Geleitwort zur 1. Auflage
Die Notfallmedizin sowie deren Management im Rahmen von Notaufnahmen gehören zu den komplexesten und anspruchsvollsten Handlungsfeldern in der medizinischen Versorgungskette. Notfallmediziner benötigen ein breites Spektrum an medizinischer Fachkenntnis, denn die Notfallmedizin bildet eine maximaldiagnostische und -therapeutische Breite bei gleichzeitig begrenzter Tiefe des Fachwissens ab. Die Fähigkeit, eine große Anzahl von Krankheiten schnell zu diagnostizieren und zu therapieren, impliziert gleichzeitig eine limitierte Fachkompetenz in der Tiefenstruktur eines jeden Fachgebiets. Es ist genau diese Breite der medizinischen Qualifikation, die es Notfallmedizinern erlaubt, unter Zeitdruck Versorgungsprozesse medizinisch ganzheitlich zu betrachten. Diese Perspektive ist den funktional aufgestellten Fachabteilungen durch ihre Silostruktur oft versperrt. Wenn gegenwärtig für die medizinische Versorgung eine konsequent interdisziplinäre Prozessorientierung eingefordert wird, dann ist in der Notfallmedizin die Speerspitze dieses Paradigmenwechsels zu sehen, weil dieser perspektivisch womöglich die Rolle »Medizinorchestrators« zufallen wird. Hiermit gemeint ist Gesamtkoordination, Evaluation und Priorisierung eines Großteils aller nicht-elektiven Versorgungsprozesse.
Im hier verstandenen Sinne bedeutet Interdisziplinarität die Realisierung einer maximalen Versorgungskompetenz durch aktive Integration der relevanten Fachabteilungen, nachdem zuvor eine qualifizierte Aufnahmediagnose durchgeführt worden ist. Insofern fungiert die zentrale Notfallaufnahme immer auch als generalistischer Kompetenzintegrator, die versprengte Fachkompetenzen im Sinne einer hohen Integralqualität der medizinischen Versorgung zusammenführt. Interdisziplinarität bedeutet aber auch die Evaluation möglicher Kooperationen mit den niedergelassenen Kollegen und dem Rettungsdienst, wie Sie Buchteil III »Netzwerke und Schnittstelle Notaufnahme« entnehmen können.
Ein neues wissenschaftliches Feld ist die Interdisziplinarität zwischen Medizin und Ökonomie. Gerade die Notfallmediziner spielen eine kritische Rolle im Einsatz der Ressourcen. Für das gesamte Krankenhaus ist die Notaufnahme eine zentrales Marketing- und Steuerungsinstrument, weil hier nachhaltig auf die Patientenzufriedenheit eingewirkt werden kann. Die Zentrale Notaufnahme ist gleichsam Quelle strategischer Wettbewerbsvorteile, weil sich durch sie die Versorgungsqualität, Prozesseffizienz und Patientenorientierung nachhaltig steigern lassen.
Deswegen freue ich mich, dass dieses Kompendium Themen wie Organisation und Infrastruktur der Zentralen Notaufnahmen ebenso abdeckt, wie Human Resources-, Qualitäts- und Risikomanagement.
Die Professionalisierung von Krankenhausprozessen kann durch Implementierung von Strategiekompetenzen aus der Industrie wie z. B Lean Management vorangebracht werden, was dazu führt, dass eine Zentrale Notaufnahme als Referenzmodell für die kunden- und patientenorientierte Klinikorganisation gelten kann. Die Notaufnahme avanciert dann von der Patientenannahmestelle zum Orchestrator transsektoraler Versorgungsketten.
Es ist sehr erfreulich, dass zahlreiche Mitglieder der DGINA, als einzige Fachgesellschaft, die diesen Bereich wissenschaftlich abdeckt, zu den Inhalten dieses Buches beitragen durften. Die europäische Entwicklung mit der Anerkennung des Facharztes für Notfallmedizin in den meisten Ländern Europas reflektiert die Notwendigkeit, für ein »Mehr« an Interdisziplinarität, Prozessorientierung und Ressourcenökonomie in der Medizinischen Versorgung zu garantieren.
Mit diesem Buch wird die Notwendigkeit des Paradigmenwechsels auch im deutschen Gesundheitssystem und insbesondere in der Notfallmedizin aufgezeigt.
Strukturierte Medizin ersetzt den Zufall – Qualität entsteht durch Prozesse. Im Sinne der oben angesprochenen Interdisziplinarität treffen in der Notaufnahme viele Professionen, Fachrichtungen und Perspektiven aufeinander: Architekten, Ökonomen, Rettungspersonal, Mediziner, Pflegekräfte und Medizintechnik-Hersteller ziehen gemeinsam an einem Strang, um diese Visitenkarte eines Krankenhauses optimal zu gestalten. Sie alle werden durch die Lektüre dieses Buches erste Antworten auf die schwierigen Fragen des richtigen Managements dieses Bereiches an der Nahtstelle der sektoralen Versorgungsgrenze erhalten.
Ich davon überzeugt, dass dieses Buch einen wichtigen Beitrag leisten wird, die hohen Herausforderungen, denen sich Notaufnahmen ausgesetzt sehen, meistern zu können, und sich die Notaufnahmen zunehmend als Coorperate Center of Excellence klinischer Versorgungsprozesse entwickeln werden.
Dr. Barbara Hogan
Präsidentin der European Society for Emergency Medicine (EuSEM)
Geleitwort zur 2. Auflage
Kaum ein Thema bewegt Krankenhausmanager und leitende Ärzte so sehr wie das Betreiben von Notaufnahmen unter fachlichen und ökonomischen Aspekten. So haben beispielsweise die Vertreter der Hochschulmedizin für eine deutlich bessere Vergütung der Hochschulambulanzen ihre Forderung nach einem Systemzuschlag für Universitätskliniken aufgegeben. Diskutiert wird zudem bundesweit über Zuständigkeiten zwischen ambulanter Krankenhausmedizin und vertragsärztlicher Versorgung – die Zahl der KV-Ambulanzen in Krankenhäusern oder in unmittelbarer Nachbarschaft von Kliniken ist bislang viel zu gering. Beklagt wird oft auch die Mentalität der Menschen in Ballungsräumen, die selbst bei Befindlichkeitsstörungen Rettungsstellen oder Notaufnahmen aufsuchen. Dennoch: die Herausforderungen müssen bewältigt werden – ärztlich, pflegerisch, medizinisch-technisch und administrativ.
Im eigenen Verantwortungsbereich, der Berliner Berufsgenossenschaftlichen Klinik, geht es in der präklinischen Versorgung darum, neben NEF und dem ITH »Christoph Berlin« als Ergänzung ein Stroke-Einsatz-Mobil STEMO vorzuhalten und damit die enormen Vorteile der Stroke Unit dem Patienten bereits unmittelbar nach Diagnosestellung zukommen zu lassen. Die Notaufnahme profitiert angesichts des bereits präklinisch gefertigten Schädel-CT von einem höheren Informationsgrad und der bereits eingeleiteten Therapie.
Im Mai 2013 konnte im Unfallkrankenhaus Berlin auf einer Fläche von 1.600 m2 eine vollständig neue Rettungsstelle mit 37 Behandlungsplätzen, zahlreichen Eingriffsräumen, einem Schockraum für mindestens vier Parallelbehandlungen auf 156 m2 Fläche und nach dem ATLS-Standard bestückten Materialschränken in Betrieb genommen werden. Rechtzeitig wurde eine modifizierte IT-unterstützte Manchester-Triage etabliert. Technisches Kernstück ist neben den rund um die Uhr verfügbaren Großgeräten wie CT, biplaner Angiographie und Herzkatheterplätzen das Patientendatenmanagementsystem PDMS, welches der intensivmedizinischen Dokumentation entspricht und eine lückenlose Datenqualität für alle kritischen Behandlungsphasen ermöglicht. Als Konsequenz aus einem interprofessionellen Diskurs über die Möglichkeiten der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung wurde ein eigenes Simulationszentrum aufgebaut. Dort werden ärztliche und pflegerische Teams der Notaufnahme, die auch im Routinebetrieb zusammenarbeiten, gemeinsam unter äußerst fordernden Bedingungen geschult.
Verschiedene Fragen sind (noch) nicht geklärt, etwa die nach der Alltagstauglichkeit des von der Berliner Ärztekammer kreierten klinischen Notfallmediziners. Ebenso ist zu prüfen, ob es in der Notaufnahme eines eigenen Chefarztes oder eines Ärztlichen Koordinators bedarf. Auch in der Berliner Klinik sind die Wartezeiten der Notfallpatienten mit mäßiger Dringlichkeit zu lang, die Verweildauer der Patienten zum Herzinfarktausschluss ebenfalls und die Kosten in Relation zur Vergütung zu hoch.
Vogel- und Schweinegrippe, Ebola und Masern, natürlich der Transfer von Patienten aus dem Ausland, Notfalleinlieferungen aus Pflegeheimen mit MRSA-Besiedlung stellen die Notaufnahmen vor ganz besondere Hygiene-Herausforderungen, benötigt werden eine rasche mikrobiologische Diagnostik und Isolierungsmöglichkeiten.
Unter diesen und vielen anderen Aspekten habe ich die zweite und enorm erweiterte Auflage des Buchs »Management der Notaufnahme« gelesen. Umfassender und zugleich konkreter hätte man die Beiträge nicht gestalten können, das Herausgeberteam ergänzt sich gegenseitig, die Beiträge sind absolut deutlich und hochaktuell. Der Untertitel des Buchs »Patientenorientierung und optimale Ressourcennutzung als strategischer Erfolgsfaktor« trifft deshalb auch zu 100 Prozent zu.
Nachdem bereits die erste Auflage den Sprung zum Standardwerk geschafft hat, folgten jetzt nicht nur Aktualisierungen und Anpassungen rechtlicher Rahmenbedingungen. Es werden zudem Reformen der Prozessorganisation in zentralen Notaufnahmen reflektiert, Möglichkeiten zur Beschleunigung diagnostischer Verfahren aufgezeigt und Innovationen aus Ländern wie den USA, Singapur und Japan vorgestellt, die bisher in Deutschland noch nicht zum Einsatz kommen.
Das Werk ist perfekt gelungen und sehr gut lesbar, ich wünsche Ihnen Erkenntnisgewinn und Mehrwert bei einer Lektüre, die den Abläufen, dem hart arbeitenden Personal und nicht zuletzt den Patienten zugutekommt.
Prof. Dr. med. Axel Ekkernkamp
Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer Unfallkrankenhaus Berlin, ordentlicher Professor für Unfallchirurgie Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Inhalt
- Geleitwort zur 1. Auflage
- Geleitwort zur 2. Auflage
- Vorwort der Herausgeber
- I Anforderungen an das Management
- 1 Die medizinische Perspektive
- Christoph Dodt
- 2 Die zentrale Notfallaufnahme
- Wilfried von Eiff
- II Strategie, Finanzierung und Controlling
- 1 Unternehmensstrategie und Markenmanagement
- Wilfried von Eiff
- 2 Investition und Finanzierung
- Wilfried von Eiff
- 3 Grundlagen des betrieblichen Rechnungswesens
- Wilfried von Eiff und Dennis Haking
- 4 Erlösarten in der Zentralen Notaufnahme
- Christopher Niehues, Matthias Brachmann, Roland Geppert und Rupert Sobotta
- 5 Fundraising
- Wilfried von Eiff, Ann Kristin Kwickert und Christopher Niehues
- 6 Prozess-Controlling und Benchmarking im Notfallmanagement
- Wilfried von Eiff
- 7 Controllingprobleme und fehlende Abbildung der Notfallversorgu...