Förderung von Lernprozessen
  1. 208 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub
Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Seit den Ergebnissen von Pisa und anderen Studien sind Begriffe wie selbstgesteuertes und lebenslanges Lernen, Bildung und Lernförderung wieder stark in die öffentliche Diskussion gerückt. Das vorliegende Buch vertieft diese Diskussion. Es beschäftigt sich mit der gezielten Förderung von Lernprozessen in Familie, Kindergarten, Schule und Hochschule. Fördermaßnahmen werden detailliert dargestellt und wirksame Lernprinzipien erörtert. Es wird genau beschrieben, wie Lernstörungen vermieden oder aufgehoben werden können.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Förderung von Lernprozessen von Katja Mackowiak, Gerhard W. Lauth, Ralf Spieß, Johanna Hartung, Klaus Fröhlich-Gildhoff im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psychologie & Bildung in Psychologie. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2008
ISBN
9783170280649

1 Grundlagen

1.1 Einführung

Lernen ist ein Sachverhalt, der sowohl für den Einzelnen als auch die Gesellschaft enorm wichtig ist. Deshalb wird Lernen von verschiedenen wissenschaftlichen Fächern behandelt und von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet: unter dem Gesichtspunkt der Sozialisation, der Bildung, der Beteiligung des einzelnen am kulturellen Geschehen (Enkulturation) und von den biologischen Voraussetzungen her. Die Psychologie analysiert das Lernen als Geschehensablauf und fragt hauptsächlich danach, wie das Lernen vonstatten geht, welche Voraussetzungen dafür notwendig sind und wie man es fördern kann. Lernen wird in der Psychologie als überdauernde Verhaltensänderung definiert, also als ein Ergebnis, das man sehen, erfragen oder beobachten kann. Es gibt unterschiedlich voraussetzungsvolle Lernarten: Solche, bei denen einfache Verhaltensweisen erlernt, und solche, bei denen abstrakte Erkenntnisse erworben werden. Dies schlägt sich auch in den Begriffsbestimmungen nieder.
Lernen ist ein Konstrukt, ein Sachverhalt also, der nicht direkt beobachtbar ist, sondern sich nur aus Ergebnissen (etwa der Leistung in einer schriftlichen Prüfung, Abrufen von Wissen, Umsetzen von Belehrungen, angemessenem Verhalten in der Gruppe) erschließen lässt. Gelernt werden ganz unterschiedliche Inhalte wie Wissen und Können (z. B. Rechnen, Lesen), Emotionen (z. B. Ängste), Einstellungen (z. B. Vorurteile), Begriffe (z. B. ethische Kompetenzen), Verhalten (z. B. Gruppenverhalten, Selbststeuerung), Wertmaßstäbe und Problemlösungsstrategien.
Im engeren Sinne einer wissenschaftlichen Definition bezeichnet der Begriff Lernen eine überdauernde Änderung des Verhaltens oder der Verhaltensmöglichkeiten, was durch wiederholte Erfahrungen des Subjekts in dieser Situation hervorgerufen wird und nicht durch angeborene Reaktionstendenzen bloße Reifung oder momentane Zustände (z. B. Müdigkeit, Trunkenheit) erklärt werden kann (Bower & Hilgard, 1981, S. 11). Es gibt darüber hinaus weitere Definitionen, die eigene Akzente setzen.
Lernen als Begriff: Definitionen
Lernen ist eine überdauernde Verbaltensänderung, die aufgrund von Übung und gewöhnlich ohne Zwang bzw. Intoxikation zustande kommt.
(Definition der behavioralen Lerntheorie; Bower & Hilgard, 1981, S. 11)
Konsequenz für den Alltag: Man kann nur an den Verhaltensergebnissen (z. B. einem Aufsatz, der Übersetzung eines Textes ins Englische, dem Vorführen der erworbenen Geschicklichkeit) sehen, ob und gegebenenfalls was jemand gelernt hat.
Lernen ist eine aktive Form der Informationsverarbeitung, die auf bestehende Enkodierungen zurückgreift und mit vorbandenen Enkodierungen arbeitet.
(Definition der kognitiven Lerntheorie; Lass, Luer & Ulrich, 1987, S. 311)
Der Begriff Enkodierung bezeichnet Abspeicherungen, beispielsweise vorhandenes Wissen oder Ausgangsfertigkeiten.
Konsequenz für den Alltag: Es gibt eine Lernbasis (Vorerfahrungen, Vorwissen), von der das weitere Lernen ausgeht. Beispielsweise muss man beim Nachhilfeunterricht in Mathematik wissen, was der Schüler noch beherrscht und was er eben nicht mehr verstanden hat.
Lernen ist eine Form der Selbstoptimierung.
(Definition im Sinne von Denk- und metakognitiven Theorien; Baumert & Köller, 1996; Guldimann, 1996; Hasselhorn, 1998)
Konsequenz für den Alltag: Der Lernende kann sich innerhalb bestimmter Grenzen „selbst lehren“. Dafür müssen aber mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: eine hinreichende Motivation bzw. Interesse am Lerngegenstand, die Verfügbarkeit von Lernstrategien, die Fähigkeit das eigene Lernen durch begleitendes und vorausgehendes Nachdenken zu steuern (Metakognition). Modernere Bildungstheorien folgern daraus, dass das eigentliche Ziel von Bildung das „Lernen zu lernen“ sei.
Lernen ist ein aktiver Akt der Umweltanpassung.
(Definition im Sinne ökologischer Theorien; Bronfenbrenner, 1979)
Konsequenz für den Alltag: Chinesische Kinder lernen chinesisch und schweizerische Kinder schwyzerdütsch, weil es ihnen von ihrer Umwelt vorgemacht wird. Ein Schüler passt sich der Gleichaltrigengruppe an (und macht manchen Unsinn mit), weil dies der umgebenden Norm entspricht. Die Lernumwelt gibt also die Inhalte lange Zeit vor; erst wenn ein Mensch seine Umwelt hinterfragt und sich emanzipatorisch dar über erhebt, verliert die Umwelt ihren prägenden Charakter.

1.1.1 Absichtsvolles und unbeabsichtigtes (implizites) Lernen

Eine zweite Unterscheidung bezieht sich auf die Absichtlichkeit des Lernvorgangs. Nicht alles, was Menschen lernen, lernen sie gezielt und absichtlich. Vielmehr geschieht Lernen zu großen Teilen implizit, nebenbei, ohne dass der Lernende eine erklärte Absicht zum Lernen hat und ohne dass ihm ein gezieltes Lernangebot gemacht wird. Infolgedessen unterscheidet man zwischen implizitem (unbeabsichtigtem) und intentionalem (gezieltem) Lernen. Ein Großteil des Lernens geschieht implizit, ohne dass es dafür einen Lehrplan oder ein gezieltes Lernangebot gäbe (z. B. soziale Einstellungen, Vorurteile). Andere Dinge (Fremdsprachen, Schuhe schnüren, Walzer tanzen etc.) werden hingegen absichtsvoll gelernt. Es gibt also
  1. ein Ziel und Qualitätsniveau, das erreicht werden soll,
  2. eine Art Lehrplan, der von dem vorhandenen Qualitätsniveau ausgehend zum Ziel hinführen soll, und
  3. einen Vermittler (Eltern, Trainer, Tutor, Lehrer, Meister etc.), der erfahrener und in der Sache kompetenter ist als der Lernende. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Lernenden anzuleiten und schrittweise zu dem gewünschten Kompetenzniveau (Lernniveau) zu führen. Dieser Vermittler ist aber ist nicht immer körperlich anwesend, sondern oft nur noch in der abstrakten Form eines Lernprogramms (z. B. interaktiver Sprachkurs, Fernstudienlehrgang, computergestütztes Lernen) wirksam.
Beim formalisierteren Lernen in Gruppen, beispielsweise in der Vorschule, der Schule, in Sprachschulen oder beim Sporttraining, werden zumeist Lehrpläne formuliert, die festlegen, in welchen Schritten und wie gelernt werden soll. Sie legen die Lernschritte und oft auch die Lernformen (z. B. Gruppenlernen, Selbsterarbeitung) fest und werden als Didaktik formuliert. Dies ist sicherlich notwendig, um das Lernen von vielen Personen gestalten und anleiten zu können. Für die meisten Menschen sind diese Lernplanungen sinnvoll. Einzelne kommen damit aber weniger gut zu Rande, weil sie anders lernen oder andere Lernbedürfnisse haben. Modernere Erkenntnisse betonen deshalb, dass jeder Lernende seinen eigenen Weg geht, und plädieren folglich für eine Mischung von allgemeinen Vorgaben und individualisierter Anleitung.
Lernen in der Psycbologie
Seit den Anfängen der Psychologie stand das Lernen im Blickpunkt. Ebbinghaus (1885) untersuchte, wie viele sinnlose Wörter jemand Mal für Mal dazulernt: zuerst recht viel und dann weniger – eine asymptotische Kurve. Natürlich wollte Ebbinghaus auch wissen, wie rasch sie wieder vergessen werden: Zuerst rasch, dann langsamer. Auch das wurde in einer Kurve – eben der Vergessenskurve – dargestellt.
Später wurde das Lernen mittels spezieller Versuchsanordnungen analysiert. Pawlow erforschte um 1900 das Klassische Konditionieren. Lassen sich natürliche Reflexe (Speichelfluss) durch willkürliche Signale (den Klingelton vor der Fütterung) auslösen? Ja, wenn man etwa 0,5–2 Sekunden vor der Fütterung eines Hundes einen Klingelton ertönen lässt, löst nach einigen Durchgängen bereits der Klingelton alleine Speichelfluss aus: Der Hund hat gelernt, dass es bald Futter gibt. So trivial es klingt, es ist der Beweis, dass sich die natürlichen Reflexe von vorausgehenden Reizen auslösen lassen – wenn Lernen stattgefunden hat. Die asthmatische Atemnot kann dann auch durch ein täuschend echtes Plastikveilchen, das Erröten durch eine vorausgehende Peinlichkeit, die Angst vor einem offenen Platz durch einen Schwindelanfall auf einem ganz anderen Platz in einer ganz anderen Stadt ausgelöst werden. Pawlow hat für seine Forschungen über die Physiologie der Verdauung 1904 den Nobelpreis für Medizin erhalten, weil er damit das Wissen über wesentliche Aspekte dieses Bereichs verbesserte und erweiterte.
Thorndike (1913) arbeitete mit Katzen, die er in einen Lattenkäfig (Puzzlebox) setzte. Um zu entkommen, mussten sie einen Mechanismus bedienen, der ein Gewicht entfernte und ihnen dadurch die Tür öffnete. Zunächst versuchten die Katzen recht unkoordiniert zu entkommen (Versuch und Irrtum). Allmählich aber fanden sie heraus, wie sie es anstellen mussten. Sie griffen immer rascher auf die Reaktionen zurück, die sie ins Freie führte. Die erfolgreichen Reaktionen wurden ausgewählt, entscheidend waren also die Verhaltenskonsequenzen. Diese Erkenntnisse beschrieb Thorndike 1913 als das „Gesetz des Effektes“. Es besagt, dass die Verknüpfung einer Situation mit einer Reaktion, gestärkt wird, wenn sie von einem befriedigenden Gesamtzustand („satisfying state of affairs“) begleitet wird. Ist die Folge allerdings ein unangenehmer Zustand, nimmt die Stärke der Verbindung ab. Wenn Thorndike von einem „befriedigenden Gesamtzustand“ spricht, meint er Belohnung; ein „unangenehmer Gesamtzustand“ steht für Bestrafung.
Skinner (1938) erweiterte die Erkenntnisse von Thorndike. Er untersuchte Verstärkerpläne, in denen es für eine bestimmte Reaktion nicht mehr jedes Mal eine Futterpille gab, sondern unregelmäßig und nach einem ausgeklügelten Schema. Wenn Tauben regelmäßig mit einer Futterpille belohnt wurden, erlernten sie dieses Verhalten rasch. Dagegen wurde das gleiche Verhalten bei unregelmäßiger Verstärkung langsamer gelernt, dafür aber auch weniger schnell wieder verlernt. Er entdeckte zudem, dass die Tiere auch in der Lage waren, Hinweisreize zu beachten. Beispielsweise lernten sie, dass es beim Aufleuchten einer Lampe kein Futter gibt. Der Erfolg entscheidet über die Auswahl der Reaktion: belohntes Verhalten wird häufiger, bestraftes seltener gezeigt.
Es folgten weitere Forscher wie Guthrie, Hull, Watson, Lewin (zusammenfassend Foppa, 1965). Sie alle haben das Lernen unter strengen experimentellen Bedingungen untersucht und Gesetzmäßigkeiten festgestellt. Lernen ist ein gut beschreibbarer Vorgang und ein gut erforschter Bereich (s. Kapitel 2).
Moderne Forscher (Helmke, 1992; Köller, 1998; Schwenk & Schneider, 2003) untersuchen nun ungleich komplexeres Lernen, beispielsweise den Erwerb von technischem Verständnis, den Spracherwerb, das Erlernen von Fremdsprachen, das Diagnostizieren in der Medizin. Nicht, dass die Vorgänger damit ins Unrecht gesetzt würden. Ihre Erkenntnisse gelten nach wie vor, aber wir können uns heute dem natürlicheren Lernen zuwenden, weil zuvor das Lernen unter künstlichen und eingeschränkten Bedingungen untersucht worden ist.

1.1.2 Neugier als Motor für Lernen

Lernen setzt Energie und Tatkraft voraus. Schon deshalb weil Lernen anstrengend und mühsam sein kann. Offensichtlich hat die Natur den Menschen mit einer wichtigen Triebfeder dafür ausgestattet, der Neugier. Sie entspricht einem natürliches Bedürfnis und dient dazu, Neues zu erforschen (explorieren) und sich auf Dauer nicht mit dem schon Bekannten zufrieden zu geben. Also ist Lernen oft ein durchaus selbst initiiertes Geschehen und muss nicht in jedem Fall von außen angestoßen werden. Forschungsergebnisse belegen, dass für den Erwerb von Kenntnissen, von geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht nur die intellektuelle Ausstattung des Kindes sowie das Lernangebot der Umwelt, Schulangebote oder spezifische Förderprogramme verantwortlich sind. Auf Seiten des Kindes muss zusätzlich eine Bereitschaft bestehen, sich mit diesen Angeboten auseinanderzusetzen, Erfahrungen zu sammeln, sich Neues vertraut zu machen. Diese Bereitschaft ist angeboren, wie Evolutionsforscher belegen. Sie bezeichnen es als Verhaltenssystem, welches Menschen und Tiere motiviert, sich neuen, unbekannten und unvertrauten Reizen und Sachverhalten zuzuwenden, die Aufmerksamkeit auf sie zu richten, sie durch Inspektion (mit den Augen) und Manipulation (mit den Händen) zu erkunden. Es gilt als grundlegend für die Anpassung von Organismen an neue Umweltbedingungen und als Basis für vielfältige Lernvorgänge (vgl. Lorenz, 1943).
Motivationspsychologen sprechen hier vom Neugiermotiv, welches bereits bei Säuglingen nachweisbar ist. Schon wenige Stunden nach der Geburt betasten sie in systematischer Weise ihren Körper, vor allem das Gesicht und die Mundregion. Die Berührungen des Mundes sind zielgerichtet und organisiert und werden von Reaktionen begleitet, die Ausdruck einer gerichteten Aufmerksamkeit sind. Neugeborene verfolgen auch Gegenstände, wenn diese langsam vor ihren Augen bewegt werden, etwas später drehen sie dabei zusätzlich ihren Kopf in die entsprechende Richtung (Korner & Beason, 1972; Kravitz, Goldberg &am...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. 1 Grundlagen
  8. 2 Lernarten
  9. 3 Förderung von Lernprozessen in verschiedenen Lebensphasen und Kontexten
  10. 4 Wirksame Lernprinzipien
  11. 5 Was ist mit ...?
  12. 6 Lernstörungen vermeiden oder bewältigen
  13. Literatur
  14. Stichwortverzeichnis