Männerseelsorge
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Männerseelsorge

Impulse für eine gendersensible Beratungspraxis

  1. 253 Seiten
  2. German
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Männerseelsorge

Impulse für eine gendersensible Beratungspraxis

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Über dieses Buch

Wie kann Männern der Zugang zur Seelsorge erleichtert werden? Was macht Begegnungen mit ihnen in der Seelsorge so besonders? Welche Themen, welche Art des Umgangs mit Krisensituationen und Konflikten stehen im Vordergrund? Wie können Männer hilfreich begleitet werden? Solche Fragen wurden in der Seelsorge bisher kaum aufgegriffen. Anhand vieler Beispiele aus der Praxis der Männerseelsorge und aktueller Erkenntnisse der Männerforschung werden Grundfragen einer männerspezifischen Beratungspraxis in der Kirche erörtert, Themen und Konfliktbereiche eines Männerlebens erschlossen und Seelsorgemethoden dargestellt, die sich in der Begleitung von Männern bewähren. Konkrete Formen der Männerseelsorge werden anhand von Beispielen aus der Gemeinde-, der Krankenhaus- und der Gefängnisseelsorge sowie der Beratungsarbeit mit Paaren beschrieben.Grundsätzliche Überlegungen und konkrete Modelle einer Seelsorge mit Männern vermitteln zahlreiche Impulse für eine gendersensible Beratungspraxis und bringen Seelsorger und Seelsorgerinnen bei der Begleitung von Männern auf neue und eigene Ideen.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170289550
Einen Griff zu wagen, ja? In was, in was, was noch nicht da ist.
Interviewaussage eines Studenten1

1. Einleitung

Philipp ist im Abschlussjahr des Konfirmandenunterrichts. Er ist noch nicht getauft, nahm aber aktiv an allen Angeboten des kirchlichen Unterrichts teil. Seine Mutter bittet mich2 telefonisch um ein Gespräch über Möglichkeiten, die Taufe vor der Konfirmation nachzuholen. „Das mache ich gerne. Es freut mich, dass Philipp sich entschieden hat, sich konfirmieren zu lassen. Ich fände es sinnvoll, wenn wir uns zu viert, Philipp, Sie und Ihr Mann, einmal treffen würden, um Wünsche, Möglichkeiten und Erwartungen auszutauschen.“ „Wissen Sie, meinem Mann ist das nicht so wichtig“, wendet sie ein. „Religiöse Fragen hat er an mich delegiert. Ich denke, das können wir zu dritt abmachen.“ Ich bin hin und her gerissen. In einer Art innerem Dialog frage ich mich: Soll und muss ich dieses Setting als Auftrag, so wie er gegeben wird, annehmen oder gibt es andere Möglichkeiten? Als systemischer Seelsorger und als Theologe spüre ich andere Aufträge. Diese könnte ich mit Fragen zur Debatte stellen, aber Fragen sind Interventionen. Und dann diese Stimme, die den Chor der andern inneren Stimmen übertönt: Eigentlich gehört doch der Vater dazu! „Oftmals übernehmen Mütter in den Familien die Aufgabe, die Verbindung zur Kirche zu gewährleisten. Und ich erlebe sie darin auch als sehr engagiert. Trotzdem würde es mich freuen, wenn Ihr Mann auch dabei wäre, weil ich überzeugt bin, dass auch er als Vater Philipp viel mitgegeben und mitzugeben hat auf seinen Lebensweg. Und er wird ja bei der Taufe auch anwesend sein und selbst wenn er sich dafür entscheiden würde, lieber im Hintergrund zu bleiben, möchte ich dies doch sorgfältig mit ihm absprechen.“ Ich habe den Eindruck, Frau A. sei gar nicht so unglücklich darüber, dass ich Herrn A. dabei haben möchte. Wir sehen ein paar Termine vor und Frau A. bestätigt bald den Tag, an dem es allen Beteiligten geht.
Das Gespräch findet in der Wohnung von Familie A. statt. Die kleinere Schwester Philipps begrüsst mich und verschwindet danach in ihrem Zimmer. Nach einer kurzen Einleitung, in der ich gegenüber Herrn A. und Philipp offenlege, was ich mit Frau A. am Telefon besprochen habe, und den zeitlichen Rahmen für das heutige Gespräche definiere, gebe ich Philipp die Gelegenheit seine Wünsche und Anliegen zu formulieren. Ihm ist es wichtig, dass die Taufe nicht im Konfirmationsgottesdienst stattfindet, sondern vorher und wenn möglich im familiären Rahmen. Wir einigen uns über die Form, worauf sich Philipp zurückzieht. Er hat noch Hausaufgaben zu erledigen.
„Philipp beeindruckt mich. Er weiss, was er will und hat sich erstaunliche Gedanken gemacht. In diesem Alter ist das für mich ungewöhnlich. Worin erkennen Sie beide sich wieder?“ „Ja, ich staune wirklich auch“, antwortet Frau A., „aber Sie müssen wissen, auch wenn unsere Kinder nicht getauft sind: Spirituelle Fragen waren immer ein Thema in unserer Familie.“ „In meiner Jugendzeit hatte ich auch viele Fragen. Leider hat mich die Kirche mit ihren Antworten nicht wirklich abholen können. Aber fragend bin ich geblieben“, meldet sich Herr A. „Mir geht ein Zitat aus einem Fastenkalender3 durch den Kopf“, sage ich, „das ungefähr so lautet: Fragen halten jung, Antworten machen alt. Vielleicht ist es diese Mischung: dass spirituelle Fragen ein Thema sind und Fragen Platz haben, die viel dazu beigetragen haben, dass Philipp mit offenen Augen und einem weiten Herz durchs Leben geht. Und, erlauben Sie mir den Vergleich: Auch die Taufe ist keine Antwort, dafür ist das Zeichen ja auch zu einfach.“ „Was sage ich einem jungen Menschen, der mich fragt, wieso ein liebender Gott all dieses Leiden, all diese Kriege, all diese Ungerechtigkeit auf der Welt zulässt“, wirft Herr A. ein. „Ich habe keine Antwort darauf. Aber vielleicht ist das Kreuzeszeichen, das bei der Taufe mit Wasser auf die Stirne des Täuflings gezeichnet wird, ein Hinweis darauf, dass Gott selber diesen Fragen unterworfen ist. Jesus selber schrie ja am Kreuz ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘ und erhielt keine Antwort.“ „Ist die Taufe denn nicht mehr als das?“ fragt Frau A. „Für mich geht es ganz stark auch um den Segen.“ „Mir ist das auch ganz wichtig, auch bei der Konfirmation: Wir bitten Gott darum, die jungen Menschen ganz persönlich zu segnen. Anders als am Schluss des Gottesdienstes, wenn wir allgemein um den Segen bitten.“
Der weitere Verlauf des Gesprächs kreist immer wieder um das Stichwort „Fragen“. Als wir die Gestaltung der Feier diskutieren, nehme ich eine Frage aus dem Konfirmandenunterricht auf, die ich auch mit Philipps Klasse diskutiert hatte: „Wenn ich die Gelegenheit hätte, Gott eine Frage zu stellen, wie würde diese lauten?“ und frage, ob beide Eltern bereit wären, als persönlichen Beitrag zur Taufe für Philipp Segensworte und Lebensfragen zu formulieren und ihm diese dann mit auf den Weg zu geben. „Die Mischung fasziniert mich“, sage ich, „Segen als Verbindung mit der Tradition und als Verwurzelung, das Fragen als Ausdruck der Ehrlichkeit und Offenheit.“ Ohne zu zögern, stimmen beide zu.
Wir treffen uns zu einem zweiten Vorbereitungstreffen. Ich habe den Eindruck, dass nun auch Herr A. mich einlädt und dabei sein will.
Welche Möglichkeiten gibt es, Seelsorge so zu gestalten, dass Männer sie als einen Raum erfahren, in dem sie mit ihren Anliegen, ihren Fragen und Bedürfnissen ernst genommen werden und für sie interessante Schritte tun können? In dieser etwas ungewöhnlichen Situation sind gar zwei Männer im Spiel: der Täufling und Konfirmand und sein Vater. Der Unterricht war offenbar so aufgebaut, dass Philipp zeigen konnte, wie viele Gedanken er sich macht und nun Verantwortung für seine Taufe übernimmt. Auch seinen Vater lockt der Seelsorger aus seiner anfänglichen Reserve, so dass er ins Überlegen kommt, was für ihn bei diesem doppelten Übergang seines Sohns ins Erwachsenenleben wesentlich ist. Dies führt dazu, dass auch die Mutter artikuliert, was ihr wichtig ist, und die drei gemeinsam die nächsten Schritte machen können.
Immer wieder kommt es in der Seelsorge zum Kontakt mit Männern. So sind vermutlich in einem Drittel aller Seelsorgebegegnungen in der Gemeindeseelsorge Männer involviert.4 Oft sind Kasualien ein Anlass dazu. Zahlen der Telefonseelsorge belegen Ähnliches: Knapp ein Drittel der Gespräche finden auf Initiative von Männern statt.5 In kirchlichen Ehe- und Familienberatungsstellen melden sich in den letzten Jahren vermehrt Männer aus eigener Initiative. Oft sind es allerdings die Frauen, die sich melden, und ihre Männer zur Teilnahme motivieren.6 An anderen Orten sind Männer in der Seelsorge gar in Überzahl, wie beispielsweise im Strafvollzug, in der Armee oder im Krankenhaus. Dabei stellen sich eine Menge von Fragen: Unterscheidet sich Seelsorge mit Männern von Seelsorge mit Frauen? Wenn ja: Was macht Begegnungen mit Männern in der Seelsorge anders? Welche Themen stehen im Vordergrund? Welcher Art des Umgangs mit Krisensituationen, mit Konflikten und Gefühlen begegnen wir bei Männern? Welche Bedeutung hat es, ob ein Mann resp. eine Frau Männern Seelsorge anbietet? Und: Welche grundsätzlichen Probleme sind mit einer Männerseelsorge verbunden? Welche gendertheoretischen Fragen kommen ins Spiel? Welche damit verbundenen theologischen Themen? Auffällig ist, dass solche Fragen selten gestellt werden und Männer mehr als vierzig Jahre nach Beginn der Männerbewegung kaum ein eigenes Thema in der Seelsorge und Seelsorgelehre sind.
Spätestens seit den 1970er-Jahren begannen sich die „bewegten Männer“ auch im deutschen Sprachbereich zu regen, inspiriert durch die „men‘s liberation“-Bewegung in den USA, die sich im Protest gegen den Vietnam-Krieg formierte, provoziert durch die zweite Welle des Feminismus seit den 1960er-Jahren, motiviert aber auch durch kritische Erfahrungen im privaten und beruflichen Leben. Trennungen und Scheidungen nahmen in jenen Jahren rasant zu. Prekäre Lebenslagen und Arbeitslosigkeit, die „Rückkehr der Unsicherheit in die reichen Gesellschaften des Westens“ (Castel, zit. bei Dörre 2012, 147), machten den Männern zu schaffen. Kaum eine andere Zeitspanne wie diese Jahrzehnte hat „Männerwelten, Männerbilder und Männerrollen so stark beeinflusst und auch verändert“, kommt ein Positionspapier der Männerarbeit der EKD zum Schuss (Männerarbeit 2011, 4).
Eine eigentliche Männerforschung entwickelte sich seit den späten 1980er-Jahren. Die gezielte Frage nach den Männern, nach etablierten und abweichenden Formen der Männlichkeit, nach Problemlagen, die in einem Männerleben häufig begegnen, nach Männergesundheit und anderen Männerthemen fand Eingang in die Forschung. Gleichzeitig erweiterte sich der Feminismus in einer lebendigen Theoriediskussion und verband sich mit der Männerforschung zur Genderforschung.
Einiges davon wurde in der deutschsprachigen Seelsorgelehre seit den 1970er-Jahren aufgenommen. Natürlich profitierten auch Männer vom Aufbruch der Seelsorgebewegung, ohne dass sie bereits eigens zum Thema wurden. Kritisch wurden später männerzentrierte Vorstellungen, die traditionelle Konzepte der Seelsorge im Verborgenen durchwirkt hatten, freigelegt (Pfäfflin 1992), feministisch geprägte Konzeptionen der Seelsorge entwickelt (u.a. Riedel-Päfflin/Strecker 1999) und „Geschlecht“ zum ersten Mal ausdrücklich zum Thema der Seelsorge gemacht. Gleichzeitig stieg der Anteil der Frauen im Pfarrberuf. Seelsorge in Spitälern und Pflegeinstitutionen wurde mehr und mehr zum Arbeitsfeld (um nicht zu sagen: zur Domäne) von Seelsorgerinnen. Impulse der Männerbewegung und -forschung hingegen wurden in der Praktischen Theologie und insbesondere der Poimenik bis heute kaum rezipiert, obwohl Männerarbeit in den Kirchen eine lange Tradition hat.7 Seit den 1990er-Jahren wurde sie in ökumenischer Zusammenarbeit auf breiter Front neu aufgestellt: Konzepte und Strukturen der Männerarbeit wurden weiterentwickelt8, Beauftragte für Männerarbeit eingesetzt, Männerbildung, Männerpolitik und Männerspiritualität als kirchliche und theologische Herausforderungen erkannt9, in Theorie und Praxis betrieben10 und auch publizistisch unterfüttert11. Umso erstaunlicher ist es, dass sich auch dreissig Jahre nach den Anfängen der Männerforschung und Jahrzehnte nach den Anfängen moderner Männerarbeit in den Kirchen zur Seelsorge mit Männern in einem engeren Sinn nur wenige Hinweise und Überlegungen finden.12 So bilanziert Knieling: „Eine eigene männerspezifische Perspektive ist noch nicht entwickelt“ (Knieling 2010, 50).
Das hat seine Gründe: In der Seelsorgebewegung ging es in den 1970er-Jahren zuerst einmal darum, ein neues Verständnis von Seelsorge in Theorie, Praxis, Aus- und Weiterbildung zu etablieren. Verständlicherweise standen später, nach dem Aufbruch der feministischen Theologie, auch in der Praktischen Theologie die Kritik an fundamentalen Ungerechtigkeiten und die Aufarbeitung patriarchal geprägter Denk- und Handlungsmuster in der kirchlichen Praxis und Seelsorge im Vordergrund. Entsprechende Fragen haben bis heute an Brisanz nicht verloren. Weshalb Anliegen von Männern spärlicher aufgegriffen wurden, ist schwieriger zu verstehen. Dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass sich die Fronten der Männer nicht zu einer grossen gesellschaftspolitischen Bewegung schlossen. Die Bewegung der Männer blieb disparat, „ein Sammelsurium verschiedener Aktivitäten und Bewegungen von Männern mit dem Ziel, Antworten auf die Herausforderungen eines gewandelten Geschlechterverhältnisses zu finden“ (Lenz 1997). Dazu kommt, dass Männer im kirchlichen Leben weniger präsent sind als Frauen, sich in Umfragen regelmässig weniger religiös geben und bei ihrer Sinnsuche selbstbestimmt eigene Wege gehen (vgl. Engelbrecht/Rosowski 2007). Ein externalisierender Umgang mit psychosozialen Problemen lässt Männer klassischen Angeboten der Psychotherapie gegenüber zudem eher auf Distanz gehen. Vergleichbares kann mit ein Grund sein, dass sie sich nur zögerlich auf Seelsorge einlassen. Zudem galt die Gleichung „Seelsorger sind Männer“ während Jahrhunderten und blieb auch nach dem Aufbruch der Frauenbewegung meist unangezweifelt. Was es aber wirklich bedeutet, als Mann Seelsorger zu sein und vor allem in evangelischen Kirchen in dieser Arbeit mehr und mehr zu einer Minderheit zu gehören, wurde kaum kritisch aufgearbeitet (vgl. Morgenthaler 2012). Männer als Seelsorger wurden höchstens im Zusammenhang mit Übergriffen zum Thema (Ulonska 2006), neue Rollenansätze der Männer und ihre veränderte Position in der Kirche werden in ihrer Bedeutung für die Seelsorge bis heute wenig reflektiert. So bleibt die Rolle der Männer nicht nur auf Seiten derer, die Seelsorge beanspruchen (könnten), sondern auch jener, die Seelsorge anbieten, bisher wenig analysiert. 13
Auf der Suche nach einem Titel: Ziel der folgenden Kapitel ist es, zu entfalten, was es – konzeptionell, theologisch, thematisch und methodisch – bedeutet, dass auch Männer in der Seelsorge ein Geschlecht haben. Wir haben uns dabei gefragt, unter welchem Vorzeichen dies geschehen soll. Geht es im Folgenden um Männer in der Seelsorge, um Seelsorge für Männer, um Seelsorge mit Männern, um männersensible Seelsorge oder um dies alles miteinander, schlicht um Männerseelsorge? Gewiss, es wird um Männer in der Seelsorge gehen, in erster Linie um jene Männer, die Seelsorgenden begegnen, zudem um die Frage, inwiefern das Geschlecht auch auf Seite der Seelsorgenden eine Rolle spielt. Die Formulierung „Männer in der Seelsorge“ verbannt Männer aber in eine mehr oder weniger passive Rolle. An ihnen scheint Seelsorge zu geschehen. Das finden wir unzutreffend: Seelsorge ist immer ein lebendiges Geschehen, an dem beide Seiten mitwirken, eben auch die Männer, die Kontakt mit Seelsorgenden haben. Es wird durchaus auch um Seelsorge für Männer gehen: um die Für-Sorge einer seelsorglichen Kirche, die sich mit ihren Seelsorgerinnen und Seelsorgern um die Männer sorgt. Diesen Seelsorgenden und dieser Kirche geht es nicht um sich selbst. Sie ist um der Menschen willen da, eben auch um der Männer willen. Und doch trifft der paternalistische Unterton dieser Formulierung das, was wir möchten, ebenfalls nicht (obschon wir gegen gute Väterlichkeit nichts einzuwenden haben). „Seelsorge mit Männern“ ist hier zutreffender. Es geht nicht nur darum, etwas für sie, sondern mit ihnen zusammen zu tun. Seelsorge verstehen wir als ein kooperatives, koevolutives Geschehen, ein Miteinander auf Augenhöhe, ein gemeinsames Projekt, eine Reise, bei der sich alle auf den Weg machen. Zudem möchten wir eine männersensible Seelsorge entwickeln, die den Männern in ihrer je besonderen Eigenart gerecht wird. Sie greift die Frage nach der Gerechtigkeit in den Geschlechterbeziehungen auf, mit Sensibilität für das, was Männer beschäftigt, und das, was sie manchmal nur schwer an sich heranlassen können, weil es ihnen zu „sensibel“ vorkommt.
Wir haben uns schliesslich für den Titel Männerseelsorge entschieden. Männerseelsorge stellt das Besondere einer solchen Seelsorge kompakt in den Raum. Aber auch hier sind Präzisierungen nötig: Es ist im Folgenden nicht nur an Seelsorge von Männern mit Männern gedacht. Auch von Begegnungen zwischen Seelsorgerinnen und Männern soll gehandelt werden. Zudem haben wir uns gefragt, ob es nicht besser wäre, vom Begriff „Seelsorge“ überhaupt abzusehen. Ist Seelsorge wirklich etwas für Männer? Werden sie nicht bereits mit diesem Begriff kopfscheu gemacht? Muss man sich denn um sie sorgen? Wollen sie überhaupt, dass man sich um sie sorgt? Sind in ihrem Leben nicht Muskeln und Köpfchen wichtiger als das, was mit dem etwas nebulösen Begriff „Seele“ gemeint sein könnte? Was Seelsorge ist, kann jedenfalls in Begegnungen mit Männern nicht einfach vorausgesetzt werden, sondern muss geklärt, ausgehandelt, erdauert und manchmal auch ausgefochten werden. Wir haben uns entschieden, trotzdem von Seelsorge zu sprechen, auch im Blick auf potentielle Leser und Leserinnen dieses Buchs, die gerade durch jenen Begriff angesprochen werden können, der vielen Männern wohl eher suspekt vorkommt. Wir postulieren: Sogar Männer haben eine Seele, auch wenn erst noch zu klären ist, wie sie selber den Zugang zu ihrer Seele finden und wie sie andere daran Anteil nehmen lassen.
Allerdings fassen wir „Männerseelsorge“ etwas weiter. Im Untertitel ist angezeigt, dass es uns um eine männersensible Beratungspraxis in der Kirche geht. Neben eher klassischen Bereichen der Männerseelsorge wie der Gemeinde- oder der Krankenhausseelsorge wird kirchliche Beratungspraxis unter einem weiteren Aspekt zum Thema, nämlich in Form von spezialisierter Paar- und Familienberatung. „Beratung“ ist für Männer möglicherweise auch leichter akzeptierbar. Denn jeder weiss, wie wichtig ein guter Coach im Männerleben sein kann, gerade wenn es hart auf hart geht…
Kasualien sind eine Chance, Männern in den für sie sinnstiftenden, lebenserfüllenden (und manchmal auch belastenden) Beziehungen zu begegnen. Doch ist es keineswegs ausgemacht, dass es zu solchen Begegnungen kommt, wie das Beispiel von Familie A. zeigt. Dass Frau A. telefonisch mit dem Seelsorger Kontakt aufnimmt, ist in diesem Zusammenhang geradezu ein „Klassiker“. Dahinter steckt nicht die bewusste Absicht, den Mann auszuschliessen, das ergibt sich einfach so, genauer: Genderrollen geben das Skript vor, nach dem dieser Einstieg gestaltet wird. Es ist interessant: Hätte die Taufe stattgefunden, als Philipp klein war, wäre der Vater beim Taufgespräch wohl selbstverständlich dabei gewesen. Hier trifft der Seelsorger aber auf eine Famili...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1. Einleitung
  6. 2. Männerseelsorge – Ursprünge und Grundlagen
  7. 3. Annäherungen und Beispiele
  8. 4. Man selbst sein, selbst Mann sein
  9. 5. Methoden in der Seelsorge mit Männern – ein Werkzeugkasten
  10. 6. Männer in der Gemeindeseelsorge
  11. 7. Männer in der Paarberatung
  12. 8. Männer im Krankenhaus und Pflegezentrum
  13. 9. Männer in (totalen) Institutionen – das Beispiel Knast
  14. 10. Fazit und Ausblick
  15. Literaturverzeichnis
  16. Begriffsregister
  17. Bibelstellenregister