Die Geschwistermeere
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Die Geschwistermeere

Geschichte des Nord- und Ostseeraums

  1. 306 Seiten
  2. German
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Die Geschwistermeere

Geschichte des Nord- und Ostseeraums

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

This book presents the integrated history of both seas and its neigh ours for the first time, from the Antique until present times.The author carves out the political, cultural and economic connecting and separating lines within the North European region between the British Isles in the West, Russia in the East, Iceland in the North, and Poland and Germany in the South.Here, he illustrates colourfully and competently, how the ideal notions, but also the actual ideas of the regional and relationship history, which has lasted over centuries, positively affected solidarity, but how it also led to conflicts.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170259331
Auflage
1

1 Frühe Besiedlung, erste Kontakte und die Geburt einer Raumidee


Vor ca. 11 000 Jahren endete mit der Weichseleiszeit die letzte große Vergletscherungsperiode Nordeuropas. Die Folgen waren einschneidend. Die Nordsee, ein geologisch altes Meer, begann nach dem durch die Eisschmelze bedingten Ansteigen des Meeresspiegels ihre annähernd noch heute bestehende Form zu finden. Britannien wurde zur Insel; um 5000 v. Chr. war die Landverbindung zum europäischen Kontinent verschwunden.
Damit einher ging die Entstehung der Ostsee. In einem mehrtausendjährigen Prozess formte sie sich aus einem riesigen Binnensee im Gletscherstau der Endphase der letzten Eiszeit. Komplexe geophysikalische Vorgänge ließen vor ca. 8 000 Jahren die Landenge zwischen dem heutigen Dänemark und der skandinavischen Landmasse verschwinden. Seitdem sind Ostsee und Nordsee miteinander verbunden. Die sich von der Elbe über rund 450 Kilometer nordwärts erstreckende Cimbrische Halbinsel, die dänische Inselwelt um Großen und Kleinen Belt, und die Meeresgebiete von Kattegat und Skagerrak wirkten von nun an als Trenn- und Verbindungsraum zwischen beiden Meeren. Das geographische Raumszenario der Geschwistermeere stand bereit.
Spuren menschlicher Besiedlung fanden sich in Teilen dieses Raums schon in der Altsteinzeit. Spätestens seit ca. 250 000 v. Chr. war Britannien von Angehörigen nomadischer Jäger- und Sammlerkulturen wohl sporadisch besucht worden. Dauerhafte Besiedlungsmöglichkeiten schuf jedoch hier, wie im gesamten Raum von Nord- und Ostsee, erst der Klimaumschwung nach der Weichseleiszeit.1 Archäologische Befunde zeigen, dass vor ca. 13 000 Jahren Gruppen der sogenannten Hamburger Kultur in Regionen nördlich der Elbe vorstießen. Von den klimatischen Gegebenheiten abhängige Expansionen und Rückzüge anderer Gruppierungen folgten. In der Mittelsteinzeit des 8. bis 5. vorchristlichen Jahrtausends, finden sich mit Maglemose-, Kongemose- und Ertebøllekultur von den Britischen Inseln über das nördliche Mittel- und Osteuropa bis ins südliche Skandinavien wohl saisonal sesshafte Wildbeuterkulturen.2 Ob und wie großräumig anzutreffende Gemeinsamkeiten der archäologischen Befunde den Schluss auf Kulturkontakte und Vernetzungen über weitere Strecken ziehen lassen, sei dahingestellt.
Gesicherter werden die Erkenntnisse für die jungsteinzeitliche Epoche. Den Beginn jener so wichtigen Etappe der Menschheitsgeschichte markiert man mit dem Übergang von Jäger- und Sammlerkulturen zu dauerhafter Ansiedlung von Ackerbau und Viehzucht betreibenden Gruppen. Allmählich setzten sich im Neolithikum zwischen ca. 4000 und 2000 v. Chr. im uns interessierenden Raum auf Ackerbau beruhende Lebensweisen gegenüber den alten Jäger- und Sammlergesellschaften durch. Die archäologische Forschung kann für jene Epoche räumlich fixierbare Verbreitungs- und Einflusszonen relativ deutlich dingfest machen. So erfasste die Trichterbecherkultur als wohl erste bäuerlich geprägte Kultur im nördlichen Mitteleuropa von ca. 4200 bis 2800 v. Chr. die Küstenregionen von Nord- und Ostsee von der Rheinmündung bis über die Weichsel hinaus, die Cimbrische Halbinsel und Südskandinavien. Ihr folgte mit Datierungen zwischen 2800 und 2200 v. Chr. in ähnlichem Verbreitungsgebiet, das sich freilich bis weit nach Zentralrussland hinein ausdehnte, die Schnurkeramikkultur. Die Ostsee- und die Nordseeküste bis hin zum Rhein wurden in der Jungsteinzeit von Kultureinflüssen geprägt, die sich vermutlich aus südlicher oder südöstlicher Richtung ausgebreitet hatten.3 Für diesen Zeitraum werden auf dem Gebiet des heutigen Finnland Überlappungen von Kulturformen nordwest- und zentraleuropäischer sowie südöstlicher Herkunft angenommen, denen sich die Verbreitung finnougrischer Sprachvarianten verdankt.4
Am Westrand der Nordsee unterlag Britannien wahrscheinlich Einflüssen, die anderwärts ihren Ausgang genommen hatten. Rätsel geben die Megalithanlagen der Jungsteinzeit auf, monumentale Gräber und Steinsetzungen vor allem im westlichen Mittelmeerraum, in Frankreich und auf den Britischen Inseln, jedoch auch in den norddeutschen, dänischen und südschwedischen Küstenregionen. Ein enger entstehungsgeschichtlicher Zusammenhang ist allerdings zweifelhaft.5 Immerhin ist das Fehlen solcher Anlagen in der mittleren und östlichen Ostseeregion auffällig. Eine recht eindeutige Orientierung auf den Westen besaß die Glockenbecherkultur der ausgehenden Jungsteinzeit. Ihr archäologisches Fundszenario erfasst die Iberische Halbinsel, Teile Zentraleuropas, die Britischen Inseln und erreicht mit dem Gebiet der Rheinmündung auch die südliche Nordseeküste.6 Die Ostsee berührte sie wohl allenfalls am westlichen Rand.7
Schnurkeramiker und Glockenbecherkultur markieren erste Kontakte mit der Technik der Metallverarbeitung. In einem mehr als ein Jahrtausend dauernden Zeitraum drang aus Vorderasien die Fähigkeit zur Herstellung und Verarbeitung von Bronze vor und erreichte schließlich um 2000 v. Chr. den Süden der Britischen Insel, wo sich mit der Wessexkultur eine eigene frühbronzezeitliche Kultur formierte. Um 1800 v. Chr. expandierte das bronzezeitliche Know-how in die Regionen nördlich der Elbe und erfasste in unterschiedlichen Varianten den gesamten Ostseeraum. Die Verbreitung der neuen metallurgischen Technologie lässt auf sich entwickelnde Austauschstrukturen zwischen Nord und Süd und Ost und West schließen. Die Westküste der Cimbrischen Halbinsel und der südliche Ostseesaum hatten mit dem Bernstein ein bis in den mediterranen Raum begehrtes Gut anzubieten, das gegen Kupfer und Zinn, die Grundstoffe der Bronze, getauscht wurde.8

Erste Raumstrukturen

Noch sind wir weit davon entfernt, von einem kohärenten, Nord- und Ostsee umfassenden Raum sprechen zu können. Aber es zeichnen sich in dieser Phase der Vorgeschichte raumstrukturierende Tendenzen ab. So haben z. B. die Wessexleute Dolche aus der Bretagne und Bernstein aus Osten importiert. Die britische Insel war also in ein Austauschsystem eingebunden, das Nord- und Ostsee einschloss. Für gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen mag jedoch das Gefälle von Süd bzw. Südost nach Nord und Nordwest bezeichnender sein. Der bronzezeitliche Technologietransfer der Metallverarbeitung in Süd-Nord-Richtung deutet darauf hin, dass die Austauschbeziehungen asymmetrisch verliefen. Die wesentlichen Impulse kamen aus dem Süden. Mit der neuen Technik mögen auch Muster gesellschaftlicher Differenzierung Einzug gehalten haben, die vorherige an Komplexität übertrafen. Die Annahme einer Weiterentwicklung arbeitsteilig organisierter Gesellschaften mit profilierten Herrschaftseliten auf der Basis militärischer und wirtschaftlicher Potenz liegt angesichts archäologischer Befunde nahe.9
Dies gilt auch für die folgende Entwicklungsstufe, die Eisenzeit. Um die Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends erreichte die Fähigkeit zur Eisengewinnung und -verarbeitung die Regionen von Nord- und Ostsee. Keltische Wanderungsbewegungen in Mitteleuropa, die Unterbrechung von Nachschubwegen für Kupfer und Zinn haben vermutlich die Ausbreitung des Eisens als Grundmaterial für Gebrauchs- und Schmuckgegenstände befördert. Auf den britischen Inseln führten keltische Zuwanderungsschübe seit dem 7./6. Jahrhundert v. Chr. bis hinauf nach Schottland nicht nur zur Implementierung neuer technischer Fertigkeiten. Spätestens seit der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts griff auch eine herrschaftliche Verdichtung Platz, die sich in der Etablierung relativ fest organisierter Königsherrschaften manifestierte.10 Zwischen Weser und Oder sowie in der Südhälfte der Cimbrischen Halbinsel finden wir mit der Jastorfkultur eine früheisenzeitliche Gruppierung, die mit der Verarbeitung von Raseneisenerz eine lokal verfügbare Ressource erschloss und mit ihren Erzeugnissen technologische und ästhetische Impulse der keltischen Latènekultur aus Mitteleuropa aufnahm.11 Auch auf der skandinavischen Halbinsel und an den weiter östlich gelegenen Küsten der Ostsee etablierten sich eisenzeitliche Strukturen.

Mittelmeerwelt und Norden begegnen sich

Im zweiten vorchristlichen Jahrhundert verließen Cimbern und Teutonen, die zu jenen Stammesverbänden gehörten, deren Sammelbezeichnung als Germanen heute kritisch betrachtet wird,12 ihr Siedlungsgebiet auf der Cimbrischen Halbinsel Richtung Süden. 113 v. Chr. kam es im ostalpinen Noreia zur ersten Auseinandersetzung mit Truppen des expandierenden Römischen Reiches. Nach einem wechselvollen Krieg und Zügen durch Gallien unterlagen die nordeuropäischen Eindringlinge schließlich »in zwei genozidähnlichen Vernichtungsschlachten« 102 v. Chr. bei Aquae Sextiae, dem heutigen Aix-en-Provence, und 101 v. Chr. bei Vercellae dem römischen Konsul und Feldherrn Marius.13 Danach verliert sich ihre Spur.
Die Cimbern und Teutonen waren nicht die ersten und in der Eisenzeit beileibe nicht die einzigen Gemeinschaften, die über relativ weite Strecken wanderten und in Kontakt mit anderen kamen. Das Interessante an ihnen ist jedoch die Wahrnehmung durch die Römer. Gegen diese errang man erste militärische Erfolge, als in Rom innenpolitische Krise und territoriale Expansion aufeinander trafen. Eine Mixtur aus konkretem Erleben eigener Niederlagen und legendenhafter Überhöhung des Mutes und der Wildheit des Gegners bestimmte das Bild der Römer von den als so fremdartig erfahrenen Eindringlingen aus dem Norden. Es wurde »zum politischen Vermächtnis von Aquae Sextiae und Vercellae, die Wiederholung derartiger Schrecken für alle Zeiten zu bannen«.14
Zum Zeitpunkt des Krieges mit den Cimbern und Teutonen hatten die Römer allenfalls diffuse Kenntnisse von deren Herkunft. Vorstellungen von der Verortung des Nordens waren im griechisch-römischen Kulturraum allerdings schon präsent. Ein lange prägendes Bild vom Norden zeichnet der nur fragmentarisch durch andere antike Autoren überlieferte Bericht des griechischen Geographen Pytheas von Massilia. Um 350 vor unserer Zeitrechnung war er aus seiner mediterranen Heimat nach Norden gereist. Er beschreibt Britannien und die nördlich davon gelegene Insel Thule, knapp südlich des ewigen Eises gelegen.15
Der Norden, zu dem man als Folge des Pytheasberichtes bis zum ersten nachchristlichen Jahrhundert den Westrand der Nordseeregion und alles rechnete, was man nördlich und östlich davon vermutete, war damit für den griechisch-römisch geprägten mediterranen Kulturraum in Sachen natürlicher Lebensbedingungen ein negativer Gegenentwurf zur eigenen Welt geworden. Die Expansion des Römischen Reiches über die Alpen hinaus nach Norden ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Zur Einführung: Ost- und Nordsee, Cimbrische Halbinsel und die Idee vom Norden
  7. 1 Frühe Besiedlung, erste Kontakte und die Geburt einer Raumidee
  8. 2 Von der »Völkerwanderung« bis zu den Wikingern – Beziehungen werden neu gemischt
  9. 3 Könige, Kaufleute und Kirchen – Raumentwicklungen im Hoch- und Spätmittelalter
  10. 4 Gründungsmythen, Glaubensspaltung und globale Ökonomien – Beziehungsgefüge in der Frühen Neuzeit
  11. 5 Neue Imperien und Ideen der Freiheit – Neuformationen im 18. Jahrhundert
  12. 6 Von Napoleon bis zur Novemberrevolution – Wandel im langen 19. Jahrhundert
  13. 7 Begegnungsraum des Nichtvereinbaren – Politische und gesellschaftliche Konzepte von 1920 bis 1945
  14. 8 Distanzierungen, Annäherungen und neue alte Nordideen – Die Geschwistermeere seit 1945
  15. 9 Anstelle eines Fazits: Nordbilder zwischen Freiheitsideen und Überlegenheitsmythen