Psychoanalyse und Psychosomatik
eBook - ePub

Psychoanalyse und Psychosomatik

Die leiblichen Grundlagen der Psychodynamik

  1. 252 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Psychoanalyse und Psychosomatik

Die leiblichen Grundlagen der Psychodynamik

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Freud and body are located close to each other: The concepts of psychoanalysis refer to the connection to the physical and require a differentiated conception of the mind-body relationship. Starting with Freud comments on actual neurosis, questions arise on the development of psychopathology, psychodynamics and treatment technology. First of all, the conceptual developments are examined in general terms before diagnosis, classification and specific disease teaching are handled. The volume concludes with treatment settings, social aspects of psychosomatics and exemplary research fields.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Psychoanalyse und Psychosomatik von Timo Storck, Cord Benecke, Lilli Gast, Marianne Leuzinger-Bohleber, Wolfgang Mertens im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psychologie & Psychoanalyse. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2016
ISBN
9783170248403
Auflage
1

1 Einleitung: Freud und Leib liegen nah beieinander

Einführung

In einigen ihrer zentralen Begriffe – (infantile) Sexualität, Trieb, Konversion, erogene Zone – thematisiert die Psychoanalyse seit Freud die Leiblichkeit des Menschen und dessen psychosomatische Grundverfasstheit. Dem steht gegenüber, dass zumindest Freud keine psychosomatische Krankheitslehre entwickelt hat und sich der Behandelbarkeit von Patientinnen und Patienten mit psychosomatischen Erkrankungen gegenüber sehr skeptisch gezeigt hat. Wie kann also die Psychoanalyse als Psychosomatik formuliert werden? Ein weiterer Ausgangspunkt besteht in der unhintergehbaren Interdisziplinarität der psychoanalytischen Psychosomatik: Diese berührt Felder der Medizin, Psychologie, Soziologie, Neurobiologie und Philosophie. Was ist von psychoanalytischer Seite nötig, um in einen entsprechenden Dia- bzw. Polylog einzutreten, und worin besteht ihr Beitrag zu einer psychosomatischen Anthropologie?

Lernziele

• Den psychosomatischen, d. h. leibseelischen Charakter zentraler psychoanalytischer Konzepte erkennen
• Die Art der Beteiligung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen an der Psychosomatik wahrnehmen und unterscheiden
• Den spezifischen Beitrag der Psychoanalyse zur Psychosomatik ausweisen
Freud und Leib liegen nah beieinander. Der Begründer der Psychoanalyse nahm nicht nur neurophysiologische bzw. neuropsychologische Überlegungen zum Ausgangspunkt, um seine Konflikttheorie oder seine Praxis der Traumdeutung und der analytischen Kur zu begründen, er formulierte auch in zentralen psychoanalytischen Konzepten und Krankheitskonzeptionen im Kern Psychosomatisches: Was könnte beispielsweise ein psychosomatischeres Geschehen sein als die Scheinschwangerschaft von Anna O., derjenigen Patientin Josef Breuers, welcher dieser und Freud bereits in den Studien über Hysterie (Freud, 1895d) die wesentlichen Bestimmungen der Psychoanalyse zuschreiben: die talking cure. Bekanntlich entwickelt Freud aus der irritierenden Konstellation, dass Anna O. fest davon überzeugt war, das einer Liebes- und Sexualbeziehung entsprungene Kind Breuers zu erwarten, einige Grundkonzepte der Psychoanalyse, insbesondere das der unbewussten Fantasie. Deren Wirkung ist hier, so muss erkannt werden, eine bidirektionale: Sie entspringt sowohl leiblichen, triebhaften, psychosomatischen Vorgängen, als sie auch auf diese zurückwirkt. Die unbewusste Fantasie bzw. der unbewusste, auf Breuer gerichtete Triebwunsch Anna O.s zeitigt somatische Ereignisse, die Scheinschwangerschaft. Hier sind psychoanalytische Begriffe von Konversion oder der später von Freud beschriebene »rätselhafte Sprung« ins Somatische bereits angelegt – ebenso wie die Konzeption der infantilen Sexualität. An dieser lässt sich nun der Hinweis auf den psychosomatischen Charakter der psychoanalytischen Theorie des Psychischen am eindrücklichsten markieren, ist es doch die Sexualität, die weder auf den Körper/Leib (zur konzeptuellen Unterscheidung beider
Images
Kap. 2), noch auf das psychische Erleben verzichten kann bzw. sich einer Spaltung beider verschließt, es sei denn im Rahmen einer (psychosomatischen) Pathologie.
Konsequenterweise beschreibt die Freud‘sche Psychoanalyse den Trieb als »Grenzbegriff zwischen Psyche und Soma« (Freud, 1915c, S. 214) bzw. als »Grenzbegriff zwischen psychologischer und biologischer Auffassung« (Freud, 1912e, S. 410 f.) und als »eine[n] der Begriff der Abgrenzung des Seelischen vom Körperlichen« (Freud, 1905d, S. 70). Deutlich wird dies auch, wenn Freud (a. a. O.) vom Trieb als der »psychische[n] Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle« spricht. Dies macht nicht nur deutlich, weshalb der psychoanalytische Triebbegriff sich entscheidend vom Instinkt unterscheidet, es kennzeichnet auch die vier Komponenten des Triebes, die Freud (1915c) identifiziert – Quelle, Drang, Ziel und Objekt –, als Teil einer leibseelischen Durchdrungenheit. Begreift man die Triebquelle als diejenige Körperregion, an der eine Reizung erfolgt, ferner den Triebdrang als das (quantitative) »Maß an Arbeitsaufforderung« für das Psychische, das Triebziel als diejenige (Wunsch-)Vorstellung, die in Handlung und Abfuhr umgesetzt werden soll, und schließlich das Triebobjekt als die (objektale) Repräsentanz, auf die sich der Trieb richtet, dann ist akzentuiert, in welcher Weise hier Psyche und Soma, Erregung und Vorstellung ineinander wirken.
Das wiederum hat eine Konsequenz für die Entwicklungstheorie der Psychoanalyse. Der Trieb ist hier konstitutiv für Psychisches, mit ihm ist konzeptuell auf den Begriff gebracht, in welcher Weise leibliche Empfindungen in die Repräsentation treiben – leibliche Empfindungen, die sowohl aus innerkörperlichen Zuständen erwachsen als auch aus Interaktionen mit den frühsten Bezugspersonen. Mag auch Freud (1915c) betonen, das Objekt sei das Variabelste am Trieb, so kann doch beispielsweise unter Rückgriff auf die Entwicklungstheorie Laplanches (z. B. 1987) dafür argumentiert werden, dass es das frühe Objekt ist, das der sich entwickelnden Psyche die Notwendigkeit der Repräsentation derjenigen psychosomatischen, sexuellen Vorgänge aufnötigt, mit denen erste Sinnlichkeitserfahrungen verbunden sind.
Psychische Repräsentation erwächst also aus der Leiblichkeit (ohne den Anschluss an diese zu verlieren). Freud formuliert nicht ohne Grund den oft rezipierten Befund:
»Der eigene Körper und vor allem die Oberfläche desselben ist ein Ort, von dem gleichzeitig äußere und innere Wahrnehmungen ausgehen können. Er wird wie ein anderes Objekt gesehen, ergibt aber dem Getast zweierlei Empfindungen, von denen die eine einer inneren Wahrnehmung gleichkommen kann. Es ist in der Psychophysiologie hinreichend erörtert worden, auf welche Weise sich der eigene Körper aus der Wahrnehmungswelt heraushebt. Auch der Schmerz scheint dabei eine Rolle zu spielen, und die Art, wie man bei schmerzhaften Erkrankungen eine neue Kenntnis seiner Organe erwirbt, ist vielleicht vorbildlich für die Art, wie man überhaupt zur Vorstellung seines eigenen Körpers kommt. Das Ich ist vor allem ein körperliches, es ist nicht nur ein Oberflächenwesen, sondern selbst die Projektion einer Oberfläche.« (Freud, 1923b, S. 253; Hervorh. TS).
In einer Fußnote zu Standard Edition fügt Freud Folgendes hinzu (vgl. die editorische Bemerkung zum Text in der Studienausgabe, Band 3, S. 294):
»Das heißt, das Ich leitet sich letztlich von körperlichen Gefühlen ab, hauptsächlich von solchen, die auf der Körperoberfläche entstehen. Es könnte deswegen als eine psychische Projektion der Körperoberfläche angesehen werden und nicht nur, wie wir oben gesehen haben, als Darstellung der Oberfläche des psychischen Apparates.«
In seinem Kommentar zu dieser Passage Freuds bemerkt Rangell (1986, S. 36), dass sie drei Aspekte umfasse: Erstens die »profunde Einsicht«, dass das Ich »aus dem Körper kommt« und »von Anfang an« mit diesem in Beziehung stehe, zweitens eine »subtile Feststellung, die in die Irre führen kann: Das Ich ist nicht ein Teil des Körpers; es ist keine somatische, sondern eine seelische Struktur; der Körper im Ich ist nicht die somatische Körper-Struktur, sondern deren Repräsentanz« und schließlich drittens eine »Kern-Feststellung«, die bislang kaum ausgeschöpft worden sei.1
En passant ist damit eine bis heute so anzugebende konzeptuelle Entwicklungsaufgabe für die Psychoanalyse benannt, nämlich die Erörterung des Verhältnisses von Psyche und Soma. Aber damit ist auch hervorgehoben, dass eine Reihe von Trivialisierungen oder Spaltungen droht, wenn es darum geht, Ich und Körper miteinander ins Verhältnis zu setzen. Zwar ist der Hinweis Rangells unerlässlich, dass »der Körper im Ich« als Repräsentanz auftauche, und ebenso wichtig ist der Hinweis auf die uranfängliche Beziehung zwischen Ich und Körper, jedoch hat die Geschichte der psychoanalytischen Psychosomatik auch gezeigt, in welcher Weise eine Tendenz dazu besteht, Körperliches/Leibliches als unreife Vorstufe des eigentlich Psychischen zu thematisieren und so eine Theorie des Psychischen voranzutreiben, in welcher dieses sich den Körper gleichsam vom Leib halten sollte.
Hinsichtlich zentraler Konzepte und insbesondere hinsichtlich ihrer Entwicklungstheorie kann die Psychoanalyse im Anschluss an diese erste Sichtung als psychosomatisch bezeichnet werden. Eine weitere Frage berührt allerdings die Frage, ob die psychoanalytische Behandlung dann auch eine sein kann, die psychosomatisch »wirkt«. Bereits Ferenczi (1915, S. 239 f.) bezeichnet in seinem Kommentar zu den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (Freud, 1905d) Freuds Vorgehen insofern als »Umsturz alles Hergebrachten«, als der Anspruch vertreten wird, dass »eine ›introspektive‹ Methode ein biologisches Problem erklären helfen könne«. Freud (1890a, S. 289) bemerkt doch wohl zurecht, dass »[d]er Laie […] es wohl schwer begreiflich finden [wird], daß krankhafte Störungen des Leibes und der Seele durch ›bloße Worte‹ des Arztes beseitigt werden sollen. Er wird meinen, man mute ihm zu, an Zauberei zu glauben.« Selbst dass der »Austausch von Worten« (Freud 1916/17, S. 9) des analytischen Gesprächs etwas an psychischem Leiden verändert, ist rätselhaft genug, und noch weitere Fragen werfen das Verstehen und Verändern leiblicher Vorgänge auf: Wie kann der Leib überhaupt verstanden werden, wo er doch als Körper (auch) Natur im Menschlichen ist?
Der Hinweis auf die Probleme, welche sich aus der Psychosomatik der Psychoanalyse für die Behandlung ergeben, führt dabei zu Freuds skeptischen Bemerkungen zur Behandelbarkeit dessen, was er aktualneurotische Erkrankungen genannt und den Übertragungsneurosen gegenüber gestellt hat: In der Arbeit beispielsweise mit hypochondrischen, angstneurotischen oder neurasthenischen Patientinnen und Patienten bilde sich keine Übertragung aus und das Symptom trage keinen Sinn, keine psychische Bedeutung (Freud 1916/17, S. 402) – insofern würden die Grundlagen einer psychoanalytischen Arbeit fehlen und vielmehr sexualpädagogische Aufklärung bzw. Anleitung angezeigt sein. Einwände gegen eine solche Haltung werden in den Kapiteln 3 und 4 Platz finden.
Aber diese Position Freuds kann verdeutlichen, dass die Psychosomatik trotz aller Hinweise auf den Körper, trotz dessen zentraler Position in Trieb- bzw. Sexualtheorie und Entwicklungstheorie, keinen selbstverständlichen Platz in der Psychoanalyse hat. Zwar gibt es verschiedene Stimmen, die dafür argumentieren, dass die psychoanalytische Theorie des Psychischen eine Grundlage für eine psychosomatische Theorie liefere (z. B. Fischbein, 2011), oder dass in Freud »der Vater der modernen Psychosomatik zu sehen« sei (de M’Uzan, 2011, S. 115), doch darf nicht übersehen werden, dass in Freuds Schriften »das Wort ›psychosomatisch‹ kaum auftaucht« (Aisenstein, 2008, S. 103; Übers. TS) und dass »die psychosomatischen Erkrankungen keinen metapsychologischen Ort« in seinen Arbeiten gefunden haben (Zepf, 2013, S. 454).
Ihnen einen solchen Ort zu geben, erfordert eine interdisziplinäre Ausrichtung, ein »Interesse der Psychoanalyse für die nicht-psychologischen Wissenschaften«, unter denen Freud (1913j, S. 407 ff.) auch das »biologische Interesse« nennt. Auch eine psychoanalytische Beschäftigung mit Psychosomatik führt also an andere Felder heran:
• an die (psychosomatische) Medizin, ohne deren Berücksichtigung schwer die Verantwortung für einen Patienten oder eine Patientin übernommen werden könnte (die chronische Darmentzündung bleibt immer auch eine Entzündung des Darmes),
• an die Soziologie im Sinne eines Einbezugs einer psychosomatischen Sozialisationstheorie, die auch Theorie des Sozialen sein muss,
• an die Psychologie, die sich als Theorie des Psychischen damit auseinandersetzt, wie der Körper in Relation zu Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen zu setzen ist,
• an die Philosophie in deren Thematisierung von Erfahrung, Leiblichkeit oder Alterität,
• und schließlich an die Neurobiologie, die auf dem Weg zu einer Neuropsychosomatik (vgl. z. B. Henningsen, Gündel & Ceballos-Baumann, 2006; Rüegg, 2007) sowohl das Gehirn als psychosomatisch erkrankt d. h. funktionell gestört zu betrachten hilft als auch das physiologische Korrelat psychosomatopathologischer Prozesse einbezieht.
Der spezifische Beitrag der Psychoanalyse zu einer solchen, wie man formulieren müsste: psychosomatischen Anthropologie verläuft dabei über ihren eigenen Gegenstand, als welcher das (dynamisch) Unbewusste zu gelten hat (vgl. Freuds Bemerkungen dazu: 1925d, S. 96; 1926e, S. 283; außerdem zuletzt Kettner & Mertens, 2010; Gödde & Buchholz, 2011; Leuzi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Geleitwort zur Reihe
  5. Inhalt
  6. Vorwort
  7. 1 Einleitung: Freud und Leib liegen nah beieinander
  8. 2 Leiblichkeit
  9. 3 Ätiologie und Psychodynamik psychosomatischer Erkrankungen I: Abwehrformen, Objekterfahrung und frühe Bildungsprozesse
  10. 4 Ätiologie und Psychodynamik psychosomatischer Erkrankungen II: Symbolisierung und Repräsentation
  11. 5 Diagnostik, Klassifikation und spezielle Psychodynamik
  12. 6 Behandlung und Behandlungssettings
  13. 7 Psychosomatik und Gesellschaft
  14. 8 Forschung
  15. 9 Fazit: Psychoanalyse als Leibesertüchtigung
  16. Literatur
  17. Sachregister