Spannungsfelder der Krisenintervention
eBook - ePub

Spannungsfelder der Krisenintervention

Ein Handbuch für die psychosoziale Praxis

  1. 310 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Spannungsfelder der Krisenintervention

Ein Handbuch für die psychosoziale Praxis

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Jeder Mensch kann durch äußere Belastungen, wie Todesfälle, Trennungen, Unfälle, Gewalthandlungen oder veränderte Lebensumstände in Krisen geraten. Die Begleitung dieser Menschen stellt aufgrund der hohen Dringlichkeit für professionelle Helfer eine große Herausforderung dar. In diesem praxisorientierten Handbuch mit zahlreichen Fallbeispielen werden zunächst die gängigsten Krisentheorien erklärt. In weiteren Kapiteln wird auf die Gefahrenpotenziale von Krisen eingegangen und eine systematische Darstellung der Methodik und Anwendungsmöglichkeiten von Krisenintervention vorgenommen.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Spannungsfelder der Krisenintervention von Claudius Stein im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Medizin & Psychiatrie & geistige Gesundheit. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2009
ISBN
9783170273726

1 Kurze Geschichte der Krisenintervention

Wenn wir uns die Frage nach den Wurzeln der Kriseninterventionsarbeit stellen, so lassen sich im Wesentlichen fünf Entwicklungstendenzen finden, auf denen die aktuelle Theorie und Praxis aufbaut. Diese werden in einem kurzen historischen Rückblick dargestellt.
Die ersten beiden Entwicklungslinien finden sich in der theoretischen und praktischen Beschäftigung mit akuten Traumatisierungen und den Folgen schwerwiegender Verluste (vgl. Kap. 3.1 und 3.4.2). Dementsprechend sind heute die Begriffe Trauer und Traumatisierung eng mit Konzepten zum theoretischen Verständnis von Krisen und Krisenintervention verknüpft. Eric Lindemann, der 1942 nach der Brandkatastrophe von Coconut-Grove, bei der 140 Menschen in einem Tanzlokal umkamen, Hinterbliebene und Überlebende betreut und untersucht hat, kann diesbezüglich als einer der Pioniere gelten. Seine dabei gewonnenen Erfahrungen ließen ihn zu der Überzeugung gelangen, dass Menschen, die von derart schwerwiegenden Belastungen betroffen werden, unbedingt ein gezieltes psychiatrisches, psychologisches oder psychotherapeutisches Hilfsangebot benötigen. Gerald Caplan (1961, 1964) entwickelte diese Ansätze in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts weiter. Sein sozialpsychiatrisch-präventiver Ansatz zielte vor allen Dingen auf die Vermeidung unnötiger psychiatrischer Krankenhausaufenthalte ab. Auf der Basis ihrer Erfahrungen vertraten Lindemann und Caplan die Auffassung, dass im Sinne sekundärer Prävention Krisen möglichst frühzeitig bearbeitet werden sollten, und gründeten folgerichtig das erste Community Crisis Center.
Erik H. Erikson stellte in seinem 1959 erstmals erschienenen Buch »Identity and the Life Cycle« (deutsch: Identität und Lebenszyklus) sein Konzept der Entwicklungskrise vor, das sich vorwiegend mit der Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung des Individuums beschäftigt. Erikson stellt fest, dass jeder Mensch während seines Lebens bestimmte kritische Phasen durchlebt, in denen er mit existenziellen, neuen Aufgaben konfrontiert wird. Nur eine erfolgreiche Bewältigung dieser Entwicklungsaufgaben ermöglicht Reifung und Wachstum (siehe Kap. 3.4.1).
Da Suizidalität neben Gewalthandlungen die dramatischste Zuspitzung von Krisen darstellt, waren Konzepte zur Suizidprävention von Beginn an eng mit denen der Krisenintervention verknüpft, wobei Einrichtungen zur Suizidprophylaxe lange vor den ersten Kriseninterventionszentren gegründet wurden. Diese wurden zunächst von nichtärztlichen, karitativen Einrichtungen betrieben. Die erste Telefonseelsorge entstand 1895 in London. 1906 richtete die Heilsarmee in London eine Stelle zur »Selbstmordbekämpfung« ein. In den USA gilt der New Yorker Pfarrer Warren als der erste, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts einen Notruf für Suizidgefährdete gründete. 1927 wurden in Wien vom Fürsorgeamt der Wiener Polizeidirektion Maßnahmen für Menschen nach einem Suizidversuch entwickelt. Der Philanthrop Wilhelm Börner, Leiter der »Ethischen Gemeinde«, gründete kurz darauf ebenda eine Lebensmüdenstelle mit 60 ehrenamtlichen Mitgliedern. Diese war Vorbild für ähnliche Einrichtungen in mehreren Ländern Mitteleuropas (Sonneck el al., 2008). 1948 wurde im Rahmen der Caritas der Erzdiözese Wien die Lebensmüdenfürsorge von Erwin Ringel gegründet, die es sich zur Aufgabe machte, Personen nach einem Suizidversuch und Hinterbliebene von Menschen, die sich suizidiert hatten, zu betreuen. Ähnliche Einrichtungen folgten in ganz Europa. Chad Varah gründete 1953 in London »The Samaritans«, eine Organisation, die bis heute Suizidgefährdete telefonisch und persönlich unterstützt. In Deutschland richtete Pater Leppich 1954 eine telefonische Seelsorge in Nürnberg ein, deren Angebot auch für selbstmordgefährdete Personen gedacht war. 1956 wurde die ärztliche Lebensmüdenfürsorge Berlin (Klaus Thomas) gegründet und nach deren Vorbild in weiteren deutschen Städten telefonische Seelsorgedienste. In den USA entstand 1958 auf Initiative von N. S. Farberow das erste Suicide Prevention Centre in Los Angeles (Sonneck 2008).
Allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass isolierte Suizidprävention zu kurz greift. Krisen stellen häufig Situationen dar, in denen Menschen aufgrund der emotionalen Zuspitzung suizidal werden. Somit war es naheliegend, Konzepte der Suizidprävention mit denen der Krisenintervention zu verbinden. Aus der Lebensmüdenvorsorge Wien ging das Kriseninterventionszentrum Wien (KIZ) hervor, eine der ersten derartigen Institutionen in Europa. Auch dieses verstand sich zunächst als Einrichtung, die ihre zentrale Aufgabe in der Suizidprävention bzw. der Nachbetreuung von Menschen nach Suizidversuchen sah. Erst nach und nach entwickelte sich daraus ein umfassenderes Verständnis von Krisenintervention mit einem präventiven therapeutischen Ansatz.
Schließlich hat auch die sozialpsychiatrische Reformbewegung der 1970er Jahre wesentlich zur Entstehung der ersten Kriseninterventionszentren im deutschsprachigen Raum beigetragen. Das Verständnis, dass psychische Krisen eine zentrale Bedeutung bei der Entstehung psychischer Störungen haben, bzw. deren Verlauf beeinflussen, erforderte therapeutische Konzepte abseits der gängigen psychiatrischen Versorgungseinrichtungen, um durch rechtzeitige Intervention präventiv handeln zu können. Dies führte daher zur Gründung von Institutionen, die zwar eng mit ambulanten und stationären Einrichtungen der Psychiatrie vernetzt sind, aber aufgrund ihrer organisatorischen Unabhängigkeit ein niedrigschwelliges Angebot für jene Betroffenen darstellen, die nicht primär psychiatrischer Hilfe bedürfen. Die Abgrenzung von Krisenintervention und Notfallpsychiatrie bleibt allerdings ein bis heute noch nicht ganz befriedigend gelöstes sowohl theoretisches als auch behandlungsrelevantes Problem. Damit ist auch die Frage verbunden, ob eine Krise in gleicher Weise Folge innerer wie auch äußerer Belastungen sein kann. Die klassische Krisendefinition sieht primär äußere Belastungen als krisenauslösend an und schließt somit psychische Krankheit explizit als Krisenanlass aus. Gleichwohl ist die innere Reaktionsbereitschaft des Betroffenen von entscheidender Bedeutung dafür, ob eine Krise entsteht und welchen Verlauf sie nimmt. Klinische Erfahrungen zeigen, dass es zwar nicht immer einfach, aber dennoch sinnvoll ist, Krisenintervention und Notfallintervention auseinanderzuhalten, da die erforderlichen Interventionsstrategien deutlich voneinander abweichen (siehe Kap. 3.4.5). Klarerweise gibt es viele Überschneidungen. Krisen können eskalieren und sich zu Notfällen entwickeln und umgekehrt können psychiatrische Notfälle und ihre Folgen psychosoziale Krisen auslösen. Es ist wichtig, dass leidende Menschen im Sinne präziser Indikationsstellung die jeweils richtige, für sie passende Hilfe erhalten. Gleichzeitig ist aber eine enge Kooperation der mit diesen Aufgaben befassten Institutionen unerlässlich.
Tab. 1.1: Wurzeln der Kriseninterventioṇ
Trauer und Verlust
E. Lindemann G. Caplan
1942 Brandkatastrophe Coconut Grove 1961, 1964
Kap. 3.1, 4.5, 5.4.1
Traumatisierung
Kap. 3.4.2,...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Geleitwort
  6. Vorwort
  7. 1 Kurze Geschichte der Krisenintervention
  8. 2 Definition psychosozialer Krisen
  9. 3 Krisenmodelle
  10. 4 Krisen und Gefährdungen
  11. 5 Methoden der Krisenintervention
  12. 6 Rahmenbedingungen der Krisenintervention und Ausblick
  13. Literatur
  14. Anhang 1 Das Kriseninterventionszentrum Wien
  15. Anhang 2 Fort- und Weiterbildung in Krisenintervention im Rahmen von ÖAGG und ÖGATAP – ein Modell
  16. Anhang 3 Wichtige Internetadressen
  17. Sachwortregister