Kindesmisshandlung
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Kindesmisshandlung

Psychische und körperliche Folgen im Erwachsenenalter

  1. 432 Seiten
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Kindesmisshandlung

Psychische und körperliche Folgen im Erwachsenenalter

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Neben Grundlagen zur Epidemiologie, Diagnostik und Psychobiologie behandelt das Buch die zentrale Rolle von Kindesmisshandlung in der Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung vielfältiger psychischer, aber auch körperlicher Erkrankungen. Zudem werden Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere spezifische neuere Therapieansätze, praxisnah von Experten vorgestellt. Auch besondere Aspekte wie die Selbststigmatisierung der Opfer, die Relevanz dieses Themas im hohen Lebensalter und forensische Implikationen kommen zur Darstellung.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783170275089

Teil C: Behandlungsverfahren und Techniken

1 Psychoanalytische Traumatherapie

Mathias Hirsch
»Psychotherapie geschieht dort, wo zwei Bereiche des Spielens
sich überschneiden: der des
Patienten und der des Therapeuten. Psychotherapie hat mit zwei Menschen zu tun,
die miteinander spielen.«
(Winnicott 1971, S. 49)
Kapitelübersicht
1 Einleitung
2 Symbolisierung
3 »Sympathie«
4 Holding
5 Containing
6 Das Trauma in der Übertragung
7 Methodisches Vorgehen

1 Einleitung

Für die Konzepte des therapeutischen Vorgehens in der Therapie Traumatisierter halte ich es für unbedingt notwendig, zwischen chronischen familiären Traumatisierungen (»komplexe Traumatisierung«), die eher zu Persönlichkeitsstörungen führen, und akuten, einmaligen Extremtraumatisierungen jeden Lebensalters, die eher zu Posttraumatischen Belastungsstörung (engl. Posttraumatic Stress Disorder, PTSD) führen, zu unterscheiden. Auf die Notwendigkeit dieser Differenzierung weist auch Kernberg (1999b; 2000) hin. Denn die »komplexe« Traumaform findet in langjährigen, für das Kind lebensnotwendigen Beziehungen statt, so dass die traumatische Einwirkung nicht von den pathogenen Beziehungen und Strukturen der Familie getrennt werden kann. Ganz anders bei Extremtraumatisierungen im Erwachsenenalter, die nur insofern Beziehungstraumata sind, als dem Täter, dem Folterer z.B., in der traumatischen Regression vom Opfer, das sich als lebensunfähiges Kind erlebt, in einer Art Übertragung Qualitäten von übergroßer elterlicher, paradoxerweise gar rettender Macht verliehen werden. Insofern halte ich es für ebenso einfach wie zwingend, dass die heute propagierten Techniken der Traumatherapie eher für extremtraumatisierte Erwachsene geeignet sind, während die Folgen langjähriger chronischer Beziehungstraumata eben im Prinzip nur durch eine langjährige Beziehungstherapie, insbesondere eine modifizierte psychoanalytische Therapie wirklich an der Wurzel zu packen sind. Die wichtige Aufgabe ist, eine sorgfältige Indikation zu erstellen, für welchen Patienten welche Behandlungsform optimal ist.

2 Symbolisierung

Die Fähigkeit zur Symbolbildung hat einen zentralen Stellenwert für die menschliche Entwicklung; man kann sagen, dass die Fähigkeit zur Trennung und die Fähigkeit, sich selbst und die Objekte, zu denen man in Beziehung tritt, als getrennt zu erleben, mit der Fähigkeit zur Symbolbildung korrespondiert. Inzwischen denke ich, dass Symbolbildung, Grenzbildung und die Fähigkeit des Ausdrucks von Affekten eng miteinander verknüpft sind. Voraussetzung für die Fähigkeit zur Symbolbildung ist die Anwesenheit einer adäquaten Mutter und ihrer Symbolisierungsfähigkeit, die diese Aufgabe erst einmal für das Kind übernimmt, bevor es sie durch Internalisierung nach und nach selbst übernehmen kann. Das Trauma zerstört die Symbolisierungsfähigkeit, es erzeugt nicht nur »Sprachverwirrung« (Ferenczi 1933), sondern auch Sprachlosigkeit. Ferenczi formulierte es so: »In Momenten des Traumas verschwindet die Objektwelt ganz oder teilweise. Alles wird objektlose Sensation.« (Fragmente und Notizen IV, S. 271) Wo die Symbolisierung, die Sprache fehlt, muss konkretisiert agiert werden; das traumatische Gedächtnis führt unbeeinflusst von den Ich-Funktionen der Realitätskontrolle und der sozialen Regulierung, auch der Über-Ich-Funktionen, zum habituellen oder impulsartigen destruktiven Agieren. Freud (1914, S. 129f.) meinte bereits: Der Patient »reproduziert« das Trauma »nicht als Erinnerung, sondern als Tat; er wiederholt es, ohne natürlich zu wissen, dass er es wiederholt [...] man versteht endlich [...], dies ist seine Art des Erinnerns.«
Ein Prinzip der Therapie von Traumatisierten liegt in der Förderung bzw. Wiederherstellung der Symbolisierungsfähigkeit und damit einhergehend der Förderung der Entwicklung von Ich-Strukturen, die sich an der Grenze zwischen getrennten Objekten bilden. Weil aber die Sprache dabei zuwenig verstanden wird, muss erst einmal auch der Therapeut in gewissem Sinne mitagieren.

3 »Sympathie«

Es ist die Forderung erhoben worden, dem persönlichkeitsgestörten Patienten mit Sympathie entgegenzutreten (Eckert et al. 2000) – aber wie soll der authentische Therapeut sie haben, wenn sie sich nicht entwickeln will? Die Forderung hängt vielleicht mit dem Titel des »Klinischen Tagebuchs« Ferenczis (1985) »Ohne Sympathie keine Heilung« zusammen, aber man kann sie ja nicht einfach erfüllen, denn die einen oder anderen Persönlichkeitsanteile können schon recht unangenehm sein. Andererseits ist die Forderung berechtigt, man solle wenigstens Teile des Patienten annehmen können; sozusagen das traumatisierte Kind in ihm. Ein grenzenloses Annehmen, ein völliges »Mitleid« wird ebenso künstlich wie unangebracht sein. Es ist sicher berechtigt, mit Kernberg (1999, S. 13) »Sympathie« oder gar »Mitleid« durch »Interesse und objektive Besorgnis« zu ersetzen, die der Therapeut nicht verlieren dürfe.

4 Holding

Winnicotts (1960) Begriff bezeichnet eine mütterlich haltende Umgebung, in der die kindliche Entwicklung sozusagen vorbehaltlos gefördert wird. Holding beruht auf der Identifikation der Mutter mit dem Kind, des Therapeuten mit dem Patienten. Ähnlich spricht Amati (1990, S. 731) für die Therapie von Extremtraumatisierten, z.B. Folteropfern, von der »Unschuldsvermutung», mit der der Patient unvoreingenommen akzeptiert werden müsse. Besonders in einer ersten Phase der Therapie ist eine solche Akzeptanz notwendig, damit eine tragfähige Beziehung entstehen kann, denn diese Patienten sind gezwungen, Beziehungen ständig zu kontrollieren (Volkan und Ast 1992, S. 107), Nähe abzuwehren, Affekte zu verleugnen und abzuspalten, sie projektiv in der Außenwelt zu sehen. Die Angst und die Scham, in ihrem Wesen erkannt zu werden (Ehrenberg 1992, S. 188), wenn eine größere Nähe entsteht, spielt hier mit hinein. Deshalb sind Deutungen, insbesondere Übertragungsdeutungen, anfangs zu vermeiden, weil sie als Intrusionen erlebt würden, ebenso Konfrontationen, auch mit den destruktiven, selbstschädigenden Verhaltensweisen, solange sie nicht ein extremes Ausmaß annehmen. So hat Sellschopp (1999) in diesem Sinne formuliert: Bei der Traumatherapie gehe »Beziehung vor Deutung«.
Das Holding bedeutet also in der Anfangsphase ein unterstützendes Begleiten und vorwiegendes Bestätigen der Auffassungen und Wahrnehmungen des Patienten seiner Selbst und seiner Umwelt in Vergangenheit und Gegenwart. Gegensätzliche Auffassungen, die der Patient noch nicht tolerieren kann, insbesondere Übertragungsdeutungen, die ja dem Patienten die Ursache, die »Schuld« am Beziehungsgeschehen geben würden, werden zu leicht als Grenzschwächung oder gar -verletzung erlebt. Dazu gehört auch, die vom Patienten bereits berichtete traumatische Realität bestätigend zu benennen, auch Spaltung der Objektrepräsentanzen in »nur gut« und »nur böse« stehen zu lassen und nicht zu relativieren.

5 Containing

Bion (1962) hat für die frühe Mutter-Kind-Beziehung die Vorstellung von einer Behälterfunktion der Mutter entwickelt: Der Container nimmt die zu bedrohlichen, unaushaltbaren Affekte des Kindes in sich auf, behält sie dort, macht sich sozusagen einen Begriff davon, zu dem der Säugling nicht in der Lage ist, und teilt sie ihm in modifizierter Form zu gegebener Zeit mit. Insofern geht die Containerfunktion weit über das Holding hinaus, als sie Fonagy und Target (2000) zufolge den Beginn der Symbolisierungstätigkeit für den Säugling darstellt. Die Mutter erkennt die überwältigende Emotion des Säuglings zwar als berechtigt an, gibt sie ihm aber als nicht so bedrohlich in liebevollironischer, beruhigender Form wieder zurück; dieser Vorgang kann als erste Form der Symbolisierung verstanden werden. In der Therapie von schweren Störungen spürt der Therapeut überwältigende Affekte vor dem Patienten in der Gegenübertragung, die ihm in »verdauter«, modifizierter Form nach und nach mitgeteilt werden, soweit es die wachsende Symbolisierungsfähigkeit des Patienten zulässt, bzw. zurückgehalten werden können, solange sie für ihn noch zu bedrohlich sind.
Das Containing bekommt besonders dann eine Bedeutung, wenn nach einer ersten Phase der Idealisierung des Therapeuten und des Angenommenseins durch ihn die Therapie in eine zweite Phase der »negativen paranoiden Mutterübertragung« mündet. Überwältigende aggressive Gefühle und Empfindungen von Verfolgung und Bedrohtsein entstehen in der Übertragung, weil z.B. anlässlich erster größerer Ferienunterbrechungen ein implizites Versprechen, für den Patienten da zu sein, das in der idealisierten therapeutischen Beziehung enthalten ist, als verraten erlebt wird. Gleichzeitig erfährt der Patient, dass die therapeutische Beziehung ihm doch so wichtig geworden ist, dass sie sich seiner omnipotenten Kontrolle entzieht, dass eine Abhängigkeit entstanden ist.
In dieser zweiten Phase der negativen Mutter-Übertragung kommt es zu einem Kampf zwischen dem »alten« introjizierten traumatischen und dem »neuen« therapeutischen Objekt. Denn in seiner Verlassenheit wendet der Patient sich selbstdestruktiv den alten Objektsurrogaten wieder zu, Rückfälle in destruktives promiskuöses Verhalten, Wiederaufsuchen von sado-masochistischen Partnerbeziehungen, Suchtmittelmissbrauch, Suizidalität und Selbstverletzung werden an die Stelle des als verlassend oder verfolgend erlebten therapeutischen Objekts gesetzt. Der Therapeut propagiert das Aufgeben der alten Objekte, ohne wirklich im ganzen ersehnten Umfange da sein zu können. Nun allerdings ist es an der Zeit, einen Standpunkt einzunehmen, mit konsequenter Deutung nicht mehr dem Patienten zu folgen, vielmehr ihm etwas entgegenzusetzen. Besonders Symptomverschlechterungen und Rückfälle in früheres destruktives Symptomverhalten müssen nun im Zusammenhang mit der therapeutischen Bezie...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Teil A: Grundlagen
  7. Teil B: Krankheitsbilder
  8. Teil C: Behandlungsverfahren und Techniken
  9. Teil D: Besondere Aspekte
  10. Verzeichnis der Autoren und Autorinnen
  11. Sachwortverzeichnis