Lernen und Gedächtnis bei Schülern mit kognitiver Behinderung
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Lernen und Gedächtnis bei Schülern mit kognitiver Behinderung

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Lernen und Gedächtnis bei Schülern mit kognitiver Behinderung

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Wie kann die Gedächtnisleistung gefördert werden, besonders bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieses Buch. Ausgehend von theoretischem Basiswissen über "Kognition", "Kognitive Beeinträchtigung" und "Gedächtnis" werden die Möglichkeiten der Aufnahme von Informationen (Wahrnehmung und Wahrnehmungssteuerung), der Enkodierung (Bearbeitung im Arbeitsgedächtnis) und der langfristigen Speicherung sowie hierfür nützliche Strategien dargelegt. Abschließend wird die (sonder-)pädagogische Relevanz von Gedächtnisfragen inklusive praktischer Anregungen für Pädagoginnen und Pädagogen erörtert.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783170347113

1 Kognitiv beeinträchtigte Schüler

1.1 Schulsystem

Unterschiede im Lernen von Schülern hat das deutsche Schulsystem durch den Aufbau und Ausbau eines Systems von Maßnahmen der didaktisch-methodischen inneren Differenzierung wie der schulorganisatorisch-äußeren Differenzierung zu berücksichtigen versucht. Schulorganisatorische Differenzierung führte zum Aufbau besonderer Schulen (Schwerpunktschulen, Sonderschulen), die heute Förderschulen (FS) genannt werden. Die sog. schwachen Lerner gelten als kognitiv beeinträchtigt, als in ihrem Lernen behindert, als ›lernbehindert‹ oder als ›geistig behindert‹, und werden in die Förderschule Lernen (FSL) oder die Förderschule geistige Entwicklung (FSgE) aufgenommen oder an Allgemeinen Schulen nach den jeweiligen Sonder-Lehrplänen unterrichtet. Zu diesen beiden Schülergruppen liefert die KMK in ihren Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen vom 06.05.1994 zwei eindrucksvolle Zirkelschlüsse4:
• Die FSL nimmt Schüler auf, »die wegen ihrer Lern- und Leistungsbehinderungen in Grund- und Hauptschule nicht hinreichend gefördert werden können« (KMK 1994, 31).
• Die FSgE nimmt Schüler auf, »die wegen der Schwere ihrer geistigen Behinderung in der Schule für Lernbehinderte nicht hinreichend gefördert werden können, aber lebenspraktisch bildbar sind« (KMK 1994, 34).
»Nicht hinreichend gefördert werden können« heißt, dass diese Schüler den Anforderungen der jeweils anspruchsvolleren Schulform (und umgekehrt) nicht standhalten können, dass Schule und Schüler nicht zusammenpassen. Dabei werden Schüler mit einer Lernbehinderung an den Anforderungen der allgemeinen Schule gemessen, diejenigen mit einer geistigen Behinderung zudem an denen der FSL. Aussagen zum tatsächlichen oder zu erwartenden Schulerfolg wie Hinweise auf mögliche Gründe für das Ausbleiben eines erfolgreichen Lernens finden sich in KMK-Empfehlungen wie in der Fachliteratur. In folgender Tabelle sind diese Feststellungen zusammengefasst (
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Tab. 1.1).
Tab. 1.1: Allgemeine Aussagen zum Schulerfolg im FSPL und FSPgE
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In die Diskussion geraten sind FSL und FSgE, denen Schüler wegen genereller Lernschwierigkeiten zugewiesen werden, welche auf Probleme und Schwierigkeiten ihres Denkens, ihrer Intelligenz zurückgeführt werden. Intelligenz, verdinglicht als IQ-Wert (Intelligenzquotient), ist so unter der Hand zum Leitkriterium der Zuweisung von Schülern zur FSL wie zur FSgE geworden. Ihr Scheitern in der Regelschule wird wesentlich an einer geringen Ausprägung ihrer Intelligenz festgemacht und als kognitive Beeinträchtigungen verstanden. Da kognitive Beeinträchtigungen beide Schülergruppen betreffen, betrachten wir diese gemeinsam, wo immer dies sinnvoll und möglich ist. Dabei sind Kategorisierungen nicht zu vermeiden: »Solange wir in einer Gesellschaft leben, die Unterschiede macht, sollte man diese Unterschiede auch benennen« (Einhellinger 2016, 86). Mit der Benennung einer Beeinträchtigung ist unmittelbar der Bedarf an individueller Unterstützung und Unterrichtung verbunden, der abseits der politisch-ideologischen Dekategorisierungsdiskussion auf die viel wichtigere Erörterung der pädagogischen Praxis verweist, auf die Förderung des Lernens.
Schulorganisatorisch getrennt werden »leichte« von »schwerer« kognitiver Beeinträchtigung durch die Etablierung einer besonderen FSgE (früher SfG) mit einem Unterricht »unter weitgehendem Verzicht auf das Lehrangebot einer Lernbehindertenschule« (VDS 1974, 45). Für die FSgE-Schüler bedeutet dies die Zurücknahme der kulturtechnischen Bereiche des Lesens, Schreibens und Rechnens wie des Sachunterrichts und die Zentrierung auf eine breit angelegte Entwicklungsförderung »unter besonderer Berücksichtigung der praktischen Bewältigung ihres Lebens« (KMK 1999, 1). Die Bereiche, in denen auf Grund der kognitiven Beeinträchtigung Einschränkungen zu erwarten sind, beschreiben die AAMR5, das DSM-IV und das DSM-56 und aktuell das ICD-117 (
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Kap. 1.2.3;
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Tab. 1.4).

1.2 Konzepte und Kriterien

Kognition meint Denken »in einem umfassenden Sinne« (Wentura & Frings 2013, 9) von der sinnlichen Wahrnehmung über Steuerung der Aufmerksamkeit und Konzentration, Gedächtnis, Schlussfolgerungen, Urteils- und Entscheidungsprozesse bis zur Planung, Ausführung und Kontrolle von Handlungen. Kognition umfasst vieles, was Inhalt schulischen Lernens ist, was angeeignet und geübt werden kann. In diesem Lernen unterscheiden sich Schüler voneinander wie auch in ihren Lebensverhältnissen, ihrer Sprache, in der Art des Umgangs mit der Welt und mit sich selbst, in ihrer Kontaktfreude, ihrer Neugier, der Art und dem Tempo, in dem sie sich Neues aneignen und wie sie denken. Manchmal sind die Unterschiede ganz diskret, manchmal auffällig und häufig sind sie ein schwieriges Problem für die Schule. Manche Schüler lernen langsamer, unvollständig im Sinne des Erwünschten, bruchstückhaft, manchen fehlen auch für die jeweils anstehenden Lernaufgaben (noch) die notwendigen Voraussetzungen. Es geht also um das Lernen dieser Schüler, das erschwert oder massiv beeinträchtigt ist, wofür mehr oder weniger starke Beeinträchtigungen ihrer Kognition verantwortlich gemacht werden.
»Lernbehinderung«8 wird bei der KMK (1994) nicht definiert und sie ist mit Bleidick (1995, 106) auch »keine definitorisch umschreibbare Behinderung, für die präzise pädagogische, soziologische, psychologische und medizinische Bestimmungsmerkmale gelten«. Lernbehinderung ist ein spezifisch deutsches Konstrukt, das kaum einen internationalen Vergleich gestattet und eine sehr heterogene Schülerschaft bezeichnet (Bruns& Grosche 2017, 3). Die KMK (1994, 31) benennt als Merkmale geringere intellektuelle Begabung sowie »Schwächen in der Aufnahme, Konzentration, Verarbeitung und Gestaltung«.
Mit dem Hinweis auf »intellektuelle Begabung« wird auf Intelligenz und Intelligenzmessung durch Tests verwiesen, ein Bereich, der die Sonderpädagogik gegenüber anderen Pädagogiken geradezu als Alleinstellungsmerkmal kennzeichnet. Die weiteren Hinweise auf Schwächen beziehen sich auf Teilaspekte des Lernens und des Gedächtnisses, machen auf Fehlendes, auf Minderausgeprägtes aufmerksam und beruhen auf dem Vergleich Einzelner mit dem ›Normalen‹, dem statistischen Durchschnitt. Dies ist eine Orientierung am Defizit, die man aus ethischen Gründen ablehnen kann. Sie dient jedoch dazu, solche Schüler ausfindig zu machen, die mehr und andere Bemühungen benötigen als im Regelschulsystem üblich. Dem Lehrer selbst helfen solche Defizitbeschreibungen nicht weiter. Das Fehlende, das nicht vollständig Ausgeprägte kann ihn aber darauf aufmerksam machen, in welchen Bereichen nachholendes (remediales), kompensatorisches und/oder neues Lernen erforderlich und möglich ist. Um solches Lernen in Gang bringen zu können, benötigt er aber auch Hinweise darauf, was ein Schüler bereits kann, worauf aufzubauen ist, Hinweise auf seine Lernvoraussetzungen und seine Lernmöglichkeiten.
Differenziertere Hinweise zu den Schwierigkeiten Lernbehinderter finden sich in den KMK-Empfehlungen zum FSPL (KMK 1999, 3 f.), wo den »lernbehindert« genannten Schülern intellektuell-kognitive Schwächen ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit zugeschrieben werden (
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Tab. 1.1,
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Tab. 1.2). Die Auswirkungen dieser Schwierigkeiten sollen »gemindert und durch Förderung individueller Stärken kompensiert« (ebd.) werden.
In den KMK-Empfehlungen (1999) ist übergreifend von »Lernbeeinträchtigung« die Rede. Auf die Beeinträchtigung9 der Lernfähigkeit stützt auch Mühl (1994, 684) seine Definition geistiger Behinderung als »eine erhebliche Beeinträchtigung der Lernfähigkeit […] weit unterhalb der Alterserwartung«. Die Beeinträchtigung der Lernfähigkeit gilt demnach verschärft für »geistige Behinderung«. Die geistige Behinderung10, die zur Aufnahme in die SfG/FSgE führt, muss schwer sein (KMK 1994, 34), sonst könnten die gemeinten Schüler ja die FSL besuchen. Diese Schwere-Anforderung lässt sich so interpretieren: Alle Schüler der FSL und der FSgE sind in ihrem Lernen, also kognitiv, beeinträchtigt, die der FSL nur leicht, die der FSgE schwer. Die hier vorgeschlagene Trennung lässt sich in der Praxis jedoch kaum treffsicher realisieren.
Dass die KMK-Vorgabe, die FSgE habe Schüler wegen der Schwere ihrer geistigen Behinderung aufzunehmen, frommer Wunsch ist und nicht Realität, belegen nachgewiesene Fehlplatzierungen (Dworschak & Ratz 2012; Klauß 2012; Pitsch 2013a), oft zum Nutzen der Schüler (Pitsch 2013b). Die Vorgaben der KMK und die tatsächliche Schülerschaft stimmen in der Realität nicht perfekt überein; weder die FSgE noch die SfL sind trennscharf.
Bei der Frage möglicher Beeinträchtigungen der Kognition empfiehlt sich eine genauere Betrachtung der Lernprozesse, die als Individuums-interne Prozesse nicht beobachtbar sind. Beobachtbar ist jedoch das Verhalten des Einzelnen beim Lernen. Wird der Lernprozess aufgegliedert und das Verhalten des Lernenden während abgrenzbarer Phasen des Lernens beobachtet, können Hinweise auf Störungen wie auf Gelingensfaktoren gefunden werden. Kobi (1980, ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. 1 Kognitiv beeinträchtigte Schüler
  7. 2 Kognition: menschliche Erkenntnis
  8. 3 Gedächtnis
  9. 4 Sensorisches Gedächtnis und Wahrnehmung
  10. 5 Förderung der sensorischen Aufnahme
  11. 6 Kurzzeitgedächtnis (KZG) – Arbeitsgedächtnis (AG)
  12. 7 Strategien zum Behalten
  13. 8 Organisations- und Elaborationsstrategien
  14. 9 Das Langzeitgedächtnis (LZG)
  15. 10 Pädagogische Förderung der Erinnerung
  16. 11 Vermittlung von Strategien
  17. Literaturverzeichnis
  18. Abkürzungsverzeichnis
  19. Abbildungsverzeichnis
  20. Tabellenverzeichnis
  21. Register