Psychoanalyse - Die Lehre vom Unbewussten
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Psychoanalyse - Die Lehre vom Unbewussten

Geschichte, Klinik und Praxis

  1. 230 Seiten
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Psychoanalyse - Die Lehre vom Unbewussten

Geschichte, Klinik und Praxis

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die Psychoanalyse wird oft als die "Wissenschaft des Unbewussten" charakterisiert. Heute existieren verschiedene Auffassungen des Unbewussten nebeneinander und es wird versucht, dazu neue theoretische Konzepte zu entwickeln. Dabei spielt die Auseinandersetzung mit interdisziplinären Forschungsergebnissen eine zentrale Rolle. In diesem Band werden die aktuellen, internationalen Diskurse dargestellt und mit einem historischen Abriss verbunden. Zudem vermitteln klinische Beispiele einen Eindruck davon, wie Psychoanalytiker heute mit unbewussten Prozessen ihrer Patienten in der therapeutischen Situation umgehen.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170259584
Auflage
1

1 Einleitung

Leuzinger-Bohleber Marianne

Lernziele
• Einen Überblick über die anregende, manchmal aber auch verwirrende Vielfalt des gegenwärtigen psychoanalytischen Theorienpluralismus bekommen
• Anhand eines Beispiels kennenlernen, welche Rolle unbewusste Phantasien und Konflikte bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen
• Welches Wissenschaftsverständnis hat die gegenwärtige Psychoanalyse entwickelt?
• Welche Rolle spielt hierbei die extraklinische Forschung, insbesondere die psychoanalytische Psychotherapieforschung?
• Worin besteht die Zielsetzung einer interdisziplinären Erforschung des Unbewussten?

1.1 Ist das Unbewusste immer noch das »Alleinstellungsmerkmal« der Psychoanalyse?

Die Psychoanalyse wird immer noch als die »Wissenschaft des Unbewussten« definiert. Doch was bezeichnen wir heute als »das Unbewusste?« Berücksichtigen andere heutige Therapieverfahren nicht ebenfalls nicht bewusste, pathogene Informationsverarbeitungsprozesse? Ist die Erforschung des Unbewussten wirklich ein Alleinstellungsmerkmal der Psychoanalyse?
In der zurzeit laufenden großen LAC-Depressionsstudie2 erhielten Patienten, die sich für die Studie interessierten, folgende »neutrale« Beschreibungen der beiden wichtigsten, vom Wissenschaftlichen Beirat »Psychotherapie« akzeptierten Psychotherapieverfahren:
Psychoanalytische Therapie untersucht den Einfluss, den unbewusste Wünsche und Ängste auf das bewusste Erleben und Handeln im Hier und Jetzt ausüben. Die psychoanalytische Therapie bleibt nicht, wie oft angenommen wird, bei der Aufarbeitung unbewältigter Kindheitserlebnisse stehen, sondern deckt deren unbewusste wie bewusste Wirkung im Zusammenhang mit lebensgeschichtlichen Erfahrungen auch im Hinblick auf die Zukunftsgestaltung auf. Durch die Möglichkeit in der Beziehung zum Analytiker unbewusste Beziehungsgestaltungen zu wiederholen, versucht die psychoanalytische Psychotherapie der Bedeutung wiederkehrender depressiver Verarbeitung von Lebenserfahrungen auf die Spur zu kommen. Die »Nachhaltigkeit« psychoanalytischer Psychotherapie kann in einer »Nachentwicklung« des eigenen Selbstwertgefühls und in der Beziehung zu nahe stehenden Menschen gesehen werden. Eine Veränderung der Symptomatik ergibt sich infolge des analytischen Prozesses, indem die bislang unzugänglichen Krankheitsursachen aufgedeckt, bearbeitet und integriert werden. Die Therapie kann mit einer Frequenz von ein- bis maximal dreimal 50 Minuten in der Woche stattfinden.
Kognitive Verhaltenstherapie zielt auf eine Veränderung des gegenwärtigen Denkens und Verhaltens ab. Die kognitive Verhaltenstherapie ist ein Anwendungsbereich der Verhaltensforschung und Lerntheorien. Im Mittelpunkt der Behandlung steht dabei die Veränderung des Verhaltens, Erlebens und Denkens durch Prozesse wie Neulernen, Umlernen und Verlernen. Therapeut und Betroffener führen zusammen eine genaue Analyse der Probleme durch, die als Lerngeschichte aus der Vergangenheit gesehen werden kann. In der Therapie werden systematisch ungünstige Verhaltensweisen und Denkmuster identifiziert und der Patient wird dazu angeleitet, hilfreiche Strategien zu entwickeln und diese schrittweise selbstständig einzusetzen, um so zu lernen, die nicht optimalen Verhaltensweisen zu verändern. Die Verhaltenstherapie verfügt zur Erreichung von Veränderungen und anvisierten Lösungen neben dem Gespräch über eine Vielzahl von bewährten Verfahren, die zum Teil auch außerhalb der Therapiesitzung oder als Hausaufgabe im Anschluss an die Therapiesitzungen durchgeführt werden. Die Therapie findet meist mit einer Frequenz von einmal 50 Minuten in der Woche statt, kann aber je nach Behandlungsphase auch häufiger (z. B. zweimal pro Woche) oder intensiver (z. B. längere Sitzungen bis zu zwei Stunden) durchgeführt werden.
In der Tat werden daher auch heute noch psychoanalytische Therapien von verhaltenstherapeutischen dadurch abgegrenzt, »als sie den Einfluss (untersuchen), den unbewusste Wünsche und Ängste auf das bewusste Erleben und Handeln im Hier und Jetzt ausüben.« (vgl. Definition oben) In diesem Sinne kann die Erforschung des Unbewussten in seinem Einfluss auf psychische Symptombildung mit dem Ziel, dauerhaft dem Patienten zu ermöglichen, unbewusste Konflikte und Phantasien zu erkennen und ihre determinierende Wirkung auf sein Fühlen, Denken und Handeln zu verändern, auch weiterhin als das Alleinstellungsmerkmal der Psychoanalyse gelten. Oder wie Ricardo Steiner (2003) in seiner Einleitung zu seinem Buch »Unconscious phantasy« abschließend feststellt: »Um dies zusammenzufassen: Wie der Leser sieht, war Freuds bahnbrechende Arbeit von 1911 über Jahre hinweg und in verschiedenen psychoanalytischen Schulen und kulturellen Traditionen Ausgangspunkt für viele verschiedene Auffassungen und Entwicklungen. Dennoch kann eines mit großer Sicherheit festgestellt werden: Welche Auffassung auch immer bezüglich von unbewussten Phantasien geäußert werden, gilt eine Aussage, die wir am Ende der Arbeit von Joseph und Anne-Marie Sandlers 1994 finden können […], dass Psychoanalyse ohne dieses Konzept nicht auskommt (›psychoanalysis cannot do without it.‹)« (Steiner, 2003, S. 54; Übersetzung MLB).
Bekanntlich hat Freud mit seiner Entdeckung des »dynamischen Unbewussten« zur dritten großen Kränkung der Menschen beigetragen: Nachdem sie sich mit dem kopernikanischen Weltbild von der narzisstischen Omnipotenz verabschieden mussten, die Welt stünde im Zentrum des Weltalls und nach den Entdeckungen von Darwin, sich nicht mehr als die »Krönung der Schöpfung« zu begreifen, sondern sich in die evolutionäre Folge der Lebewesen einordnen zu müssen, schockierte sie nun Freud mit der Einsicht, dass wir alle »nicht Herr im eigenen Hause sind«, sondern weitgehend und unerkannt durch unbewusste libidinöse und aggressive Triebimpulse und Phantasien gesteuert werden. Ins Fremde in uns, ins Unbewusste, werden jene Teile der Persönlichkeit verbannt, die in der jeweiligen Kultur verboten und tabuisiert sind. Im Wien anfangs des 20. Jahrhunderts waren dies vor allem sexuelle Impulse und Phantasien, die, wie Freud dies entdeckte, die ersten Lebensjahre prägten und sich an notwendige, biologische Bedürfnisse, wie das Saugen, die Sphinkterkontrolle und die Einordnung in das familiäre Beziehungsnetz anlehnte. Aus diesen lebensnotwenigen Impulsen entwickelten sich – nach Freud – Triebbedürfnisse, die im Unbewussten als mächtige Motivationssysteme wirken und – trotz kultureller Ächtung – nach Befriedigung drängen. In all seinen Werken warnte er davor, diese unbewussten Kräfte zu verleugnen. Nur die Einsicht in ihre Wirksamkeit könne einen weisen Umgang mit ihnen garantieren: ein Wegschauen und Negieren des Unbewussten führe nicht nur in die seelische Krankheit, sondern vergrößere die Gefahr von ungesteuerten Triebdurchbrüchen und bedrohe das menschliche Zusammenleben und unsere Kultur.
Freud beschrieb unterschiedliche antagonistische Triebkonstellationen. In seiner ersten Triebtheorie unterschied er zwischen Ich- und Selbsterhaltungstrieben, später zwischen Ich- oder Selbsterhaltungstrieben einerseits und Objektlibido andererseits. In der dritten und umstrittensten Triebtheorie beschrieb er einen Lebens- und einen Todestrieb und verstand diese als philosophisches Gegensatzpaar. In dieser definierte er einen Sexual- und einen Aggressionstrieb, die er als Manifestationen von Eros und Thanatos erklärte.
Die Triebtheorie hat sich während der letzten 100 Jahre weiterentwickelt und zu einer Vielfalt von einzelnen psychoanalytischen Schulen geführt, die sich besonders bezüglich ihrer Definition des »dynamischen Unbewussten«, d. h. ihrer Auffassung vom Inhalt und der Funktionsweisen unbewusster Impulse und Motivationen, unterscheiden, worauf wir in diesem Band näher eingehen (vgl. dazu auch Mertens, 2010).

1.2 Das Unbewusste in Zeiten einer pluralen Psychoanalyse

So hat sich die Psychoanalyse als klinische und konzeptuelle Wissenschaft mit weltweit 12 000 Mitgliedern der International Psychoanalytical Association inzwischen derart ausdifferenziert, dass wir von einem Zustand der »Pluralität der Theorien« sprechen und sich die Frage stellt: Gibt es sie wirklich »die Psychoanalyse«? Existieren nicht vielmehr »viele Psychoanalysen« nebeneinander? Sprechen moderne ichpsychologisch orientierte Psychoanalytiker, wie z. B. Fred Pine (2011) aus New York, auch heute noch vom »dynamischen Unbewussten« als das von der Psychoanalyse untersuchte Produkt abgewehrter Impulse und Triebwünsche, definieren andere, z. B. Giuseppe Civitarese (2011) aus Pavia, bezugnehmend auf Bion, von einem Kontinuum von Bewusstem und Unbewusstem. Das Unbewusste breche nicht z. B. durch Versprecher, Symptome und Inszenierungen ins Bewusstsein ein, sondern jeder bewusste Vorgang sei immer auch von unbewussten Prozessen begleitet. Auch Werner Bohleber (2011) aus Frankfurt a. M. geht angesichts von Befunden der Neurowissenschaften und der experimentellen psychologischen Forschung zu unbewussten Formen der Informationsverarbeitung von einem nicht-verdrängten Unbewussten aus und betont die Vielfalt unterschiedlicher Konzeptionen des »Unbewussten« in der heutigen Psychoanalyse. Jorge Luis Maldonaldo (2011) aus Buenos Aires, hält hingegen nach wie vor am Konzept des dynamischen Unbewussten und der psychoanalytischen Konflikttheorie fest, das den Gegenstand der Psychoanalyse von jenen anderer Disziplinen unterscheide, die latente, nicht bewusste Informationsverarbeitungsprozesse erforschen. Miguel Kolteniuk Krauze (2011, S. 2) aus Mexico City, schließlich plädiert, ausgehend von Jacques Lacan, für zwei Dimensionen des Unbewussten als ein System »der Urverdrängung, die durch ihre Beharrungskraft und mangelnde Symbolisierbarkeit charakterisiert ist, und der durch den Primärvorgang und seine Schicksale gekennzeichneten sekundären Verdrängung: daher auch André Greens Ansatz, dem es um die Erhaltung der Triebdimension geht.«
Alle diese Autoren waren Hauptreferenten des IPA-Kongresses 2011 in Mexico City mit dem Thema Exploring Core Concepts: Sexuality, Dreams and the Unconscious (vgl. unten). Die kurze Zusammenfassung ihrer unterschiedlichen Auffassungen mag auf Anhieb illustrieren, dass die Pluralität von Theorien einerseits zum Reichtum der heutigen, internationalen Psychoanalyse als einer Disziplin gehört, die sich immer schon mit hoch komplexen klinischen Phänomenen beschäftigt hat und versucht, bewusstes, vorbewusstes und unbewusstes seelische Geschehen zusammen mit ihren Patienten zu entschlüsseln. Die Vielfalt von Theorien ermöglicht, wie beim Blick durch ein Kaleidoskop, immer wieder neue Muster in den komplexen klinischen Phänomenen zu erkennen, immer wieder neue Aspekte psychischer Wirklichkeiten in psychoanalytischen Behandlungen zu thematisieren und in einem sensiblen, kritischen Dialog zusammen mit dem Analysanden auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wie anhand von konkreten Beispielen aus der psychoanalytischen Praxis in diesem Band gezeigt werden soll, erleichtert die Pluralität heutiger Konzeptionen des Unbewussten daher das tastende Annähern an idiosynkratische unbewusste Wahrheiten und den meist vielschichtigen Sinn von Symptomen und psychischen Einschränkungen aufgrund unbewusst gewordener Phantasien und Konflikte zu verstehen. Sie bereichert den zirkulären Erkenntnisprozess, die klinisch-psychoanalytische Forschung (vgl. 1.4).
Bezogen auf die Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin, die ihre Erkenntnisse, wie jede andere Wissenschaft in der nichtpsychoanalytischen Community kritisch zur Diskussion stellen und ihre Identität in Abgrenzung zu anderen Therapieverfahren immer wieder neu definieren und kommunizieren muss, hat die Pluralität heutiger psychoanalytischer Theorien allerdings auch Schattenseiten. Wenn gegen innen und außen nicht mehr klar ist, ob es »one psychoanalysis or many« (Wallerstein) gibt und ob Grundkonzepte wie »das Unbewusste« nach wie vor den spezifischen Forschungsgegenstand der Psychoanalyse charakterisieren, besteht die Gefahr einer Fragmentierung, einer Beliebigkeit theoretischen Verstehens sowie eines Auseinanderfallens dieser wissenschaftlichen Disziplin. Daher sind immer wieder intellektuelle und konzeptuelle Anstrengungen notwendig, die pluralen Ansätze zu zentralen Konzepten wie »dem Unbewussten« kritisch miteinander in Beziehung setzen, um neue theoretische Integrationen zu gewinnen (vgl. dazu u. a. Ellmann, 2010).
Einem solchen Anliegen diente der 47. Internationale Kongress der International Psychoanalytical Association im Juli 2011 in Mexico City. Drei zentrale Konzepte der Psychoanalyse, die Sexualität, der Traum und das Unbewusste, wurden von führenden Theoretikern der unterschiedlichen Regionen und Theorieauffassungen in Plenumveranstaltungen einander gegenüber gestellt und in anschließenden Arbeitsgruppen intensiv diskutiert. In einem Schlusspanel wurde der Erkenntnisstand festgehalten und erste Integrationsansätze eruiert. Um die Metapher nochmals aufzugreifen: ein Blick durch ein Kaleidoskop dank unterschiedlicher theoretischer Konzeptualisierungen des Unbewussten kann sehr wohl einen Eindruck von der Vielfalt und Komplexität klinischer Beobachtungen vermitteln, doch die Frage bleibt, ob zwischen den unterschiedlichen Theorieansätzen unüberbrückbare Widersprüche existieren, die in wissenschaftlichen Kontroversen geklärt werden müssen, um die Theorieentwicklung in der modernen Psychoanalyse voranzubringen. Nur wenn die Linse des Kaleidoskops immer wieder neu geschärft wird, können Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in den einzelnen Konzeptualisierungen von Unbewussten erkannt und fruchtbar diskutiert werden, eine Voraussetzung für innovative Weiterentwick-lungen in der Psychoanalyse als international verankerte Wissenschaft.
Welche Ansätze zu theoretischen Integrationen zu den verschiedenen Konzepten des Unbewussten eröffneten sich im Rahmen des erwähnten Kongresses? Als erste Übereinstimmung wurde deutlich, dass für alle Theoretiker der unterschiedlichsten Provenienz die klinisch-psychoanalytische Praxis, d. h. die intensiven Beobachtungen mit einzelnen Patienten in Psychoanalysen und psychoanalytischen Therapien nach wie vor Ausgangs- und Orientierungspunkt für ihre theoretischen Überlegungen waren. In diesem Sinne identifizierten sich alle Sprecher nach wie vor mit der »Junktimforschung«, der unvermeidlichen Verbindung von Forschung und Praxis, mit der Freud die spezifische Feldforschung der Psychoanalyse charakterisierte Daher bildete die sog. »klinische Forschung der Psychoanalyse« das Verbindungsglied trotz aller theoretischen Unterschiede.
Bekanntlich charakterisierte Freud 1927 im »Nachwort zur Frage der Laienanalyse« (S. 386) die Psychoanalyse als »Junktimforschung«: »In der Psychoanalyse bestand von Anfang an ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge betreiben, vertiefen wir unsere eben aufdämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben. Diese Aussicht auf wissenschaftlichen Gewinn war der vornehmste, erfreulichste Zug der analytischen Arbeit.« (vgl. 1.4)
Allerdings war gleichzeitig deutlich zu beobachten, dass die These des Medizinhistorikers George Makari (2008) auch heute noch gilt, der in seinen detaillierten, präzisen Analysen beschreibt, dass die Psychoanalyse als wissenschaftliche Disziplin von Anfang an in einem spezifischen Spannungsfeld stand. Makari beschreibt den unausweichlichen Konflikt von Psychoanalytikern zwischen dem Wunsch einerseits, sich seine Identität als Psychoanalytiker immer wieder dadurch zu versichern, dass man sich als zugehörig zu der psychoanalytischen Community fühlt, mit Kolleginnen und Kollegen die komplexen klinischen Beobachtungen und darauf basierende Konzepte und theoretische Überlegungen teilen und diskutieren kann: nur durch diesen internen Dialog, der zu der einzigartigen Kultur von Supervision und Intervision unter Psychoanalytikern geführt hat, ist es möglich, den ständigen, verunsichernden Dialog mit Analysanden in der psychoanalytischen ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Copyright
  4. Geleitwort zur Reihe
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Einleitung
  8. Teil I – Konzepte und Kontroversen zum Unbewussten in der pluralen, internationalen Psychoanalyse
  9. Teil II – Konzeptualisierungen des Unbewussten in der Weiterentwicklung der Theorien Freuds: Vertiefende Überlegungen
  10. Literatur
  11. Sachregister