Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
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Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen

Ursachen, Erscheinungsformen und Antworten

  1. 335 Seiten
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Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen

Ursachen, Erscheinungsformen und Antworten

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Auf der Grundlage eines allgemeinen bio-psycho-sozialen Modells und eines theorieübergreifenden Störungsverständnisses werden in diesem Lehrbuch Symptomatik, Epidemiologie und Ursachen der wichtigsten Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen (Depressionen, Ängste, Essstörungen, Gewalt/Delinquenz, ADHS, Störungen der Persönlichkeitsentwicklung, Sucht, Posttraumatische Belastungsstörungen) dargestellt. Darüber hinaus gibt der Autor einen Überblick über Diagnostik und Indikationsstellung und stellt unterschiedliche Unterstützungs- und Hilfesysteme wie Pädagogische Frühförderung, Hilfen zur Erziehung im Rahmen der Jugendhilfe und Psychotherapie als eine Antwortmöglichkeit auf die Störungen vor. Die Darstellung wichtiger Präventionsprogramme und der Zusammenarbeit mit Bezugspersonen rundet das Werk ab.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783170326354
Auflage
3

1          Einleitung

 
 
In diesem Buch wird versucht, das Thema Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen – und die entsprechenden professionellen Unterstützungsmöglichkeiten – aus einer integrierten, theorieschulenübergreifenden Perspektive zu betrachten. Dabei werden disziplinübergreifend Erkenntnisse zusammengeführt, im Sinne der sich weiterdifferenzierenden »Klinischen Entwicklungspsychologie« (vgl. z. B. Oerter et al. 1999, Röper et al. 2001), »Entwicklungspsychopathologie« (vgl. z. B. Resch et al. 2001) und »Entwicklungswissenschaft« (vgl. z. B. Petermann et al. 2004).
Ausgangspunkt ist zunächst eine Begriffsbestimmung des Gegenstandes »Verhaltensauffälligkeit« und eine Definition und Klassifikation; diese orientiert sich an den etablierten Systemen des ICD-10 (vgl. Dilling et al. 2002) und des DSM-5® (Falkal & Wittchen 2015).
Dann wird das allgemeine bio-psycho-soziale Modell zur Erklärung der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Neben einer (entwicklungs-)psychologischen Perspektive, bei der die (frühen) Interaktionserfahrungen von Kindern im Fokus stehen, ist die Bedeutung von Risiko- und Schutzfaktoren für die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und Lebensanforderungen ein zentrales Thema. Dieses Modell setzt eigene Überlegungen und Konzepte des Autors (Fröhlich-Gildhoff & Hufnagel 1997, Hufnagel & Fröhlich-Gildhoff 2002, Fröhlich-Gildhoff 2006b, Fröhlich-Gildhoff 2013) konsequent fort.
Im Weiteren werden die häufigsten Formen von Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter dezidiert betrachtet:
Nach einer spezifischen Definition wird dann jeweils auf die Epidemiologie eingegangen; hier werden neben den Prävalenzraten auch Verläufe und Komorbiditäten referiert, sofern dazu Daten vorlagen. Die jeweiligen Beschreibungen der Ursachen orientieren sich an dem bio-psycho-sozialen Grundmodell.
Abschließend werden spezifische Therapie- bzw. Unterstützungsformen aufgezeigt. Hierbei bestand/besteht das logische Problem, dass diese Unterstützungsmöglichkeiten und -angebote in systematischer Weise erst im sechsten Kapitel des Buches in ihren Grundlagen aufgezeigt werden. In den jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen Verhaltensauffälligkeiten wird auf Schwerpunkte in Richtung eines störungsspezifischen Vorgehens eingegangen; der Grundansatz ist dabei jedoch folgender: Grundlage des unterstützenden pädagogischen oder therapeutischen Handelns ist ein tragfähiges Beziehungsangebot – auf dieser Grundlage werden individuums- und störungsspezifische Begegnungsformen und Interventionen gestaltet.
Die Abschnitte über die einzelnen Formen von Verhaltensauffälligkeiten stehen dabei für sich und können daher isoliert betrachtet (gelesen) werden. Daher treten vereinzelt Überschneidungen – auch zu dem allgemeinen Modell – auf. Wichtige Querverweise sind angezeigt.
Im sechsten Kapitel werden dann systematisch die Antworten, die Unterstützungs- und Begegnungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen referiert. Zunächst wird ein Überblick über die frühen Hilfen (das allgemeine Modell der ›Frühen Hilfen‹, die [pädagogische] Frühförderung sowie Hilfen für Säuglinge und Eltern) gegeben. Dann wird der wichtige Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und besonders der der Hilfen zur Erziehung – von der Erziehungsberatung über die Heimerziehung bis zur Einzelbetreuung – vorgestellt.
Der ambulanten Psychotherapie ist ein eigenes Kapitel gewidmet, wobei auch hier versucht wird, einen integrativen Ansatz psychotherapeutischen Handelns – im Sinne einer allgemeinen Psychotherapie für Kinder und Jugendliche – vorzustellen, der auf empirischen Erkenntnissen beruht. Ein Blick über das Individuum hinaus, die Betrachtung der Zusammenarbeit mit Eltern und anderen Bezugspersonen, schließt sich an.
Ein Überblick über Präventionsmöglichkeiten schließt dieses Kapitel ab.
Ein Buch wie das vorliegende kann nicht den Anspruch erheben, einen vollständigen Überblick über alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Thematik zusammenzutragen; es kann auch nicht auf alle Formen der Verhaltensauffälligkeiten eingehen. Es soll jedoch einen systematischen Ein- und vor allem Überblick geben. Dieser wird ergänzt durch weiterführende Literaturhinweise.

2 Begriffsbestimmung: Was ist »verhaltensauffällig«?

2.1 Definition(sversuche)

Dieses Buch hat »Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen« zum Gegenstand; sofort stellt sich die Frage, was denn »verhaltensauffällig« – im Gegensatz zu »verhaltensunauffällig« – ist. Genauso sind in diesem Zusammenhang andere Begriffe von Bedeutung: seelische Störung, seelische Erkrankung (vs. seelische Gesundheit), seelische Behinderung, Normalität und Abweichung etc. Um zu einem klareren Begriff von Auffälligkeit oder Störung eines Verhaltens zu kommen, sind zwei Bezugspunkte wichtig: Zum einen stellt sich grundsätzlich die Frage, ob es sich bei der Unterscheidung auffällig vs. unauffällig um ein Kontinuum mit zwei Polen handelt, also ob ein Verhalten je nach Ausprägungsgrad, zeitlichem Verlauf usw. mehr dem einen oder auch manchmal dem anderen Pol zuzuordnen ist oder nicht. Oder ob demgegenüber eine klare qualitative Unterscheidung zwischen unauffälligem Verhalten einerseits und auffälligem, gestörtem Verhalten andererseits zu treffen ist. Zum zweiten legt der Terminus »Auffälligkeit« nahe, dass der Bezugspunkt immer eine Norm ist.

2.1.1 Normen

Grundsätzlich lassen sich unterschiedliche Normen unterscheiden:
1. Soziale Normen
Soziale Normen sind durch die jeweilige Bezugsgruppe von der Familie über die Schulklasse bis hin zur Gesellschaft definiert. Soziale Normen sind teilweise in feste Regeln oder auch Gesetze »gegossen«, andererseits können sie auch deutlich variieren. So wird es zu Beginn des ersten Schuljahres noch vielfach toleriert werden, wenn ein Kind im Laufe des Unterrichtes seinen Platz verlässt – dieses Verhalten wird noch als »normal« angesehen – hingegen sollte das Kind am Ende des ersten Schuljahres verinnerlicht haben, dass es »normal«, also der Norm entsprechend ist, dass während der Unterrichtszeit der Platz nicht mehr verlassen wird.
2. Statistische Normen
Statistische Normen beschreiben die Auftretenshäufigkeit von bestimmten Verhaltensweisen oder Merkmalen. Voraussetzung dafür ist, dass diese Merkmale relativ klar klassifizierbar sind und entsprechend gemessen werden können. Dies ist bei physiologischen Merkmalen, wie z. B. der Körpergröße relativ einfach, wird jedoch bei psychischen Merkmalen oder Verhaltensweisen komplizierter – ein typisches, entsprechend definiertes Merkmal ist die Intelligenz. In der Regel werden bei der Erfassung dieser Merkmale – zur Bestimmung einer Norm – relativ große Populationen untersucht und es wird zumeist davon ausgegangen, dass die Verteilung dieser Merkmale dem Modell der Normalverteilung folgt.
Wesentliches Kennzeichen der Normalverteilung ist es, dass sich relativ einfach Prozentränge abhängig von der Standardabweichung festlegen lassen; davon ausgehend lassen sich dann auch Grenzen für Normalität bzw. Abweichung festlegen. So lässt sich beispielsweise festlegen, dass die oberen 2,5% der mit einem Intelligenztest untersuchten Menschen als hochbegabt gelten können: mehr als 97,5% der Vergleichsgruppe erzielen ein schlechteres Testergebnis (
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Abb. 2.1).
3. Funktionale Norm
Hiernach ist derjenige normal, der bestimmte vorgegebene Anforderungen oder Funktionen erfüllen kann.
4. Ideale Norm
Danach ist derjenige normal, der insgesamt oder in bestimmten Merkmalen Kennzeichen von Vollkommenheit erfüllt; typische Beispiele hierfür sind Schönheitsideale.
5. Subjektive Norm
Hiermit ist die individuelle, selbstgesetzte Normalität gemeint, die sich natürlich mit anderen Normen decken kann (vgl. zu den verschiedenen Normbegriffen z. B. Egger 1992).
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Abb. 2.1: Statistische Normalverteilung (aus: Bortz, J. (2005). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (6. Aufl.), S. 43. Berlin: Springer; © Springer-Verlag)
Aus diesen Betrachtungen wird deutlich, dass letztlich alle Normen Übereinkünfte zwischen Menschen sind, also sozialen und/oder gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Dies bedeutet zugleich, dass sich Normen zwischen sozialen Bezugsgruppen, zwischen Populationen, beispielsweise in unterschiedlichen Ländern, aber auch im historischen Kontext verändern (können).
Die Problematik von begrifflichen Zuschreibungen, wie Verhaltensstörung oder Verhaltensauffälligkeiten verdeutlicht Kriz (2004) an dem Beispiel, wenn gesagt wird »Hans hat eine Verhaltensstörung« – so kommt es zu einer »Verdinglichung«, zu einer starren, statischen Festschreibung. »Schon die Formulierung: ›Hans verhält sich gestört‹ lässt Fragen aufkommen wie: ›Wann?‹ und: ›In welchem Zusammenhang?‹. Und deren nähere Erörterung führt zu einem komplexen Gefüge aus unterschiedlichen Situationen, in denen manches von Hans’ Störungen verständlich wird (als ›natürliche Reaktion‹ auf das aktuelle Verhalten seiner Schwester) oder in anderem Licht erscheint (als ›Signal für mehr Aufmerksamkeit‹ oder als ›Ablenken vom sich anbahnenden Streit von seinen Eltern‹)« (ebd., 61 f).
Es wird also deutlich: Es ist schwierig, klare Kriterien für ein Abweichen von der Norm festzulegen und damit Verhaltensweisen als »auffällig« zu definieren. Daher sollen zwei Bezugssysteme hierfür beschrieben werden:

2.1.2 Kriterien für »Auffälligkeit« bzw. »Störung«

Anhand der gängigen Klassifikationssysteme psychischer Störungen (s. u.) stellen Petermann et al. (2002a) fest, dass »nicht nur psychische Symptome an sich von Bedeutung [sind] für die Bestimmung, ob eine psychische Störung vorliegt oder nicht, sondern auch
• die Stärke und Anzahl der Symptome,
• die mit den Symptomen einhergehenden psychosozialen Beeinträchtigungen und Leistungsbeeinträchtigungen, die auch durch mögliche Ausgleichsprozesse nicht mehr verhindert werden können, sowie
• die Dauer der Symptomatik, Verlaufskriterien, und deren Beeinträchtigungen« (ebd., S. 30 f).
Petermann verdeutlicht dies nochmals in einer entwicklungsorientierten Perspektive anhand eines Beispiels »für normales und negatives Sozialverhalten« (
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Tab. 2.1):
Tab. 2.1: Beispiele für normales und negatives Sozialverhalten (aus: Petermann 2002a; mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlags)
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Harnach-Beck (2000) schlägt einen Katalog von Kriterien vor, anhand derer es möglich ist, einzuschätzen, »wie bedeutsam ein Abweichen von der Norm ist« (ebd., S. 89):
1. Alter und Geschlecht
»Da Kinder Menschen sind, die sich noch in der Entwicklung befinden, ist es vor allem erforderlich, ihr Verhalten im Bezug zu ihrem Alter zu sehen« (ebd.). Neben der Altersnorm gibt es auch Normen für geschlechtsspezifisches Verhalten.
2. Dauer des Verhaltens
»Ob ein Verhalten als abweichend zu betrachten ist, hängt ferner davon ab, wie überdauernd es ist. Kurze Zeiten von Verstimmung, ausgeprägten Ängsten, schlechten Träumen, Bauchschmerzen kennt jedes Kind. Werden daraus anhaltend unangenehme Zustände, so besteht ein Grund zum Eingreifen« (ebd., S. 90).
3. Gegenwärtige Lebensumstände
Unter besonderer Belastung, wie Wohnortwechsel, Trennung der Eltern etc. sind vorübergehende Stressreaktionen zu erwartende Ereignisse, sie verschwinden im Allgemeinen in dem Maße, in dem das Kind und seine Familie lernen, mit der veränderten Situation besser umzugehen.
4. Soziokulturelle Zugehörigkeit
Die Normvorstellungen differieren sowohl schichtspezifisch als auch h...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Vorwort zur 3. Auflage
  7. 1 Einleitung
  8. 2 Begriffsbestimmung: Was ist »verhaltensauffällig«?
  9. 3 Allgemeines Modell der Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten
  10. 4 Diagnostik und Indikationsstellung
  11. 5 Spezifische Formen von Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen
  12. 6 Unterstützungs- und Begegnungsmöglichkeiten bei Verhaltensauffälligkeiten
  13. Literatur
  14. Stichwortverzeichnis