nahm im selben Zeitraum das Interesse an Projekten zu, die sich mit der gezielten Wiedereingliederung in das Berufsleben beschäftigten (»Return to work«). Die Anzahl der Studien, in der Hauptsache zur Wiedereingliederung nach körperlicher Erkrankung, verdoppelte sich zwischen 2005 und 2014. Dem gegenüber ist die Thematik »Wiedereingliederung nach psychischer Erkrankung« bislang ein Stiefkind der Forschung. Dies verwundert umso mehr, da Burnout als »mentale Erschöpfung« konzipiert wurde, und eine hohe Überlappung mit psychischen Erkrankungen wie Depression vorliegt (
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Abb. 1.1).
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Abb. 1.1: Anzahl der Einträge in PubMed nach den Suchbegriffen »Burnout«, »Return to work« und »Return to work mental«
Aufgrund der mangelnden Anerkennung als Krankheit und definitorischer Schwächen des Begriffs – Burnout umfasst in den unterschiedlichen Definitionen mehr als 100 Symptome – existieren keine allgemein gültigen Zahlen zur Prävalenz. In der vom Robert Koch-Institut durchgeführten repräsentativen Studie zur »Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS) gaben 4,2% der Befragten an, dass bei ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben einmal von einem Arzt oder Psychotherapeuten ein Burnout-Syndrom festgestellt worden war. Bei den älteren Befragten stieg diese Schätzung auf 6,6% (Kurth 2006).

1.1.4 Ist Burnout eine abgrenzbare Erkrankung? Argumente zu einer aktuellen Diskussion

Burnout Betroffene schildern häufig Symptome, die auch bei psychischen Erkrankungen wie beispielsweise der Depression gefunden werden – und Patienten mit einer Depression fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz häufig überfordert und erschöpft. Die Überlappung von Symptomen, aber auch die Überlappung der Auswirkungen einer Depression mit den Folgen von Burnout können die Ergebnisse von Burnout-Studien verzerren.
Demonstriert wird die unscharfe Trennung zwischen Burnout und Depression durch Studien, in denen mit standardisierten Instrumenten eine Erfassung depressiver Symptome erfolgt. Hierzu zwei Beispiele: In einer repräsentativen populationsbasierten Untersuchung, der finnländischen »Health 2000 Studie«, wurde 3276 Arbeitnehmern zwischen 30 und 64 Jahren das Maslach-Burnout Inventory (MBI) vorgelegt. Parallel wurde die Diagnose einer Major Depression auf der Grundlage eines diagnostischen Interviews gestellt. Es zeigte sich, dass die Hälfte der Burnout-Betroffenen an einer Depression litt, und diejenigen mit einer Depression häufiger über schwere Burnout-Beschwerden berichteten (Ahola et al. 2005). In einer weiteren Untersuchung an 1386 Lehrern in den USA wurde eine starke Korrelation von 0.77 zwischen Burnout und Depression gefunden. Zum Vergleich: Ein Korrelationskoeffizient von 1.0 würde auf eine vollständige Deckungsgleichheit zwischen zwei Merkmalen hinweisen. Bei 86% der untersuchten Lehrer mit Burnout bestand ebenfalls eine depressive Symptomatik. Darüber hinaus wurde eine hohe Korrelation zwischen Burnout oder Depression mit unterschiedlichen Stressoren gefunden, nämlich mit aktuellen kritischen Lebensereignissen (»stressful life events«), Unterstützung am Arbeitsplatz und mit Widrigkeiten am Arbeitsplatz (»job adversities«) (Schonfeldt et al. 2015).
Aus diesen Studien lässt sich ableiten, dass die Überlappung zwischen Burnout und Symptomen einer Depression groß ist, dass beide sich schwer voneinander abgrenzen lassen, und dass die Empfehlung ausgesprochen werden sollte, bei Vorliegen eines Burnouts immer auch die Möglichkeit des Vorliegens einer Depression in Betracht zu ziehen und diese gezielt zu verifizieren oder auszuschließen.
Kritikpunkte beziehen sich ebenfalls auf die Konstruktvalidität des Burnout-Begriffs. In den zugrunde liegenden Originalarbeiten, die den Begriff des Burnout prägten, wurde das Vorliegen von bekannten stressassoziierten kognitiven, emotionalen oder verhaltensbezogenen Faktoren nicht systematisch erfasst (nach Bianchi et al. 2015). Entsprechend ist das in vielen Studien eingesetzte Maslach-Burnout Inventory (MBI) nicht klinik-geleitet oder theorie-geleitet entstanden, sondern induktiv durch Faktorenanalyse. Folgerichtig wird Burnout häufig definiert als das, was das Maslach-Burnout-Inventory misst. Diese zirkuläre Argumentation schwächt die Aussagefähigkeit des Konstrukts. Kritik wurde auch an der dreidimensionalen Struktur von Burnout geäußert, zumal das Kernsymptom von Burnout, die emotionale Erschöpfung, besonders stark mit depressiven Symptomen korreliert (Bianchi 2015).
Ein weiteres Argument in der Debatte, ob Burnout eine Erkrankung ist, bezieht sich auf die zugrunde liegende Nosologie. Burnout wird als Arbeitsstress-assoziiertes Syndrom gesehen, obwohl die Zuordnung eines Syndroms zu einer Subgruppe von psychischen Stressoren keine nosologisch unterscheidbare Erkrankung rechtfertigt. So ist auch die Depression, die im Kontext von Schichtarbeit auftritt, weiterhin eine Depression, und keine ätiologisch neue Erkrankung.
Die Beschränkung von Burnout auf arbeitsplatzbezogene Stressoren verschließt darüber hinaus den Blick darauf, dass die Ursachen für emotionale Erschöpfung, mangelnde Leistungsfähigkeit und Depersonalisation – sei es allein oder in Kombination – vielfältig sind, und keineswegs eine exklusive Folge arbeitsplatzbezogener Stressoren ist. Andere Formen von psychischen und körperlichen Stressoren, beispielsweise konfliktreiche Beziehungen, können dementsprechend zu denselben Symptomen führen, wie arbeitsplatzassoziierter Stress.
Zusammengefasst bestehen Zweifeln daran, Burnout in den Status einer eigenständigen, unterscheidbaren Erkrankung zu heben. Neben den klassifikatorischen Problemen und der Abgrenzbarkeit von psychischen Erkrankungen ist zu bedenken, dass Burnout-Zeichen die Folge körperlicher Erkrankungen sein können. Daher ist beim Feststellen von Burnout eine körperliche Untersuchung mit gegebenenfalls somatischen Zusatzuntersuchungen zu empfehlen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat sich entsprechend in einem Positionspapier zu Burnout festgelegt: » Die DGPPN warnt vor einem unwissenschaftlichen und unkritischen Gebrauch des Begriffs Burnout für quasi sämtliche psychischen Störungen, die im Zusammenhang mit einer Arbeitsbelastung stehen« (DGPPN 2012) .

1.1.5 Wissenschaftliche Modelle zum Zusammenhang zwischen arbeitsplatzbezogenen Stressoren und psychischer Erkrankung

Alternativ (oder je nach Standpunkt ergänzend) zum Burnout-Konzept stehen Verhaltens- und Verhältnisfaktoren im Zentrum aktueller Modelle zum Zusammenhang zwischen Arbeit, Stressfaktoren und psychischer Gesundheit/Krankheit. Das zentrale Element in der Diskussion, ob und wann die Anforderungen der Arbeitswelt gesundheitsgefährdend sind, ist die Frage, ob die individuellen Bewältigungskompetenzen eines Arbeitnehmers auf der Grundlage seiner biologischen Disposition und seiner psychischen und physischen Konstitution überschritten werden. Hierzu wurden verschiedene Modelle entwickelt, von denen die wichtigsten im Folgenden vorgestellt werden.
Beim Modell der beruflichen Gratifikationskrisen wird der Fokus auf das Beschäftigungsverhältnis gelegt. Stressbelastung ergibt sich aus einem Missverhältnis aus Arbeitsaufwand und Belohnung in Form von Gehalt, Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit oder Karrierechancen. Kommt dieses Gleichgewicht außer Balance, kann dies mit nachteiligen psychischen, und langfristig auch körperlichen, Gesundheitsfolgen verbunden sein (Siegrist 2013).
Im Anforderungs-Kontroll-Model nach Karasek und Theorell stehen demgegenüber die Arbeitsaufgaben im Fokus: Eine hohe Stressbelastung resultiert nach diesem Modell auf einem Missverhältnis von Arbeitsbelastung und Entscheidungsspielraum. Liegen hohe Anforderungen und gleichzeitig ein geringer Entscheidungsspielraum vor, beispielsweise bei neuen Aufgaben im Rahmen eines Change-Management-Prozesses, kann dies als pathogener Stressor wirken. Fehlende soziale Unterstützung erhöht in diesem Modell die Stressbelastung (Karasek 1979).
Beim Modell der Organisationsgerechtigkeit von Greenberg und Eloviano stehen Verfahrensweisen von Organisationen im Fokus. Zentrale Begriffe sind die Gerechtigkeit in Organisationen, Werte (bspw. Nachhaltigkeit) und eine transparente Unternehmenskultur. Gerechtigkeit in Organisationen zeigt sich an Verteilungsgerechtigkeit, beispielsweise der Frage nach dem gleichen Einkommen für beide Geschlechter für die gleiche Arbeit. Einen weiteren Aspekt stellt die Verfahrensgerechtigkeit oder prozedurale Gerechtigkeit dar, also die Frage von fairen Regeln und deren Umsetzung. Fragen des kommunikativen Stils zwischen Vorgesetzten und Untergebenen werden als Interaktionsgerechtigkeit bezeichnet (Greenberg & Liebman 1990).
Andere Modelle für arbeitsplatzbezogenen Stress stellen die emotionale Belastung durch den Beruf, beispielsweise bei Mitarbeitern in Hospizen oder in onkologischen Abteilungen, in den Mittelpunkt. Entsprechend sind diese Modelle besonders im Gesundheitswesen von Bedeutung. Als zusätzliche Risikofaktoren am Arbeitsplatz sind Rollenkonflikte, zu hohe Erfolgserwartungen der Beschäftigten, mangelnde Anerkennung und mangelnde soziale Unterstützung zu nennen (Zapf et al. 2001).
In letzter Zeit werden die Faktoren »wertschätzender Führungsstil« und der Aspekt der Integration älterer ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort
  5. Inhalt
  6. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  7. 1 Psychische Gesundheit und Arbeit
  8. 2 Arbeitsplatzbezogene Psychotherapie: Konzepte
  9. 3 Vernetzte Versorgung und betriebliche Prävention: Beispiele
  10. 4 Ausblick
  11. 5 Therapiemodul – Return-to-work bei psychischen Erkrankungen (KBT-A) Ein ergänzendes Therapiemanual