Eigenheim für alle?
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Eigenheim für alle?

Die Landeskreditanstalten in Württemberg und Baden 1924 bis 1945

  1. 266 Seiten
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Eigenheim für alle?

Die Landeskreditanstalten in Württemberg und Baden 1924 bis 1945

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Diskussion um einen überhitzten Immobilienmarkt, das Verdrängen der Normalverdiener aus den großen Städten und die Unmöglichkeit, mit durchschnittlichem Gehalt eine Stadtwohnung zu finanzieren, prägt unsere Zeit wie auch das ganze 20. Jahrhundert. Schon nach dem Ersten Weltkrieg gründeten Baden und Württemberg eigene Landeskreditanstalten, um den Wohnungsbau zu fördern. Spätestens mit der Etablierung des Nationalsozialismus im deutschen Südwesten wurde über finanzpolitische Aspekte hinaus das Wohnungswesen "politisiert". Dieses Buch stellt die wichtigsten Grundlinien dieser Entwicklung dar und fragt nach dem Wesen von Sozialpolitik, Wirtschaft und Gesellschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783170339392

1

Wohnungsnot und Kapitalbeschaffung nach dem Ersten Weltkrieg

Ein großes Problem von gesellschaftspolitischer Bedeutung in der Weimarer Republik war der überall herrschende Wohnungsmangel. In den 1920er Jahren waren um die 16 000 Familien in Württemberg ohne Wohnung. Besonders gravierend lagen die Verhältnisse in Industrieregionen, da dort viele finanzschwache Arbeiter lebten. Bezahlbare Klein- und Mittelwohnungen für die mittellose Bevölkerung waren Mangelware.1 Neben Stuttgart, der einzigen Großstadt Württembergs, herrschte vor allem in der Industriestadt Heilbronn ein Defizit an bezahlbaren Wohnungen für die arbeitende Bevölkerung. Die Oberamtsstadt im Norden Württembergs war der Sitz zahlreicher Industrieunternehmen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild der einstigen Reichsstadt prägten. Neben der Silberwarenfabrik des prominenten Unternehmers Peter Bruckmann war es die Suppenfabrik von Knorr, die Heilbronn sein typisches Gesicht verlieh. Der Qualm der Schlote zog über die behelfsmäßig eingerichteten Arbeiterwohnungen hinweg. Neben dem Stadtbild wirkte sich die Industrialisierung vor allem aber auf die Bevölkerungsentwicklung aus und führte zu einer demographischen Besonderheit. Das im Jahre 1929 knapp 50 000 Einwohner zählende Heilbronn wuchs nach dem Ersten Weltkrieg prozentual vier Mal so stark wie die württembergische Bevölkerung insgesamt.2 Aber auch in anderen Regionen machte sich bemerkbar, dass das einstige Auswanderungsland Württemberg längst zu einem Zuwanderungsland geworden war.3

Wohnungsnot

Der empirisch-qualitativen Studie von Bruno Schwan ist es zu verdanken, dass man sich noch heute ein ungefähres Bild von der Wohnungsnot in den deutschen Städten nach dem Ersten Weltkrieg machen kann. In diesem illustrierten Werk aus dem Jahre 1929 schilderte der Geschäftsführer des Deutschen Vereins für Wohnungsreform e. V. das Wohnungselend im Deutschland der 1920er Jahre eindrucksvoll. Zu Heilbronn zeichnete Schwan folgendes wirkungsmächtige Bild:
»In dem Gebäude Schäfergasse 34 befindet sich in einer 1 Zimmerwohnung eine Familie, bestehend aus den Schwiegereltern, den Eltern und 2 Kindern der letzteren; diese 6 Personen sind alle zusammen in 1 Zimmer, in welchem nur 2 Betten aufgestellt werden können, untergebracht. Die Außenwand dieses Zimmers ist derartig baufällig, daß mit ihrem jederzeitigen Einstürzen gerechnet werden muß.«4
Die quantitative Wohnungsnot, so die Argumentation von Schwan, führte zwangsweise zu einem qualitativen Wohnungselend.
Schwan war beileibe nicht der einzige Autor, der mit einem Sachbuch auf die Wohnungsnotlage in den 1920er Jahren aufmerksam machte. So schilderte auch Karl Durst, späterer Leiter der Abteilung IV des Reichsarbeitsministeriums (Siedlungswesen, Wohnungswesen und Städtebau) während des Nationalsozialismus, die Wohnungsnot im Jahre 1928. Allerdings verwies er in seiner Schrift auf die anzutreffende Wohnungsnot in den ländlichen Industriebezirken, die im Regierungsbezirk Neckar-Kreis (Nordostwürttemberg) besonders ausgeprägt waren. Sein Credo lautete:
»Es ist ja nicht damit getan, einfach festzustellen, wieviel [sic!] hunderttausende Wohnungen in Deutschland fehlen und daß ebensoviele [sic!] gebaut werden müssen, um die Wohnungsnot zu beseitigen. Es kommt vielmehr darauf an, diese fehlenden Wohnungen zu solchen Preisen herzustellen, daß sie auch tatsächlich von den bei der Wohnungszählung festgestellten Wohnungssuchenden gemietet werden können.«5
Auch für Durst war Wohnungspolitik somit eine Frage des Geldes.6

Ausgangssituation in Württemberg

Trotz aller berechtigen Sorgen war die Ausgangssituation in Württemberg nach dem Ersten Weltkrieg deutlich günstiger als in den anderen Regionen Deutschlands. In Württemberg wohnten noch in den 1920er Jahren fast 50 Prozent der Bevölkerung auf dem flachen Land. Selbst die meisten Industriearbeiter lebten mehrere Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt, so dass der Pendlerverkehr in der Region Stuttgart besonders ausgeprägt war.7 Nicht nur in den Augen des langjährigen württembergischen Finanzministers Alfred Dehlinger (1924–1942) waren diese Pendlerwanderungen dafür mitverantwortlich, dass die württembergische Bevölkerung seit jeher eine gewisse Bodenständigkeit und daher auch Heimatverbundenheit besaß, was wiederum ein allzu starkes Anwachsen der Städte verhinderte. Zudem war die Industrie Württembergs
»nicht in dem Umfang wie anderswo auf engem Raum an einzelnen Hauptplätzen zusammengeballt, sondern über alle Teile des Landes bis in die ländlichen Gemeinden und in die entlegensten Täler [zerstreut]. So entstand die weiter günstige Besonderheit, daß ihre Arbeitskräfte fast zur Hälfte auf dem Lande [wohnten] und dort bodenständig, fest mit der Heimat verwurzelt und meist noch stark mit der Landwirtschaft verbunden [waren], die sie mit ihrer Familie nebenbei [bewirtschafteten].«8
In der Tat gab es in Württemberg trotz eines breiten und ständig wachsenden Industriegürtels um Stuttgart seit jeher viel Landwirtschaft. Die Interessenverbände der Landwirtschaft, so lässt sich mit der Forschung sagen, hatten noch in den 1920er Jahren großen Einfluss auf die Politik.9 Darüber hinaus besaßen selbst Fabrikarbeiter häufig noch ein Stück Land. Diese Klein- und Mittelindustrie in ländlichen Regionen ermöglichte es, dass die Württemberger eine Art doppelte Beschäftigung in Industrie und Landwirtschaft ausübten.10 Das so stark beschworene und später zu beschreibende Großstadtelend war daher in Württemberg beileibe nicht so ausgeprägt wie in anderen Regionen Deutschlands. Auch die Beamten der Landeskreditanstalt stellten immer wieder fest, dass »die Mietskaserne im eigentlichen Sinn des Wortes in Württemberg unbekannt«11 war. So lebten in Württemberg im Jahre 1905 64,5 Prozent aller Haushalte in Eigentumswohnungen. Nur in den vier größten württembergischen Städten – Stuttgart, Heilbronn, Ulm und Esslingen – gab es einen hohen Prozentsatz an Mietwohnungen zwischen 70 und 80 Prozent.12 Die Bevorzugung des Eigenheims in Württemberg drückte sich während der Weimarer Jahre nicht zuletzt in der von Georg Kropp 1921 bei Heilbronn errichteten Bausparkasse der Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot (GdF) aus, die die Eigenheimfinanzierung durch »selbst-initiertes Zwecksparen« in den kommenden Jahren für einkommensschwache Menschen ermöglichen sollte.13 In den 1930er Jahren zählte Wüstenrot bereits über 10 000 Bausparer.14
Noch während der Zeit des Nationalsozialismus betonte Hermann Aichele, Präsident der württembergischen Landeskreditanstalt, den politischen Mehrwert dieser traditionsreichen dezentralen Siedlungspolitik:
»Die Württ. Landeskreditanstalt hat in ihren Geschäftsberichten wiederholt darauf hingewiesen, daß sie eine ihrer Aufgaben darin sehe, die württembergische Dezentralisierung von Wirtschaft und Siedlung zu stärken. Die Verbundenheit des Arbeiters mit dem Boden schien ihr volkspolitisch erstrebenswert zu sein.«15
Auch für Erwin Breitmeyer, ein weiteres Vorstandsmitglied der württembergischen Landeskreditanstalt, führte die »harmonische Verteilung von Industrie, Gewerbe und Landewirtschaft [zu einem] blühenden, wirtschaftlich gesunden Wohnungs- und Siedlungsbau.«16 Ob die Wohnungs- und Siedlungspolitik im Nationalsozialismus auch deswegen weniger ideologisch war, da die Schollenbindung in Württemberg schon vor 1933 gefördert wurde, wird eine zentrale Frage dieses Buches sein.

Siedlungspolitischer Sonderweg

Bei einem Vortrag auf der Stuttgarter Arbeitstagung des Reichsheimstättenamtes der Deutschen Arbeitsfront kam Jonathan Schmid, der Innen- und Wirtschaftsminister von Württemberg während der NS-Zeit, auf diesen siedlungspolitischen Sonderweg zu sprechen. Nicht ohne Stolz konnte Schmid feststellen:
»Wenn man sich umschaut, wo Beispiele einer glücklichen Planung vorhanden sind, so wird allenthalben und überall das Beispiel unserer Heimat Württemberg genannt. Das Thema ›Württemberg‹ ist geradezu modern geworden.«
Schmid versuchte zudem eine Antwort darauf zu finden, warum Württemberg in puncto Wohnungsbau besser dastand als Ostpreußen oder Bayern. Für ihn gab es zwei Gründe für das gute Abschneiden Württembergs. Neben der heute absurd klingenden kulturellen und biologischen Veranlagung des Württembergers nannte er die dezentrale Siedlungspolitik:
»Die tatsächliche Gemeinschaftsleistung des schwäbisch-fränkischen Volkes in Württemberg hat ihre Grundlagen zuerst selbstverständlich in der gegebenen biologischen Veranlagung unserer Menschen, in ihrem Fleiss, ihrer Ausdauer und ihrer fast sprichwörtlich gewordenen Sparsamkeit. […] Und es wurde seit den Jahren des letzten Jahrhunderts vor dem Krieg durch staatliche Institutionen die einzige, wahrhaft völkische Wirtschaftsplanung durchgeführt und der Versuch gemacht, Zusammenballung der Industrie, der Betriebe an einem Ort zu verhindern, und sie systematisch auf das Land zu verteilen«17
Bevor auf den württembergischen Sonderweg detailliert eingegangen wird, soll an dieser Stelle die Genese der Landeskreditanstalt behandelt werden, mit der der württembergische Staat die Wohnungsnot erfolgreich bekämpfen konnte.

Gedankenspiele

Ohne den Ersten Weltkrieg wäre die Gründung der Landeskreditanstalt mit großer Wahrscheinlichkeit früher erfolgt. Denn bereits am 16. Juni 1913 stellte die württembergische Zentrumsfraktion in der Zweiten Kammer des Landtags in Stuttgart einen Antrag an die königliche Staatsregierung. Die Partei versuchte
»die Errichtung eines Landeskreditinstituts in die Wege zu leiten, das mit Hilfe des Staats dem strebsamen und kreditwürdigen Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel einen billigen Kredit gewährt.«18
Dieses Dokument für den Mittelstand unterschrieben unter anderem Johannes Baptist von Kiene, Josef Andre, Eugen Bolz, Adolf Gröber und Eugen Graf; allesamt führende Persönlichkeiten der Zentrumspartei.
Nachdem sich das bisherige Themenangebot der Zentrumspartei – der Eintritt für »politische Belange und kirchliche Freiheiten der deutschen Katholiken« – nach der Entlassung Bismarcks erweitern konnte, avancierte das Zentrum zu einer Volkspartei.19 Vor allem in Württemberg begann sich das Zentrum immer stärker für die Wählerstimmen des Mittelstands und der Arbeiter zu interessieren.20 Der Jurist Gröber, ein guter Redner, gehörte bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu den bedeutendsten Figuren der Zentrumspartei; auch außerhalb Württembergs. Seit 1917 war Gröber Fraktionsführer des Zentrums im Reichstag. Er setzte sich in seinen Reden vor allem für christliche Gewerkschaften ein.21 Bolz war zu diesem Zeitpunkt bereits Landtags- und Reichstagsabgeordneter. Nach Gröbers Tod im Jahre 1919 wurde Bolz zum wichtigsten Mann des württembergischen Zentrums. Bolz wurde während der Weimarer Republik erst Justizminister, dann Innenminister und schließlich auch Staatspräsident von Württemberg. Er war für die Politik in Württemberg daher maßgeblich verantwortlich.22 Vor Bolz war Kiene Justizminister; er starb überraschend am 24. Juli 1919.23 Graf wurde nach dem Krieg erst Ernährungs- und...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Einleitung
  7. 1 Wohnungsnot und Kapitalbeschaffung nach dem Ersten Weltkrieg
  8. 2 Die verzögerte Gründung der württembergischen Wohnungskreditanstalt 1924
  9. 3 Das dezentrale Siedlungsprogramm Hermann Aicheles
  10. 4 Turbulenzen in der Weltwirtschaftskrise
  11. 5 Vorgeschichte und Gründung der badischen Landeskreditanstalt 1934/35
  12. 6 Die württembergische Landeskreditanstalt unter der Regierung Mergenthaler/Murr
  13. 7 Beheimatung durch Eigenheim
  14. 8 Darlehensvergabe und Siedlerauswahl im NS-Staat
  15. 9 Heimatverlust und »Arisierung«: Das Schicksal einer jüdischen Familie aus Karlsruhe
  16. 10 Rüstungspolitik und Luftkrieg. Die Landeskreditanstalten im Zweiten Weltkrieg
  17. 11 Fazit
  18. 12 Anmerkungen
  19. 13 Anhang: Wirtschaftliche Daten
  20. 14 Bestands- und Literaturverzeichnis
  21. 15 Abbildungsverzeichnis