Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen
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Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

  1. 190 Seiten
  2. German
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Mythen und Märchen in der psychodynamischen Therapie von Kindern und Jugendlichen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Märchen und Mythen sind narrative Texte, die Urerfahrungen des Menschseins in gelegentlich drastischen Bildern spiegeln. In ihrer Darstellung werden jedoch nicht nur konflikthafte Themen abgebildet, sondern auch Lösungen angeboten, die in ihrer positiven Ausrichtung Hoffnung und Zuversicht wecken können. In der Behandlungstechnik nach C. G. Jung werden Mythen und Märchen in ihrer entwicklungsfördernden Vielschichtigkeit eingesetzt. Zusätzlich unterstützen sie in ihrer Vorbildfunktion einen progressiven Lebensentwurf und aktivieren selbstheilende Kräfte. Das Buch bietet mit zahlreichen Mythen und Märchen sowie ihrer Interpretation einen Einblick in eine Symbolik, die überzeitliche Gültigkeit hat. In dazu passenden Fallbeispielen zeigt sich die hohe therapeutische Wirksamkeit, die Neuorientierung erlaubt.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170301597
Auflage
1

1 Der Begriff des Mythos – Versuch einer Annäherung

Wir brauchen die Mythologie, um die tiefsten Wahrheiten über uns selbst, unsere Ängste, unsere Träume, die Zukunft der Menschheit und der Welt, in der wir leben, erfassen zu können (de Rosa 1991, S. 20).
Wenn wir den Begriff etymologisch fassen wollen, bedeutet er Wort, Sage und Erzählung. Das heißt, den wahren Sachverhalt erzählen. Diese so bezeichneten Erzählungen schließen in sich die Mitteilung über das Tatsächliche und Wesentliche. Darum wurde ihnen in der Antike der Aspekt des Heiligen zugeordnet.
Im Mythos offenbart sich nach antiker Vorstellung das Göttliche als transzendente Gewissheit aber in numinoser Form. Ausgangspunkt ist immer das spontan nicht Wahrnehmbare. In der häufig paradoxen Mitteilung versucht der Mythos gerade das nicht Sichtbare offenbar werden zu lassen. Er trägt in sich die Herausforderung, in die chiffrierte Aussage eine Bedeutung hinein zu legen. Ein bezeichnendes Beispiel dafür sind die Orakelsprüche von Delphi. Im Bemühen, Irrationales über die Ratio sichtbar zu machen, kam es häufig zu Irrwegen und Lösungen, die am Geheimnis des Mythos vorbeigingen und an der Rätselhaftigkeit des Numinosen scheiterten.
Im Griechischen wird der Mythos deutlich vom Logos unterschieden. Dieser bezeichnet das Wort unter dem Aspekt des Richtigen. Der Logos umfasst Gedachtes, er wird bestimmt vom Verstand, ist logisch begründbar, rational zu beweisen. Der Logos braucht immer den Bezug zum anderen, von dem er sich dann als richtig abheben kann.
Der Mythos dagegen übersetzt sich mit dem »wahren Wort«. Im wahren Wort liegt im Bild, in der Anschauung die eigentliche Bedeutung.
Der Gehalt des Mythos ist zeit- und raumlos, letztlich überpersönlich, während der Logos an Zeit und Raum gebunden ist.

1.1 Das Wesen des Mythos

Der Mythos ist eine bildhafte Erzählung, in konkreter, anschaulicher Form. Er trennt nicht das Bild vom Gedanken. Erlebnis, Erfahrung und Reflexion sind ein ungeschiedenes Ganzes. Im Mythos manifestiert sich elementare Wahrheit. Er ist nicht an bestimmte kulturelle Stadien gebunden und ist zu allen Zeiten in seiner Gültigkeit erlebbar. Die Mythen haben letztlich immer einen Bezug zur Transzendenz, zum Göttlichen, das sich in den Geschichten in irgendeiner Weise offenbart. Diese Gesetzmäßigkeiten werden in den antiken Dramen des Aischylos, Sophokles und Euripides verwirklicht. Der Chor hat dabei immer die Funktion, das bildhafte Geschehen zu reflektieren und gleichzeitig die vielschichtigen Emotionen zu spiegeln.
Mythen sind überkommenes Erzählgut in praktisch allen Völkern der Vergangenheit und Gegenwart. Sie spiegeln archaische Gesellschaftsformen, egal ob sie mehr den matriarchalen oder patriarchalen Systemen zuzuordnen sind. Beide Schwerpunkte vertreten eine überindividuelle Perspektive und schließen keine Wertung in sich.
Mythen sind narrative Geschichten. Sie erzählen vom ständigen Bemühen ums Überleben und haben gleichzeitig die Aufgabe, Herausforderungen des lebendigen Lebens in seiner oft wenig spektakulären Alltäglichkeit zu bewältigen. Sie erzählen gleichzeitig aber auch von dramatischen Heldentaten, von der Begegnung mit übermenschlichen Mächten, mit Ungeheuern, Dämonen und Göttern, von Geistern und helfenden Vermittlern.
Ihre Gültigkeit liegt in der Tatsache, dass sie Urerfahrungen der Menschheit in symbolischer Verkleidung widerspiegeln, sie in Worten und Bildern zum Ausdruck bringen. Mythen besitzen die Möglichkeit, Unbegreifliches in bildhafter Sprache auszudrücken.
Damit können Mythen das Dasein erhellen, weil sie Antwort geben auf die existenziellen Fragen des Seins. Sie vermitteln über ihre Wahrheit Geborgenheit, die Sinn in die Lebensgestaltung bringt. Sie zeigen, dass wir mit unseren Wünschen und Ängsten, Gefühlen der Einsamkeit und der Verlassenheit, aber auch der Konfrontation von Gefahren als äußere und innere Konfliktsituationen nicht allein sind. In ihrer Zeitlosigkeit geben sie in allen Lebensaltern Orientierung und eröffnen letztlich Wege zum Heil im Sinne einer inneren Ganzheit.

1.2 Gehalt und Inhalt der Mythen

Mythen behandeln Urthemen:
• In den Theogonien werden Geburt und Schicksale der Götter behandelt. Es geht um die Polarität von natürlichen und übernatürlichen Kräften, Leben und Tod, Leib und Seele, Gut und Böse.
• In den Kosmogonien geht es um die Entstehung der Welt, um den Werdeprozess in Gestaltung und Entwicklung, von der Polarität von Diesseits und Jenseits, Himmel und Hölle.
• Die Soteriologien umfassen die Themen von Erlösung, von Heilbringern und Rettern, Heiligen und Sündern, Glück und Unglück, Seligkeit und Verdammnis.
• In der Eschatologie geht es um Endzeitstimmung, Untergang und Ende der Zeit, aber auch den Beginn einer zeitlosen Ewigkeit.
In früheren Zeiten lebten die Menschen noch ganz im mythischen Denken. Die Präsenz der Götter war wahrhaftig. Sie waren beim Opfer anwesend, das Erleben der Transzendenz war leibhaftig. Das Ende des mythischen Zeitalters wird etwa um das 8. vorchristliche Jahrhundert datiert. Mit dem Aufschreiben der Geschichte durch Homer löste der Logos den Mythos ab, ohne ihn in seiner Bedeutung schmälern zu können. Die Nähe zum Transzendenten war durch die »Menschlichkeit« der antiken Gottheiten weiter präsent.
Der Mythos spricht weiterhin in erster Linie Gemüt und Empfindung an. Er ist irrational, polar, unkausal. Der Logos, bestimmt vom Denken, entwickelt Theorien und Systeme. Der Mythos beschreibt Phänomene. In ihm wird man des Hellen und des Dunklen ansichtig ohne eine primäre Bewertung. C. G. Jung beschreibt Mythen als den Mutterboden aller Träume und Jan Gebser sieht in den Mythen »wortgewordene Kollektivträume der Völker« (Gottschalk 1973, S. 20 und 21)
Mythen erklären die Geheimnisse des Lebens in einer symbolisch zu verstehenden Bildersprache. Es sind polare Themen und Perspektiven, die jedoch nicht kausal erklärt werden. Sie werden vielmehr wie Bilder dem Hörenden präsentiert und werden so verständlich und wirksam. Man könnte in einer Parallele die Erschaffung Adams in der Sixtinischen Kapelle durch Michelangelo heranziehen. Das Bild drückt die Wahrheit der ersehnten und vertrauensvoll erwarteten Bindung aus, mehr als es jedes Wort vermag. Ebenso verdeutlichen Mythen die Geheimnisse von Beziehungen in ihrer Ambivalenz und Sehnsucht. In gleicher Weise ist Geburt, Wachsen und Werden Thema und auf der anderen Seite Abschied, Trennung und Tod.
Bereits Plato bediente sich der mythologischen Bildersprache, um philosophische Weisheiten erlebbar zu machen (Höhlengleichnis), und auch Jesus sprach in Gleichnissen von der Komplexität der Welt und in ihr gelebten Beziehungen, die gerade darum uns, ebenso wie die Menschen vor 2000 Jahren, ansprechen. In der hinduistischen Medizin verordneten die Ärzte ihren Patienten bei seelischen Schwierigkeiten gleichnishafte Geschichten, über die sie meditieren sollten.
Unser westliches Denken versucht häufig die Wirksamkeit der bildhaften Gestaltung im Mythos kausal zu erklären, wodurch der Blick auf mögliche Problemlösungen verstellt wird.

1.3 Wirksamkeit der Mythen

Mythen können als Abbilder des Menschlichen Erlebens Widersprüchliches in der eigenen Wesenheit verständlich machen. Beziehungsdramen in der Eltern-Kind-Interaktion ebenso wie in der Paardynamik werden über eine emotionale Parallelsetzung entschärft und entlasten dadurch. Sie können damit Ängste relativieren und von Schuldgefühlen entlasten. Im Mythos zeichnen sich häufig Entsprechungen hinsichtlich der Entwicklung eines Kindes ab. Dadurch wird seitens der Eltern Verständnis möglich. Mythen bieten, wenn auch gelegentlich in verschlüsselter Form, Lösungsimpulse an, die Erziehungsschwierigkeiten relativieren. Dadurch kann sich wachsende Sicherheit einstellen, die zunehmend Geborgenheit im Menschlich-Allzumenschlichen verspricht.
Mythen zeigen in ihren farbigen Bildern, dass Eltern wie Kinder ihren vielschichtigen und oft ambivalenten Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert sein müssen. Sie signalisieren Herausforderungen, aber auch Aufgaben, die aktiv in Angriff genommen werden wollen.
Dunkel und Licht, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Zuversicht sind die archetypischen Pole zwischen denen sich das Leben im Mythos einst und in der Realität heute vollzieht.
Mythen zeichnen polare Spannungen nach. Diese können sich gegenseitig bedingen, sich ergänzen, aber sich auch ausschließen in den irrationalen Prinzipien von Raum und Zeit.
Sie setzen sich auf der Objektebene mit den Bedingungen der Natur auseinander, unterstreichen ihre Kräfte und die partielle Unterlegenheit des Menschen hinsichtlich der Naturgewalten (z. B. Meer und Winde, Dürre und Wüste, Sonne, Mond und Sternenmächte).
Sie drücken auf der Subjektebene gleichzeitig seelische Zustände und unbewusste Triebvorgänge aus. Diese Ebenen fließen immer wieder ineinander: Götter werden zu Menschen und verbinden sich mit ihnen. Auserwählte Helden und Heldinnen steigen ins Elysium auf, verlieren ihre menschliche Begrenztheit und gehören zu den Erleuchteten. Auf der anderen Seite können auch die Personen göttlicher Abstammung abstürzen und zu ewigen Strafen aufgrund ihrer Anmaßung verurteilt werden. Götter sind zwar allwissend, werden aber trotzdem betrogen.
Beginn und Endzeit verknüpfen sich. Das Wissen um ein Ende wird immer schon am Anfang transparent. Beide Aspekte werden lebendig in einer oft dramatischer Gegenwart, in der die unterschiedlichsten polaren Prinzipien zu einer irrationalen Gemeinsamkeit finden.

1.4 Funktion des Mythos

• Mythen wollen über die Welt in ihrem Ursprung und Wesen aufklären
• Sie geben Hinweise über die Stellung, die Aufgaben und Herausforderungen, die das Leben an den Menschen stellt.
• Hierbei wird der Mensch sowohl in seiner Individualität als auch als kollektives Wesen angesprochen.
• Mythen beschäftigen sich mit den polaren Spannungsverhältnissen in der Welt, die sich einer rationalen Erklärung verschließen.
• Über eine emotionale »kindliche« Annäherung erschließt sich die Sinnhaftigkeit des Mythos.
• Mythen sind unter diesem Aspekt in der Lage, Lebens- und Todesangst zu verringern und analog Zuversicht und Vertrauen in die positiven Schicksalsmächte zu fördern.
• Mythen sind aktive Helfer in der Lebensbewältigung, indem sie verschiedene Verhaltens- und Reaktionsmuster skizzieren. Damit erlauben sie dem Menschen in seinem Handeln Flexibilität und Variabilität.
• Mythen verfügen über eine Psycho-Logik. Damit unterstützen sie den Prozess von Einsicht und Erkenntnis in die individuelle und kollektive Rätselhaftigkeit des Menschseins.
• Mythen sind beglaubigte Erzählungen über Wirklichkeiten. Dadurch erschließt sich metaphysisch die Realität in Tiefe und Wahrheit.
• Die mythische Er...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. 1 Der Begriff des Mythos – Versuch einer Annäherung
  7. 2 Die Mythen der Welt
  8. 3 Die Bedeutung der Märchen in der psychodynamischen Psychotherapie von Kindern und Jugendlichen
  9. 4 Mythen und Märchen in ihrem entwicklungsfördernden Gehalt – der Bezug zur Praxis
  10. 5 Nachwort
  11. Literaturverzeichnis
  12. Stichwortverzeichnis