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Sozialisation - Integration - Kontrolle

  1. 335 Seiten
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Sozialisation - Integration - Kontrolle

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Zur Beschreibung und Erklärung des Personalgeschehens in Organisationen dient diesem Lehrbuch der funktionalistische Ansatz. Dieser befasst sich mit den Kräften und Handlungen, die dazu beitragen, den Bestand einer Organisation zu sichern und deren Entwicklung zu fördern. Im Lichte dieses Ansatzes kommt einer fundierten personalwirtschaftlichen Gestaltung eine elementare Bedeutung für das Wohlergehen einer Organisation und ihrer Mitglieder zu. Ein erster Schwerpunkt des vorliegenden Buches befasst sich daher mit der Frage, welche Überlegungen bei der Praxisgestaltung anzustellen sind und welche Maßnahmen man ergreifen sollte, damit sich die gewünschten Ergebnisse auch einstellen. Personalarbeit lässt sich dabei nicht auf die Tätigkeiten etwa der Personalabteilung reduzieren, Personalarbeit geschieht selbst dann, wenn es überhaupt keine Personalabteilung gibt, denn Personen werden eingestellt, entlassen, bezahlt, geführt usw., gleichgültig ob es für diese Tätigkeiten spezialisierte Stellen gibt oder nicht. Der zweite Schwerpunkt des Buches liegt auf der Erklärungsaufgabe. Präsentiert und diskutiert werden ausgewählte Theorien sowohl zur Erklärung des Verhaltens der Mitglieder einer Organisation als auch zur Erklärung des Verhaltens der Organisation selbst, wobei diesbezüglich der Schwerpunkt auf die Erklärung der Personalpolitik und der Muster der Personalarbeit gelegt wird.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170296886

Kapitel 1: Grundlagen

1 Einführung

Organisationen sind soziale Systeme. Sie haben daneben aber auch Eigenheiten, die sie von anderen sozialen Systemen unterscheiden. Dazu gehört beispielsweise der Tatbestand, dass Organisationen nicht Selbstzweck sind, sondern zur Erreichung ganz spezifischer Zwecke gegründet werden. Zudem kann nicht jedermann ohne weiteres Mitglied einer Organisation werden, die Aufnahme in eine Organisation unterliegt vielmehr formalen Bestimmungen. Ferner gründen die sozialen Beziehungen in einer Organisation auf sachlichen Festlegungen und sind nicht etwa dem persönlichen Gutdünken anheimgegeben. Ein weiteres wichtiges Merkmal, das Organisationen von anderen sozialen Systemen unterscheidet, ist dass sie eine »Verfassung«, d. h. ein rechtlich und sozial verbindliches Regelwerk haben. All dies ändert aber nichts am Grundcharakter von Organisationen, an der Tatsache, dass sie soziale Systeme sind und deswegen aus nichts anderem bestehen als aus ihren Teilnehmern – und aus deren Beziehungen untereinander. Häufig wird dies vergessen oder verschleiert. So wird beispielsweise in vielen Darstellungen des Personalwesens und der Personalarbeit von Organisationen gesprochen, als handle es sich hierbei um eigenständige Akteure, d. h. um lebendige Wesen mit eigenem Verstand und eigenen Willen. Gemäß dieser Perspektive geht es darum, die »Elemente« der Organisation dazu zu veranlassen, den Zielen dieses vermeintlichen Akteurs zu folgen. Das »betriebliche Personalwesen« ist aus dieser Sicht lediglich eine abgeleitete Größe, ein disponibler Faktor, der letztlich nur dazu dient, den strategischen Absichten »der Organisation« zum Erfolg zu verhelfen. Viele fachspezifischen Publikationen vermitteln den Eindruck, als habe man es beim Personal mit etwas Dinglichem zu tun: So wie ein Betrieb eine Maschinenausstattung hat, so hat er eben auch eine Personalausstattung. Die Verwertungslogik, die hinter diesem Sprachgebrauch steckt, ist unverkennbar. Sie gründet in dem Tatbestand, dass Organisationen Zweckgebilde sind und sich das Interesse an den Mitgliedern einer Organisation daher – einer vorgeblichen Sachlogik folgend – vor allem auf deren Arbeitskraft richtet. Personen werden damit zu Personal.
Es ist ja durchaus ein legitimes, ja notwendiges Anliegen, sich der Frage zu stellen, wie man das Zusammenwirken der Organisationsmitglieder gestalten soll, damit die Organisationszwecke erreicht werden. Aus der Tatsache, dass man mit »Personalangelegenheiten« strategisch und praktisch umgehen muss, folgt allerdings nicht, dass man das »Personal« wie ein Ding betrachtet und es in technokratischer Weise einem oberflächlichen Optimierungskalkül unterwirft. Das verbietet sich nicht nur aus ethisch-moralischen und sozialpolitischen Gründen, sondern auch deswegen, weil man der komplexen sozialen Wirklichkeit des Personalgeschehens nicht mit simplen Patentrezepten beikommt. Bevor man zu Gestaltungshandlungen schreitet, sollte man sich Klarheit darüber verschaffen, was man mit ihnen bewirkt und was man dafür in Kauf nimmt. Praktiker brauchen nicht nur Werkzeuge, mit deren Hilfe sie in die Lage versetzt werden, die soziale Wirklichkeit zu gestalten, sie brauchen zuallererst ein Verständnis für die Gesetzmäßigkeiten des sozialen Geschehens. Sie sollten also verstehen, was das Handeln der Organisationsteilnehmer bestimmt, in welche sozialen Prozesse es eingebettet ist und in welcher Weise strukturelle und institutionelle Voraussetzungen hierauf Einfluss nehmen. Und man sollte sich als verantwortungsbewusster Mensch auch über die herrschende Gestaltungspraxis selbst Klarheit verschaffen, sich also fragen, warum es diese oder jene Praxis gibt, warum Arbeitsprozesse unterschiedlich gestaltet werden, warum in Organisationen sehr unterschiedlich geführt, belohnt und bestraft wird. Zu untersuchen wäre also, wie es kommt, dass sich manche Praxisformen (zeitweise) durchsetzen, andere dagegen nicht. Auch diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn man die Bestimmungsgründe für das Handeln von Menschen und die Eigengesetzlichkeiten des sozialen Geschehens versteht, wenn man durchschaut, welche sozialen Prozesse dafür verantwortlich sind, dass sich bei der Gestaltung der organisationalen Wirklichkeit bestimmte Lösungen aufdrängen, andere dagegen ignoriert, beiseitegeschoben, verwässert oder pervertiert werden. Wenn man zu haltbaren und qualitativ hochwertigen Praxislösungen kommen will, dann muss man verstehen, welche Gesetzmäßigkeiten das organisationale Verhalten bestimmen. Außerdem sollte man von einem gestalterisch tätigen Menschen verlangen, dass er sich darüber Gedanken macht, welche materiellen und immateriellen Kosten mit einer konkreten Praxislösung verbunden sind und welche Neben- und Folgewirkungen mit ihr einhergehen.
Mit all diesen Fragen beschäftigt sich das vorliegende Buch. Wir behandeln ausgewählte personalwirtschaftliche Gestaltungsansätze, betrachten die Gestaltungsparameter, die diesen Ansätzen ihre je spezielle Gestalt geben und diskutieren die Wirkungen, die von alternativen Gestaltungshandlungen ausgehen können. Außerdem behandeln wir ausgewählte Theorieansätze, die Auskunft über Verhaltensmechanismen geben und die dabei helfen, zu tieferen Einsichten über das personalwirtschaftliche Geschehen zu gelangen. Zunächst gehen wir aber auf einige grundlegende Überlegungen ein. Wir folgen dabei dem Grundkonzept, das in dem Buch »Personal. Theorie, Politik, Gestaltung« (Martin 2001) ausführlicher beschrieben ist. Das vorliegende Buch versteht sich als Fortführung der dort behandelten Fragen.

2 Funktionen, Aufgaben, Ziele

Bei der Betrachtung des betrieblichen Personalgeschehens bedienen wir uns einer funktionalistischen Argumentation. Wir beschäftigen uns mit den grundlegenden Anforderungen (den »Grundfunktionen«), denen Organisationen gerecht werden müssen und mit den wichtigsten Funktionen des Personalwesens (dessen »Funktionsfeldern«). Im Kern geht es dabei um die für das Bestehen und das Gedeihen jeder Organisation essentiellen Vorgänge und Voraussetzungen. Von Funktionen zu sprechen hat allerdings leicht etwas Beliebiges. Die Funktion einer Armbanduhr besteht darin, die Zeit anzuzeigen, sie kann aber auch darin bestehen, Geschmack zu beweisen; ein Automobil braucht eine Lichtmaschine um die elektrischen Geräte mit Strom zu versorgen und um die Batterie aufzuladen; der Magen dient der Verdauung und zeigt Hungergefühle an; die Anweisung eines Vorgesetzten kann eine bessere Aufgabenerledigung voranbringen, sie kann aber auch seine Macht demonstrieren; ein Buch zu lesen kann der Entspannung dienen, der Information oder der Belehrung. Man muss also bei der Betrachtung von Funktionen immer die Frage stellen, wofür das Objekt, das Verhalten, der Prozess (oder was immer der Funktionsträger sonst ist), eine Funktion sein soll. Häufig unterbleibt der explizite Hinweis auf den Funktionszweck, was unproblematisch ist, wenn der Problemkontext bekannt ist. Nicht selten führt der Verzicht auf die genaue Spezifikation der Funktion aber auch zu Missverständnissen und Ungenauigkeiten.
Funktionen sind etwas anderes als Aufgaben. Aufgaben sind verbindliche, d. h. auf autorisierten Entscheidungen beruhende Regelungen, die für bestimmte Personen, Stellen oder Instanzen gelten. Sie machen eine Aussage darüber, welche Tätigkeiten von wem (und häufig auch: wie) zu erbringen sind. Aufgaben werden also ganz bewusst konzipiert, es werden hierfür Verantwortlichkeiten festgelegt, deren Erfüllung eingefordert wird. Funktionen gewinnen ihre Bedeutung dagegen nicht durch Entscheidungen und Anordnungen. Sie sind einfach »unumgänglich«, d. h. man kann sie nicht abschaffen, denn sie gewinnen ihre Kraft nicht durch einen Willen, sondern durch die Natur und ihre Gesetzmäßigkeiten – im Falle von sozialen Funktionen also durch Gesetzmäßigkeiten, die das Funktionieren von sozialen Systemen betreffen.
Funktionen sind auch nicht etwa Ziele. Ziele sind Ausdruck des Anspruchs bestimmte wünschenswerte Zustände herbeizuführen. Es handelt sich bei Zielen um »Entscheidungsprämissen«, die man seinem Handeln zugrunde legt. Zwei Beispiele sollen die Unterschiede zwischen Funktionen, Zielen und Aufgaben veranschaulichen. Betriebswirten ist unmittelbar einsichtig, dass ein Unternehmen dafür sorgen muss, dass es über ausreichend Liquidität verfügt. Wer kein Geld hat, kann keine Waren beschaffen, keine Zinslasten bedienen, seine Mitarbeiter nicht bezahlen. Die Sicherstellung der Liquidität ist eine Grundfunktion bzw. genauer, ein funktionales Erfordernis des Überlebens, wird es nicht eingelöst, wird das Unternehmen nicht fortbestehen können. Nun gibt es keine spezielle Aufgabe »Liquiditätssicherung«. Liquidität entsteht aus der Geschäftstätigkeit, aus den richtigen Preisentscheidungen, dem sparsamen Umgang mit Ressourcen, der investiven Kapitalbindung, klugen Finanzanlagen, kooperativen Geschäftsbeziehungen, der Reputation und vielen weiteren Größen. Das heißt nun wiederum nicht, dass es keine Stellen oder spezielle Teilaufgaben geben kann, die sich mit Liquiditätsproblemen beschäftigen. Ein Beispiel ist die Finanzplanung, die in jedem Unternehmen einen Platz haben sollte. Nur wird dadurch, dass in einem Unternehmen eine Finanzplanung durchgeführt wird, natürlich noch nicht dessen Liquidität gewährleistet, sie leistet hierzu nur einen Beitrag. Und in diesem Sinne sind auch Ziele zu verstehen. Man kann z. B. das Ziel verfolgen, eine möglichst hohe Rendite der Finanzanlagen zu erreichen, was normalerweise bedeutet, dass man sein Geld langfristig anlegen muss. Man kann aber auch hohe Finanzierungsreserven anstreben, was allenfalls kurzfristige Geldanlagen gestattet. Ähnlich kann man auf der Beschaffungsseite das Ziel ausgeben, möglichst alle Skonti auszunützen, die sich normalerweise mit kurzen Zahlungsfristen verknüpfen, man kann aber auch längere Zahlungsfristen präferieren usw. Ein Beispiel für ein funktionales Grunderfordernis aus dem Personalbereich ist die »Personalbereitstellung«: Gelingt es nicht, geeignete Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, wird sich das nicht nur irgendwie nachteilig auf das Unternehmen auswirken, es wird vielmehr gezwungen sein, seinen Betrieb einzustellen. Die Funktion der Personalbereitstellung lässt sich ebenfalls keinem einzelnen Aufgabenträger zuordnen, ihre Erfüllung hängt vielmehr von vielen Teilaspekten ab, so unter anderem von den Arbeitsmarktgegebenheiten, der Attraktivität der Vergütung, den Arbeitsbedingungen, dem Führungsverhalten usw. Dessen ungeachtet, gibt es Teilaufgaben, die einen Beitrag zur »Personalbereitstellung« leisten: In der Personalabteilung beschäftigen sich Personen z. B. mit der Gestaltung des Außenauftritts, andere beraten die Vorgesetzten bei der Personalauswahl, die Geschäftsführung macht sich Gedanken über die Ausgestaltung der Gehaltsgruppen, die Lohnhöhe usw.
Die personalwirtschaftlichen Zielsetzungen sind innerhalb und zwischen den Unternehmen oft alles andere als einheitlich. So findet man beispielsweise bezüglich der Lohngestaltung in vielen Unternehmen eine übertarifliche Bezahlung. Anderswo hält man sich strikt an Tarifvorgaben und in etlichen Unternehmen ignoriert man das Tarifgefüge völlig. Ähnlich heterogen sind die Ziele und die damit verbundenen Vorstellungen in der Regel auch bei den anderen personalwirtschaftlichen Aufgabenfeldern, also beispielsweise bei der Personalgewinnung und -auswahl, der Personalförderung, der Arbeitsvertragsgestaltung, der Personalführung und der Sozialpolitik. Eine weitere Komplikation ergibt sich aus dem Tatbestand, dass nicht nur Ziele und Funktionen auseinanderfallen, sondern dass es neben »tatsächlichen« auch noch »vorgebliche« Ziele gibt. Manchmal begründet sich der Unterschied in taktischem Verhalten, manchmal irrt man sich aber auch über die eigenen Motive und Ziele. Beispiele hierfür dürfte jeder aus dem Alltag kennen. Wenn man einen Kollegen fragt, warum er sich damit hervortun muss, seine vielen Erfolge und Erfolgsrezepte so ausführlich zu schildern, dann wird er wahrscheinlich antworten, dass er uns einfach informieren will, was wir ihm aber oft nicht glauben. Wir vermuten eher, dass sein eigentliches Ziel darin besteht, uns zu beeindrucken und von uns bewundert zu werden, was sich unser Kollege aber schwerlich eingestehen will. Möglicherweise geht es in seinem Verhalten aber gar nicht um solche Ziele, sondern um eine tiefer liegende psychische Funktion, etwa um die, mit seinem Renommiergehabe den eigenen Minderwertigkeitskomplex zu beschwichtigen und damit seiner psychischen Stabilität aufzuhelfen. Beispiele für den Unterschied zwischen tatsächlichen und vorgeblichen Zielen auf Unternehmensebene findet man häufig in der Beschäftigungspolitik. Unternehmen bauen oft »Randbelegschaften« auf, die weniger attraktive Beschäftigungsverhältnisse genießen als die »Stammbelegschaften«. Begründet wird dies normalerweise mit dem Wunsch, flexibel auf Beschäftigungsschwankungen reagieren zu können, tatsächlich geht es aber oft einfach um Kosteneinsparungen. Doch die eigentlich interessante systemstabilisierende Funktion beruht nicht so sehr auf den mit den entsprechenden Maßnahmen anvisierten Wirkungen, sondern darauf, dass die Segmentierung der Belegschaft gewissermaßen »nebenbei« die Identifikationsbereitschaft der Kernbelegschaft stärkt.
Die Funktionsbetrachtung hat durchaus Schwächen. Die Aussagen, die sie liefert, haben einen begrenzten Informationsgehalt. Die inhaltlichen Aussagen erschöpfen sich oft in Behauptungen wie der, dass jedes soziale System über Anreizmechanismen verfügt, die die Mitglieder des Systems dazu veranlassen, Beiträge zu erbringen, die den Bestand des sozialen Systems gewährleisten. Welche Anreizmechanismen (Kontrollmechanismen, Integrationsmechanismen usw.) dazu geeignet sind, die Funktionstüchtigkeit des sozialen Systems sicherzustellen, bleibt dabei offen. Auch lassen sich Funktionen manchmal nur schwer lokalisieren, weil sie nicht immer von einem und nur einem exakt zu beschreibenden Funktionsträger (Aggregat, Organ, Rolleninhaber, Wirkungszusammenhang) ausgefüllt werden. Ein Beispiel ist der Interessenausgleich, der erfolgen muss, wenn es um die Zuteilung von Arbeitszeit geht, wenn also z. B. Schicht-, Nacht- und Wochenenddienste zu leisten sind. Beteiligt an diesem Interessenausgleich sind Planverfahren, Gehaltszulagen, Abreden zwischen den Mitarbeitern und die Moderationsleistung des Vorgesetzten. Eine weitere Unbestimmtheit ergibt sich daraus, dass der Ausfall eines Funktionsmechanismus nicht selten durch das Wirksamwerden eines anderen Funktionsmechanismus – durch ein sogenanntes funktionales Äquivalent – kompensiert werden kann. Ein Beispiel sind die sogenannten Führungssubstitute, die an die Stelle persönlicher Einflussnahme treten können. Ein Beispiel hierfür sind Leistungskennzahlen, an denen sich die Bezahlung orientiert und die damit dafür sorgen, dass sich die Mitarbeiter bemühen, ein hohes Leistungsniveau zu erreichen. Ein anderes Beispiel ist das Fließband, das die Koordination der Arbeitsschritte übernimmt. Und schließlich kommt es darauf an, unter welchem Blickwinkel man ein Objekt analysiert, je nachdem kommt man nämlich zu anderen »Funktionszusammenhängen«. Wenn man den Menschen beispielsweise als biologisches System betrachtet, hebt man gänzlich andere Aspekte heraus, als wenn man den Menschen als psychologisches System betrachtet. Wenn man in einem Unternehmen lediglich ein System von Produktionsfunktionen sieht, kommt man bezüglich der Personalfunktion zu anderen Einsichten als wenn man unter einem Unternehmen ein soziales System versteht usw.
Trotz dieser und weiterer Schwächen (Martin 2001, 2012) ist die Funktionsbetrachtung hilfreich. Sie lenkt den Blick auf Tatbestände, die »nicht hintergehbar« sind, deren Missachtung also die Gefährdung eines sozialen Systems zur Folge hat. Außerdem verlangt sie ein transparentes Nachdenken über grundlegende Wirkungszusammenhänge. Zwar kann der funktionalistische Ansatz das Funktionieren sozialer Systeme nicht wirklich erklären, er bietet aber einen wohl begründeten Denkrahmen, in den sich inhaltliche Erklärungsansätze gut einbetten lassen und er gibt uns damit ein wirksames Mittel an die Hand, um das Geschehen in sozialen Systemen gedanklich zu durchdringen und systematisch zu ordnen.

3 Grundfunktionen

Eines der Anliegen der Funktionalbetrachtung besteht – wie beschrieben – in der Identifikation von Grundfunktionen, deren Gewährleistung überlebensnotwendig ist. Aus der Alltagserfahrung ist jedem bekannt, dass der Zusammenhalt und damit die Weiterexistenz von sozialen Gruppierungen vielfach gefährdet ist. In sozialen Systemen ist die Einhaltung bestimmter Funktionsvoraussetzungen also nicht immer und von selbst gewährleistet. Je ausdifferenzierter soziale Systeme sind, desto mehr muss erstaunen, dass überhaupt »Ordnung existiert«, die Systeme also nicht auseinanderbrechen oder zerfallen. Je komplexer Systeme sind, desto stärker müssen die Bindungskräfte sein, die sie zusammenhalten. Dabei ist zu beachten, dass es hierbei nicht nur um die Teilnahmebereitschaft der einzelnen Organisationsmitglieder, sondern auch um die Subsysteme der Organisation und um deren Zusammenhalt und Zusammenwirken geht. Es wurden nun...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Kapitel 1: Grundlagen
  7. Kapitel 2: Integration
  8. Kapitel 3: Sozialisation
  9. Kapitel 4: Kontrolle
  10. Literatur
  11. Stichwortverzeichnis