Psychodynamische Therapien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen
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Psychodynamische Therapien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Geschichte, Theorie, Praxis

  1. 211 Seiten
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Psychodynamische Therapien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Geschichte, Theorie, Praxis

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Über dieses Buch

Ausgehend von einem geschichtlichen Überblick fasst das Werk den heutigen Stand der Psychodynamischen Psychotherapien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in komprimierter und verständlicher Form zusammen. Wissenschaftlich fundiert und praxisorientiert bietet es einen Überblick über die von der Psychoanalyse ausgehenden therapeutischen Schulen und Verfahren. Dabei werden sowohl die von Freud als auch die von C. G. Jung beeinflussten Richtungen dargestellt: ein Kompendium der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie aus psychodynamischer Perspektive. Didaktisch durchdacht wird der Leser in die komplexe Thematik eingeführt und durch Fragen und vertiefende Literaturempfehlungen zum weiteren Studium angeregt.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170298651
Auflage
1

Teil II Theoretische Grundlagen und therapeutische Implikationen

3 Die Triebtheorie

3.1 Einführung

In diesem Kapitel werden die Grundzüge der Triebtheorie beschrieben, die auf den Gründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (*1856 in Freiberg, †1939 in London)1, zurückgeht. Seither ist die Triebtheorie immer wieder kritisiert und revidiert worden – einige dieser Kritikpunkte werden diskutiert. Die heutige Relevanz der Triebtheorie für ein grundlegendes Verständnis der infantilen Sexualität, der psychosexuellen Entwicklung und für die Praxis der psychodynamischen Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen wird kritisch dargestellt.

3.2 Metapsychologie

Seelische Vorgänge lassen sich nicht direkt beobachten und messen wie etwa biochemische oder physikalische Sachverhalte. Sie sind lediglich erkennbar an ihren Auswirkungen im Denken, Phantasieren, Fühlen und Verhalten des Menschen. Was hinter diesen Manifestationen steckt, lässt sich durch genaue Beobachtung erschließen, wobei die Beobachtung auch den Beobachter mit einschließt. Daraus ergeben sich Modelle, die sich Metaphern bedienen, um psychische Vorgänge und ihre intrapsychischen und intersubjektiven Wechselwirkungen zu beschreiben. Solche Metaphern sind entlehnt aus der Naturwissenschaft ebenso wie aus Literatur, Kunst und Mythologie. Diese Modelle sind solange nützlich, wie sie das Psychische einigermaßen kohärent und unter Berücksichtigung des Wissensstandes erfassen und brauchbare klinische Arbeitshypothesen bereitstellen. Kommen wesentliche Erkenntnisse hinzu, werden sie überarbeitet, verworfen oder umgestaltet. Die Gesamtheit solcher Modelle oder Konstrukte nennen wir in Anlehnung an S. Freud »Metapsychologie«. »Ich schlage vor, dass es eine metapsychologische Darstellung genannt werden soll, wenn es uns gelingt, einen psychischen Vorgang nach seinen dynamischen, topischen und ökonomischen Beziehungen zu beschreiben.« (Freud 1915e, S. 281; Hervorh. S. Freud). Psychoanalytische Theoriebildung ist nie abgeschlossen; das gilt auch und gerade für die Triebtheorie: »Die Trieblehre ist sozusagen unsere Mythologie. Die Triebe sind mythische Wesen, großartig in ihrer Unbestimmtheit. Wir können in unserer Arbeit keinen Augenblick von ihr absehen und sind dabei nie sicher, sie scharf zu sehen.« (Freud 1933a, S. 101). Heute würden wir die drei Grundpfeiler der Metapsychologie zumindest um den strukturellen und den genetischen Aspekt erweitern.
Die Freud’sche Metapsychologie ist kein feststehender Kanon psychoanalytischer Lehren. Aber sie steht innerhalb der Psychoanalyse auch nicht beliebig zur Disposition. Sie enthält einige Kernstücke, die zwar immer wieder überarbeitet werden müssen, aber für die Konstituierung der Wissenschaft Psychoanalyse unverzichtbar sind.
Ein solches Kernstück ist die Triebtheorie, die Freud selbst Zeit seines Lebens entlang von Erkenntnissen aus seiner klinischen Arbeit modifiziert hat. Sie gilt als Ausgangspunkt der Psychoanalyse. Ihre Entfaltung geht einher mit:
• der Entdeckung und Beschreibung der infantilen Sexualität,
• den topischen Modellen der Psyche mit den Instanzen Unbewusst, Vorbewusst, Bewusst bzw. im »zweiten topischen Modell« Es, Ich und Über-Ich,
• dem Erfassen der dynamischen Vorgänge zwischen diesen Instanzen (wie z. B. Verdrängung und Hemmung)
• sowie der Erforschung der Funktionsweisen des Unbewussten (z. B. Verdichtung und Verschiebung).

3.3 Die Entwicklung der Triebtheorie bei Sigmund Freud

3.3.1 Das erste topische Modell

Freuds Interesse für die Psychopathologie ging von seinem Studienaufenthalt bei Prof. Charcot am Pariser »Hopital de la Salpetrière« aus, wo er das Krankheitsbild der Hysterie und dessen Beeinflussung durch Hypnose studieren konnte. Im Anschluss daran entwickelte er zusammen mit seinem Arzt-Kollegen Joseph Breuer eine Behandlungsmethode für die solcherart Erkrankten. Dabei stellte er fest, dass sich das hysterische Symptom regelmäßig auf frühere nicht integrierbare sexuelle Stimulierungen zurückführen lässt. Daraus ergab sich die »Verführungstheorie« der Ätiologie der Hysterie. Sie enthält bereits eine Psychodynamik, Vorstellungen über die Abwehr – und v. a. die Erkenntnis der Sexualgenese der Neurose (
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Kap. 1.4.). Bereits hier beschreibt Freud die psychischen Vorgänge der Dissoziation und der Affektverschiebung bzw. -konversion, wie wir sie heute in der psychischen Verarbeitung von Traumata erkennen. Allmählich aber entdeckte er, dass seine Patientinnen nicht allein und nicht ausschließlich über reale frühe sexuelle Erfahrungen sprachen, sondern dass er vielmehr infantile sexuelle Phantasien, Wünsche und Theorien vor sich hatte.
Diese Erkenntnis nötigte ihn zur Aufgabe der »Verführungstheorie«. Freud hat zwar die Möglichkeit realer sexueller Traumatisierung nie geleugnet, aber er hat deren Ausschließlichkeit in der Entstehung der Neurosen in Abrede gestellt.
Demzufolge muss es eine infantile Sexualität geben (wobei Sexualität und Genitalität unterschieden werden müssen). Schon die Beobachtung der reichhaltigen sexuellen Betätigungen des Kindes lässt keinen anderen Schluss zu – für das Individuum freilich fallen diese mehrheitlich der kindlichen Amnesie anheim.
Die »Entdeckung« der infantilen Sexualität impliziert ein primäres sexuelles Triebgeschehen, das nicht an die unmittelbare genitale Befriedigung gekoppelt ist, sondern vorhanden ist, lange bevor die körperlich-sexuelle Reifung in der Pubertät ihren Verlauf nimmt. Freud spricht von der zweizeitigen Sexualität des Menschen (Freud 1923a) – die infantile Sexualität und die reife genitale Sexualität, entwicklungszeitlich voneinander abgegrenzt durch die Entwicklungsperiode der Latenz. Diese Sexualentwicklung sei unter allen höheren Lebewesen nur dem Menschen eigen.

Was ist ein Trieb?

Zunächst muss zwischen Instinkt und Trieb unterschieden werden. Der Instinkt ist eine im Dienste der Fortpflanzung stehende biologische Funktion. Damit allein lässt sich die dem Menschen eigene Sexualität aber nicht beschreiben. Gleichwohl nimmt Freud einen biologischen Ursprung an: »…von der biologischen Seite her … erscheint uns der ›Trieb‹ als ein Grenzbegriff zwischen Seelischem und Somatischem, als psychischer Repräsentant der aus dem Körperinneren stammenden, in die Seele gelangenden Reize, als ein Maß der Arbeitsanforderung, die dem Seelischen infolge seines Zusammenhangs mit dem Körperlichen auferlegt ist.« (Freud 1915c, S. 214). Freud verwendet hier die Vorstellung des »Reizes«, welcher auf das Nervensystem einwirkt, im Falle des Triebes bestehe seine »Herkunft von Reizquellen aus dem Inneren des Organismus« (Freud 1915e, S. 212) und seine Bewältigung sei ein komplexer Vorgang, der sich nicht ohne Weiteres aus der Bewältigung äußerer Reize ableiten lässt. Der biologische Ursprung ist aber aus den erwähnten Gründen nicht gleichzusetzen mit dem »Erwachen« der reifen Genitalität. Der Sexualtrieb ist weit mehr als das arterhaltende Streben nach Fortpflanzung. Sachgerechter muss man von »Sexualtrieben« reden, »sie sind zahlreich und entstammen vielfältigen organischen Quellen« (Freud 1915e, S. 218). Sie konstituieren von Anfang an die Beziehungen des Menschen und damit das Werden seiner Persönlichkeit und sind psychisches Geschehen.
Unter dem dynamischen Aspekt ist dem Trieb ein Drang zu eigen, ähnlich dem Bedürfnis und dem Wunsch. Sein Ziel ist die – zumindest partielle – Befriedigung, die nach Freud in der Aufhebung oder Minderung des Reizes besteht. Sein Objekt ist dasjenige, woran diese Befriedigung erreicht wird, es ist variabel und nicht ursprünglich an den Trieb geknüpft.
Unter dem ökonomischen Aspekt schreibt Freud dem Trieb eine Energie zu, eine »Erregungsgröße« (1915e, S. 216), die durch Handlungen nach außen oder durch psychische Vorgänge nach innen abgeführt werden muss, damit ein seelisches Gleichgewicht (wieder)hergestellt wird. Dieses Modell ist umstritten, weil die sexuelle Lust nicht allein im Moment der »Abfuhr« entsteht, sondern bereits mit dem Anwachsen der Erregung verbunden ist. Affekte, die mit Triebwünschen und Phantasien einhergehen, sowie ihre Verteilung im Kräftespiel der Seele scheinen angemessenere Paradigmen für die ökonomische Betrachtung zu sein.
Unter dem topischen Aspekt wirken der Trieb und seine Äußerungen in den Instanzen Unbewusstes,Vorbewusstes und Bewusstes auf unterschiedliche Weise. (Infantile) Triebwünsche, die unbewusst sind, drängen zur Erfüllung, dem widerspricht eine Schranke, die zwischen dem Unbewussten und den Bewussten im Vorbewussten wirkt, die »Zensur«; so wird ein anstößiger Triebwunsch teils zurückgewiesen, teils umgeformt und gelangt umgearbeitet und weitgehend unkenntlich gemacht ins Bewusste. Diese Vorgänge entscheiden über die »Triebschicksale«, so etwa die Verkehrung ins Gegenteil, die Wendung gegen die eigene Person, die Verdrängung, die Sublimierung (Freud 1915e, S. 219). In diesem Zusammenhang verwendet Freud auch den Begriff der »Abwehr« – hier schließt sich im zweiten topischen Modell die Ausarbeitung der Instanz »Ich« an, welchem diese Aufgabe zufällt und dessen Aktivität später in der Ich-Psychologie, allen voran bei Anna Freud, in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückte (
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Kap. 4).

Das Unbewusste

Bereits in ihren Anfängen enthält die Triebtheorie wesentliche Grundannahmen der Psychoanalyse wie z. B. das topische Modell, das Unbewusste sowie die konflikthafte Dynamik des psychischen Lebens. Sie liegen bereits 1900 in der »Traumdeutung« (Freud 1900a) ausgearbeitet vor. Aus der Analyse von Träumen erschloss Freud wesentliche Funktionsweisen des Unbewussten. In ihm herrschen visuelle Vorstellungen vor, ähnlich den Halluzinationen. Gesetze der Logik, zeitliche, räumliche und kausale Kategorisierungen stehen dem Unbewussten nicht zur Verfügung. Die sprachliche und logische Systematisierung unbewusster Inhalte bleibt einer Arbeit des Vorbewussten/Bewussten, der »sekundären Bearbeitung« vorbehalten. Damit Triebwünsche die »Zensurschranke« überwinden können, bedient sich die Arbeit des Unbewussten der Vorgänge der Verdichtung und Verschiebung: Mehrere Elemente unbewusster Triebregungen verdichten sich zu einem Vorstellungsinhalt, der damit mehrfach determiniert ist. Es können auch Triebregungen von ihrem ursprünglichen Inhalt abgetrennt und auf andere Inhalte verschoben werden – dies betrifft vor allem Triebziele und Triebobjekte.
Eine weitere Arbeit des Unbewussten besteht in der Verwendung von Symbolen, in denen sich mehrere Bedeutungsschichten meist aus dem Sexualleben verdichten. Das können individuelle Symbole sein, die aus der Ontogenese der individuellen Psyche stammen, wenn etwa ein bestimmtes Bild pars pro toto für eine Reihe ähnlicher Ereignisse, Empfindungen und Phantasien steht. Wenn etwa ein Kind nachts immer wieder von der Vorstellung eines furchterregenden Monsters unter seinem Bett heimgesucht wird, so steht dieses Monster symbolisch für eine Reihe angsterregender Vorgänge, die entweder aus dem Inneren seiner Psyche aufsteigen und/oder mit äußeren Erlebnissen verknüpft sind. Das Unbewusste bedient sich auch kollektiver Symbole, die der kulturellen Phylogenese entstammen. Eine vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der kollektiven Symbolik legte dann Jung vor (
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Kap. 7.5 sowie den Band Symbole und Archetypen in dieser Reihe).
Diese Bearbeitungen unbewusster Inhalte dienen vor allem dazu, dem Drang des Triebes in einer Weise Geltung zu verschaffen, die im System Vorbewusstes und Bewusstes akzeptabel erscheinen. Die psychische Aktivität lässt sich also beschreiben als eine Dynamik, ein Wechselspiel der Kräfte zwischen den Systemen des topischen Modells.
Triebwünsche unterliegen, sofern ihre Befriedigung nicht möglich ist, der Verdrängung bzw. den o. g. Umarbeitungen; oder sie führen zu einer Kompromissbildung zwischen dem unabweisbaren Trieb mit seiner Energie und den vorbewussten Strebungen, sie aus dem Bw fernzuhalten bzw. in einer kulturell und individuell gerade noch akzeptierten Form zuzulassen. Solche Kompromissbildungen können in einem Traum bestehen, in ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Teil I Geschichte der psychodynamischen Therapien mit Kindern und Jugendlichen
  7. Teil II Theoretische Grundlagen und therapeutische Implikationen
  8. Literatur
  9. Register