Delinquenz und Sucht
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Delinquenz und Sucht

Eine EinfĂŒhrung in die forensisch-psychiatrische Praxis

  1. 211 Seiten
  2. German
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Delinquenz und Sucht

Eine EinfĂŒhrung in die forensisch-psychiatrische Praxis

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Menschen mit einer Suchterkrankung können in verschiedenen Rechtsbereichen, hĂ€ufig dem Strafrecht, mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Die Forensische Psychiatrie beschĂ€ftigt sich nicht ausschließlich mit der Begutachtung, Behandlung oder Prognose jener Menschen, sondern soll auch wissenschaftliche ZusammenhĂ€nge erlĂ€utern fĂŒr verschiedene Berufsgruppen, die mit dem Thema Sucht und Delinquenz konfrontiert sind. Das Buch liefert grundlegende Informationen zu Auftreten, Ursache und Verlauf von Suchterkrankungen im Zusammenhang mit Delinquenz, zu Interventions- und PrĂ€ventionsmöglichkeiten sowie zu forensisch-psychiatrischer TĂ€tigkeit auf diesem Gebiet.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783170300699

1

Einleitung

Die Forensische Psychiatrie ist in vielerlei Hinsicht mit Sucht konfrontiert, wobei sich dieser Band auf die stoffgebundenen SĂŒchte beschrĂ€nkt. Auch wenn forensisch-psychiatrische ZusammenhĂ€nge verschiedene Rechtsbereiche tangieren, liegt der Schwerpunkt dieses Buchs auf strafrechtlichen Aspekten. Auf wichtige Fragestellungen anderer Gebiete, wie beispielsweise im Sozialrecht oder Betreuungsrecht, wird jedoch auch eingegangen.
Das Hauptanliegen ist die Vermittlung von Grundlagenwissen fĂŒr die verschiedenen Berufsgruppen, die in der Praxis mit Menschen arbeiten, welche Drogen konsumieren und strafbares Verhalten zeigen. Dabei scheint die adressierte Leserschaft ebenso breit gefĂ€chert, vom ambulanten Suchtberater ĂŒber Mitarbeiter der Justiz bis zur interdisziplinĂ€ren Belegschaft einer Klinik des Maßregelvollzugs, wie die Facetten von Menschen, die im Zusammenhang mit Suchtmittelkonsum delinquent handeln. Wir wollen den verschiedenen Lesern die jeweils fachfremden ZusammenhĂ€nge verstĂ€ndlich aufzeigen und somit den alltĂ€glichen Dialog zwischen Medizinern und Juristen, BewĂ€hrungshelfern und Suchtberatung, allgemeiner und Forensischer Psychiatrie etc. vereinfachen, versachlichen und nicht zuletzt auch Ressentiments ausrĂ€umen, welche aus unrealistischen Erwartungen aneinander resultieren. Letztlich soll es darum gehen, anhand fachĂŒbergreifender Informationen aus Medizin, Soziologie, Kriminologie und Justiz ein erweitertes FallverstĂ€ndnis fĂŒr die Klienten zu ermöglichen und einen sachgerechten und fortschrittlichen Umgang mit ihnen zu fördern.
Die einzelnen Kapitel des Buchs werden thematisch kurz vorgestellt, da sie durchaus separat und je nach individuellem Interessengebiet gelesen werden können. Wir hoffen, fĂŒr jede Berufsgruppe erstmalige, vertiefende oder auch ZusammenhĂ€nge herstellende Informationen zusammengestellt zu haben.
Die Einleitung nimmt zunĂ€chst kapitelĂŒbergreifende Definitionen und Sachverhalte vorweg, welche die Einbettung einzelner Kapitel in das gesamte Thema erleichtern sollen. Vielfach verwendete Gesetzestexte sind mannigfaltig im Internet abrufbar, eine AuffĂŒhrung im Anhang ist aus KapazitĂ€tsgrĂŒnden nicht möglich. Im zweiten Kapitel werden anhand eines anonymisierten Fallbeispiels das individuelle Ausmaß von Sucht und KriminalitĂ€t einerseits und die Tragweite gesellschaftlicher ZusammenhĂ€nge mit Beteiligung unterschiedlichster Berufsgruppen andererseits dargestellt. Das dritte Kapitel berichtet Ergebnisse zur HĂ€ufigkeit von Suchtmittelkonsum und -abhĂ€ngigkeit sowie Zahlen und Kennwerte zur Delinquenz. Dabei wird von der Allgemeinbevölkerung hin zu spezielleren Stichproben vorgegangen, damit ein möglichst ganzheitliches Bild ĂŒber die UmfĂ€nge entstehen kann. Im vierten Kapitel werden zu Beginn Definitionen und Einteilungshilfen fĂŒr suchtspezifische Begriffe wie Substanzwirkungen und Suchtfolgen erlĂ€utert, um auch nicht klinisch tĂ€tigen Personen ĂŒber das AlltagsverstĂ€ndnis hinaus detaillierte Vorstellungen hierzu zu ermöglichen. Des Weiteren kann der Leser hier einen Überblick gewinnen, welche Informationen bislang zum Verlauf von Sucht und Delinquenz ĂŒber die Lebensspanne vorliegen. Kapitel fĂŒnf beschĂ€ftigt sich mit der Frage, wie Sucht, Delinquenz und das Zusammentreffen von beiden entstehen könnte. Die aufgezeigten Vorstellungen können dabei allerdings nur die theoretischen Grundannahmen verstĂ€ndlich machen, eindeutige Ursache-Wirkungs-Nachweise sind auf diesem Gebiet erwartungsgemĂ€ĂŸ ausstehend. Im sechsten Kapitel beschĂ€ftigen wir uns mit speziellen forensischen Fragestellungen an psychiatrische SachverstĂ€ndige in verschiedenen Gerichtsfragen. Neben den Aspekten zum Strafrecht, wie beispielsweise die Frage zur SchuldfĂ€higkeit oder Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, werden auch zivil- und sozialrechtliche Belange, die Fahreignung und Gewahrsamssowie VerhandlungsfĂ€higkeit bearbeitet. Das Kapitel ist auch geeignet, die Möglichkeiten und Grenzen forensischer SachverstĂ€ndigentĂ€tigkeit zu verstehen. Das siebte Kapitel beschreibt relevante Reaktionsmöglichkeiten auf Sucht und KriminalitĂ€t im forensischen Kontext mit ErgĂ€nzungen um gesellschaftliche Blickwinkel. Im achten Kapitel wird dann darauf eingegangen, welche Möglichkeiten der Vorbeugung bestehen, und zwar auf jeweils unterschiedlichen Ebenen der EntwicklungsverlĂ€ufe von Sucht und Delinquenz. Kapitel neun nĂ€hert sich dem Thema ergĂ€nzend aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht. Im zehnten Kapitel wird die Notwendigkeit des interdisziplinĂ€ren Austauschs erlĂ€utert und ein Ausblick zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB aus Sicht der Autoren gegeben.

1.1 Sucht – Drogen – psychotrope Substanzen

Pragmatisch und allgemein zitiert Tretter (2012, S. 5) den Suchtforscher Wanke1: »Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand, dem die KrĂ€fte des Verstandes untergeordnet werden. Es verhindert die freie Entfaltung der Persönlichkeit und mindert die sozialen Chancen des Individuums.«. Dieser seelische Erlebniszustand wird hĂ€ufig durch Substanzen herbeigefĂŒhrt, die folglich psychoaktiv oder psychotrop genannt werden. Etwas Verwirrung kann die Unterscheidung der Begriffe Sucht, Missbrauch, AbhĂ€ngigkeit oder neuerdings Substanzkonsumstörung (Falkai und Wittchen 2015) stiften. Dabei kann es im allgemeinen Sprachgebrauch ausreichen, die Begriffe synonym zu verwenden, bei konkreteren Fragestellungen sind dann Differenzierungen sinnvoll. Auf dem Kontinuum von Abstinenz – Gelegenheitskonsum – Gewohnheitskonsum – Missbrauch/schĂ€dlicher Gebrauch – AbhĂ€ngigkeit umfasst der Ă€ltere Suchtbegriff den Missbrauch/schĂ€dlichen Gebrauch und die AbhĂ€ngigkeit von psychotropen Substanzen. FĂŒr klinische und wissenschaftliche Zwecke bedarf es einer scharf begrenzten Definition und so ist das AbhĂ€ngigkeitssyndrom im ICD-10 (Dilling et al. 2006) durch folgende Kriterien definiert, wovon mindestens drei zusammen einen Monat vorgelegen haben sollten:
1. starkes Verlangen oder Zwang zum Substanzkonsum,
2. verminderte Kontrolle ĂŒber Beginn, Ende oder Menge des Konsums,
3. körperliche Entzugssymptome,
4. Toleranzentwicklung gegenĂŒber der Substanz,
5. Einengung von Interessen und AktivitÀten auf Substanzgebrauch,
6. anhaltender Konsum trotz eindeutig schÀdlicher Folgen.
Letzteres Kriterium definiert unter anderem den Begriff des schĂ€dlichen Gebrauchs. Aufgrund der Erkenntnisse zu Ursachen, Symptomen, Verlauf, Therapiemöglichkeiten und Prognose gilt Sucht allgemein und die AbhĂ€ngigkeit von einer psychotropen Substanz im Speziellen als abgrenzbares, eigenstĂ€ndiges psychiatrisches Krankheitsbild. Der Begriff Drogen wird allgemein synonym fĂŒr psychotrope Substanzen gebraucht, unterliegt damit aber auch den Vorstellungen und Bewertungen der Allgemeinheit. Demnach zĂ€hlen Alkohol und Nikotin wohl zu den mengenmĂ€ĂŸig relevantesten psychotropen Substanzen, diese wĂŒrden aber allgemein weit hinter Heroin, Cannabis, Kokain, Amphetaminen etc. als Drogen benannt.
Merke
Sucht beschreibt allgemein Erlebnis- und Verhaltensweisen sowie Konsequenzen, die aus der Umsetzung eines unabweisbaren Verlangens resultieren. Dieser breite Begriff umfasst auch die konkreten Begriffe schĂ€dlicher Gebrauch/Missbrauch und AbhĂ€ngigkeit. FĂŒr Praxis und Forschung existieren gegenwĂ€rtig ein dimensionales Modell der Substanzkonsumstörung (DSM-5) mit Kontinuum zwischen schĂ€dlichem Gebrauch und AbhĂ€ngigkeit sowie ein kategoriales Modell (ICD-10) mit Abgrenzung schĂ€dlichen Gebrauchs von AbhĂ€ngigkeit.

1.2 Devianz – Delinquenz – KriminalitĂ€t – Kriminalisierung – Sozialkontrolle

Das gesellschaftliche Zusammenleben im Sozial- und Rechtsstaat erfordert von dessen BĂŒrgern ein VerstĂ€ndnis der gemeinsamen Normen und Wertvorstellungen. Verhaltensweisen, die nicht normkonform sind, werden zunĂ€chst als abweichend oder deviant beschrieben. Devianz kann somit auf mannigfaltige Weise vorliegen. DemgegenĂŒber ist der unscharfe Begriff Delinquenz eher reserviert fĂŒr den soziologischen Verbrechensbegriff, wird fĂŒr per se rechtlich relevantes Fehlverhalten gebraucht und hĂ€ufig synonym mit KriminalitĂ€t verwendet. Letztere definiert sich jedoch streng genommen am geltenden Strafrecht. FĂŒr besonders schĂŒtzenswerte RechtsgĂŒter, bspw. Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, werden im Strafgesetzbuch (StGB) TatbestĂ€nde und Sanktionen als Gesetze verankert und somit wird eine Sonderform sozialer Normen als Rechtsnorm geschaffen. Ein Verstoß gegen ein im Strafrecht (syn. Kriminalrecht) festgelegtes Gesetz stellt dann neben deviantem Verhalten zugleich kriminelles (auch delinquentes) Verhalten dar, nĂ€mlich das Begehen einer Straftat beziehungsweise KriminalitĂ€t. Man spricht auch von Kriminalisierung und Entkriminalisierung, wenn bestimmte Verhaltensweisen als StraftatbestĂ€nde in das StGB aufgenommen werden oder wieder entfernt werden. Beispielsweise wurde HomosexualitĂ€t entkriminalisiert und der Konsum neuerer psychotroper Substanzen durch deren Aufnahme in das BetĂ€ubungsmittelgesetz (BtMG)2 kriminalisiert. In dem Maße, wie das Kriminalrecht mit dem Strafgesetzbuch nur einen Auszug aller sozialen Normen und Wertvorstellungen als Gesetze enthĂ€lt, stellt es auch nur die Ultima Ratio der gesellschaftlichen Normkontrolle dar. Diese letzte Instanz wird durch die TrĂ€ger der formellen Sozialkontrolle – Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht – reprĂ€sentiert. Das entscheidende Gewicht kommt jedoch der informellen sozialen Normkontrolle zu, welche durch die persönlichen Entwicklungsinstanzen – Familie, Lehrinstitutionen, soziales Umfeld – bestimmt wird.

1.3 Zusammenhang von Sucht und Delinquenz

Aus obigen AusfĂŒhrungen kann resĂŒmiert werden, dass die strafrechtlichen Vorschriften und formellen Kontroll- und Sanktionsinstanzen den gesellschaftlichen Umgang mit psychotropen Substanzen zumindest mitgestalten und gravierend von der sozialen Norm abweichendes Konsumverhalten nach den Gesetzestexten als KriminalitĂ€t bewertet werden kann. Dieser einfache Zusammenhang von Substanzkonsum und KriminalitĂ€t wird durch komplexere Sachverhalte und ZusammenhĂ€nge ĂŒbertroffen. Nach Wankes Definition (siehe oben) bedingt Sucht mitunter eine Unterordnung des Verstandes, sodass sich hieraus individuell und situativ Verschiebungen von sozialen Norm- und Wertvorstellungen im Handeln ergeben können, was dann wiederum als StraftatbestĂ€nde und KriminalitĂ€t gewertet werden kann. In diesem Fall wird also ein gerichteter Zusammenhang angenommen, Sucht bedingt KriminalitĂ€t. DemgegenĂŒber existiert die Annahme, dass die KriminalitĂ€t eines Individuums die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Sucht erhöht. Dies zum Beispiel, indem ĂŒber Ausbildung einer kriminellen IdentitĂ€t deviante Norm- und Wertvorstellungen angenommen werden, die auch einen abweichenden Gebrauch psychotroper Substanzen legitimieren. Insbesondere letzterer Zusammenhang verdeutlicht allerdings schon den unausblendbaren sozialen Kontext, in dem KriminalitĂ€t und Sucht stattfindet. Daher kann in dieser Einleitung bereits vorweggenommen werden, das sowohl Delinquenz, schĂ€dlicher Gebrauch und AbhĂ€ngigkeit von psychotropen Substanzen als auch deren paralleles Antreffen durch andere soziale Faktoren bedingt und mitgestaltet werden. An Arten von »DrogenkriminalitĂ€t« lassen sich unterscheiden:
1. KriminalitÀt, die das BetÀubungsmittelgesetz quasi selbst generiert, indem es bspw. Erwerb, Anbau, Herstellung und Inverkehrbringen von BetÀubungsmitteln unter Strafe stellt (§ 29 BtMG);
2. strafbare Handlungen, um den Konsum psychotroper Substanzen zu unterhalten oder negative Konsequenzen zu vermindern, bspw. BeschaffungskriminalitÀt3; sowie
3. Straftaten im akut oder langfristig durch psychotrope Substanzen verĂ€nderten Erlebniszustand, bspw. Trunkenheit im Straßenverkehr und Formen von GewalttĂ€tigkeit im intoxikierten Zustand.

1.4 Erkenntnismöglichkeiten

Wesentliche Erkenntnisse ĂŒber die Klientel der Forensischen Psychiatrie stammen aus Analysen von Maßregel- oder Gutachtenpopulationen. Dabei ist zu berĂŒcksichtigen, dass diese Klientel eine extreme Selektion in Bezug auf alle Delinquenten darstellt: Beispielsweise wurden im Jahr 2012 von allen Aburteilungen bei 0.25% die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) sowie bei 0.09% die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet (Heinz 2012). Die Abbildung 1 stellt dar, auf welcher Ebene der Strafverfahren diese Klientel selektiert wird und dass in der Folge die jeweilige ReprĂ€sentanz solcher Analysen zu beachten ist (
image
Abb. 10 im Anhang).
Das sogenannte Dunkelfeld der Delinquenz und KriminalitĂ€t beschreibt den Umstand, dass nicht alle rechtsrelevanten NormbrĂŒche als solche erkannt werden, angezeigt werden oder anderweitig zugĂ€nglich sind. Dunkelfeldforschung, bspw. durch Opferbefragungen, kann auch nur eine Teilerkenntnis bringen, sodass man auch von relativem und absolutem Dunkelfeld spricht. Ebenso eingeschrĂ€nkt ist die Generalisierbarkeit von Aussagen zur KriminalitĂ€t, die ins Hellfeld gerĂŒckt wird. Dies geschieht in ĂŒber 90% der FĂ€lle nĂ€mlich durch Anzeigen von Privatleuten und nur in der Minderheit durch offizielle Organe wie Polizei, Staatsanwaltschaft, Finanzbehörden etc. »Hell- ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort der Reihenherausgeber
  5. Inhalt
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Fallvignette
  8. 3 Allgemeine und klinische Epidemiologie
  9. 4 Klinik, Verlauf, Prognose, KomorbiditÀten
  10. 5 Ätiologie
  11. 6 Diagnostisches Prozedere im forensischen Kontext
  12. 7 Interventionsplanung, interdisziplinÀre AnsÀtze
  13. 8 PrÀventive AnsÀtze
  14. 9 Kinder- und jugendpsychiatrische Aspekte
  15. 10 Ausblick
  16. Literatur
  17. Anhang: Ausfilterung im Strafverfahren 2013
  18. Stichwortverzeichnis