1 Einleitung: Der Beschwerdebrief als Chance
Jede professionelle Antwort auf die schriftliche Beschwerde eines unzufriedenen oder verärgerten Kunden oder Patienten bietet die Chance, ihn umzustimmen und wieder für Ihr Haus zu gewinnen. Kein Unternehmen im Gesundheitswesen kann es sich im zunehmenden Wettbewerb leisten, einen Patienten zu verlieren. Man könnte sagen, dass bei einer Patientenbeschwerde die Dienstleistung erneut »verkauft« werden muss (Fischer 2012). Der Patient erlebt auf diese Weise erneut die Leistung des Unternehmens und kann den Anlass der Beschwerde neu bewerten. Gründe genug, Einzelbeschwerden ernst zu nehmen und ihnen erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.
Das professionelle Antwortschreiben auf Patientenbeschwerden ist ein Instrument der Patientenbindung, mit dem Sie strategische Ziele verfolgen (
Kap. 1.4).
1.1 Die Macht der Einzelmeinungen
Unternehmen aller Branchen werden von der »Macht der Einzelmeinungen« beeinflusst, aber im Gesundheitswesen ist dies besonders stark ausgeprägt. Erfahrungsberichte einzelner Patienten haben einen großen Einfluss auf andere potenzielle Patienten. Persönliche Empfehlungen geben oft den Ausschlag, beispielsweise bei der Auswahl einer Klinik oder Arztpraxis. Kommunikative Megatrends zeigen, dass mit der Verbreitung des Internets das Bedürfnis nach persönlichen Empfehlungen sogar zugenommen hat. Keine Hochglanzbroschüre und keine Website können mit dem persönlichen Erfahrungsbericht eines Patienten konkurrieren.
Mit dem rasanten Wachstum der Sozialen Medien ist ein Verbreitungsweg entstanden, bei dem Einzelmeinungen mit geringem Aufwand einer großen Öffentlichkeit mitgeteilt werden können. Hinzu kommt, dass manche Zielgruppen, wie beispielsweise Menschen mit chronischen Erkrankungen, in den Sozialen Medien bestens vernetzt sind. Aber auch außerhalb des Internets haben »Einzelmeinungen« einen starken Einfluss: Ein unzufriedener Patient wird in seinem sozialen Umfeld über seine negativen Erfahrungen berichten. Untersuchungen aus der Wirtschaft zeigen, dass eine Beschwerde mindestens elf weiteren Personen mitgeteilt wird und doppelt so oft von negativen Erfahrungen gesprochen wird im Vergleich zu positiven Erfahrungen (Gardini 1997). Wie auch immer die Einzelmeinung an die Öffentlichkeit gelangt: Negative Erfahrungsberichte können das Image des Unternehmens nachhaltig schädigen und zum Verlust potenzieller Interessenten führen. Umgekehrt gilt auch: Erfahrungsberichte zufriedener Patienten tragen zum guten Image eines Unternehmens im Gesundheitswesen bei. Gelungene Patientenkommunikation ist die Visitenkarte einer Klinik.
Die Orientierung an persönlichen Empfehlungen ist im Gesundheitswesen besonders ausgeprägt. Erfahrungsberichte einzelner Patienten haben großen Einfluss auf andere potenzielle Patienten. Mit den Sozialen Medien ist ein Verbreitungsweg entstanden, bei dem Einzelmeinungen mit geringem Aufwand einer großen Öffentlichkeit mitgeteilt werden können.2 Negative Erfahrungsberichte können das Image des Unternehmens nachhaltig schädigen. Erfahrungsberichte zufriedener Patienten hingegen tragen zum positiven Image bei.
1.2 Warum gibt es immer mehr schriftliche Beschwerden?
Die Ansprüche von Patienten wachsen, ebenso das Selbstbewusstsein, Kritik auszusprechen. Neben der medizinisch-pflegerischen Kompetenz erwarten Patienten vom Personal ein dienstleistungs- und patientenorientiertes Verhalten. Viele Menschen haben heute berufliche oder private Erfahrungen mit der Hotellerie und übertragen diese Erfahrungen auf Gesundheitsunternehmen. Das drückt sich beispielsweise darin aus, dass sie ein Einzelzimmer »buchen« und in die Klinik »einchecken«. In der Hotelbranche und Gastronomie haben sie als »Kunde« die Möglichkeit zur »Reklamation«. Dort erleben sie – oft –, dass das Personal ihre Beschwerde ernst nimmt und sich um Lösungen bemüht. Ein ähnliches Verhalten erwarten sie deshalb auch von den Mitarbeitern im Gesundheitswesen. Es ist für sie naheliegend, sich bei Unzufriedenheit zu beschweren. Diese Faktoren führen zu einem Anstieg der Zahl von Patientenbeschwerden.
Der Patient hat viele Möglichkeiten, seine Unzufriedenheit schriftlich zu äußern, beispielsweise auf Feedback-Bögen, an Beschwerdebriefkästen und über Formulare auf der Klinikwebsite. Elektronische Kommunikationswege wie »E-Mail« oder »SMS« sind nutzerfreundlich und nicht an Zeiten telefonischer Erreichbarkeit der Klinik oder Arztpraxis gebunden.
Ein Unternehmen im Gesundheitswesen mit einer etablierten Fehler- und Beschwerdekultur wird dem Patienten verschiedene Angebote machen, wie er seine Wünsche oder seine Beschwerde äußern kann (
Kap. 11.1).
Aus Sicht des Patienten hat die Verschriftlichung weitere Vorteile:
• Der Anlass der Beschwerde wird dokumentiert.
• Schriftliche Beschwerden ermöglichen dem Patienten auch, anonym zu bleiben. Das ist insbesondere für die Patienten relevant, die befürchten, dass sie durch ihre Beschwerde Nachteile bei der Behandlung haben könnten.
Aus diesen Gründen werden Beschwerden zunehmend schriftlich mitgeteilt.
3 In der Regel sollten Sie darauf auch schriftlich reagieren (
Kap. 11.4).
Die Ansprüche von Patienten wachsen, ebenso das Selbstbewusstsein, Kritik auszusprechen. Neben der medizinisch-pflegerischen Kompetenz erwarten die Patienten vom Personal ein dienstleistungs- und patientenorientiertes Verhalten – und sie beschweren sich, wenn dies nicht eingelöst wird. Diese Faktoren führen zu einem Anstieg der Zahl von Patientenbeschwerden. Beschwerden werden zunehmend schriftlich mitgeteilt, da dies für den Patienten viele Vorteile hat.
1.3 Um welche Patientenbeschwerden geht es in diesem Buch?
Viele Aspekte eines Unternehmens im Gesundheitswesen sind für den Patienten nicht sichtbar. Dazu zählen die Bereiche, die mit erhöhten hygienischen Anforderungen verbunden sind, aber auch interne Abläufe und ein Großteil der Unternehmensverwaltung. Ebenso sind pflegerisch-medizinische Kenntnisse nur teilweise für den Patienten zugänglich. Dennoch gibt es in einem Unternehmen im Gesundheitswesen auch viele »Kontaktpunkte«, die der Patient beobachten und beurteilen kann. Dazu zählen insbesondere:
• Freundlichkeit des Personals
• Serviceorientierung
• Gebäudeausstattung
• Sauberkeit
• subjektiv empfundene »Hygiene«
• Qualität des Essens
• organisatorische Abläufe
So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Beschwerden auf gerade diese »Kontaktpunkte« beziehen.4 Patienten reagieren auf erlebte Störungen in diesen Bereichen besonders reizbar, denn sie sind in einer Ausnahmesituation: Viele von ihnen haben Schmerzen und machen sich Sorgen um ihre Genesung. Manche quält die Angst, ob sie jemals wieder gesund werden. Sie vermissen ihre vertraute Umgebung. Sie haben ein verstärktes Bedürfnis nach Empathie und Verständnis für ihre Situation. All das macht sie besonders sensibel für das Verhalten, das das Personal im Umgang mit ihnen zeigt. Unfreundlichkeit oder auch nur Unachtsamkeit geben schnell Anlass für eine Beschwerde.
Ebenso kritisch reagieren Patienten auf die subjektiv empfundenen »hygienischen Bedingungen« und die Sauberkeit der Räume. Dem Unternehmen im Gesundheitswesen als Aufenthaltsort kranker Menschen wird unterstellt, dass es dort besonders viele »Krankheitskeime« gebe. Es sind subjektive Beobachtungen, auf deren Grundlage der Patient beurteilt, ob die Verhältnisse »hygienisch« sind. So können abgenutzte Oberflächen in Räumen und auf dem Mobiliar zu einem Eindruck von fehlender Hygiene oder mangelnder Sauberkeit führen – ohne dass es tatsächlich hygienische Defizite gibt.
Die Qualität des Essens ist ein Dauerthema in vielen Kliniken. Auch die vielfältigen organisatorischen Abläufe eines Gesundheitsunternehmens, soweit sie den Patienten direkt betreffen, geben häufig Anlass zu Beschwerden. Die Empfehlungen aus diesem Buch beziehen sich auf Antworten auf diese »typischen« Beschwerdeanlässe. Daneben gibt es Anlässe, die zu juristischen Konsequenzen führen können. Dazu zählen Behandlungsfehler oder gravierende Fehler bei der Abrechnung. Beschwerden hierzu müssen an die juristische Fachabteilung und/oder die verantwortliche ärztliche Leitung weitergegeben werden. Bei Beschwerden, bei denen zu befürchten ist, dass deren Absender die Medien einschaltet, sollten die Presseabteilung oder der Führungsverantwortliche informiert werden (
»Exkurs 3: Vorsicht! Wenn mit der Presse gedroht wird«).
Die Empfehlungen in diesem Buch beziehen sich auf »typische« Beschwerdeanlässeim Gesundheitsunter...