Soziale Wirkungen virtueller Helfer
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Soziale Wirkungen virtueller Helfer

Gestaltung und Evaluation von Mensch-Computer-Interaktion

  1. 284 Seiten
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Soziale Wirkungen virtueller Helfer

Gestaltung und Evaluation von Mensch-Computer-Interaktion

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Über dieses Buch

Um Mensch-Technik-Interaktion in Zukunft effizienter und zufriedenstellender zu gestalten, eröffnen sich vielversprechende Möglichkeiten durch die Entwicklung und den Einsatz sogenannter virtueller Helfer. Durch deren Fähigkeit zu verbalem und nonverbalem Verhalten sollen diese Figuren dem Menschen einen intuitiven Zugang zu technischen Systemen ermöglichen. Dieses Buch stellt den Stand der Forschung dar und beschäftigt sich insbesondere mit psychologischen Beiträgen in den Bereichen Gestaltung und Evaluation der virtuellen Figuren. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf die unerwartet deutlichen sozialen Wirkungen der virtuellen Helfer gelegt: So reagieren menschliche Nutzer unwillkürlich mit unangemessen erscheinenden sozialen Verhaltensweisen wie zum Beispiel Höflichkeit oder sozial erwünschter Selbstdarstellung.

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Information

Jahr
2008
ISBN
9783170280748

1 Einleitung

„Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragt die freundliche dunkelhaarige Frau am Bankschalter und lächelt.
„Ich möchte eine Überweisung tätigen.“
„Dann geben Sie doch bitte zunächst hier Ihre Kontonummer ein“, erläutert sie und deutet auf ein Feld, in das sich die Nummernfolge eintippen lässt.
So oder so ähnlich kann sich bereits heute die Konversation eines Menschen mit einem Interface-Agenten abspielen. Obgleich die Zukunftsvision, dass virtuelle Personen uns in verschiedensten Alltagssituationen als hilfreiche Assistenten begleiten werden, bislang noch nicht eingetroffen ist, sind diese anthropomorphen Figuren zumindest im Rahmen des World Wide Web zahlreich vertreten. Gleichwohl ist die Idee, einen menschenähnlichen Assistenten zu schaffen, der dem Menschen bei der Erledigung von Aufgaben zur Seite steht, nicht neu. Bis in das Altertum lässt sich die Faszination der Entwicklung künstlicher Menschen, die der Menschheit zu Diensten sind, zurückverfolgen. Aktuelle Entwicklungen in unserer zunehmend technisierten Welt liefern den Visionen neuen Nährboden: Seit die Verfügbarkeit von Computern so gestiegen ist, dass auch technische Laien mit diesen interagieren wollen und müssen, wird der intelligente, menschenähnliche Helfer als Schnittstelle der Zukunft propagiert. Sein wesentlicher Vorteil gegenüber herkömmlichen Benutzeroberflächen wird in der Möglichkeit zur natürlichsprachigen Interaktion gesehen, darin, mit ihm zu kommunizieren wie mit dem Servicepersonal im Elektroladen, in der Bank oder an der Kinokasse. Entsprechende Visionen wurden bereits früh etwa von Videoproduktionen genährt. Apple beispielsweise stellt in dem Video „Knowledge Navigator“ (Sculley, 1989; vgl. Catrambone, Stasko & Xiao, 2004) den virtuellen Agenten Phil vor. Negroponte prognostizierte entsprechend bereits 1989, dass „the emphasis in user interfaces will shift from the direct manipulation of objects on a virtual desktop to the delegation of tasks to three dimensional, intelligent agents“ … „these agents will be rendered holographically, and we will communicate with them using many channels, including speech and non-speech audio, gesture, and facial expression“ (zitiert nach Kopp, 2003, S. 1).
Trotz der Tatsache, dass momentan verfügbare Agenten lediglich vereinfachte Vorformen der angestrebten intelligenten Begleiter darstellen, lassen sie dennoch sowohl Funktion als auch Effekte späterer Agenten erahnen. Wie bei vielen Innovationen – insbesondere im Bereich der Medien – mischen sich in der öffentlichen Reaktion begeisterte und warnende Kommentare. Gleichwohl werden in der Öffentlichkeit bislang kaum die auf Forschungsebene angestrebten intelligenten und interaktiv sowie natürlichsprachig mit dem Menschen kommunizierenden Agenten diskutiert, wie sie etwa für pädagogische Programme, als Bedienungshilfe für die Heimelektronik, als virtuelle Bankberater oder Immobilienhändler entwickelt werden. Stattdessen werden in den Medien publikumswirksam eher die Miss-Wahlen digitaler Schönheiten präsentiert (www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,330775,00.html) oder Kuriositäten im Zusammenhang mit Artefakten, wie ein Fliegen fressender Roboter (www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,317195,00.html).
Tatsächlich werden im Forschungsbereich mehr und mehr Prototypen entwickelt, die zum großen Teil noch keiner breiteren Öffentlichkeit vorgestellt oder zur Verfügung gestellt wurden. Dabei sind Anwendungsbereiche und Entwicklungen bereits so vielfältig, dass sich die Frage, ob die Helfer eines Tages auf breiter Front in unser Leben Einzug halten werden, gar nicht mehr zu stellen scheint. Fraglich ist somit weniger, ob diese Entwicklung fortschreiten wird, sondern nur noch, wie deren Ergebnis im Einzelnen aussehen wird. So formulieren etwa auch Elliott und Brzezinski (1998): „Designing software as a social interface is not something we can avoid because it happens whether we plan for it or not; we have no choice in doing it but only in doing it right“ (S. 12). Nicht nur die unmittelbar gestaltenden Disziplinen wie etwa Informatik und Künstliche Intelligenz, sondern mehr und mehr auch die Psychologie sind hiervon betroffen. Dies äußert sich etwa auch darin, dass die Forschung zu Interface-Agenten zu den wenigen Bereichen der Mensch-Technik-Interaktion gehört, die bereits von Beginn der Entwicklungen an stets Evaluationen mit einbezogen haben. Sogar ein systematischer Beitrag der Psychologie wurde schon früh vonseiten der Entwickler eingefordert.
Aber nicht nur im Bereich der Evaluation kann die psychologische Forschung entscheidende Beiträge leisten, auch bei der Gestaltung spielen psychologische Erkenntnisse eine nicht unwesentliche Rolle. Da erklärtes Ziel der Anwendungen die möglichst natürliche und intuitive Kommunikation mit den künstlichen Figuren ist, müssen die Agenten in ihrem Kommunikationsverhalten dem von Menschen möglichst nahekommen. Um dies zu ermöglichen, muss nicht nur das verbale Verhalten mithilfe von Linguisten und Computerlinguisten in Dialogmodulen nachgebildet werden. Darüber hinaus muss auch ein möglichst detailliertes Wissen über mikroskopische Aspekte der menschlichen (nonverbalen) Kommunikation und Interaktion vorhanden sein, das traditionell am ehesten in der Psychologie zu finden ist bzw. durch psychologische Forschung gewonnen werden kann. Ferner wird propagiert, dass die Agenten, um konsistent handeln zu können und glaubwürdig zu sein, sowohl über eine Persönlichkeit als auch über emotionale Zustände verfügen müssen. Auch in diesem Zusammenhang wird psychologische Expertise gesucht bzw. werden publizierte Theorien und Modelle rezipiert und implementiert. Inwieweit das Vorgehen der Implementierung von künstlichen Emotionen allerdings sinnvoll ist, um das angestrebte Ziel der effektiven positiven Beeinflussung des Nutzers zu erreichen, wird bislang zu wenig hinterfragt (vgl. Kap. 3.1.1.2).
Im Rahmen dieses Buches sollen – neben der Diskussion solch grundsätzlicher Fragen – insbesondere Untersuchungen zur Wirkung der virtuellen Agenten eine Rolle spielen. Auf Basis der Ableitung von Designempfehlungen aus empirischen Ergebnissen soll ein Beitrag zur zukünftigen Gestaltung von Interface-Agenten geleistet werden. Die entsprechende Forschung orientiert sich zwangsläufig an der klassischen Evaluationsforschung sowie an Methoden der Usability-Forschung aus dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion und deren klassischen Evaluationskriterien Effizienz, Effektivität und Akzeptanz. In Ergänzung dieser Aspekte sollen hier vor allem die – verglichen mit herkömmlichen Schnittstellen – neuartigen sozialen Wirkungen der Interface-Agenten im Vordergrund stehen. Bereits frühe Untersuchungen im Bereich von virtuellen Helfern zeigten das erstaunliche Ergebnis, dass die Nutzer im Umgang mit den künstlichen Agenten automatisch ähnliche soziale Verhaltenweisen zeigten, wie in der Interaktion mit anderen Menschen zu beobachten. Nachgewiesen wurde dies bereits für soziale Erleichterung, Kooperation, sozial erwünschtes Verhalten und anderes mehr (Rickenberg & Reeves, 2000; Sproull, Subramani, Kiesler, Walker & Waters, 1996; Parise, Kiesler, Sproull & Waters, 1999; Walker, Sproull & Subramani, 1994). Die Diskussion, ob dieses Phänomen letztlich eine oberflächliche Anpassung an die gegebene Menschenähnlichkeit darstellt oder durch die tief verwurzelte soziale Natur des Menschen unwillkürlich gespeist wird, gehört zu den spannendsten Kontroversen im Bereich der Erforschung anthropomorpher Schnittstellen. Entsprechende Ergebnisse und unterschiedliche Beiträge zu dieser Diskussion sollen daher einen weiteren Schwerpunkt ausmachen.
Insbesondere wird diskutiert, inwieweit diese Phänomene Rückschlüsse auf die soziale Natur des Menschen erlauben. In diesem Zusammenhang stellt sich weiterhin die Frage, woher das Interesse an der Gestaltung künstlicher Menschen überhaupt rührt und ob dies tatsächlich lediglich durch den Wunsch motiviert ist, möglichst natürliche Schnittstellen zu schaffen oder etwa auch auf den Wunsch nach Soziabilität oder Ähnliches zurückzuführen ist. Somit werden im Rahmen der Darstellungen an verschiedenen Stellen immer wieder Fragen aufgeworfen und bearbeitet, die letztlich den Menschen und seine soziale Natur fokussieren. Damit gehen die Fragestellungen des Forschungsbereiches deutlich über die normalerweise getätigten Betrachtungen im Rahmen der Mensch-Computer-Interaktion hinaus. Es werden nicht nur die üblichen allgemein- bzw. kognitionspsychologischen Aspekte thematisiert, sondern vermehrt auch soziale Zusammenhänge. Neben klassischen Themen der Ingenieur-Psychologie (Usability, Mensch-Computer-Interaktion) werden somit auch medienpsychologische und sozialpsychologische Theorien und Erkenntnisse eine Rolle spielen.
Im Sinne einer Lesehilfe wird nun der Aufbau des Buches geschildert: Im zweiten Kapitel folgen zunächst ausführliche Darstellungen zum Gegenstand und seiner historischen Entwicklung. Nach einer Begriffsbestimmung wird eine Übersicht über die verschiedenen relevanten Entwicklungslinien wie die Entwicklung von Mensch-Computer-Schnittstellen und Versuche zur Schaffung künstlicher Menschen gegeben. Abgeschlossen wird das Kapitel durch eine Präsentation des momentanen Entwicklungsstandes. Hier werden die aktuell von verschiedenen Forschergruppen präsentierten Interface-Agenten vorgestellt. Im Rahmen des dritten Kapitels werden die beiden erwähnten Beteiligungsfelder psychologischer Forschung behandelt: Sowohl die Möglichkeiten der Mitarbeit bei der Gestaltung – unter besonderer Berücksichtigung der Diskussion, ob Agenten Persönlichkeit und Emotionen benötigen – als auch die Vorgehensweisen bei der Evaluationsforschung werden vorgestellt und diskutiert. Im umfangreichsten vierten Kapitel schließlich werden die empirischen Ergebnisse zur Wirkung virtueller Helfer vorgestellt. Dazu wird die mittlerweile recht umfangreiche internationale Literatur aufgearbeitet und mit eigenen Ergebnissen ergänzt. Letztere wurden im Wesentlichen in sechs experimentellen Untersuchungen gewonnen, die im Rahmen des EMBASSI-Projektes durchgeführt wurden. Das Akronym EMBASSI steht für Elektronische Multimodale Bedien- und Service Assistenz. Das Projekt wurde in den Jahren 1999–2003 als eines der Leitprojekte Mensch-Technik-Interaktion vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Neben 18 weiteren Partnern aus Industrie und Forschung, die Assistenz- und Dialogmodule sowie graphische Benutzerschnittstellen entwickelten, war die Abteilung Differentielle Psychologie und Kommunikationsforschung der Universität zu Köln (unter Leitung von Prof. Dr. Gary Bente) in Zusammenarbeit mit der Kölner Kunsthochschule für Medien (Laboratory for Mixed Realities) mit der „Entwicklung und Evaluation von anthropomorphen Interface-Agenten“ betraut. Hinsichtlich Akzeptanz, Effizienz, sozialen Wirkungen und moderierenden Aspekten werden die gewonnenen eigenen Erkenntnisse in Bezug zum internationalen Forschungsstand gesetzt. Zum Abschluss werden in Kapitel 5 zusammenfassende Schlussfolgerungen gezogen sowie Ausblicke auf mögliche Weiterentwicklungen gegeben.

2 Der Gegenstand: Agenten und ihre historischen Vorläufer

Um den Gegenstandsbereich einzugrenzen und gleichzeitig näher zu bestimmen, werden in diesem Kapitel Definitionen, Entwicklungslinien und aktueller Entwicklungsstand verfügbarer Systeme geschildert.

2.1 Von Agenten und Avataren – Begriffsbestimmung in der Welt virtueller Helfer

Zur Bezeichnung virtueller Charaktere wird inzwischen eine Vielzahl von Begriffen weitgehend synonym verwendet (vgl. auch Krämer & Bente, 2002). Die Rede ist von Avataren, anthropomorphen Schnittstellen, autonomen Agenten, „Interface Agents“, „Embodied Conversational Agents“, virtuellen Assistenten oder gar „Virtual Friends“. Einige der Begriffe sind aufgrund ihrer Herkunft allerdings irreführend im Zusammenhang mit dem hier zu fokussierenden Gegenstand. Dies gilt etwa für den Begriff „Avatar“, der ursprünglich aus der indischen Mythologie stammt und dort die körperliche Repräsentation eines Gottes auf Erden bezeichnet. Laut Bath (2001) verwendeten Programmierer den Begriff Anfang der 1980er Jahre erstmals für virtuelle Stellvertreter von Personen in militärisch inspirierten Simulationsspielen. Der Begriff wurde im Weiteren für jegliche Repräsentation eines Menschen auf dem Bildschirm verwendet – z. B. für die Darstellung eines von einem anderen Ort auf die gleiche Applikation zugreifenden Gesprächs- oder Spielpartners im Chat oder MUD. Obwohl dieser Terminus somit nur auf Umwegen als für die Mensch-Computer-Interaktion treffend bezeichnet werden kann – versteht man nämlich die anthropomorphe Abbildung als „Verkörperung“ und Repräsentation des Rechners –, erfreut er sich auch in diesem Zusammenhang inzwischen größter Beliebtheit. Insbesondere die im WWW auftretenden virtuellen Figuren werden mittlerweile vorzugsweise als „Avatare“ bezeichnet (z. B. Kyoto Date oder E-Cyas), auch wenn von einer direkten menschlichen Steuerung keine Rede sein kann. Die auf diesem Wege entstandene Begriffsverschmelzung schreitet weiter fort, wird aber immer wieder durch explizite Abgrenzung bekämpft (s. Bailenson, Beall, Blascovich, Raimundo & Weisbuch, 2001; Bailenson & Blascovich, 2004). In der Tat lassen sich aber auch Mischformen von Avataren und Agenten beobachten, die dann meist als Avatar bezeichnet werden: „An avatar can be and often is a hybrid of an embodied agent and an avatar: the human controls the symbolically meaningful verbal and nonverbal gestures and an agent controls the more mundane automatic behaviors“ (Bailenson & Blascovich, 2004, S. 68).
Der Begriff „Agent“ bedeutet zunächst einmal, dass es sich um eine (selbstständig) handelnde Entität mit verschiedenen Eigenschaften handelt. Eine allgemeine Definition geben Balakrishnan und Honavar (2001): „In very simplistic terms, an agent may be defined as an entity that perceives its environment through sensors and acts upon it through effectors ... However, for the agent to be useful, they must also be capable of interpreting perceptions, reasoning, and choosing actions autonomously and in ways suited to achieving their intended goals. Since the agents are often expected to operate reliably in unknown, partially known, and dynamic environments, they must also posess mechanisms to learn and adapt their behaviors through their interactions with their environments. In addition, in some cases, we may also reqiure the agents to be mobile and move or access different places or parts of their operating environments. Finally, we may expect the agents to be persistent, rational, etc., and to work in groups, which requires them to collaborate and communicate ...“ (S. 1). Solche Agenten sind also notwendigerweise mit Anteilen künstlicher Intelligenz versehen, die eine direkte Steuerung durch menschliche Agenten überflüssig machen. Unterformen sind etwa robots, die mit physikalischen Sensoren ausgestattet sind, und softbots, die über virtuelle Sensoren verfügen und als kleine intelligente Programme etwa den E-Mail-Verkehr erleichtern oder Chat-Rooms kontrollieren. Die hier fokussierten Interface-Agenten sind somit im Prinzip Softbots, die zusätzlich durch ein menschenähnliches Äußeres repräsentiert werden. Einschränkend muss allerdings bemerkt werden, dass noch nicht alle Figuren, die heute im Bereich der Embodied Conversational Agents entwickelt und evaluiert werden, den Namen Agent oder Softbot im oben definierten Sinne wirklich verdienen. Auch Erickson (1997) weist auf potentielle Verwechslungen hin und unterscheidet zwei Formen von Agenten. Er will autonome oder semi-autonome Computerprogramme, die Intelligenz, Adaptivität oder Responsivität enthalten, als „adaptive functionality“ bezeichnet wissen. Den Aspekt dessen, was dem Nutzer präsentiert wird (Stimme, Gesicht), bezeichnet Erickson (1997) dagegen als „agent metaphor“ und warnt davor, beide Aspekte als zwangsläufig verbunden zu sehen: „It is important to recognize that the metaphor and functionality can be decoupled. The adaptive functionality that allows the ‚agent to perform its task need not be portrayed as a talking head or animated character“ (S. 2). Andererseits müssen die virtuellen Figuren nicht in jedem Fall mit dahinter liegender Funktionalität verbunden sein: Im besten Fall werden Interface-Agenten vor allem auf den Dialog mit dem Benutzer hin optimiert, während die Möglichkeit zum Lernen, zur Adaption sowie die intelligente Assistenz eher im Hintergrund stehen. Um auf diesen spezifischen Aspekt zu verweisen und Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt sich somit die Bezeichnung „Embodied Conversational Agents“, der momentan im englischen Sprachraum wahrscheinlich gebräuchlichste Terminus. Cassell, Sullivan, Prevost und Churchill (2000a) formulieren den Begriff folgendermaßen: „Embodied conversational agents are computer-generated cartoon-like characters that demonstrate many of the same properties as humans in face-to-face conversation, including the ability to produce and respond to verbal and nonverbal communication. ... With an embodied conversational agent, the visual dimension of interacting with an animated character on a screen plays an intrinsic role. Not just pretty pictures, the graphics display visual features of conversation in the same way that the face and hands do in face-to-face conversation among humans“ (Klappentext). Konversationelle Agenten verfügen also per definitionem über verbale und nonverbale Interaktionskompetenzen und ausgeprägte Dialogfähigkeiten. Die hier gewählte Bezeichnung lässt allerdings die Frage offen, ob es sich bei der Verkörperung des technischen Systems um eine beliebige visuelle Repräsentation (etwa auch eine Comicfigur, ein Tier oder auch eine Pflanze) handelt oder um eine möglichst realistisch dargestellte menschliche Figur. Für letztgenannten Spezialfall wird in der Literatur zumeist der Begriff „anthropomorpher Interface-Agent“ verwendet. Je nach Anwendungsbereich werden die Begriffe ferner weiter differenziert: Besonderer Beliebtheit erfreut sich so auch etwa der Begriff „pedagogical agents“.
Für die weiteren Ausführungen werden vor diesem Hintergrund ausschließlich Begriffe genutzt, die dadurch gekennzeichnet sein sollen, dass sie ein möglichst geringes Potential an Missverständnissen bergen, wie dies etwa auf anthropomorphe Interfaces, Embodied Conversational Agents, virtuelle Helfer, anthropomorphe Interface-Agenten oder den Spezialfall der pädagogischen Agenten zutrifft.
Festzuhalten bleibt, dass das wichtigste Bestimmungsmerkmal für die hier zu behandelnden Agenten eine verkörperte Interaktion mit dem Benutzer darstellt. Insbesondere die Verkörperung respektive das Embodiment nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Allerdings finden sich auch wiederum recht unterschiedliche Definitionen des Begriffs Embodiment. Während Pelachaud, Carofiglio, De Carolis, de Rosis und Poggi (2002) Verkörperung pragmatisch als die Gegebenheit von menschenähnlichen „physischen“ Elementen sehen, die nonverbale Kommunikation ermöglichen, präsentieren Dautenhahn, Ogden und Quick (2002) eine wesentlich sophistiziertere Analyse. Ihre Minimaldefinition von Embodiment, die vom Tier bis hin zu Artefakten gültig sein soll, geht über bisherige Definitionen hinaus, die einfach alles berücksichtigen, was über einen Körper verfügt (Pfeifer & Scheier, 1999). Ihrer Meinung nach handelt es sich bei Verkörperung um einen quantifizierbaren Aspekt, der sich auf die spezifische Beziehung, die zwischen einem verkörperten System und der Umgebung besteht, bezieht. Dieser Aspekt, der auch als „social embeddedness“ bezeichnet wird, geht letztlich zurück auf Maturana und Varela (1980), die von strukturell gekoppelten Systemen sprechen. Embodiment sei somit: „That which establishes a basis for structural coupling by creating the potential for mutual pertubatation between system and environment. Embodiment is in that sense not solely a feature of a system in an environment, but it is grounded in the relationship between the two“ (S. 400). Als Konsequenz lässt sich somit feststellen, dass beispielsweise ein Roboter umso eher als verkörpert gelten kann, je mehr er in der Lage ist, selbst die Umwelt zu beeinflussen (respektive zu „verstören“) oder von ihr beeinfluss...

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort
  2. 1 Einleitung
  3. 2 Der Gegenstand: Agenten und ihre historischen Vorläufer
  4. 3 Die Psychologie virtueller Helfer
  5. 4 Empirische Ergebnisse zur Wirkung virtueller Helfer
  6. 5 Offene Fragen und Ausblick – ein kritischer Blick auf den Forschungsbereich aus psychologischer Sicht
  7. Literatur
  8. Stichwortverzeichnis