Freiheit
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Psychobiologische Errungenschaft und neurokognitiver Auftrag

  1. 172 Seiten
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Psychobiologische Errungenschaft und neurokognitiver Auftrag

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Über dieses Buch

Ist Freiheit aus neurowissenschaftlicher Perspektive eine Illusion? In diesem Buch wird gezeigt, dass dies nur dann der Fall ist, wenn Unfreiheit so definiert wird, dass sie entsteht, wenn menschliches Verhalten vom eigenen Körper gesteuert wird.Dementgegen wird ein positives Verständnis von Freiheit entwickelt als Qualität einer Untergruppe von behavioralen Sequenzen. Sie ist als psychobiologische Komplexleistung höherer Lebewesen kein Phänomen außerhalb der Naturgesetze, sondern Ausdruck körperlicher und damit wesentlich zerebraler Prozesse. Dieser Freiheitsbegriff ist empirischer Untersuchung zugänglich und gut vereinbar sowohl mit neurobiologischen Forschungsansätzen als auch mit alltäglichen, psychotherapeutischen und juristischen Konzeptualisierungen.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170286849

1         Einleitung

 
 
 
Dieses Essay thematisiert die Frage nach der Möglichkeit und Sinnhaftigkeit des Konzepts der Willensfreiheit im Zusammenhang mit eigenen Erfahrungen als klinischer Hirnforscher, neuropsychiatrischer Arzt und Psychotherapeut.
Der von mir sehr geschätzte Rudolf Carnap und der Wiener Kreis hätten eine solche Diskussion wohl eher abgelehnt und für unsinnig erklärt, weil die Bedeutung des Begriffs Freiheit zu vage und unbegrenzt sei, als dass man sich überhaupt sinnvoll darüber unterhalten könne. Und wenn man sich in den Feuilletons die öffentliche Diskussion der klassischen Experimente Libets zur Neurophysiologie der Willensfreiheit und jüngerer Variationen dazu mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) anschaut, so kann man durchaus geneigt sein, ihm in dieser Kritik Recht zu geben. Es wird viel, heftig und kontrovers gestritten über Begriffe, deren gemeinte Bedeutung zuvor gar nicht geklärt wurde.
Dementsprechend beginnt dieses Essay mit einer Analyse dessen, was in der Alltagssprache alles mit dem Begriff der Freiheit bezeichnet wird. Auf dieser Grundlage wird der hier diskutierte Freiheitsbegriff in seinem Bedeutungsraum eingeengt auf den semantischen Bereich der Willensfreiheit. Dieser ist trotz aller begrifflichen Ungenauigkeit der feuilletonistischen Diskussionen letztendlich ja auch der gemeinte Gegenstand dieser öffentlichen Diskussion um die Möglichkeit von Freiheit.
Eine genaue Beschreibung und Analyse des klassischen Experiments von Libet zu den neurophysiologischen Korrelaten von Willensentscheidungen bildet die Basis für Reflexionen darüber, wie wir über Ursachen reden und denken. Dabei wird zum einen klar, dass der Begriff der Ursache und Verursachung mindestens ebenso unscharf von den verschiedenen Teilnehmern der Freiheitsdiskussion verwendet wird wie der Freiheitsbegriff an sich. Zum anderen verdeutlicht eine phänomenologische Analyse des Libet’schen Experiments sowie neuerer fMRI-Varianten dazu, dass bislang gar keine echten Willensentscheidungen Gegenstand der experimentalpsychologischen Untersuchungen gewesen sind, sondern eher zufallsmotorische Phänomene.
Dies kann anhand einer Operationalisierung von echten Willensentscheidungen verdeutlicht werden. Demnach sind Willenshandlungen an folgende Kriterien gebunden: der Begriff Wille ist bezogen auf bewusste Entscheidungsprozesse, Handlungsalternativen stehen zur Auswahl, eine Alternative wird aus Gründen oder Motiven ausgewählt, eine entsprechende Handlung wird in die Tat umgesetzt. Im Weiteren wird dann eine einfache echte Willenshandlung illustriert und phänomenologisch analysiert, die diesen Kriterien genügt, nämlich die Antwort auf die Frage: »Kaffee, Tee oder Bier?«
Die Analyse zeigt, dass es sich bei Willensentscheidungen und Willenshandlungen aus psychobiologischer Perspektive nicht um mentale Teilleistungen handelt, sondern um Komplexleistungen, die auf eine Vielzahl anderer mentaler Teilleistungen und Komplexleistungen zurückgreifen. So werden bei echten Entscheidungsprozessen in der biographischen Vergangenheit etablierte Erkenntnisse in Hinblick auf den Entscheidungsgegenstand abgerufen, die verschiedenen Handlungsoptionen werden auf der Grundlage der biographischen Erkenntnisse modelliert, miteinander verglichen und an die individuellen situativen Bedingungen (Homöostase) und die Kontextbedingungen (Ökologie) angepasst. Bei Willensentscheidungen werden demnach also der gesamte mentale Apparat der Erkenntnisbildung, der Gedächtnisbildung und des Gedächtnisabrufs, der Aufmerksamkeitssteuerung, des Arbeitsgedächtnisses sowie all die operativen Denkleistungen benötigt, die mit Zukunftsmodellierung, analytischem Vergleich verschiedener Verhaltensoptionen, aber auch situativer Impulskontrolle verbunden sind. Die Analyse veranschaulicht, dass es angesichts der empirischen Wirklichkeit der behavioralen Phänomene, die mit dem Begriff Willensfreiheit charakterisiert werden, überhaupt keinen Sinn macht, Willensfreiheit als einfache mentale Teilleistung zu begreifen. Auch ist Freiheit als eine von außen an ein lebendiges System herangetragene Eigenschaft angesichts dieser phänomenologischen Analyse einer einfachen echten Willenshandlung eine nebulöse Vorstellung. Dagegen wird anschaulich klar, dass Freiheit eben eine psychobiologische Komplexleistung höherer Lebewesen ist, die darauf beruht, dass solche Lebewesen – und natürlich insbesondere und in herausragender Art und Weise die Menschen – es schaffen, die Zeit konzeptuell körperlich zu beherrschen. Durch die psychobiologische mentale Fähigkeit, Zukunftsmodellierungen zu generieren, die auf Erkenntnisbildungen aus der Vergangenheit beruhen, entsteht überhaupt erst das Phänomen Freiheit.
Freiheit so verstanden ist also weder eine Gegebenheit der anorganischen Physik noch eine erkenntnistheoretische Notwendigkeit oder theologische Gewissheit, sondern ein Phänomen, welches sich im Rahmen der Biologie und insbesondere bei der Entwicklung höherer Lebewesen als psychobiologisches und behaviorales Faktum überhaupt erst entwickelt. Freiheit – positiv verstanden – ist damit ein Begriff, der eine besondere Qualität behavioraler Sequenzen von Lebewesen – in erster Linie Menschen – beschreibt.
Dieses Verständnis von Freiheit bewährt sich auch in der klinischen Analyse von psychischen Störungen, bei denen die Willensfreiheit auf ganz unterschiedliche Art und Weise gestört sein kann. Sie illustrieren, wie die psychobiologische Komplexleistung der Willensfreiheit in die Körperlichkeit der menschlichen Lebewesen eingebunden ist und damit natürlich auch körperlich gestört sein kann.
Ausgehend von der Grundannahme, dass alle mentalen Prozesse wesentlich (ontologisch) identisch sind mit körperlichen (neurophysiologischen) Prozessen, müssen all diese mentalen Operationen auch als neurophysiologische und damit individuelle körperliche Prozesse begriffen werden. Daraus folgt, dass sie prinzipiell nicht vollständig extern im Sinne einer Messung objektiviert und determiniert werden können. Das zentrale Argument für diese notwendige Indeterminierbarkeit mentaler Prozesse ist deren Körperlichkeit. Denn ein lebendiger Körper ist in Raum und Zeit faktisch einzigartig und damit nicht vollständig determinierbar. Dass auch kleine körperliche Unterschiede wie etwa Punktmutationen im Erbgut, wie sie bei jedem Leser dieses Textes vorhanden sind, zu großen kybernetischen Folgen in einem komplex strukturierten Organismus wie dem menschlichen Körper führen können, illustrieren sowohl die Erkenntnisse der Gen- als auch der Chaosforschung. Wenn aber – metaphorisch gesprochen – schon der Flügelschlag eines Schmetterlings im brasilianischen Urwald ein Gewitter über Deutschland auslösen kann, so muss sicher die interindividuelle Unterschiedlichkeit der Körper der verschiedenen Lebewesen und Menschen so ernst genommen werden, dass nicht leichtfertig aus großer körperlicher Ähnlichkeit funktionelle Identität und Verallgemeinerbarkeit geschlussfolgert werden können. Dies ist aber nicht nur häufig bei den überzogenen Schlussfolgerungen aus elektrophysiologischen und fMRI Experimenten zur Freiheit der Fall. Eine solche intersubjektive Verallgemeinerbarkeit neurophysiologischer Korrelate mentaler Leistungen geht darüber hinaus auch als methodische Grundvoraussetzung in alle bislang vorgestellten Experimente zur Neurophysiologie der Willensfreiheit ein, da sie Grundlage der individuellen und Gruppenmittellungen sowohl bei den Messungen evozierter Potentiale als auch des fMRI-BOLD-Signals ist.
Bezogen auf die Freiheitsdiskussion bedeuten diese Überlegungen, dass trotz aller Ähnlichkeit im mentalen Funktionieren verschiedener Subjekte einer Art (also etwa Menschen) aufgrund objektiver Befunde notwendig nie sicher auf deren mentalen Gehalt im Sinne der Perspektive der ersten Person geschlossen werden kann.
In diesem Essay sollen aber nicht nur unzulässige Schlussfolgerungen aus neurobiologischen Experimenten zum Phänomen der Willensfreiheit zurückgewiesen werden, es ist darüber hinaus das zentrale Anliegen dieses Textes, die Grundzüge eines positiven Verständnisses von Willensfreiheit als psychobiologische Leistung von höheren Lebewesen zu skizzieren. Dieses positive Verständnis von Freiheit hat den Anspruch sowohl der individuellen Entwicklungs- und Entfaltungsgeschichte von Willensfreiheit im Leben der einzelnen Menschen als auch den klinischen Phänomenen eingeschränkter Willensfreiheit im Kontext psychischer Störungen gerecht zu werden. Denn so wie sich Freiheit als bewusst wahrgenommene Verhaltensoption im Leben eines Menschen erst in zunehmenden Maße mit der Gehirnreifung, dem Erkenntniszugewinn über die Außen- und Innenwelt und mit der Ausreifung der für die Willensfreiheit kritischen mentalen Teil- und Komplexleistungen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Bewusstsein, Sprache, Logik etc.) entwickelt, so können natürlich all diese mentalen Teil- und Komplexleistungen aufgrund unterschiedlichster Ursachen und körperlicher Erkrankungen gestört sein. Damit kann dann natürlich auch die davon abhängige Willensfreiheit in graduell unterschiedlichem Ausmaße betroffen sein.
Das entwickelte positive Freiheitsverständnis ist ein dimensionales und nicht kategoriales Konzept von Willensfreiheit. Menschen sind nicht frei oder unfrei, sondern mehr oder weniger frei, je nachdem, ob sie Säuglinge, Kleinkinder oder gesunde erwachsene Menschen sind, und abhängig davon, über welche mentalen Teilleistungsfähigkeiten wie etwa Aufmerksamkeitssteuerung, Einsichtsfähigkeit und Impulskontrolle sie verfügen.
Es wird beschrieben, wie die verschiedenen o. g. freiheitsrelevanten mentalen Teilleistungen einen zeitlich strukturierten Bezugsraum interner semantischer Relationen entstehen lassen (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), der aufgrund seiner ontologischen Körperlichkeit notwendig nicht extern determinierbar sein kann. Dieser zeitlich strukturierte indeterminierbare semantische Innenraum wird mit dem Begriff Endogenität zusammengefasst.
Auch wenn in dem hier vorgestellten Verständnis Willensentscheidungen im engeren Sinne an die notwendige Bedingung von Bewusstsein per definitionem geknüpft werden, so wird auch verdeutlicht, dass der körperlich semantische Raum der Endogenität nicht deckungsgleich ist mit dem Bewusstseinssystem, sondern auch vorbewusste und unbewusste psychobiologische semantische Relationen beinhaltet. So kann verstanden werden, dass auch vorbewusste oder unbewusste Informationsverarbeitungsaspekte den Prozess der Willensbildung beeinflussen können, ohne dass sie ihn aufgrund ihrer Einflussnahme notwendig komplett determinieren. Auch können Fehlleistungen wie Freud’sche Versprecher kohärent in ein rationales Verständnis von Willensfreiheit integriert werden.
Abschließend wird noch einmal betont, dass die Willensfreiheit in den Augen des Autors sinnvoll nur als ein körperliches Phänomen betrachtet werden kann. Das heißt, dass die Willensfreiheit wie auch andere mentale Leistungen (etwa das Sehen von Gegenständen) eine zeitliche Auflösung hat, die wahrscheinlich im Bereich einiger hundert Millisekunden liegt. Diese Überlegung soll den naturalistischen und eben nicht spirituellen Charakter der Willensfreiheit verdeutlichen und betonen.
Es ist eine der Stärken des hier entwickelten positiven Verständnis von Willensfreiheit als psychobiologische mentale Komplexleistung, dass die entwicklungspsychologischen und ethologischen Phänomene der Genese von Willensfreiheit in höheren lebendigen Systemen, aber auch deren klinische Funktionsstörungen bei neuropsychiatrischen Krankheiten gut beschrieben und verständlich gemacht werden können. Die Einordnung dieser Position in eine der großen *ismus-Lager der Freiheitsdiskussion (Determinismus, Indeterminismus, Kompatibilismus etc.) wird nicht angestrebt, da der positive Nutzen nicht erkannt werden kann.

2 Freiheit im Alltag – eine Analyse des alltäglichen Redens über Freiheit

»Der Versuch, auf dem Wege der Analyse des Beobachtbaren zu bestimmten psychologischen Begriffen zu gelangen, muss sich zunächst an die Sprache des gewöhnlichen Lebens wenden, da nur mit hülfe dieser die Objecte, um die es sich handelt, überhaupt zur Vorstellung gebracht und zur Untersuchung gestellt werden können; denn der Hinweis auf das, was jeder in sich erfährt, ist nur durch die Ausdrücke möglich, durch die er es auszusprechen gewöhnt ist« (Siegward 1889, S. 117).
Ich möchte dieses Essay beginnen mit Überlegungen darüber, was wir in alltagssprachlichen Zusammenhängen alles mit dem Begriff der Freiheit bezeichnen. Denn der Begriff hat viele verschiedene Bedeutungsräume. Und auch wenn man wie in diesem Text versucht, die Bedeutung des hier gemeinten Begriffs klarer einzugrenzen, so schwingen doch oft die anderen alltagssprachlichen Konnotationen in einer Diskussion mit. Daher erscheint es sinnvoll, zunächst einmal eine Orientierung darüber zu schaffen, was alltagssprachlich alles mit dem Freiheitsbegriff angesprochen wird.
Die Bedeutungsbereiche, die ich beim Nachdenken über den Freiheitsbegriff der Alltagssprache erkennen kann, möchte ich unter den folgenden sechs Titeln subsumieren: Meinungsfreiheit, »Ich bin so frei«, »I Want to Break Free«, »Die Gedanken sind frei«, Freiheit und Vorhersage, Freiheit und Kontrolle. Die Aufsummierung verschiedener Bedeutungsräume des Freiheitsbegriffs erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch wird sich zeigen, dass sich die assoziativen Bedeutungsräume der verschiedenen Begriffe teilweise überschneiden.

2.1 Meinungsfreiheit

Die Meinungsfreiheit ist uns allen ein hohes Gut. In Deutschland ist sie im Grundgesetz verankert, wo geschrieben steht, dass die Menschen in unserem Staat das Recht haben, ihre Meinung frei zu äußern, ohne dafür negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Allerdings kann sie auch in unserem System eingeschränkt werden. So können inhaltliche Meinungsäußerungen, die dem Tatbestand der Volksverhetzung entsprechen, trotzdem juristische Sanktionen zur Folge haben. Auch werden Beleidigungen nicht durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt.
Diese Beschreibungen der Meinungsfreiheit machen aber schon klar, dass der so verstandene Freiheitsbegriff ein politischer bzw. juristischer Freiheitsbegriff ist. Freiheit in diesem Sinne regelt die Organisation eines sozialen Systems und bestimmt, was alles gesagt und getan werden kann, ohne Konsequenzen seitens einer sozialen Organisation befürchten zu müssen.
Bei der Meinungsfreiheit wird meistens an Staaten als Bezugspunkt gedacht. Aber auch in kleineren sozialen Subsystemen können ausgesprochene oder unausgesprochene Regeln in Hinblick auf die Meinungsfreiheit gelten. So ist häufig in substaatlichen sozialen Systemen wie z. B. dem Militär, Firmen, religiösen Gruppen oder auch Familien die Meinungsfreiheit trotz des staatlichen Schutzes nicht in der Form garantiert, dass die einzelnen Menschen tatsächlich jederzeit ihre Meinung kund tun können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.
Im Zusammenhang der hier thematisierten Frage nach der Freiheit im neuronalen Netz muss aber festgehalten werden, dass der primär politisch-juristisch definierte Begriff der Meinungsfreiheit nichts über die individuelle Willensbildung oder die Fähigkeit eines Individuums aussagt, Entscheidungen frei treffen zu können oder nicht.
Der Freiheitsbegriff im Sinne der Meinungsfreiheit ist ein politisch juristischer Begriff. Er hat mit der Diskussion um die theoretische Möglichkeit freien Denkens und Handels wenig zu tu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Einleitung
  7. 2 Freiheit im Alltag – eine Analyse des alltäglichen Redens über Freiheit
  8. 3 Signale aus dem Gehirn: Haben wir Freiheit gemessen?
  9. 4 Vorherbestimmt oder nicht? Die großen Lager in der Freiheitsdiskussion
  10. 5 Kausal verursacht, final angestrebt oder komplex bedingt? Wie denken wir über Wirkungen?
  11. 6 Von der Freiheit zur Willensfreiheit: über die Vielfalt behavioraler Sequenzen
  12. 7 Kaffee, Tee oder Bier? Eine phänomenologische Analyse des Willensprozesses
  13. 8 Freiheit als psychobiologische Komplexleistung lebendiger Systeme
  14. 9 Konklusionen und Reflexionen
  15. Literatur