Schulzeiten
eBook - ePub

Schulzeiten

Schulgeschichte aus Schülersicht (1870 bis heute)

  1. 222 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Schulzeiten

Schulgeschichte aus Schülersicht (1870 bis heute)

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Dieses Buch kennzeichnet ein radikaler Perspektivenwechsel auf die Schule. Es ist nicht der Blick der Lehrer, Eltern oder Bildungsforscher. Hier wird mit den Augen von Kindern und Jugendlichen auf das gesellschaftliche Unternehmen Schule geschaut. Autobiografische Berichte vergegenwärtigen den Schulalltag im Erleben damaliger Schüler und zeichnen prägnante Bilder des Schullebens. Das Buch verknüpft diese subjektive Sicht mit den übergreifenden gesellschaftlichen, politischen und historischen Tendenzen. In der Langzeitperspektive werden so thematische Querschnitte, etwa die Veränderungen in der Schule, aber auch eine hartnäckige Reformresistenz der Institution erkennbar. Zugleich werden aber auch die individuell erlebten Schulgeschichten beleuchtet, die sich in den Lebenslauf von Jungen und Mädchen unterschiedlichster Herkunft und Milieus eingeschrieben haben.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Schulzeiten von Imbke Behnken, Manuela du Bois-Reymond im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Bildung & Sekundarschulbildung. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2017
ISBN
9783170305571
 

1

Zur Einführung

Der Untertitel unseres Buches, Schulgeschichte aus Schulersicht, ist eine Herausforderung für alle an pädagogischen Handlungen Beteiligten und Interessierten. Herausgefordert werden Lehrer, Eltern und Bildungsforscher, sich nicht nur als Erziehungsberechtigte und Experten zu sehen, sondern mit den Augen von Kindern und Jugendlichen auf das gesellschaftliche Unternehmen Schule zu schauen. Was sie dort sehen, ist der Inhalt unseres Buches. Denn wir nehmen programmatisch die Perspektive derer ein, auf die sich die Überzeugungen und Handlungen von Erwachsenen richten, die im pädagogischen Feld arbeiten. Wir sind einmal nicht die Bestimmenden, sondern die Zuhörenden. Was haben ehemalige Schüler und Schülerinnen uns über ihre Lehrer, den Unterricht, kurz ihre Schule zu erzählen? Wie haben sie ihre Schulzeit erfahren, wie beurteilen sie diese Anstalt, wenn sie später auf sie zurückschauen? Bot ihre Schule ihnen ein Klima, das sie zum Lernen anregte, oder beherrschten Regeln und starre Unterrichtsformen das Klima? Und welche Handlungsstrategien standen ihnen im Klassenzimmer und außerhalb der Schule zur Verfügung, um auch gegen systemische Widerstände ihre Interessen durchzusetzen?
In den hier dokumentierten autobiographischen Berichten über Schule taucht eine Vergangenheit auf, die uns Heutige einerseits sehr entfernt anmutet, die uns andererseits aber auch vertraut ist, sei es aus unserer eigenen Schulzeit, sei es als Eltern mit schulgehenden Kindern, sei es als Schulforscher, die Daten über die gegenwärtige Schule erheben und im gesellschaftlichen Kontext interpretieren.
Solche persönlichen und wissenschaftlichen Anschauungen rufen Fragen auf: War Schule immer so, oder was hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert – und in welche Richtung? Wir nehmen hierzu eine Langzeitperspektive ein, wir wollen 150 Jahre Schulgeschichte von unten durch die autobiographische Brille ehemaliger Schüler und Schülerinnen betrachten. Heutige Lehrer könnte unser Buch dazu anregen, ihre Berufsauffassungen und ihre Berufspraxis vergleichend zu überdenken, ebenso wie Schulpolitiker darüber ins Grübeln kommen könnten, wie beharrlich Schule auf ihren eingefahrenen Prozeduren und Lösungen von Problemen besteht, trotz aller inzwischen durchgeführten Schulreformen.
In der Schule geht es um Lernen, um den Erwerb von Wissen und Zertifikaten; das ist ihr offizieller Auftrag. In der Schule geht es aber um viel mehr und anderes, nämlich um Leben und Überleben, es laufen dort außer den formalen Lernaufträgen auch kognitive, soziale und emotionale Aneignungen von Umwelten ab, die nicht im Lehrplan stehen. Wie verhält man sich als Schüler gegenüber mächtigen Erwachsenen? Wie schafft man sich Freiräume? Wie vermindert man Lernstress und verschafft sich Luft? Das ist das informelle Curriculum, das neben dem formellen einhergeht und Schule erst richtig ausmacht.
Im folgenden Kapitel 2 – Schulerleben in zivilisatorischer Sicht – schaffen wir für all diese Phänomene einen theoretischen Hintergrund, der es uns erlaubt, subjektives Erleben mit objektiven gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen zu verknüpfen, und wir tun dies unter dem Gesichtspunkt von Wandel und Beharrungsvermögen.
Kapitel 3 – Schulzeit in autobiographischer Perspektive von Jugendlichen – führt die Leser in Forschungen über Biographie und Lernen ein und führt sie ins Herz unseres Buches, die Quelle Autobiographie. Diese Quelle benutzen wir zweifach: einmal für eine Querschnittauswertung, in der wir viele Quellen themengerichtet erschließen; zum anderen, indem wir monographische Portraits erstellen, in denen das Schulleben einer bestimmten Person im autobiographischen Zusammenhang über ihre gesamte Schulzeit (und darüber hinaus) aufscheint. Diese beiden Verfahren – Querschnitt und Lebenswelt – stehen in einem produktiven Spannungsverhältnis zueinander. Thematische Querschnitte sagen nur ausschnitthaft etwas über die individuelle Person aus, dafür aber Einschlägiges über das betreffende Thema, etwa das Lehrer-Schülerverhältnis. Monographien lassen tiefere Einblicke in die Persönlichkeit und die Lebenswelt der Autographen zu, in ihre Bildungs- und allgemeine Entwicklungsgeschichte, in der möglicherweise auch andere Motive und Sachverhalte erscheinen als in den Querschnitten.
Wir führen unsere Leser nach den beiden Theoriekapiteln durch drei thematische Querschnitt-Kapitel (4, 5, 6) und ein längeres Monographie-Kapitel (7). Im letzten Kapitel (8), Rückschau auf 150 Jahre deutsche Schulgeschichte aus Schülersicht, fragen wir uns und unsere Leser nach dem Ertrag unserer Arbeit.

2

Schulerleben in zivilisatorischer Sicht

Einleitung

Hier geht es uns darum, das Thema dieses Buches »Schule von unten« in theoretische und empirische Diskurse und Überlegungen einzubetten, die uns in unserer eigenen wissenschaftlichen Arbeit über Kindheit und Familie, Schule und Lernen, Schüler und Lehrer sowie, ganz allgemein, gesellschaftliche Wandlungen angeleitet haben und uns vertraut sind. Dabei lassen wir uns von den Arbeiten Norbert Elias‹ und seiner Mitdenker anregen (Elias 1969; 1986; Gleichmann/Goudsblom/Korte 1977; 1979; 1984; Wouters 1999; Krumrey 1982). Sie haben den westeuropäischen Zivilisationsprozess bis in die jüngere Gegenwart verfolgt und zu seinem Verständnis eine Reihe von Teiltheorien und Konzepten vorgeschlagen, die wir in eigenen Forschungen weiterentwickelt haben und auch hier für unsere Darstellung und Analysen nutzen (Behnken/du Bois-Reymond/Zinnecker 1988; 1989; Behnken 1990).
Während die wissenschaftliche Produktion der sozio- und psychogenetischen Zivilisationstheorie seit den 1980er Jahren zu einem gewissen Stillstand gekommen ist, haben soziologische Modernisierungstheorien seither einen enormen Aufschwung genommen. Sie entstanden zum Teil parallel und in freundschaftlicher Nähe zu Elias, zum Teil in kritischer Distanz und mit anderen Erkenntnisinteressen. Wir selbst verhalten uns beiden Traditionen gegenüber unbefangen: Weder spielen wir die eine gegen die andere aus, noch fühlen wir uns der einen mehr als der anderen verpflichtet. Wir verfahren eklektisch: Wenn es um Lernen im allerbreitesten Sinn geht, so sind selbstverständlich auch bildungssoziologische, erziehungswissenschaftliche und lernpsychologische Theorien mitgefragt (Terhart 2015; Grunert/von Wensierski 2008; Coelen/Otto 2008; Schröer/Stauber/Walther u. a. 2013). Und wenn es um Wandlungen von Kindheit geht, also die jungen Lerner in und außerhalb der Familie, so holen wir uns auch aus der neuen Familien-, Jugend- und Kindheitssoziologie Anregungen (Leccardi/Ruspini 2006; Krüger/Grunert 2009; Breidenstein/Prengel 2005; Heinz/Zeiher 2005). Schon gar nicht wollen wir ethnografische und Lebenswelt-Traditionen vernachlässigen, zu deren Gründungsvätern Alfred Schütz (1975) und, aus dem amerikanischen Raum, Erving Goffman (1959; 1961) gehören.

Verschiebung von Machtbalancen

Schauen wir zwei, drei Generationen zurück in unsere eigenen Familien, so wird jedem von uns Gegenwärtigen klar, dass sowohl im familialen wie im größeren gesellschaftlichen Rahmen eine wesentliche Veränderung das Verhältnis zwischen Männern und Frauen und das Verhältnis zwischen Erziehern und Kindern betrifft (Krumrey 1982). Durch diese Entwicklungen verschiebt sich die Machtbalance zwischen den Geschlechtern, wobei wir hier das soziale Geschlecht meinen, mit dem englischsprachigen Begriff »gender« bezeichnet, und zwischen den Generationen. Dabei ist Macht nicht als eine Substanz zu denken, die quasi wie ein Kuchen aufgeteilt wird, wobei nun die Frauen und Kinder ein größeres Stück auf Kosten der Männer bekämen. Vielmehr geht es um einen Strukturwandel in der Figuration (Elias 1986) der Geschlechter/gender und der Generationen. In beiden Figurationen geht es um ein Ausbalancieren gegenseitiger Interessen und Bedürfnisse, und was Kinder betrifft, nicht nur gegenüber den Eltern, sondern auch gegenüber anderen (ehemaligen) Autoritätspersonen wie Pfarrern oder Lehrern. Diese Veränderungen korrespondieren mit makrosoziologischen Wandlungen, die Soziologen unter dem Sammelbegriff Modernisierung zusammenfassen und ausdifferenzieren (Herlth/Brunner/Tyrell 1994; Beck/Bonß/Lau 2001; Beck/Beck-Gernsheim 1990; Beck 1986; Zinnecker 2003b).
Insgesamt führt eine (mehr) ausgeglichene Machtbalance zu mehr Verhaltensalternativen und Verhaltensformen aller in einer Figuration involvierten Menschen, kleinen und großen. Sind in (stärker) hierarchischen Beziehungen nur wenige Aktions- und Reaktionsweisen vorgesehen – Respekt fordern und Respekt erhalten –, so öffnen sich nun für Menschen viel mehr Verhaltensvariationen. Kinder und Jugendliche sind Teil der Machtbalance und ihrer Wandlung hin zu mehr Anspruch auf Wahrung eigener Interessen. In älteren Familienfigurationen – denken wir etwa an die Kindergeneration der 1950er Jahre – hatten Kinder und Schüler wenig aktive Einflussmöglichkeiten auf das familiäre und schulische Geschehen; Eltern und Lehrer waren Respektpersonen, bis hin zu körperlicher Sanktionsgewalt. Das ist heute Ausnahme, nicht (mehr) Regel (du Bois-Reymond/Büchner/Fuhs/Ecarius 1994; Zinnecker 2003b).
Mehr Freiheit bedeutet nun aber nicht Zügellosigkeit. Wie insbesondere Bildungssoziologen thematisieren, erfordert eine gezielte und realistische Schulwahl Selbstdisziplin und Aufschub von momentaner Befriedigung (z .B. weniger Leistungsdruck in weniger anspruchsvollen Bildungsgängen oder schneller Geld verdienen – vgl. hierzu den Klassiker Paul Willis 1977). Wer dies nicht gelernt hat, kann auch zugenommene Wahlmöglichkeiten nicht optimal nutzen – womit allerdings nicht gesagt sein soll, dass schulische Benachteiligung aufgehoben wäre, wenn alle Kinder und ihre Eltern vernünftige Schulwahlen träfen.
Wenn sich so einschneidende Veränderungen in modernen Gesellschaften vollziehen, und dies in einem relativ kurzen Zeitraum (jedenfalls unter einer zivilisationstheoretischen Perspektive, die mit langen Zeiträumen rechnet), so fordert dies den betroffenen Personen enorme Lernleistungen ab, Männern wie Frauen, Vätern wie Müttern, jüngeren wie älteren Kindern und Jugendlichen. Sie beziehen sich schon auf die Kleinkind- und Vorschulphase, erst recht auf die Schule. Moderne Eltern haben aus dem verfügbaren gesellschaftlichen Wissen gelernt, dass eine gute Schulbildung für ihre Kinder lebenswichtig ist, ja selbst überlebenswichtig in einer stets mehr auf Wissen basierten Gesellschaft1. Sie stellen deshalb ihre Erziehungsvorstellungen um vom Einfordern von Gehorsam auf das Stimulieren sozialpsychologischer und kultureller Kompetenzen wie das Begründen eigener und Reflektieren anderer Meinungen, Sprachfertigkeit und die Zügelung von aggressiven Impulsen. Norbert Elias hat die Herausbildung dieser Fähigkeiten im zivilisatorischen Langzeitverlauf als die Emanzipation von Fremdkontrolle hin zu Selbstkontrolle analysiert (Elias 1969). Diese Entwicklungen erstrecken sich auf alle sozialen Milieus, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung und Geschwindigkeit.
Moderne Erzieher haben mit dem Widerspruch zu tun, anzuerkennen, dass Kinder und Jugendliche historisch mehr Entscheidungsmacht erobert haben, andererseits müssen sie von ihnen Frustrationstoleranz und Leistungsbereitschaft fordern. Deshalb müssen Machtbalancen im schulischen und außerschulischen Leben immer neu ausgehandelt werden.

Formalisierung – Informalisierung – Re-Formalisierung

Im Verlauf der letzten etwa 150 Jahre entwickelt sich in europäischen Gesellschaften eine Dynamik, die auch für unsere Thematik – Schulleben aus autobiographischer Sicht – bedeutungsvoll ist. Es handelt sich hierbei um den Übergang von stark formalisierten zu mehr informellen Verhaltensformen. Diese Dynamik hat eine Anlaufzeit und kulminiert in den 1960/70er Jahren in der kulturellen und sexuellen Revolution – Höhepunkt informeller Verhaltensweisen nach Jahrzehnten (viel) stärker reglementierter Verhaltenskodes, wie man dies gut anhand von Anstandsbüchern (Krumrey 1982) analysieren kann. Das impliziert eine Adjustierung der Selbstzwang-Fremdzwang-Balance: Wenn sich den Individuen aufgrund allgemeiner Demokratisierungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen mehr Wahlmöglichkeiten und erweiterte Verhaltensalternativen eröffnen, wenn ihr Verhalten also weniger durch Zwang von außen und oben gelenkt wird, so steigt im selben Atemzug die Notwendigkeit zur Selbststeuerung – in psychoanalytischer Terminologie: Gewissensbildung.2 Es kommt zu einer »Verringerung des Machtgefälles zwischen machtstärkeren und machtschwächeren Gruppen« (Elias 1990, S. 36). Diese Abschwächung des Machtgefälles finden wir auch im Verlauf der Schulgeschichte (s.w.u.), in der Beziehung von Lehrern und Schülern, Schüler haben sich gegenüber ihren Lehrern mehr Freiheitsgrade im Verhalten erobert, Lehrer haben sich weitgehend von Obrigkeitsideologien gelöst. Aber, wie Elias anmerkt: Diese Verringerung des Machtgefälles vollzieht sich in einer Gesellschaft – und zumal der deutschen – nicht gleichmäßig, sondern in den oberen Gesellschaftsklassen früher, während man sich »im Verkehr mit Tiefergestellten, wie es die Sprache uns in den Mund legt, keinen Zwang anzutun (braucht), man kann sich gehen lassen« (Elias 1990, 50).
Es dauerte drei bis fünf Generationen, bis diese Unterschiede ausgeglichen waren. Wir können das aus unseren schulhistorischen autobiographischen Quellen bestätigen: Um die Jahrhundertwende behandelten Lehrer ihre Schüler deutlich als Tiefergestellte, denen gegenüber man sich keinen Zwang antun musste, bis hin zu körperlichen Übergriffen; sechzig Jahre später ist bei Lehrern und Schülern die Selbstzwang-Fremdzwang Balance ausgeglichener.
Die Schulgänger der 1960/70er Jahre und später profitierten von Informalisierungsschüben, die tradierte Generationsbeziehungen aufweichten. Nicht nur Eltern und Kinder »verhandeln« nun auf Augenhöhe. Auch in den Schulen ist seither der Umgangston lockerer geworden, bis hin zum Duzen von Lehrern, und gewiss gibt es den militärischen Morgengruß nicht mehr, von Körperstrafen zu schweigen, unter denen so viel Schüler früher gelitten haben.3
Es handelt sich aber in der Schule um eine andere Einfärbung von Informalisierung als in den Familien. Familiäre Informalisierung geht gepaart mit einer Emotionalisierung und Pädagogisierung des Eltern-Kind Verhältnisses einher (weniger Geschwister, mehr Elternzeit pro Kind u...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 Zur Einführung
  6. 2 Schulerleben in zivilisatorischer Sicht
  7. 3 Schulzeit in autobiographischer Perspektive
  8. 4 Schule und Lehrer
  9. 5 Exkurs
  10. 6 Scholarisierung und Lebenswelt
  11. 7 Autobiographische Portraits
  12. 8 Rückschau auf 150 Jahre deutsche Schulgeschichte aus Schülersicht
  13. Literatur