Psychotherapie des jungen Erwachsenenalters
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Psychotherapie des jungen Erwachsenenalters

Basiswissen für die Praxis und störungsspezifische Behandlungsansätze

  1. 310 Seiten
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Psychotherapie des jungen Erwachsenenalters

Basiswissen für die Praxis und störungsspezifische Behandlungsansätze

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Psychotherapie des jungen Erwachsenenalters verlangt ein spezielles Vorgehen und besondere Kenntnisse. In diesem Altersbereich kommt es vor allem darauf an, neue Herausforderungen zu bewältigen und sich aus dem bisherigen Lebensfeld zu lösen. Für die Betroffenen ist es häufig schwierig, das richtige Behandlungsangebot zu finden. Die Beiträge des Buchs gehen auf die besonderen entwicklungspsychologischen, psychodynamischen und behandlungstechnischen Grundlagen ein. Ausgehend von Fallvignetten wird das psychotherapeutische Vorgehen in störungsspezifischen Kapiteln ausführlich dargestellt.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170285576

Störungsspezifische Behandlungsansätze

9 Depressive Störungen

Wolfgang Ihle und Martin Hautzinger

9.1 Fallvignetten

Adoleszenz:
Die noch 16-jährige Jennifer wurde auf Anraten und in Begleitung ihrer Mutter in der Ambulanz für Kinder und Jugendliche vorstellig. Jennifer erlebe sich seit dem 14. Lebensjahr als deutlich belastet. Sie habe nach der Rückkehr von einem Schüleraustausch in Skandinavien die Beziehung zu ihrem damaligen Freund beendet und sei danach von ihren Mitschülern und Freunden in der Klasse ausgegrenzt worden. Seitdem leide sie unter gedrückter Stimmung, Konzentrationsschwierigkeiten und einem Verlust des Selbstvertrauens. Zudem müsse sie oft weinen. In den letzten Monaten (nach dem Übergang in die 11. Klasse mit stark gestiegenen Leistungsanforderungen) sei es zu einer rapiden Verschlechterung gekommen. Ihre Stimmung sei deutlich gedrückt, verbunden mit einem Gefühl der inneren Leere, extremer Traurigkeit und sozialem Rückzug. Sie weine bei der kleinsten Kleinigkeit, könne schlecht einschlafen und wache häufig in der Nacht auf. Sie schaffe es zwar meist noch die Schule zu besuchen, könne sich aber oft gar nicht auf den Unterricht konzentrieren. Jennifer leide sehr unter ihrem niedrigen Selbstwert. Sowohl im Unterricht, in sozialen Kontexten als auch bei sportlichen Aktivitäten sei sie im Gegensatz zu früher extrem gehemmt. Verabredungen mit Freundinnen treffe sie nicht mehr oder sage diese meist ab. An früher mit Freude gepflegten Hobbies (Sport, Kinobesuche, Ausgehen mit Freundinnen) habe sie kein Interesse mehr, da ihr alles keinen Spaß mehr mache. Im Kontakt mit ihrer Familie habe sie häufig Schuldgefühle bzgl. ihres eigenen Verhaltens und der Verschlechterung der Schulleistungen. Im Erstgespräch zeigte sich Jennifer sehr beeinträchtigt und hilfsbedürftig. Sie möchte sich selbst im Kontext ihrer Vergangenheit besser kennen und verstehen lernen, um aus der verfahrenen und für sie derzeit ausweglosen Situation wieder herauszukommen.
Junges Erwachsenenalter:
Der 23-jährige Patient M. wurde nach einem Suizidversuch mit Tabletten von einem Mitbewohner des Studentenwohnheims in die Psychiatrische Klinik gebracht und dort notfallmäßig aufgenommen. Die Suizidhandlung folgte auf zwei einschneidende negative Erfahrungen während der zurückliegenden Monate: dem Versagen in einer Prüfung und dem Ende einer Beziehung zu einer Studienkollegin. Der junge Mann ist das zweite Kind einer gutbürgerlichen Familie. Der Vater ist Elektroingenieur, die Mutter Hausfrau, die sieben Jahre ältere Schwester ist beruflich erfolgreich und hat inzwischen eine eigene Familie. Er beschreibt seine Herkunftsfamilie als äußerst harmonisch. Auch während der Pubertät sei er ein »gutes Kind« gewesen. Zu familiären Spannungen sei es nie gekommen. Er war immer ein guter Schüler, ohne sich groß anstrengen zu müssen. In der Klasse war er jedoch eher der Unauffällige, Introvertierte und Brave. Nach dem Abitur habe er nicht gewusst, was er machen wollte, und habe eher aus »Verlegenheit« angefangen, an der lokalen Universität Kognitionswissenschaften zu studieren.
M. erlebte in seiner Kindheit viel Fürsorge, doch wenig Emotionalität und Geborgenheit. Familiäre Harmonie und Leistung waren (sind) in dieser Familie zentrale Werte. Konflikte schien es in dieser Familienstruktur nicht zu geben, bzw. wurden nicht ausgelebt oder gar ausgetragen. Der Patient erlernte nie den Umgang mit Frustrationen, Krisen, Misserfolgen und Enttäuschungen. Die Beziehung zu der Studienkollegin, seine erste engere, intime Beziehung, entstand eher zufällig, vor allem durch Initiative der Frau. Als diese Beziehung durch sie beendet wurde, erlebte der Patient die erste Kränkung seines Lebens. Er zog sich daraufhin zurück, ließ zahlreiche Kurse sausen und hatte kaum noch Kontakt zu Studienkollegen; lediglich seine beiden WG-Mitbewohner sah er noch. Als er dann durch eine Klausur fiel, reagierte er hoffnungslos und resigniert. Voll Scham traute er sich nicht, seiner Familie von diesen Misserfolgen und Enttäuschung zu berichten. Er besuchte die Familie kaum noch und ließ sich vom Studium beurlauben. Seine Tage verbrachte er in seinem Zimmer vor dem PC, im Internet und bei stundenlangen Computerspielen. Das wurde seine (virtuelle) Welt.
Es lassen sich folgende Therapieziele ableiten: Bewältigung der akuten depressiven Symptomatik, Erlernen eines besseren Umgangs mit sich selbst (unter anderem sich zuzugestehen, Fehler machen zu dürfen), Alltagsgestaltung und Normalisierung des Schlaf-Wach-Rhythmus, Reduktion der Computerzeiten, Wiederaufnahme des Studiums, Abbau von Prüfungsängsten, Aufbau von Arbeitsverhalten, sozialen Kontakten und Interessen, Entwickeln von Beziehungsfähigkeit jenseits der Dichotomie symbiotische Verschmelzung und Beziehungslosigkeit.

9.2 Klinische Symptomatik und diagnostische Kriterien

Symptomatik

Hauptsymptome der Depression sind eine deutliche emotionale Niedergeschlagenheit bzw. Traurigkeit (depressive Verstimmung), die reduzierte Fähigkeit, Freude und Interesse zu empfinden (Anhedonie), sowie ein verminderter Antrieb und eine schnellere Ermüdbarkeit. Bei einer depressiven Störung treten neben der zentralen affektiven Symptomatik weitere charakteristische Anzeichen auf, etwa ein vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle oder Gedanken an den Tod, kognitive und motivationale Beeinträchtigungen, zum Beispiel erschwerte Entscheidungsfindung oder eingeschränktes Konzentrationsvermögen, neurovegetative Symptome wie Veränderungen des Appetits und des Schlafverhaltens oder verhaltensbezogene Auffälligkeiten wie eine verlangsamte Psychomotorik oder Agitiertheit (Hautzinger, 2010).
Ab dem Schulalter stehen vermehrt psychische Symptome wie Selbstzweifel, unangemessene Schuldgefühle, Überzeugungen, nicht geliebt zu werden, sowie Leistungsprobleme im Vordergrund. Bei Jungen lässt sich insgesamt häufiger reizbares, aggressives und zerstörerisches Verhalten beobachten, während Mädchen eher zu Rückzug neigen und immer stiller werden. Anzeichen wie Traurigkeit oder Reizbarkeit, Antriebsmangel und Freudlosigkeit sowie weitere Symptome sprechen insbesondere dann für das Vorliegen einer Depression, wenn die Auffälligkeiten besonders ausgeprägt sind, länger anhalten, sich der Jugendliche im Vergleich zu früher merklich verändert hat, sehr darunter leidet und es im Alltag zu Beeinträchtigungen kommt (Ihle et al., 2012; Groen, Ihle, Ahle und Petermann, 2011). Bezogen auf die Kernsymptomatik zeigen sich depressive Störungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in einem vergleichbaren Bild. Bestimmte Symptome können sich aber in Abhängigkeit vom Alter verändern oder unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Demnach sind im vorpubertären Stadium Symptome wie Reizbarkeit, körperliche Beschwerden und sozialer Rückzug besonders häufig, wohingegen bei depressiven Jugendlichen psychomotorische Verlangsamung, Hypersomnia und Wahnphänomene deutlich häufiger als bei Kindern auftreten. In dieser Altersgruppe nehmen suizidale Gedanken deutlich zu (Becker und Meyer-Keitel, 2008).

Diagnostische Kriterien

In Abgrenzung zu eher alltäglichen Gefühlen von Traurigkeit und Unlust werden entsprechende Symptome erst dann zu einer depressiven Störung, wenn
• mehrere Symptome gleichzeitig vorliegen,
• diese Symptome eine bestimmte Intensität erreichen,
• über eine gewisse Zeit andauern (mindestens wenige Wochen) sowie
• im Leben der Betroffenen zu Beeinträchtigungen oder Leiden führen.
Die Klassifikation unipolarer depressiver Störungen erfolgt üblicherweise nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO (ICD-10) oder im Forschungskontext meist nach dem DSM-5 der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (2013). In beiden Klassifikationssystemen werden für die Diagnose einer depressiven Störung bei Kindern und Jugendlichen großenteils dieselben Kriterien zugrunde gelegt wie für eine entsprechende Diagnose im Erwachsenenalter; im DSM- 5 gibt es jedoch Spezifikationen für Kinder und Jugendliche. So kann die depressive Verstimmung bei Kindern und Jugendlichen auch in Form einer reizbaren Verstimmung auftreten und anstelle eines Gewichtsverlusts kann bei Kindern auch das Ausbleiben einer zu erwartenden Gewichtszunahme berücksichtigt werden.
Zu den depressiven Störungen werden neben der dysthymen Störung vor allem die Major Depression (DSM-5) bzw. die depressive Episode oder die rezidivierende depressive Störung (ICD-10) gezählt. Die typische Depression stellt die Major Depression bzw. depressive Störung dar, die in einzelnen oder wiederkehrenden Episoden von mindestens zweiwöchiger Dauer auftritt. Im Folgenden werden die Kriterien einer depressiven Episode nach ICD-10 zusammengefasst. Das klinische Bild kann jedoch beträchtliche individuelle Varianten aufweisen und bei Jugendlichen zeigt sich häufig ein untypisches Erscheinungsbild.
Symptome einer depressiven Episode nach ICD-10 (F32) und zusätzliche mögliche Symptome bei Kindern und Jugendlichen
Mindestens zwei der drei Kernsymptome über mindestens zwei Wochen Dauer:
• Deutliche und anhaltende depressive Stimmung
• Interessen- und Freudeverlust an normalerweise angenehmen Aktivitäten
• Verminderter Antrieb oder gesteigerte Ermüdbarkeit.
Zusätzlich müssen weitere der folgenden Symptome vorliegen (bei Vorhandensein von zwei Kernsymptomen mindestens zwei weitere):
• Wenig Selbstvertrauen und geringes Selbstwertgefühl
• Selbstvorwürfe und Schuldgefühle
• Suizidgedanken und suizidales Verhalten
• Konzentrationsschwierigkeiten und Unentschlossenheit
• Psychomotorische Unruhe oder Hemmung
• Schlafstörungen
• Appetitverlust oder gesteigerter Appetit.
Depressive Episoden (F32) und rezidivierende depressive Störungen (F33) können hinsichtlich des Schweregrades entsprechend der Anzahl der Symptome und dem Ausmaß psychosozialer Beeinträchtigungen weiter spezifiziert werden.
Zusätzliche mögliche Symptome einer Depression bei Kindern und Jugendlichen sind:
• Reizbarkeit und übellaunige Stimmung
• Trennungsängste
• Häufige körperliche Beschwerden (z. B. Kopf- oder Bauchschmerzen)
• Rückzug, Isolation, wenig Kontakte zu Gleichaltrigen und Schwierigkeiten in bestehenden Beziehungen
• Gelangweilt sein.
Für die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung (F33) muss neben der aktuellen Episode mindestens eine weitere depressive Episode in der Vorgeschichte vorgelegen haben, die mindestens zwei Wochen angedauert hat und von der gegenwärtigen Episode durch ein mindestens zweimonatiges, weitgehend symptomfreies Intervall abgegrenzt werden kann. In der Anamnese darf keine Phase aufgetreten sein, die die Kriterien für eine manische oder hypomane Episode erfüllt. Depressive Episoden und rezidivierende depressive Störungen können nach ihrem Schweregrad bzw. der Anzahl der Symptome und dem Ausmaß der psychosozialen Beeinträchtigung in leicht, mittelgradig und schwer ohne bzw. mit psychotischen Symptomen (Wahnideen, Halluzinationen oder depressiver Stupor) unterschieden werden. Bei einer leichten Störung sollten vier oder fünf, bei einer mittelgradigen sechs oder sieben und bei einer schweren alle drei Kernsymptome und insgesamt mindestens acht Symptome vorliegen. Leichte und mittelgradige depressive Episoden und rezidivierende depressive Störungen können weiterhin danach spezifiziert werden, ob ein somatisches Syndrom vorliegt oder nicht.
Die Dysthymia (F34.1) wird als eine chronische depressive Verstimmung beschrieben, die hinsichtlich der Schwere und Intensität einzelner Episoden nicht die Kriterien einer depressiven Episode erfüllt. Die konstante oder konstant wiederkehrende Depression bei Kindern und Jugendlichen dauert mindestens ein Jahr an, dazwischen liegende Perioden normaler Stimmung umfassen nicht mehr als wenige Wochen. Zumindest während einiger Phasen liegen drei oder mehr der folgenden Symptome vor:
• Verminderter Antrieb oder Aktivität
• Schlaflosigkeit
• Verlust des Selbstvertrauens oder Gefühl von Unzulänglichkeit
• Konzentrationsschwierigkeiten
• Neigung zum Weinen
• Verlust des Interesses, der Freude an angenehmen Aktivitäten (Sexualität)
• Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung
• Erkennbares Unvermögen, mit den Routineanforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden
• Pessimismus im Hinblick auf die Zukunft, Grübeln über Vergangenes
• Sozialer Rückzug
• Verminderte Gesprächigkeit.
Für die Diagnose einer dysthymen Störung darf bei Kindern und Jugendlichen innerhalb des ersten Jahres keine Episode einer Depression bestehen, die in diesem Fall zu diagnostizieren ist. Außerdem müssen zwischen einer depressiven Episode und einer folgenden dysthymen Störung mindestens zwei störungsfreie Monate liegen. Nach dem ersten Jahr können Episoden einer Depression die Dysthymie überlagern, sodass beide Diagnosen gestellt werden können (Double Depression).
Depressive Symptome können auch im Rahmen von Anpassungsstörungen (F43.2) auft...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Verzeichnis der Herausgeber und Autoren
  7. Behandlungsgrundlagen und -rahmen
  8. Störungsspezifische Behandlungsansätze
  9. Register