2Dem Umweltrecht liegt ein anthropozentrischer Umweltbegriff zugrunde wie er allgemein in Art. 5 Abs. 1 Anhang I Buchst. f SUPRL, Art. 3 UVPRL sowie § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG, § 1a der 9. BImSchV, § 1a AtVfV und auch § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a, c, d und i BauGB zum Ausdruck kommt. Das macht im Ergebnis gegenüber dem ökozentrierten Umweltbegriff keinen Unterschied, da selbst so unscheinbare Tiere wie die Würmer wegen ihrer bodenbezogenen Funktion für die Menschen wichtig und damit schützenswert sind.
Demgemäß besteht die anthropozentrische Umwelt aus den biotischen Umweltgütern Menschen, Tieren und Pflanzen in ihrer biologischen Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie den abiotischen Kultur- und sonstigen Sachgütern einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen (Kloepfer, Umweltrecht, S. 17).
Mit der Benennung einzelner Umweltgüter respektive Schutzgüter gibt das Umweltrecht zu verstehen, dass sie je für sich Gegenstand umweltrechtlicher Regelungen sein können. Die Wechselwirkungen als Umweltgut stehen indessen für eine übergreifende ökosystemare Sichtweise. Die Segmente des Umweltrechts sind zumeist multimedial ausgerichtet und regelmäßig auch in der Lage, den übergreifenden Ansatz zu repräsentieren, wenngleich es ein einheitliches Gesetz zum Schutze der Umwelt besser vermöchte.
3Menschen sind als Umweltgüter sowohl als einzelne als auch als Gruppe bzw. Menge angesprochen. Im Umweltrecht ist das konkrete menschliche Gut zunächst die Gesundheit im physischen und psychischen Sinn, ist sie doch in § 2 UVPG ausdrücklich erwähnt. Sodann gehört dazu aber auch das menschliche Wohlbefinden (Storm/Bunge/Bunge, Handbuch der UVP I, § 2 UVPG Rn. 57). Das ergibt sich daraus, dass die Fachgesetze des Umweltrechts den Menschen in diesem Sinne sehen. § 1 BImSchG wird beispielsweise so verstanden (Jarass BImSchG § 1 Rn. 3). Eine Begrenzung des Umweltguts Mensch auf die Gesundheit unter Ausschluss des Wohlbefindens ist vor diesem Hintergrund rechtlich nicht möglich. Lediglich sozio-ökonomische Elemente des Wohlbefindens müssen unbeachtet bleiben (Hoppe/Beckmann/Appold UVPG § 2 Rn. 18).
4Tiere im umweltrechtlichen Sinne sind sowohl wildlebende Tiere wie auch Haustiere und Nutztiere. Es spielt keine Rolle, ob sie besonders schützenswert sind oder nicht. Im Übrigen sind sowohl Einzeltiere wie auch Populationen, Arten und Gesellschaften als biologische Vielfalt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gemeint. Für die Pflanzen gilt das auch mit Blick auf die Biodiversität entsprechend (Peters/Balla UVPG § 2 Rn. 13). Für den Begriff der Umwelt ist ihr Wert nicht entscheidend.
5Das Umweltgut Boden besteht nach § 2 BBodSchG (Frenz BBodSchG § 2 Rn. 2 ff.) aus der obersten überbauten und nicht überbauten Schicht der festen Erdkruste einschließlich des Grundes fließender und stehender Gewässer, aber auch der darunter liegende Untergrund. Einher gehen die vielfältigen Funktionen des Bodens etwa als Lebens- und Siedlungsfläche oder auch als Wasserspeicher.
6Unter den Begriff des Wassers fallen stehende und fließende oberirdische Gewässer, Küstengewässer, das Grundwasser und die hohe See (Storm/Bunge/Bunge, Handbuch der UVP I, § 2 UVPG Rn. 65). Es ist nicht wichtig, ob es sich um natürliches oder künstlich angelegtes Wasser handelt. Auch das Trinkwasser gehört dazu.
7Als Luft wird die gesamte Lufthülle der Erde mit seinem Gasgemisch in seiner vertikalen Ausdehnung von Tausenden von Kilometern verstanden (vgl. Jarass BImSchG § 1 Rn. 4). Atmosphärische Luft besteht hauptsächlich aus Gasen, 78 % Stickstoff, 21 % Sauerstoff, fast 1 % Argon, 0,03 % Kohlendioxid und weiteren Gasen wie Neon, Helium, Methan, Krypton.
8Unter Klima versteht man den mittleren Zustand der Witterungserscheinungen für einen bestimmten geographischen Raum und eine gewisse Zeitspanne. Es wird unterschieden in das Mikroklima, das Mesoklima und das Makroklima, wobei das Mikroklima von besonderer Bedeutung für die anderen biotischen Umweltgüter ist (Storm/Bunge/Bunge, Handbuch der UVP I, UVPG § 2 Rn. 70). Zunehmend bedeutsam ist wegen seines Wandels das Makroklima (Reese ZUR 2015, 16 ff.).
9Zur Landschaft muss zunächst der Lebensraum für Tiere und Pflanzen gezählt werden, wie er mit dem naturschutzrechtlichen Begriff des Naturhaushalts vorgeprägt ist. Es zählt aber auch das Landschaftsbild zum Begriff der Landschaft, da das Bild einer Landschaft prägend ist (Gassner, Landschaft, S. 13 ff.).
10Kulturgüter sind Sachen von besonderer kultureller Bedeutung wie Kulturdenkmäler oder architektonisch wertvolle Gebäude oder archäologische Schätze (Hoppe/Beckmann/Appold UVPG § 2 Rn. 31). Sachen sind alle körperlichen Gegenstände i. S. d. § 90 BGB, auf ihren speziellen Nutzen kommt es nicht an, was etwa der Sichtweise von § 1 BImSchG entspricht (Jarass BImSchG § 1 Rn. 3).
11Neben den Einzelgütern sind auch die Wechselwirkungen zwischen den Umweltgütern Gegenstand des Umweltrechts. Der Begriff der Wechselwirkungen wird bisweilen als eine besondere Spielart der Auswirkungen von Vorhaben auf die Umweltgüter angesehen. Einmal werden synergetische Wirkungen verschiedener Schadstoffe als Wechselwirkungen begriffen (Vallendar UPR 1993, 417, 419). Im Weiteren werden Verlagerungseffekte bzw. Problemverschiebungen aufgrund von Vermeidungs- oder Verminderungsmaßnahmen als Wechselwirkung bezeichnet (Feldmann UPR 1991, 127, 131).
Beispiel: Danach wäre mit der Abwasserreinigung anfallender Klärschlamm, da dessen Inhaltsstoffe nicht mehr das Wasser, sondern den Boden belasten, unter Wechselwirkung zu subsumieren; Bodenverbrauch für eine Rauchgasentschwefelungs- bzw. Rauchgasentstickungsanlage wäre eine Wechselwirkung, da die Reinigung der Luft zu einer Belastung des Umweltguts Boden führt.
Diese sog. Verlagerungseffekte können nicht Wechselwirkungen zwischen den Umweltgütern sein, bei ihnen handelt es sich um Auswirkungen unmittelbarer oder mittelbarer Art, die regelmäßig durch Maßnahmen zum Schutz eines Umweltguts entstehen, deren negative Folgen sich dann auf ein anderes Umweltgut auswirken und damit die Umweltproblematik verlagern.
Auch synergetische Wirkungen von Schadstoffen sind nichts anderes als Auswirkungen kumulativer Art. Hierfür wird von den Naturwissenschaften auch der Begriff der Wechselwirkungen benutzt, aber als Interdependenz zwischen chemischen Stoffen und nicht zwischen Umweltgütern, so dass diese Sichtweise für den Begriff der Wechselwirkungen nicht tauglich ist.
12Der Begriff der Wechselwirkungen bringt rechtlich zum Ausdruck, dass die Umwelt nicht nur die Summe der Umweltgüter ist, sondern eine eigene Größe darstellt (BVerwG UPR 1996, 228, 230). Das Umweltrecht macht sich die ökosystemare Betrachtungsweise der Ökologie zu Eigen. Die Ökologie ist von einem ganzheitlichen Denken geprägt, nach ihrer Auffassung existiert kein Gegenstand für sich und beziehungslos, vielmehr stellt er mit anderen eine Ganzheit dar, die wiederum Teil einer übergeordneten Ganzheit ist. Jede dieser Ganzheiten ist eine abgegrenzte bzw. abgrenzbare zusammengehörige Gesamtheit von Strukturen und Funktionen. Die Ökologie spricht von Ökosystemen, die in einer Vielzahl und in verschiedensten Komplexitätsstufen vorhanden sind (Gassner, Landschaft, S. 15). Im Grundmodell bilden Biozönosen, d. h. in Gemeinschaft existierende Lebewesen und Biotope, d. h. sie umgebende Räume, ein Ökosystem. Das System besteht aus vier Kompartimenten, es sind da zunächst abiotische Bestandteile wie Luft oder Wasser, sodann als biotische Bestandteile die Produzenten, also grüne Pflanzen, die Konsumenten, sprich bestimmte Tiere und die Destruenten, nämlich Bakterien, Pilze oder auch Mineralisierer. Aus den abiotischen Bestandteilen stellen die Produzenten organische Stoffe her, die den Konsumenten als Nahrung dienen, die Destruenten zersetzen Substanzen, wobei der Zersetzungsprozess in bestimmten Abbauraten erfolgt.
Ökologische Systeme werden von natürlichen Stoffkreisläufen geprägt, wobei die notwendige Energie die Sonne liefert. Zwischen den Kompartimenten gibt es mannigfaltige Wechselwirkungen, sie existieren nicht für sich allein, diese Wechselwirkungen verlaufen mit gewissen Schwankungen in einem dynamischen Gleichgewicht, innerhalb der Schwankungsbreiten besteht Stabi...