Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter
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Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter

Sozialwissenschaftliche und psychologische Befunde

  1. 140 Seiten
  2. German
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Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter

Sozialwissenschaftliche und psychologische Befunde

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die zunehmende Individualisierung wird voraussichtlich zu einem deutlichen Anstieg von Singles im mittleren und höheren Lebensalter führen. Das Buch, dem eine von der Bertelsmann Stiftung geförderte Forschungsarbeit zugrundeliegt, bietet einen Überblick zu definitorischen und quantitativen Aspekten, zur sozialen Einbindung, zu Persönlichkeit und Werten, zu Gesundheit, zu Zukunftsperspektiven und zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Singles in der zweiten Lebenshälfte.

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Information

Jahr
2008
ISBN
9783170280960

1 Wie wird die Single-Thematik öffentlich-medial, gesellschaftlich und wissenschaftlich behandelt? – Eine Einführung

1.1 Singles in der öffentlich-medialen Diskussion

Alleinlebende oder Singles, wie diese häufig in der öffentlichen bzw. medialen Diskussion bezeichnet werden, gelten als Repräsentanten eines modernen und bisweilen prototypischen Lebensentwurfs, als „Seismograph für die gegenwärtige und anstehende Situation moderner Menschen überhaupt“ (Hradil, 1998, S. 9). Singles wird vor allem in den Medien häufig ein hedonistischer Lebensstil unterstellt, der beruflichen Erfolg, materielle Großzügigkeit und sexuelle Freizügigkeit miteinander verbindet. Zudem wird Singles ein ausgeprägtes Konsumverhalten zugeschrieben; einige Beobachter gehen geradezu von einem Konsumtrip aus, auf dem sich Singles befänden (Opaschowski, 1994).
In der jüngeren Vergangenheit ist die Wahrnehmung von Singles jedoch immer häufiger mit negativen Konnotationen verbunden, da sie in deutlichem Kontrast zur Lebensaufgabe „Familie“ und gesamtgesellschaftlich notwendigen Anforderung „Generativität“ gesehen werden. Vor einem solchen Hintergrund gelten Singles mithin als deutlichster Ausdruck der These vom „Zerfall der Familie“. Im Rahmen der Diskussion über die Generationensolidarität und der weiteren Finanzierung der sozialen Sicherung wird auch häufig angemerkt, dass Kinderlose und Singles (häufig erfolgt eine automatische Gleichsetzung) unsolidarisch und egoistisch seien, da sie das Gebot der Subsidiarität verletzten.
Darüber hinaus werden Singles häufig mit Prozessen der Individualisierung und Modernisierung in Verbindung gebracht, auch wenn dabei häufig unklar bleibt, was etwa unter Individualisierung verstanden wird. Singles gelten dabei als besonders individualisiert und in besonderem Ausmaß den Chancen, aber auch den Risiken von Modernisierung und Individualisierung ausgesetzt. Die Prognosen, die aus solchen Einschätzungen für eine zukünftige Gesellschaft gezogen werden, sind nicht selten sehr pessimistisch, so etwa bei Opaschowski, der von einem drohenden „Zeitalter des Narzißmus“ ausgeht (Opaschowski, 1994, S. 30), oder in Schirrmachers (2006) Buch „Minimum“.

1.2 Singles im Licht sozialer Bindungen und gesellschaftlicher Solidarität

Die Betrachtung von Singles aus der Perspektive von Individualisierung und Modernisierung macht deutlich, dass den individuellen sozialen Beziehungen ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Zugleich zeigt sich, dass Lebensformen und Lebenslagen mit eher traditionellen Konzepten wie Familie oder Haushalt sozial wissenschaftlich kaum noch ausreichend beschrieben werden können. Damit kommt den sozialen Beziehungen einer Person im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Sozialstrukturanalyse ein immer größerer Stellenwert zu – dies gilt in besonderem Maße für Singles und Alleinlebende (Neyer, 1999). Individualisierung beinhaltet neben der Freisetzung aus gesellschaftlichen Strukturen und Beziehungen zugleich die Notwendigkeit, soziale Netzwerke eigenverantwortlich herzustellen. Insbesondere die Gerontologie weist auf die Relevanz sozialer Beziehungen im höheren Erwachsenenalter hin, die zum einen in einer Art von Hilfefunktion in der Bewältigung altersbedingter Einschränkungen liegt und zum anderen in ihrer Bedeutung für das subjektive Wohlbefinden. Gerade Singles wird aber häufig unterstellt, dass ihre Lebensweise zur Entsolidarisierung führe, vor allem im höheren Erwachsenenalter, wenn nicht auf einen Partner, eine Partnerin oder die eigenen Kinder zurückgegriffen werden kann (Dannenbeck, 1995, S. 127f.). Es gibt aber auch optimistische Prognosen, die nicht von zwangsläufig abnehmender Solidarität ausgehen, sondern mögliche neue Formen der Solidarität sehen, die zukünftig neben den klassischen Konstellationen zwischen Partnern bzw. Eltern und ihren Kindern an Bedeutung gewinnen werden (Mayer et al., 1992, S. 752f.; Backes, 1998).

1.3 Singles und ihre soziale Sicherung

Unklar ist bislang, ob und in welchem Umfang die wachsende Zahl von Singles zukünftig zu spezifischen sozialpolitischen Problemlagen und Handlungsbedarfen führen wird. So werden im Bereich der ambulanten bzw. häuslichen Versorgung Unterstützungsleistungen bei gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen oder Pflegebedürftigkeit von nahestehenden Personen geleistet, vor allem von Partnern und Kindern. Auch im Fall einer schweren Pflegebedürftigkeit stellen diese Familienmitglieder wichtige Ressourcen dar, etwa bei der Aufrechterhaltung des Haus haltes oder im Rahmen einer Rund-um-die-Uhr-Pflege. Sollte ein stationärer Aufenthalt notwendig sein, sind finanzielle Ressourcen seitens der nächsten Familienangehörigen ein wichtiger Beitrag zur Deckung der Kosten.
Die sozialen Netzwerke von alternden Singles geraten vor diesem Hintergrund in den Mittelpunkt des Interesses: Einerseits ist denkbar, dass Singles zukünftig über eher prekäre soziale Netze verfügen, gekennzeichnet durch ein geringes Potential verfügbarer Unterstützungsleistungen, da Partner und ggf. Kinder nicht vorhanden sind (Backes, 1998). In der Konsequenz bedeute dies aufgrund der zunehmenden Bedeutung ambulanter Hilfe- und Pflegeleistungen steigende Kosten für Versorgung und Pflege von Singles. Zugleich können ambulante Dienstleistungen Unterstützungen aus dem nächsten sozialen Umfeld nicht in jedem Fall substituieren, was zu verstärkten Heimeinzügen und nochmaliger Kostensteigerung führen würde. Denkbar ist auf der anderen Seite aber auch, dass Alleinlebende über soziale Netzwerke verfügen, in denen fehlende familiale Ressourcen kompensiert werden können (Mayer et al., 1992). In diesem Sinne könnte dann alt gewordenen Singles in der Zukunft gar eine Vorreiter- und Modellfunktion zukommen, indem sie in besonders eindrucksvoller Weise eine neue Kultur des Helfens und Pflegens durch informelle Hilfe- und Unterstützungs netzwerke schaffen könnten.

1.4 Singles im Spiegel von offizieller Berichterstattung und von Seniorenverbänden

Im ersten Altenbericht (BMFSFJ, 1993) wird an insgesamt 20 Stellen auf Aspekte von grundsätzlicher Bedeutung für die Thematik „Alternde Singles“ eingegangen. Thematisch werden schwerpunktmäßig bearbeitet: veränderte Familien- und Haushaltsstrukturen/Trend zu Einpersonenhaushalten und zu Singularisierung, Einkommensunterschiede nach Familienstand (einschließlich Armut), Wohn anforderungen und -bedürfnisse in Bezug auf Alleinstehende, soziale Heraus forderungen des Alterns (wie Einsamkeit und Isolation). Im zweiten Altenbericht (BMFSFJ, 1998), der der Thematik „Wohnen im Alter“ gewidmet ist, finden sich an insgesamt 39 Stellen Bezüge zur Single-Thematik. Auffallend ist hier, dass explizite Bezüge zwischen Fragen des Wohnens im Alter und dem (zunehmenden) Altern als Single hergestellt und behandelt werden. Insbesondere im Kapitel „Lebenssituation und Wohnversorgung älterer Menschen“ (BMFSFJ, 1998, S. 68ff.) wird in zahlreichen Statistiken auch zwischen alleinlebenden Personen, die ledig sind, und Allein lebenden, die nicht mehr ledig sind, differenziert (BMFSFJ, 1998, Übersicht III/8: Private Lebensformen der Bevölkerung im Alter von 18 und mehr Jahren nach Alter, 1972 und 1994, S. 73). Im dritten Altenbericht (BMFSFJ, 2001) finden sich demgegenüber relativ wenig ausführliche Bezüge zur Single-Thematik (insgesamt zehn Fundstellen). Neben Begriffen wie Einpersonenhaushalte, Alleinlebende und „partnerlos alternde Menschen“ (BMFSFJ, 2001, S. 218) geht es insbesondere im Zusammenhang mit der zukünftigen Entwicklung familialer Strukturen auch um „Single-Haushalte“ (BMFSFJ, 2001, S. 230). Der vierte Altenbericht (BMFSFJ, 2002) beschäftigt sich in besonderer Weise mit „Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger unter besonderer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen“. An 23 Stellen wird auf Fragen eingegangen, die zumindest grundsätzlich für die Single-Thematik bedeutsam sind. Spezielle Würdigung finden die folgenden Themen (BMFSFJ, 2002, S. 123–133):
  • Familienstand Hochaltriger: Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen und der Tatsache, dass Frauen oft ältere Männer heiraten, haben Frauen ein deutlich höheres Verwitwungsrisiko als Männer.
  • Verwitwung: In vielen Fällen hat der Verlust des Partners negative gesundheitliche Folgen. Den meisten Betroffenen gelingt es jedoch, schwerwiegende langfristige Gesundheitsbeeinträchtigungen zu vermeiden.
  • Kontaktsuche und neue Partnerschaften: Hinsichtlich der Kontaktsuche und neuen Partnerschaften zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede. Während 65 Prozent der Männer der Jahrgänge 1911 bis 1922 nach Verwitwung wieder eine Partnerin fanden, heirateten nur 36 Prozent der Frauen dieser Jahrgänge erneut.
  • Isolation und Einsamkeit im hohen Alter: Zu den Risikofaktoren von Isolation und Einsamkeit gehören u. a. Alleinleben, der Tod des Lebenspartners, Kinderlosigkeit, Gesundheits- und Mobilitätseinschränkungen und das Wohnen im Heim.
Der neueste Bericht zur Lage der älteren Generation (BMFSFJ, 2006a) setzt sich vor allem mit den Potentialen des Alterns heute auseinander. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch alternde Singles als zukünftiges Potential der Gesellschaft, etwa wenn es um bürgerschaftliches Engagement und ehrenamtliche Betätigungsfelder geht.
In den bisherigen Familienberichten der Bundesregierung werden zwar Fragen des Alleinlebens und Single-Daseins immer wieder behandelt, jedoch bislang nie in fokussierter Weise. So wird beispielsweise im vierten Familienbericht (BMFSFJ, 1986) an 15 Stellen auf Aspekte von grundsätzlicher Bedeutung für die Single-Thematik eingegangen. Die jeweiligen Abhandlungen sind knapp und an den Begriffen „Alleinlebende“ und „Einpersonenhaushalte“ orientiert. Thematisch erfolgt an mehreren Stellen eine grundsätzliche Würdigung der Situation des Alleinlebens (z. B. BMFSFJ, 1986, S. VI, S. XIII) sowie die Untersuchung von Einkommensunterschieden. Im fünften Familienbericht (BMFSFJ, 1995) wird nur an wenigen Stellen (nach Zählung der Autoren an insgesamt sechs Stellen) auf Single-bezogene Themen eingegangen, wobei nur an einer Stelle explizit der Begriff „Single“ auftaucht (BMFSFJ, 1995, S. 113). Allerdings geht es dabei eher darum, dass sich auch Familien u. U. in verschiedene Formen des Single-Daseins aufspalten können. Im sechsten Familienbericht (BMFSFJ, 2000) finden sich beispielsweise an 18 Stellen Aussagen von potentieller Bedeutung für die Single-Thematik. Insgesamt stehen in diesem Bericht allerdings die Alleinerziehenden stark im Mittelpunkt des Interesses. Der siebte Familienbericht (BMFSFJ, 2006b) konzentriert sich auf Flexibilität und Verlässlichkeit der Familie und zeigt insofern an der Lebensform Single kein großes Interesse.
Schließlich seien an dieser Stelle noch einige Eindrücke von Internetauftritten erwähnt, wohlwissend, dass sich diese auch sehr schnell verändern können. Auf der Homepage der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO; Stand: Mitte 2006) finden sich erfreulicherweise eine Reihe von Hinweisen und Materialien in Bezug auf alternde Singles. Dabei spielen nicht nur Begriffe wie Einpersonenhaushalt, Alleinleben, Verwitwung oder alleinerziehend eine Rolle; an vielen Stellen taucht vielmehr auch explizit der Begriff „Single“ auf und zwar auch vielfach mit positiven Konnotationen. So gibt es beispielsweise Informationen zu einem auf dem sechsten Deutschen Seniorentag stattgefundenen Symposium „Älterwerden als Single“. Weitere Themenstellungen, zu denen sich Materialien, Informationen und Angebote finden, beziehen sich auf Reisen, Ehrenamt, Betreuungsaspekte in Bezug auf Hilfe- und Pflegebedürftige und Wohnfragen.
Auch die Homepage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ; Stand: Mitte 2006) enthält relativ viele Hinweise in Bezug auf alternde Singles. Die angesprochenen Themen beziehen sich auf Fragen des Zeithaushalts und diesbezügliche Geschlechtsunterschiede, Aspekte der Übersied lung ins Heim und des Wohnens generell, auf Implikationen für Hilfe- und Pflegeleistungen, Aspekte haushaltsnaher Dienstleistungen und Differenzierungen nach alleinlebend – nicht alleinlebend, alleinstehende Frauen, auf Deutschland, das sich nicht auf dem Weg zur „Single-Gesellschaft“ befindet, auf das Alleinleben als Risikofaktor für Suizid sowie auf Hinweise für den Umgang mit Rentenfragen und diesbezügliche Differenzierungen nach Familienstand.
Ähnlich wie der Internetauftritt der BAGSO enthält auch der Auftritt der American Association of Retired Persons (AARP; Stand: Mitte 2006), der größten Seniorenorganisation der Welt mit weit über 30 Millionen Mitgliedern, viele positiv formulierte Bezüge zur Single-Thematik. Auf fallend ist hier insbesondere eine gewisse Selbstverständlichkeit im Umgang mit der Thematik der alternden Singles. Erwähnenswert ist zudem eine im Auftrag der AARP erstellte Studie „Lifestyles, Dating and Romance: A Study of Midlife Singles“, zu der Informationen über die Homepage der AARP bezogen werden können.

1.5 Singles als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung

Auch im Rahmen wissenschaftlicher Betrachtungen werden Singles häufig vor dem Hintergrund von Individualisierung, Pluralisierung der Lebensformen und Modernisierung der Gesellschaft(en) betrachtet. Singles gelten als im Zuge der Modernisierung neu entstandene und hoch individualisierte Personengruppe, deren Frei setzung aus „traditionalen Vorgaben und Sicherheiten“ (Beck & Beck-Gernsheim, 1990, S. 12) besonders weit vorangeschritten sei. Singles werden als „Speerspitze“ von Wertewandel (Hradil, 1995a, S. 55) und „Individualisierung“ (Hradil, 1998, S. 15) betrachtet, als prototypische Lebensform, „weil sie Individualisierungsbewegungen bzw. -bestrebungen anzeigen, die sich an anderer Stelle der Gesellschaft, zum Beispiel in ‚ganz normalen‘ Familien, oft noch im Verborgenen erst andeuten“ (Hradil, 1998, S. 15).
Entlang einer interdisziplinären Betrachtung sind zwei Perspektiven erkennbar: Aus der soziologischen Perspektive bedeutet Individualisierung „... erstens die Auflösung und zweitens die Ablösung industriegesellschaftlicher Lebensformen durch andere, in denen die einzelnen ihre Biographie selbst herstellen, inszenieren, zusammenschustern müssen, und zwar ohne die einige basale Fraglosigkeiten sichernden, stabilen sozial-moralischen Milieus, die es durch die gesamte Industrie moderne hindurch immer noch gibt“ (Beck & Beck-Gernsheim, 1993, S. 179). Folgen sind u. a. eine „zunehmende Bindungslosigkeit“ (Beck-Gernsheim, 1994, S. 131). Singles geraten so zur „Grundfigur der durchgesetzten Moderne“ (Beck, 1990, S. 190). Allerdings werden der Individualisierungstheorie häufig begriffliche Unschärfen und fehlende empirische Evidenz vorgeworfen: So besteht beispielsweise keine Einigkeit darüber, welche Aspekte der Lebenslage Singles zu besonders individualisierten Personen machen. Auch besteht keine Einigkeit über die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung: Diskutiert wird u. a., ob Singles tatsächlich zur dominanten Lebensform werden, ob es Unterschiede im Ausmaß der Pluralisierung in Abhängigkeit von der Milieuzugehörigkeit geben wird, ob es zu einer fortschreitenden Polarität bzw. Differenzierung zwischen familialen und nicht-familialen Lebensformen mit der individualistischen Variante „Singles“ kommen wird oder sich eher eine Trennung von Paarbeziehung und Eltern-Kind-Beziehung herausbildet.
Die psychologische Perspektive beschäftigt sich demgegenüber mit den Beziehungen zwischen Persönlichkeitsaspekten auf der einen Seite und verschiedenen Lebensformenund der Ausgestaltung ihrer sozialen Beziehungen auf der anderen Seite. Deutlicher als in der soziologischen Beschäftigung mit Singles standen in der bisherigen psychologischen Forschung (wie insbesondere in Kapitel 4 gezeigt werden soll) aber eher Partnerschaften im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. In der jüngsten Vergangenheit hat sich aber auch die einschlägige psychologische Forschung der Frage nach Unterschieden zwischen Singles und Nicht-Singles zugewandt. In den Mittelpunkt des Forschungsinteresses rücken Fragen wie jene, welche Personen welche Beziehungen haben, wer einen Partner hat und wer nicht oder wer zu wem passt (etwa bei Küpper, 2003). Dabei wurden beispielsweise Merkmale wie Persönlichkeitseigenschaften oder Bindungsstile, die für das Eingehen und den Erhalt einer Partnerschaft von besonderer Bedeutung sein können, herausgearbeitet und empirisch untersucht.
Hier wird die These vertreten, dass eine wissenschaftliche Erörterung der Lebenssituation von Singles im mittleren und höheren Erwachsenenalter unabdingbar der komplementären Sichtweise der Soziologie und der Psychologie bedarf. Die soziologische Perspektive ist nicht zuletzt schon deswegen bedeutsam, weil nur sie in der Lage ist, die Entwicklung der Lebensform „Single“, und nun zunehmend auch der Alternsform Single, mit gesellschaftlichen Veränderungsprozessen, speziell Individualisierungstendenzen, in Verbindung zu bringen und damit besser als Phänomen der gesellschaftlichen Moderne zu verstehen. Dies erscheint auch gerontologisch wichtig, denn hier besteht bis heute eine Tendenz, zu sehr das chronologische Alter als treibende Kraft von lebenslaufbezogenen Veränderungen anzusehen und dabei die Rolle von gesellschaftlichen Faktoren für „moderne“ Alternsformen zu unterschätzen. Schließlich ist auch die Psychologie gefragt, denn gesellschaftliche Kräfte werden stets auf der individuellen Ebene moderiert durch biographische Werdegänge, Persönlichkeitseigenschaften, wie etwa Extraversion oder Neurotizismus.
Doch bevor die entsprechenden Forschungsbefunde primär aus diesen beiden Perspektiven zusammengetragen werden, soll in den beiden folgenden Kapiteln zweierlei gefragt werden:
  1. Wie soll der Status Singles überhaupt definiert werden? Dies ist bislang alles andere als einheitlich erfolgt, und es soll versucht werden, etwas Ordnung in das Dickicht der vorgelegten Definitionen zu bringen.
  2. Wie sieht es mit der quantitativen Entwi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. 1 Wie wird die Single-Thematik öffentlich-medial, gesellschaftlich und wissenschaftlich behandelt? – Eine Einführung
  7. 2 Wer ist Single? – Auf der Suche nach einer verbindlichen Definition
  8. 3 Wie viele Singles gibt es? – Verschiedene Perspektiven und Prognosen zur weiteren Entwicklung
  9. 4 Wie sieht die Lebenssituation von Singles aus? – Befunde der empirischen Forschungsliteratur
  10. 5 Welche Forschungslücken lassen sich schließen? – Befunde eigener Analysen und Untersuchungen
  11. 6 Welcher Forschungs- und Handlungsbedarf ergibt sich? – Einige abschließende Betrachtungen
  12. Literatur
  13. Stichwortverzeichnis