Lebensläufe im Wandel
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Lebensläufe im Wandel

Entwicklung über die Lebensspanne aus Sicht verschiedener Disziplinen

  1. 408 Seiten
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Lebensläufe im Wandel

Entwicklung über die Lebensspanne aus Sicht verschiedener Disziplinen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Lebensläufe sind in Veränderung begriffen, und diese Veränderungen besitzen erhebliche Auswirkungen auf Planung, Verlauf und Interpretation von lebenslangem Entwicklungsgeschehen. So wird beispielsweise die heute sehr lange Altersphase als "späte" Entwicklungsgelegenheit begriffen. Aber auch neue Gestaltungspotenziale in der frühen Kindheit verändern die lebenslange Entwicklung insgesamt. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit Fragen lebenslanger Entwicklung ist jedoch weiterhin zersplittert. In diesem Studienbuch nehmen prominente Vertreter eines breiten Spektrums an Disziplinen, z. B. der Psychologie, Bildungswissenschaft, Gerontologie, Pflegewissenschaft, Philosophie, Soziologie, Ethnologie sowie Theologie, Stellung zu den heutigen Herausforderungen einer lebensumspannenden Entwicklungsperspektive.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170253766
II Partialblicke auf neue Lebensläufe – Auswirkungen auf den gesamten Lebenslauf

Teil II – Vorspann der Herausgeber

Steigen wir also ein in Lebenslaufkonzeptionen und Veränderungen in Lebensläufen. Wir werfen zunächst Partialblicke auf den Lebenslauf. Warum? Weil Lebenslaufforschung wohl immer beides braucht: den Blick auf das Gesamte, ohne die einzelnen Teile (Phasen des Lebens) aus dem Auge zu verlieren, und den Blick durch die Brille einzelner Phasen auf das gesamte Leben.
Wir beginnen klassisch – mit der Phase des frühesten Lebens und der Kindheit (
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Kap. 5, Pauen). Eigentlich ist es noch nicht so recht in die Öffentlichkeit gedrungen, was hier gerade in den letzten Jahren an Erkenntnissen gewonnen wurde: Wollen Sie mehr über dieses ganz andere Kind-Sein (und das daraus sich veränderte Danach des Lebens) wissen? Mit diesem Kapitel sind Sie definitiv auf der richtigen Spur. Die Schule bildet, so könnte man angesichts der Bedeutung von Bildung sagen, das Tor zum Leben, gibt früh grundlegende Richtungen vor. Aus diesem Grunde muss sich auch die Schule neu orientieren (
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Kap. 6, Spinath). Sie ebnet den Weg für weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Und in der Jugend und im Übergang werden viele Erlebnisse und Erfahrungen früherer Lebensphasen noch einmal kritisch hinterfragt (
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Kap. 7, Kruse und Schmitt). Die Jugendphase besitzt sicherlich für das weitere Leben eine besondere Radikalität.
Die »Ruhe« des mittleren Erwachsenenalters – Freude und Genuss, wenn wir sie endlich erreicht haben? Vieles ist an dieser Stelle des Lebens heute im Umbruch, etwa in Bezug auf soziale Beziehungsformen (
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Kap. 8, Eckhard und Klein), aber auch darüber hinaus (
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Kap. 9, Perrig-Chiello und Höpflinger). Viele Fragen stehen in neuer Weise vor uns. Etwa: Was ist mir wichtig im Leben? Was bleibt, wenn ich nicht mehr bin? Was wird das höhere Lebensalter mit mir machen? Eine Anforderung ist angesichts einer stark alternden Arbeitsgesellschaft besonders aktuell: Wie soll mit späten Phasen der beruflichen Entwicklung umgegangen werden? Was ist hier der richtige Weg? Welche neuen Chancen liegen vielleicht gerade gegen Ende der Erwerbsarbeitszeit für uns heute bereit? (
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Kap. 10, Kruse und Hüther;
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Kap. 11, Kruse).
Neues wartet auf uns, so sagen uns theoretische Überlegungen und empirische Daten, wenn wir in die Phase des Alters eintreten (
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Kap. 12, Kolland und Wanka). Neue Alternsformen, die wir historisch so noch nie gesehen haben – neue Pioniere bei der Erschließung später Lebensphasen. Sind wir eventuell gar überfordert angesichts derartiger Möglichkeiten? Ein neues Leben noch einmal im Alter? Bis an die Grenzen des Lebens gehen – ein neues Austesten des Lebens (
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Kap. 13, Schilling und Wahl)? Liegt da eventuell ein Land vor uns, das wir am liebsten gar nicht kennen lernen sollten? Können wir in diesem Sinn finden, oder antworten wir mit Verzweiflung?
Und das Sterben – steht auch dieses vor neuen Herausforderungen (
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Kap. 14, Remmers und Kruse)? Grenzen des Lebens sind so alt wie die Menschheit – und stehen doch, wie in diesem den Teil II abschließenden Kapitel deutlich werden wird, immer wieder neu vor uns, individuell und gesellschaftlich.

5 Was ist ein Baby/Kleinkind? Wie unsere Sicht auf die frühe Kindheit das Leben in dieser Phase prägt

Pauen Sabina

Zusammenfassung
Unsere Vorstellung davon, was Babys und Kleinkinder ausmacht, welche Kompetenzen sie bereits mit auf die Welt bringen und wie frühe Erfahrungen ihr späteres Leben beeinflussen, hat sich in den vergangenen 50 Jahren stark gewandelt. Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Veränderungen dieser Art und diskutiert, welche Implikationen sich daraus für die Entwicklung des Menschen ergeben. Dabei wird vor allem die Lebensphase von der Konzeption bis zum Kindergartenalter in den Blick genommen.

5.1 Einleitung

Wer Entwicklung als lebenslangen Prozess begreift, meint in der Regel die Zeit zwischen Geburt und Tod. Dabei lassen wir außer Acht, dass der Grundstein für alle späteren Entwicklungen bereits lange vor der Geburt gelegt wird. Erst seit wenigen Jahren ist es uns möglich, das Verhalten von Föten genauer zu studieren. Zudem vermittelt uns die moderne Säuglingsforschung eine genauere Vorstellung von den faszinierenden Veränderungen innerhalb der ersten Lebensjahre. Heute scheint klar, dass Schwangerschaft und frühe Kindheit Phasen der nachhaltigen Anpassung an unsere Umwelt sind, die eine gewisse Kontinuität aufweisen. In keiner anderen Zeit durchlaufen unser Gehirn und unser Körper mehr Veränderungen, wobei Reifung und Erfahrung in komplexer Wechselwirkung stehen. Diese Einsicht führt zu Veränderungen im Umgang mit unserem Nachwuchs. Der vorliegende Beitrag möchte entsprechende Zusammenhänge herausarbeiten und diskutieren. Dabei gliedert er sich in die drei Hauptabschnitte, die jeweils dem Leben als Fötus, der Geburt und den ersten Lebensjahren gewidmet sind. Abschließend wird in einem kurzen Ausblick spekuliert, welche Forschungsfragen uns in Zukunft beschäftigen werden.

5.2 Das Leben als Fötus

Früher schien das Leben im Mutterleib wie ein undurchdringliches Geheimnis. Die werdende Mutter konnte ab dem vierten Monat spüren, dass sich in ihr etwas regte; ihr Bauch wuchs beständig als Zeichen dafür, dass auch das Kind gedieh. Gegen Ende der Schwangerschaft konnte die Hebamme mit dem Hörrohr feststellen, ob das Herz des Fötus schlug. Aber was das Kind im Bauch genau tat und was es bereits konnte, blieb ihr verborgen.
Das ist inzwischen anders: Jede Schwangere unseres Kulturkreises sieht heute Ultraschallaufnahmen – gegen Aufpreis sogar dreidimensional – und gewinnt früh eine visuelle Vorstellung von allen Teilen und Bewegungen ihres Kindes in verschiedenen Stadien seines pränatalen Lebens. Zudem besteht die Möglichkeit der Messung verschiedenster Körperfunktionen, einschließlich der Hirnströme des Fötus. Viele werdende Mütter kennen das Geschlecht ihres Kindes oder/und haben bereits seinen Chromosomensatz untersuchen lassen. Informiert sich die Mutter zudem über Bücher oder andere Medien, so wird ihr rasch klar: Das Kind in ihrem Bauch ist eine eigenständige Person, die lernt, träumt, lächelt und erste Vorlieben entwickelt. Interessierte Leser finden eine ausführliche Darstellung der vorgeburtlichen Entwicklung bei Elsner und Pauen (2012) sowie Nathanielsz (1999). Nachfolgend werden lediglich die wichtigsten Fakten zusammengefasst.

Körperliche Entwicklung

Erste Ansätze zur Gehirnreifung sind bereits zwei bis drei Wochen nach der Befruchtung erkennbar. Ab der dritten Schwangerschaftswoche fängt das Herz des Kindes an zu schlagen, ab der vierten Woche reagiert ein Fötus auf Berührung, ab der achten Woche kann er greifen. Schon bald macht er Turnübungen, lutscht am Daumen oder spielt mit der Nabelschnur. Ab der 9. Schwangerschaftswoche ist am Kind alles dran und drin, was es zu einem Menschen macht. Jetzt muss es nur noch wachsen. Allerdings sind die meisten Organe bis zur Geburt noch nicht voll ausgereift. Das gilt vor allem für das Gehirn. Weil der Kopf sonst zu groß wäre, um den Geburtskanal zu passieren, verdreifacht sich das Gehirnvolumen erst in den Jahren nach der Geburt. Die Entwicklung des Fötus ist dabei in hohem Maße vom Wohlbefinden und Verhalten der werdenden Mutter abhängig.

Die Mutter-Kind-Beziehung

Heute gehen wir davon aus, dass bereits vor der Geburt Prägungen stattfinden, die sich auf basale Körper- und Hirnfunktionen beziehen. Was immer die Mutter zu sich nimmt oder was ihr widerfährt – sie teilt es mit ihrem Kind. Beispielsweise ist gut belegt, dass die Einnahme von Hormonen in der Frühschwangerschaft Einfluss auf die sexuelle Orientierung des Kindes haben kann. Nimmt die Schwangere Tabletten oder Drogen, ist ihr Kaffeekonsum zu hoch, raucht oder trinkt sie, schläft sie zu wenig oder ist sie zu viel auf den Beinen, so hat dies ebenfalls Konsequenzen für den Fötus, die von vermehrter Unruhe über vermindertes Wachstum bis hin zu gravierenden Körperdeformationen und Hirnschäden reichen.
Selbst der emotionale Zustand der Mutter und ihre Haltung zum Kind können dessen Entwicklung beeinflussen: Dauerstress reduziert die Funktionsfähigkeit der Plazenta, eine ablehnende Haltung verschlechtert die Versorgung mit Nährstoffen im Uterus. Geht es der Mutter dagegen gut und sie ist entspannt, dann kann sich auch der Fötus entspannen. Beide Schicksale, das der Schwangeren und das des Fötus, sind also auf vielfältige Weise miteinander verbunden. Die wenigsten Verbindungen sind dabei schon ausreichend verstanden. In jedem Fall aber steht außer Zweifel, dass eine werdende Mutter große Verantwortung für das in ihrem Körper reifende Kind und dessen Start ins Leben trägt.

Frühgeburtlichkeit

Nicht jedes Kind wird termingerecht geboren. Kinder können heute überleben, wenn sie gerade mal die Hälfte der Schwangerschaft über die Nabelschnur versorgt wurden. Schon ab der 20. Woche ist es möglich, sie in Brutkästen zu verpflanzen und am Leben zu halten, bis ihre kleinen Körper so weit entwickelt sind, dass sie auch ohne die Hilfe von Apparaten auskommen. Man lässt ihre Lungen durch Gabe von Surfaktant schneller reifen, einem Stoff, der normalerweise erst in der letzten Phase der Schwangerschaft vom Körper der Mutter produziert wird und dazu beiträgt, dass sich die Lungenbläschen nicht verkleben, sobald sie mit Sauerstoff aus der Luft in Kontakt kommen; man passt die Sauerstoffzufuhr nach der Geburt ständig dem aktuellen Bedarf an und führt über eine Sonde Nahrung zu.
Ohne die moderne Perinatalmedizin wäre das Leben vieler Frühgeborener beendet, bevor es überhaupt richtig begonnen hat. Ohne sie gäbe es vermutlich aber auch weniger Frühgeburten, denn ein steigender Anteil jener Kinder, die vorzeitig das Licht der Welt erblicken, stammt von Frauen, die eine medizinische Behandlung in Anspruch genommen haben, um überhaupt Mutter werden zu können. Als Resultat ergeben sich häufig Mehrlingsschwangerschaften, die ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten mit sich bringen.
Für etwa 10 % der Menschheit in unserem Kulturkreis beginnt das Leben daher mehr als drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und bringt die Erfahrung medizinischer Eingriffe mit sich, die über normale Geburtshilfe hinausgehen. Die Ursachen und Konsequenzen von Frühgeburtlichkeit genauer zu erforschen, ist ein wichtiges Anliegen der modernen Medizin und Psychologie. Hier gilt es, durch interdisziplinäre Zusammenarbeit noch viele Rätsel zu lösen, denn der körperliche Zustand nach der Geburt erlaubt sehr eingeschränkt eine Vorhersage, wie sich das Kind künftig entwickeln wird. So gibt es Frühgeborene mit auffälligem Hirnbefund, die sich später jedoch völlig normal entwickeln, und andere Frühgeborene, die keinen auffälligen Hirnbefund aufweisen, später aber deutliche Defizite in ihrer Entwicklung zeigen, welche systematisch mit Frühgeburtlichkeit in Verbindung stehen.

Erkenntnisse der modernen Säuglingsforschung

Auch die moderne Säuglingsforschung widmet sich der Erkundung des vorgeburtlichen Lebens. Indem Psychologen untersuchen, welche Fähigkeiten Kinder mit auf die Welt bringen, stellen sie gleichzeitig fest, was schon alles während der Schwangerschaft gelernt wurde. Dabei macht man sich raffinierte Untersuchungstechniken zunutze, wie etwa das »präferenzielle Saugen«. Dabei gibt man dem Neugeborenen einen Schnuller und misst zunächst die spontane Saugrate. Anschließend setzt man dem Baby einen Kopfhörer auf und spielt – abhängig davon, ob das Kind langsamer oder schneller saugt, als es der Basisrate entspricht – bestimmte akustische Signale über den Kopfhörer ein.
Unter Verwendung dieser Technik stellten DeCaspar und Fifer (1986) fest, dass Neugeborene die Stimme ihrer Mutter gegenüber anderen Frauenstimmen bevorzugen. Die Autoren sehen hierin einen Beleg dafür, dass die Kinder das Lautmuster der mütterlichen Stimme während der Schwangerschaft gelernt haben und nach der Geburt wiedererkennen. Noch erstaunlicher scheint ihr Befund, dass sich die Kinder offensichtlich sogar an die Lautmuster bestimmter Geschichten erinnern können, die ihnen in den letzten sechs Wochen vor der Geburt täglich einmal laut vorgelesen wurden. Diese Geschichten »saugten« sie sich mit Vorliebe herbei. Dabei war es egal, ob schneller oder langsamer als sonst gesaugt werden musste, um das entsprechende Klangmuster zu hören. Diese überraschende Beobachtung gilt heute als eindrucksvoller Beleg für die differenzierte Hör- und Merkfähigkeit im Mutterleib.
Studien dieser Art zeigen uns, dass schon Neugeborene Wahrnehmungspräferenzen haben, die auf Erfahrung basieren. Sie machen zudem deutlich, dass sich Kinder an die Zeit vor der Geburt erinnern können und offensichtlich Reize, mit denen sie im Mutterleib konfrontiert waren (Lautmuster, Gerüche), als Neugeborene bevorzugen.

Konsequenzen unserer veränderten Sichtweise

Insgesamt vermitteln die dargestellten Beobachtungen den Eindruck, dass wir es von Anfang an mit einer Persönlichkeit zu tun haben, die sich in enger Wechselbeziehung mit den Bezugspersonen entwickelt, sensibel auf ihre Umwelt reagiert und lernfähig ist. Die Vorstellung, das Leben beginne erst mit der Geburt, scheint damit aus heutiger Sicht naiv. Vielmehr wird uns mehr und mehr bewusst, dass Erfahrungen, die wir im Mutterleib gemacht haben, vermutlich einen nachhaltigen Einfluss auf unsere weitere Entwicklung haben. Dieser Schluss liegt auf der Hand, wenn man sich überlegt, dass Gehirn und Körper in dieser Phase ihre genaue Form und Struktur annehmen und dass diese Reifungsprozesse stets mitgeprägt sind von den Umweltbedingungen, unter denen sie stattfinden. Umso erstaunlicher scheint es, dass bislang nur wenige Studien vorliegen, die entsprechende Zusammenhänge systematisch erforschen.
Weil Mütter unseres Kulturkreises im Durchschnitt nur wenige Kinder zur Welt bringen und eher zu den Spätgebärenden zählen, machen sie sich besonders viele Gedanken um ihre Schwangerschaft. Wer nur ein oder zwei Kinder bekommt und womöglich lange auf das erste Kind warten musste, will sicher sein, dass alles optimal läuft. Damit stellt sich die Frage, welche Folgen diese veränderte Realität von Schwangerschaft für die Kinder selbst hat.
Zweifellos trägt das gesteigerte Verantwortungsbewusstsein unserer Gesellschaft gegenüber dem ungeborenen Leben mit dazu bei, dass Schwangere insgesamt stärker auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden achten. Die höhere Anzahl kassenärztlich finanzierter Vorsorgeuntersuchungen, die staatliche Unterstützung für werdende Mütter in Form von Beratungsangeboten und Mutterschutz, eine Vielzahl an Geburtsvorbereitungskursen und Büchern für Schwangere tragen alle gemeinsam mit dazu bei, die besonderen Herausforderungen, die mit dem Wachsen neuen Lebens einhergehen, besser zu meistern. Nicht umsonst ist die Sterblichkeitsrate in westlichen Ländern seit der Nachkriegszeit kontinuierlich gesunken. Viele Störungen der pränatalen körperlichen Entwicklung können vermieden werden.
Allerdings gibt es auch Kehrseiten dieser verstärkten Achtsamkeit: So steigt mit der Anzahl der Vorsorgemaßnahmen auch die Erwartung an das noch ungeborene Kind. Es soll nicht nur genetisch gesund sein, sondern zudem bereits im Bauch opt...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Copyright
  4. Inhalt
  5. Inhalt des elektronischen Zusatzmaterials
  6. Vorwort
  7. I Einführung und ausgewählte Zugänge
  8. II Partialblicke auf neue Lebensläufe – Auswirkungen auf den gesamten Lebenslauf
  9. III Variationen von Gesamtsichtweisen des Lebenslaufs
  10. IV Neue Lebensläufe als Herausforderung einer interdisziplinären Lebenslaufforschung: (De-)Standardisierung des Lebenslaufs, Genderaspekte und Resümee
  11. Stichwortverzeichnis