Rechtliche Grundlagen in der Heilpädagogik
eBook - ePub

Rechtliche Grundlagen in der Heilpädagogik

Eine Einführung mit Fallbeispielen

  1. 214 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Rechtliche Grundlagen in der Heilpädagogik

Eine Einführung mit Fallbeispielen

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wie andere Berufsgruppen im Sozialbereich verfügen auch Heilpädagogen nach Abschluss ihres Studiums nur über unzureichende Kenntnisse von den rechtlich verankerten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit. Dabei gibt gerade das Recht die Strukturen vor, die in allen Tätigkeitsbereichen der heilpädagogischen Profession von Bedeutung sind. Um Studierenden, aber auch Praktikern den Zugang zur oft als "trocken" empfundenen Rechtsmaterie zu erleichtern, beschränkt sich das Buch bewusst auf zentrale Themen, die sich aus der Berufspraxis ergeben, und diskutiert die rechtlichen Grundlagen entlang der wesentlichen heilpädagogischen Berufs- und Handlungsfelder. Die Studierenden und Praktiker lernen dabei an zahlreichen Fallbeispielen nicht nur die praktische Relevanz des Rechts kennen. Sie sollen gleichzeitig auch befähigt werden, das Recht für die Interessen ihrer Klientel und ihrer Arbeit nutzbar zu machen, um darüber nicht zuletzt ihre Handlungskompetenz zu steigern.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Rechtliche Grundlagen in der Heilpädagogik von René Wenk, Antje Groth-Simonides, Heinrich Greving im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Bildung & Inklusive Bildung. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2017
ISBN
9783170286085
Auflage
1
Thema
Bildung

1 Heilpädagogik zwischen Assistenz und Anwaltschaft – Hinführung an ein komplexes Themengebiet

1.1 Heilpädagogik als ganzheitliche (Handlungs-)Wissenschaft

Schon 1925 schrieb Theodor Heller: »Der Begriff ›Heilpädagogik‹ ist keineswegs eindeutig bestimmt« und verwies damit zurecht auf die Unklarheiten und Missverstände, die der Begriff »Heilpädagogik« mit sich bringen kann. Insofern sind eine geschichtliche Betrachtung, eine Definition und eine Darstellung der Heilpädagogik notwendig.
Der Begriff »Heilpädagogik«, begründet von Heinrich Marianus Deinhardt, Jan-Daniel Georgens und Jeanne Marie von Gayette, geht zurück auf das Jahr 1861/1863. Die Pädagogen Deinhardt und Georgens veröffentlichten ihre Erkenntnisse und Beobachtungen zum Thema »Heilpädagogik« in zwei Bänden unter dem Titel Die Heilpädagogik mit besonderer Berücksichtigung der Idiotie und der Idiotenanstalten (Georgens/Deinhardt, 1979). Sie betrieben in der Nähe von Wien eine Einrichtung mit dem Namen »Levana« (Bundschuh, 2010, 47 ff.), welche heute einem Wohnheim für Menschen mit mentalen Beeinträchtigungen gleichkommen dürfte.
Ein von Theodor Heller problematisiertes Missverständnis der Heilpädagogik verbirgt sich schon im Namen, genauer gesagt im Wortteil »Heil-«. Allzu oft wird »heil« gedanklich im Sinne eines medizinischen Heilens verwendet. Es ist jedoch dem historisch-deutschen Sprachgebrauch nach von »ganz« abgeleitet.
Beispiel
»Da sind die Verfasser aber heilfroh, dass Sie sich für dieses Fachbuch entschieden haben.«
An dem genannten Beispiel wird deutlich, dass der Begriff »heil« in dem Wort »Heilpädagogik« einen ganzheitlichen Ansatz in der Arbeit mit Menschen verfolgt (Speck, 2003).
Heilpädagogik ist demnach eine ganzheitliche Pädagogik am/für/mit Menschen!
Der heilpädagogische (ganzheitliche) Ansatz und Anspruch verortet sich auf zwei Ebenen:
• der individuellen Ebene in der heilpädagogischen Arbeit und
• der systemischen Ebene in der heilpädagogischen Arbeit.

1.1.1 Zur individuellen Ebene/Betrachtungsweise des Menschen in der Heilpädagogik

Die individuelle Ebene in der heilpädagogischen Arbeit impliziert auch die Annahme der Untrennbarkeit des Körpers, der Seele und des Geistes eines Individuums. Dass der Mensch mehr als die Summe seiner Teile ist, zeigt sich in der heilpädagogischen Arbeit täglich.
Beispiel
Ein neunjähriger Junge erlebt mit seiner Mutter einen Autounfall, die Mutter verstirbt. Der Junge verarbeitet diese traumatischen Erlebnisse nicht bzw. sehr schwer. Er »entwickelt« einen selektiven Mutismus. In diesem Fall spricht der Junge nicht mehr verbal, sondern schreibt alles, was er möchte, auf ein Blatt Papier und zeigt dieses Blatt nur bestimmten, von ihm ausgewählten (subjektiv vertrauenswürdigen) Personen. Es wäre nicht zielführend, mit dem Jungen eine sprachheilpädagogische Behandlung durchzuführen, da man bestenfalls nur die körperlichen (physischen) Symptome behandeln könnte. Die Ursache ist – wie dargestellt – jedoch seelischer (psychischer) Natur, die seine soziale (somit auch geistige) Umwelt, im Sinne von »Kommunikation ist Interaktion« beeinträchtigt.
Beim Selektiven Mutismus (ICD-10: F94.0) zeigen die Kinder nur bestimmten Personen gegenüber eine Sprechverweigerung und wirken ängstlich und gehemmt, unterschwellig oft trotzig und verbohrt (Möller/Laux/Deister, 2005, 454).
Dieser Gedanke, dass der Mensch sich nicht in seine »Einzelteile« aufteilen lässt, unterscheidet die Heilpädagogik bisweilen von medizinisch-therapeutischen Berufen. Diesem »Bio-Psycho-Soziomodell« und der damit einhergehenden Untrennbarkeit findet sich auch in der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur »Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit« (WHO-ICF) wieder. Der ganzheitliche Ansatz der WHO-ICF einer untrennbaren »Bio-Psycho-Sozio-Einheit« eines Menschen war auch federführend (Deinert/Welti, 2014, 147) für den im Jahr 2001 eingeführten § 2, Abs. 1 im SGB IX. Dort heißt es:
»Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.«

1.1.2 Zur systemischen Ebene der Heilpädagogik

Ein wesentlicher Wegbereiter des systemischen Denkens ist der Schweizer Uri Bronfenbrenner. In seinem Buch Die Ökologie der menschlichen Entwicklung (1981) unterscheidet er vier bzw. fünf Systeme, in denen der Mensch – mehr oder weniger – aktiv teilhat. Das systemische Denken in der Tradition Bronfenbrenners hat sich in den vergangenen dreißig Jahren stetig weiterentwickelt und ist heute für die Heilpädagogik nicht mehr wegzudenken.
Bronfenbrenner benennt vier Systeme, welche synonym auch »Kosmen« genannt werden können: das Mikrosystem, das Mesosystem, Exosystem und das Makrosystem. Ergänzend hinzu kommt das Chronosystem.
Das Mikrosystem ist ein Lebensbereich (z. B. Familie, Wohngruppe, Schulklasse, Arbeitsstelle etc.), in dem der Mensch durch direkte Interaktion teilnimmt und im Rahmen seiner Möglichkeiten interagiert.
Die nächsthöhere Ordnung nimmt das Mesosystem ein. Es ist gekennzeichnet durch die Wechselwirkungen der einzelnen Mikrosysteme, z. B. Kindertagesstätte → elterliches Zuhause, Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) → Wohngruppe für Menschen mit Behinderung etc.
Als Exosystem kennzeichnet Bronfenbrenner ein System, das keinen direkten Einfluss mehr auf die unmittelbare Lebenswelt des individuellen Mikrosystems hat. Als Beispiele seien hier genannt: Freundschaften oder Großeltern, die den Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zureden, Beschlüsse von Teamsitzungen, die in Wohngruppen eines Kinderheimes umgesetzt werden, etc.
Gesellschaftliche Weltanschauungen und Ideologien, die durch Politik und ggf. Kirche repräsentiert werden, finden sich im sogenannten Makrosystem. Beispielhaft sei hier die Integration von Menschen mit Behinderung genannt.
Das Chronosystem schließlich repräsentiert die geschichtlichen und paradigmatischen Wandlungen der einzelnen zuvor genannten Systeme, z. B., dass Frauen heutzutage als Arbeitnehmerinnen zum familiären Einkommen beitragen. Im Jahr 1920 war das nahezu undenkbar.
Paul Moor schrieb bereits 1965 in seinem Buch »Heilpädagogik – ein pädagogisches Lehrbuch« wesentliche Grundannahmen des ganzheitlichen (heilpädagogischen) und systemischen Denkens und Handelns der Heilpädagogik in drei Grundsätzen wider:
1. Erst verstehen, dann erziehen.
2. Nicht gegen die Fehler, sondern für das Fehlende.
3. Nicht das Kind ist zu erziehen, sondern sein Umfeld.
Die gedankliche Übereinstimmung der Aussage Moors »Nicht das Kind ist zu erziehen, sondern sein Umfeld« zum systemischen Denken Bronfenbrenners ist naheliegend. Besonders, wenn man die zuvor genannten horizontalen und linearen Einflussfaktoren des jeweiligen Mikrosystems auf die Entwicklungsfähigkeit des Menschen berücksichtigt.
Images
Abb. 2: Systemische Sichtweise der Heilpädagogik (Köhn, 2003, 82 ff.)
Besonders deutlich ergibt sich aus der Aussage Paul Moors » Nicht das Kind ist zu erziehen, sondern sein Umfeld« der Auftrag, nicht nur mit dem Kind (respektive Klienten), sondern auch mit seinen Eltern (respektive Angehörigen) zu arbeiten. Diese Forderung ergibt sich unter anderem auch aus § 22a, Abs. 2, Punkt 1 des SGB VIII, in dem eine Zusammenarbeit der Fachkräfte in Kindertagesstätten mit den Erziehungsberechtigten gefordert wird.
§ 22a SGB VIII »Förderung in Tageseinrichtungen«
(2) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen sicherstellen, dass die Fachkräfte in ihren Einrichtungen zusammenarbeiten
1. mit den Erziehungsberechtigten und Tagespflegepersonen zum Wohl der Kinder und zur Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses, […]
Auch § 5, Abs. 2 der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV), fordert die Zusammenarbeit mit den Eltern/Erziehungsberechtigten. Heilpädagoginnen sollen die Erziehungsberechtigten nicht nur beraten, sondern auch begleitend (bei dem Bewältigungsprozess) zur Seite stehen.
§ 5 FrühV »Leistungen zur medizinischen Rehabilitation«
(2) Die Leistungen nach Absatz 1 umfassen auch die Beratung der Erziehungsberechtigten, insbesondere
1. das Erstgespräch,
2. anamnestische Gespräche mit Eltern und anderen Bezugspersonen,
3. die Vermittlung der Diagnose,
4. Erörterung und Beratung des Förder- und Behandlungsplans,
5. Austausch über den Entwicklungs- und Förderprozess des Kindes einschließlich Verhaltens- und Beziehungsfragen,
6. Anleitung und Hilfe bei der Gestaltung des Alltags,
7. Anleitung zur Einbeziehung in Förderung und Behandlung,
8. Hilfen zur Unterstützung der Bezugspersonen bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung,
9. Vermittlung von weiteren Hilfs- und Beratungsangeboten.
Den Menschen ganzheitlich in seiner Bio-Psycho-Sozio-Einheit zu betrachten, zu begegnen und ggf. auch entsprechend zu fördern ist eine Denkweise, die der Heilpädagogik eigen ist. Diese Denk- und Handlungsweise wird jedoch noch ergänzt: » Nicht gegen die Fehler, sondern für das Fehlendende« postuliert den ressourcenorientierten (Denk- und Handlungs-)Ansatz der Heilpädagogik.
Insbesondere in den Fällen ist der ressourcenorientierte Ansatz Paul Moors vonnöten, in dem die autonome Kybernetik der Mikrosysteme erschwerende Bedingungen schafft.
Beispiel
Ein vierjähriges Mädchen mit einer körperlichen Behinderung (Spina bifida in der Ausbreitung einer Meningomyelozele) in einer Intergrations-Kindertagesstätte fällt durch ihr herausfor...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Zur Gliederung des Buches
  7. 1 Heilpädagogik zwischen Assistenz und Anwaltschaft – Hinführung an ein komplexes Themengebiet
  8. 2 Allgemeine rechtliche Bedingungen
  9. 3 Recht – individuell
  10. 4 Recht – institutionell
  11. 5 Recht – allgemein
  12. 6 Aufsichtspflicht und Haftung in den Berufs- und Handlungsfeldern der Heilpädagogik
  13. 7 Einführung in das Arbeitsrecht für Heilpädagoginnen und Heilpädagogen
  14. Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen der Heilpädagogik
  15. Literatur