Jan Hus
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Jan Hus

Prediger - Reformator - Märtyrer

  1. 263 Seiten
  2. German
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Jan Hus

Prediger - Reformator - Märtyrer

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Jan Hus (around 1370-1415) was a heretic for the Catholic Church. In many ways he symbolises the epoch of the late Middle Ages: in an attempt to bring back the church, which had been rocked by the Great Occidental Schism, he develops a reform programme, which goes way beyond the limits of the Middle Ages.His death by burning on the Constance Council 1415 turned him into a martyr. The illustration shows Jan Hus in his time: he is researched as a scholar and preacher of the late Middle Ages, as well as a publicly involved intellectual. The book draws a picture of Jan Hus, which is underpinned by historic arguments, and which places the events in Bohemia in a European context.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170236288
Auflage
1

1         Vorbemerkung

 
 
 
Ein auf Deutsch verfasstes Buch, dessen Geschichte sich meistens in Böhmen abspielt, stellt gewisse Herausforderungen technischer Art. Die Schreibweise von Eigennamen richtet sich nach folgenden Prinzipien: Mittelalterliche Personennamen werden in deutscher Form wiedergegeben. Eine Ausnahme bildet Jan Hus, dessen tschechischer Name mittlerweile auch im Deutschen geläufig ist. Wenn kein deutsches Äquivalent vorhanden ist, wird die tschechische Form vor der lateinischen bevorzugt, z. B. Jakoubek statt Jacobellus. Bei Namen böhmischer Städte wird ebenfalls die deutsche Form benutzt; zwecks Identifizierung wird bei erster Nennung in der Regel der tschechische Name in Klammern beigefügt. Bei Dörfern und Marktflecken wird die tschechische Form benutzt (Husinec, Jesenice statt Hussinetz, Jessenitz).
Dieses Buch ist ein Ergebnis des Projektes P405/12/G148 Kulturelle Codes und ihr Wandel im hussitischen Zeitalter, das von der Tschechischen Forschungsgemeinschaft (GA ČR) gefördert wird.
Mein herzlicher Dank für die Durchsicht des Manuskripts und hilfreiche Hinweise gilt Thomas Prügl (Wien). Dank gebührt auch Karel Hruza (Wien), von dem die erste Anregung zu dieser Arbeit ausging.
Prag – Berlin – London, August 2013
Pavel Soukup

2          Zur Einführung: Der Angeklagte in Konstanz

 
 
 
Am 28. November 1415 erhielt Magister Jan Hus, der sich seit mehr als drei Wochen in der Konzilsstadt Konstanz befand, in seinem Quartier Besuch. Es kamen die Bischöfe von Trient und Augsburg als Gesandte des Kardinalkollegs, begleitet vom Konstanzer Bürgermeister und anderen Personen. Ritter Johann von Chlum, der treue Begleiter und Beschützer des Magisters, empfang sie argwöhnisch. Er erinnerte die Besucher daran, dass Hus unter dem Schutz König Sigismunds nach Konstanz gekommen sei, und warnte sie, nichts gegen den Willen des Königs zu unternehmen. Nachdem die Prälaten ihre Absicht kundgetan hatten, stand Jan Hus vom Tisch auf und enthüllte den Bischöfen, die ihn zuvor noch nicht gekannt hatten, seine Identität. »Ich bin nicht hierher nur zu den Kardinälen gekommen«, sprach er,
»und es war niemals mein Wunsch, mit ihnen getrennt zu sprechen, sondern ich bin zum ganzen Konzil gekommen und möchte dort sagen, was Gott mir eingegeben und wonach man mich fragen wird. Trotzdem bin ich auf Verlangen der Herren Kardinäle hin bereit, sofort zu ihnen zu kommen, und wenn man mich etwas fragen wird, hoffe ich lieber den Tod zu wählen, ehe ich eine aus der Schrift oder sonst mir bekannte Wahrheit ableugne.«
Dieses Bekenntnis sollte Hus in Konstanz noch öfters ablegen und es schließlich auch in die Tat umzusetzen.
Hus folgte also den beiden Bischöfen in den Palast des Papstes. Dort wurde er von den Kardinälen zur Rede gestellt:
»Magister Johannes, man redet Vieles und Merkwürdiges von euch, dass ihr zahlreiche Irrtümer festgehalten und im Königreich Böhmen ausgesät habt.«
Hus antwortete in demselben Sinn wie seinen früheren Besuchern:
»Eure Vaterliebe wisse, dass ich, bevor ich einen Irrtum festhalten wollte, lieber sterben möchte. Und seht, ich bin freiwillig hierher gekommen zu diesem heiligen Konzil.«
Nach dem Gespräch bewachte man Hus bis zum späten Abend. In der Nacht wurde er ins Haus des Kantors des Konstanzer Münsters gebracht, wo er eine Woche lang gefangen gehalten wurde. Danach wurde er im Dominikanerkloster am Ufer des Bodensees eingekerkert. Nach der Flucht von Papst Johannes XXIII. vom Konzil lieferte man Hus am 24. März 1415 dem Konstanzer Bischof aus, der ihn dann in der Burg Gottlieben am Seerhein in Haft hielt. Von dort wurde er Anfang Juni wieder in die Stadt zum Verhör gebracht und bis zu seiner Verurteilung und Hinrichtung im Gefängnis des Minoritenkonventes festgehalten.
Ritter Johann von Chlum beschwerte sich noch am Tag von Hus’ Verhaftung bei Papst Johannes XXIII. Später legte er wiederholt bei dem da noch anwesenden Papst sowie bei den Kardinälen Protest ein, jedoch vergeblich. Auch seine öffentliche Erklärung, die er an den Toren des Münsters und anderer Konstanzer Kirchen bekannt machte, half nichts. Der Ritter gab darin allen bekannt,
»dass Magister Johannes Hus, Bakkalar der heiligen Theologie, unter dem Geleitbrief und dem Schutz des durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, des Herrn Sigismund […] nach Konstanz kam, um jedem, der es verlangt, in einer öffentlichen Audienz über seinen Glauben vollgültige Rechenschaft abzulegen. Dieser oben genannte Magister Johannes wurde in dieser Reichsstadt unter dem Geleitbrief meines genannten Herrn, des römischen und ungarischen Königs, in Gewahrsam genommen und wird noch festgehalten.«1
Johann von Chlum bezeichnete hier Hus mit dem formal höchsten Titel, den er besaß, nämlich den eines Bakkalaureus der Theologie. Was er nicht sagte, war, dass Hus immer noch Rektor der Bethlehemskapelle in Prag war und sich als solcher ein außerordentliches Ansehen als Prediger erworben hatte. Hus’ Inhaftierung in Konstanz markierte eindeutig seinen Sturz und besiegelte den Weg zum tragischen Ende. Noch sieben Jahre zuvor hatte er sich der Unterstützung des königlichen Hofes und der Freundschaft des Prager Erzbischofs erfreut. Er hatte sich damals schon Gedanken gemacht, wie man das durch das päpstliche Schisma und den unwürdigen Lebenswandel der Kleriker angeschlagenes Ansehen der Kirche wiederherstellen könne – genau wie die meisten Konzilsväter in Konstanz übrigens auch. Wie sie kritisierte er die Missstände des kirchlichen Lebens und verlangte nach Besserung. Warum also resultierten seine Vorstellungen von notwendigen Reformen in einen so heftigen Gegensatz zum Reformismus der Mehrheit der katholischen Theologen, so dass diese ihn sogar in den Feuertod schickten?
Diese zentrale Frage ist nicht einfach zu beantworten. Hus war in Konstanz mit einer Reihe von Anschuldigungen konfrontiert. Die Anklagen gegen ihn sammelte man bereits seit 1408. Geben aber diese Anklagen allein eine Antwort darauf, wie es dazu kam, dass Hus auf dem Scheiterhaufen endete? Genügt es, die Antwort nur in dem Wortlaut des Urteils zu suchen? Die folgenden Kapitel werden sich mit der Entstehungsgeschichte dieses Urteils beschäftigen. Aus der Sicht eines Historikers sind die Prozessakten nicht der einzige Schlüssel zu dieser Frage. Es gilt weitere Quellen heranzuziehen, die Zeugnis über Ursachen und Gründe der Verurteilung ablegen können, welche uns die Richter nicht verraten haben, welche ihnen zum Teil vielleicht auch gar nicht bekannt waren. Was irritierte die kirchlichen Behörden und weltlichen Machthaber so heftig, was fanden die Konzilsväter an Jan Hus so gefährlich, dass sie ihn liquidierten? Dem Sturz eines angesehenen Predigers und Universitätsgelehrten des späten Mittelalters gerecht zu werden heißt zugleich, etwas über die damalige Gesellschaft, ihr Weltbild, ihre inneren Spannungen und Vorurteile zu erfahren.
Dieses Buch befasst sich mit Jan Hus als einem aussagekräftigen Beispiel einer spätmittelalterlichen Karriere im Schnittpunkt von zeitgenössischen Konflikten. Es erscheint angebracht, bereits an dieser Stelle klar zu machen, was dieses Buch beabsichtigt und was es nicht leisten kann. Erstens bietet das Buch keine Abhandlung über das reichhaltige Nachleben von Jan Hus. Er war eine zentrale Bezugsfigur des utraquistischen Sonderweges im 15. Jahrhundert. Er war der negative Held der barocken Legende, der Makel an Böhmens Rechtgläubigkeit. Im 19. Jahrhundert diente er als ein Integrationssymbol der tschechischnationalen Emanzipationsbewegung. Nicht viel später wurde er in den Darstellungen linksorientierter Historiker zum Vorkämpfer der sozialen Gerechtigkeit. Schließlich ist er für evangelische Kirchen, nicht nur in Böhmen, ein wichtiger Vorläufer (oder auch Mitgestalter) der Reformation. Keinem dieser Aspekte wird im Folgenden ausführliche Aufmerksamkeit gewidmet. Nicht, weil es unwichtig oder uninteressant wäre. In einer der letzten Hus-Monographien wird dem Nachleben gut 40 Prozent des Textes gewidmet.2 Schon daraus ist ersichtlich, dass das Andenken an Hus, sein Nachleben, ein eigenständiges Forschungsfeld bildet, das man in diesem Buch nur im entsprechenden Kontext einbeziehen kann.
Wenn im abschließenden Kapitel das Verhältnis zwischen Jan Hus und der deutschen Reformation erörtert wird, dann geschieht es nicht darum, den böhmischen Reformer als Vorläufer Martin Luthers zu stilisieren. Die im letzten Kapitel gestellte These lautet vielmehr, dass mit dem Hussitentum, also bereits im 15. Jahrhundert, die Reformationsgeschichte beginnt. Anhand des Vergleiches mit der »klassischen« Reformation soll die Bedeutung von Hus für die Entwicklung der böhmischen Gesellschaft des 15. Jahrhunderts beurteilt werden. Allerdings standen damals mehrere Wege offen. Wenn sich die utraquistische Landeskirche der böhmischen Hussiten zu einer Spielart der Reformationskirchen entwickelte, bedeutet das keineswegs, dass Hus selbst diesen Weg einschlagen wollte. Ich gehe aber davon aus, dass für Jan Hus und seine Anhänger der Bruch mit der römischen Kirche unvermeidbar, ja Teil ihres Reformverständnisses war. Es sind diese Ansätze, die zu einer Herausbildung der hussitischen Interessengruppe und zu ihrer Abgrenzung von der Mehrheitskirche führte, was im Folgenden eingehend untersucht werden soll.
Die Darstellung konzentriert sich somit auf die Gestalt des Jan Hus in seiner Zeit. Seine Persönlichkeit verdankt sich in gleicher Weise den Verhältnissen des luxemburgischen Böhmens wie auch dem weiteren Kontext der abendländischen Kirche der Schismazeit. Der Schlüssel zum Verständnis von Hus wird im synchronen Vergleich mit anderen Persönlichkeiten des kirchlichen und universitären Lebens des frühen 15. Jahrhunderts aufgezeigt. Statt eine separate Einführung in die Geschichte und Kultur des Spätmittelalters an den Beginn unseres Buches zu stellen, soll der breitere Kontext in jedem einzelnen Kapitel berücksichtigt werden, wo dies zweckmäßig erscheint. Nur aufgrund eines Vergleiches mit seinen europäischen Zeitgenossen und seinen böhmischen Vorgängern kann dargelegt werden, was an Hus einzigartig und was aus spätmittelalterlicher Perspektive geläufig war.
Die vorliegende Biographie ist gewissermaßen retrospektiv, indem sie nach den Wurzeln der Probleme und Kontroversen sucht, die Hus auf den Scheiterhaufen brachten. Sie schildert seinen Erfolg und seinen Sturz: auf welchen Wegen es ihm gelang, Ruhm zu erlangen und eine Anhängerschaft aufzubauen, warum dies die kritische Aufmerksamkeit der kirchlichen Behörden auf sich gezogen hat, und warum es die Kirche schließlich für unabdingbar hielt, ihn zu beseitigen. Obwohl mir Hus’ Tod als Ausgangspunkt der Fragestellung dient, kann ich mich nicht der Ansicht anschließen, dass die historische Bedeutung von Hus lediglich darin liegt, dass er verbrannt und danach in verschiedener Weise instrumentalisiert wurde. Ein eminent öffentlich tätiger und umtriebiger Gelehrter wie Jan Hus muss für Historiker nicht nur wegen seines Todes, sondern vor allem wegen seines Lebens und Wirkens von Interesse sein. Als solche tatkräftige Gestalt wäre er historisch attraktiv, auch wenn es keine Reformationen, keine Revolutionen und keine Nationalerweckungen in seinem Namen gegeben hätte.
Jan Hus wird in diesem Buch vor allem als ein gut dokumentiertes Beispiel eines spätmittelalterlichen Intellektuellen angesehen, eines in der Öffentlichkeit stehenden Professors, der wegen seiner Ausstrahlung in schwere Konflikte geriet. Es sind eben diese Konfliktsituationen und Kontroversen, die in der historischen Überlieferung die stärksten Spuren hinterlassen haben. Dank dieser Auseinandersetzungen und dank Hus’ posthumem Ruhm haben wir von ihm eine weitaus reichere Kenntnis als von seinen zeitgenössischen Kollegen. Wohl von keinem anderen mittelalterlichen böhmischen Autor ist ein so umfangreiches Werk erhalten; ebenso einzigartig ist seine erhaltene Korrespondenz. Seinen eigenen Schriften schließen sich Aktenstücke und Nachrichten über Hus an. All dies ermöglicht einen Einblick in die Welt eines Gelehrten, welcher bei anderen zeitgenössischen Personen kaum denkbar ist.
Verhältnismäßig breiten Raum wird in diesem Buch der öffentlichen Tätigkeit des Jan Hus gegeben, der Resonanz seiner Predigten und der daraus resultierenden Bildung seiner Anhängerschaft. Diese Fragestellung ist zugegebenermaßen durch die heutige Erfahrungswelt beeinflusst. Das Hus-Bild entsprach immer den Forderungen und Schwerpunkten der jeweiligen Zeit. Es wäre verfehlt, diese Zeitgebundenheit unterdrücken oder gar leugnen zu wollen. Wenn wir heute miterleben, wie politische, bürgerliche und gesellschaftliche Bewegungen mithilfe elektronischer Kommunikationsnetzwerke organisiert werden, ist es kein Wunder, dass die soziale Auswirkung von kommunikativen Handlungen für kulturgeschichtliche Fragestellungen maßgebend ist. Das bedeutet natürlich für dieses Buch nicht, anachronistische Parallelen zwischen der Zeit von Hus und der heutigen Welt zu ziehen, sondern es findet Schlüsselaspekte, durch welche Hus’ Leben und Wirken dem heutigen Menschen überzeugend vor Augen geführt werden kann.
Das Buch ist so aufgebaut, dass jedem Kapitel ein markantes Ereignis vorangestellt wird, das als Ausgangspunkt für die nachstehende Darlegung dient. Die Anordnung dieser Ereignisse entspricht dabei der tatsächlichen Chronologie. Zu besseren Orientierung dient am Anfang des Buches ein kurzer Lebenslauf von Jan Hus. Die problemorientierte Schilderung in den nachfolgenden Kapiteln nimmt jeweils breiteres Material und Quellenbelege aus anderen Phasen seines Lebens mit auf, um das als Ausgangspunkt benutzte Ereignis zu kontextualisieren. Am Ende eines jeden Kapitels wird gefragt, welche Bedeutung das jeweilige Phänomen oder Ereignis im Leben von Hus besaß und ob es zu seiner Verurteilung beigetragen hat. Der Angeklagte und Verurteilte in Konstanz steht somit im Mittelpunkt aller Ausführungen.

3 Magister Jan Hus – ein kurzes Lebensporträt

Als im September 1378 die Kardinäle in Fondi einen Gegenpapst wählten, ahnten sie nicht, dass das daraus resultierende Schisma beinahe 40 Jahre dauern sollte. Clemens VII. begab sich nach Avignon, wo die Päpste bereits in den Jahren 1309–1377 residiert hatten. Die abendländische Christenheit war in zwei Herrschaftssphären gespaltet, eine römische und eine avignonesische Obödienz. Die durch die gesteigerten finanziellen Ansprüche des Kirchenapparats und durch die Verweltlichung der klerikalen Lebensweise ohnehin angegriffene moralische Autorität des Papsttums und der kirchlichen Hierarchie erlitt durch das Schisma eine weitere Einbuße. Eine zweigeteilte Kirche konnte noch schwerer gegen Missstände angehen. Die spätmittelalterliche Gesellschaft, welche durch den Schwarzen Tod, die Pestepidemie der Jahre 1347–1353, starken demographischen und sozialen Verwerfungen ausgesetzt war, wurde durch die kirchliche Krise noch tiefer erschüttert und verunsichert.1
Jan Hus hat die Nachricht von der Kirchenspaltung wohl kaum mitbekommen. Er war damals ein Knabe und besuchte wahrscheinlich die Pfarrschule in der südböhmischen Stadt Prachatitz (Prachatice). Möglicherweise wurde das Schisma in seiner Gegenwart, etwa vom Ortspfarrer, einmal erwähnt. Aber niemand konnte zu dieser Zeit wissen, dass Jan Hus sein Leben dem Kampf gegen die Missstände in der Kirche weihen und schließlich auf einem Konzil, das sich zur Beseitigung des Schismas versammelt hatte, hingerichtet werden würde.
Hus wurde um 1370 (eine jüngere Tradition nennt das Jahr 1369) im Husinec nahe Prachatitz in bescheidenen Verhältnissen geboren. Er entschi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Vorbemerkung
  6. 2 Zur Einführung: Der Angeklagte in Konstanz
  7. 3 Magister Jan Hus – ein kurzes Lebensporträt
  8. 4 Hus als Prediger – Seine Ernennung zum Rektor der Bethlehemskapelle 1402
  9. 5 Prager Wyclifismus und »gelehrte Häresie« – Die erste Verurteilung von Wyclifs Artikeln 1403
  10. 6 Jan Hus und die Kirchenreform – Die Synodalpredigten 1405 und 1407
  11. 7 Die Universitätskarriere des Magisters Hus – Die Rektorsrede »Macht eure Herzen stark« 1409
  12. 8 Die Generation des Kuttenberger Dekrets – Die Prager Universität als mitteleuropäisches Begegnungsort
  13. 9 Die hussitische Medienkampagne – Die Appellation gegen das päpstliche Predigtverbot 1410
  14. 10 Öffentliches Engagement und politische Unterstützung – Königliche Beschlagnahme der Kirchengüter 1411
  15. 11 Anführer einer Protestbewegung – Die Prager Ablassunruhen 1412
  16. 12 Der Prozess – Die Appellation an Christus 1412
  17. 13 Unsichtbare Kirche und bedingter Gehorsam – Jan Hus’ Buch »Über die Kirche« 1413
  18. 14 Das volkssprachliche Schrifttum und die Mission auf dem Land – Die tschechische Postille 1413
  19. 15 Das Konzil von Konstanz: Verurteilung und Hinrichtung (1414–1415)
  20. 16 Ausblick: Hussitismus und Reformation
  21. 17 Glossar
  22. 18 Quellen und Literatur
  23. 19 Anmerkungen
  24. 20 Register