Leben mit einem Kind im Autismus-Spektrum
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Leben mit einem Kind im Autismus-Spektrum

  1. 208 Seiten
  2. German
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Leben mit einem Kind im Autismus-Spektrum

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Studien gehen davon aus, dass ca. 1 % aller Menschen im Autismus-Spektrum sind. Für Eltern ist die Diagnose ihres Kindes oft ein Schock, zumal sie sich häufig allein gelassen fühlen und das Kind mit seinem oft schwierigen Verhalten sie extrem fordert. Dennoch finden die meisten ihr inneres Gleichgewicht wieder und genießen ihr Leben. Für dieses Buch wurden Mütter und Väter von Söhnen im Autismus-Spektrum interviewt. Sie erzählen aus ihrem Leben, davon, wer oder was ihnen am meisten geholfen hat und was sie sich für ihre Kinder wünschen. Das Buch klärt zum einen über die Situation der Familien auf und macht zum anderen Eltern Mut, die gerade erst die Diagnose ihres Kindes erhalten haben.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783170287693

Elterninterviews

Anne L.
»Da bin ich schon sehr froh, man hat jetzt einen anderen Blick auf die Dinge«

Wie war Deine Lebenssituation, als Dein Kind geboren wurde und als Du festgestellt hast, es entwickelt sich anders, als Du es erwartet hast?
Also, als mein Sohn geboren wurde, war die Lebenssituation zuversichtlich und nett. Ich war grad’ mitten im Referendariat im Vorbereitungsdienst, das habe ich für vier Monate unterbrochen und dann weitergemacht. Und zunächst entwickelte sich auch mein Sohn vermeintlich normal. Es gab keine großartigen Auffälligkeiten, die man jetzt als besonders empfunden hätte. Ich war dann mit dem Referendariat zu Ende, hab’ dann mein Staatsexamen gemacht und begonnen, mir zu überlegen, was ich jetzt beruflich konkret machen möchte. Ich hatte mich im Alter von etwa zwei, zweieinhalb Jahren meines Sohnes gerade selbstständig gemacht und einen Kredit aufgenommen und wurde dann von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam gemacht, dass mein Sohn tatsächlich Besonderheiten hat, die es wohl wert wären, mal abgeklärt zu werden.
Als mein Sohn zwei und ein dreiviertel Jahr alt war, waren wir dann bei einer Beratungsstelle für sprach- und hörbehinderte Kinder und erhielten die Diagnose Entwicklungsverzögerung, vor allem Sprachentwicklungsverzögerung, und damit war die Sache erst einmal erledigt, sollte weiter beobachtet werden. Eine echte Interventionsnotwendigkeit wurde nicht gesehen. Wenige Monate später wurde uns dann der Hinweis gegeben, uns doch einmal bei anderen Einrichtungen bzw. anderen Ärzten vorzustellen, weil eine Frau wohl den Verdacht hatte, dass da etwas in Richtung Wahrnehmungsstörungen sein könnte. So bekamen wir dann etwa fünf Monate später – als mein Sohn drei und ein Viertel Jahre alt war, die Diagnose – relativ Knall auf Fall – frühkindlicher Autismus bzw. Entwicklungsstörung. Das waren zunächst die Schlagworte. Und dann sind der Vater des Kindes und ich erst mal hinten über gefallen, weil wir bislang ja von einer Entwicklungsverzögerung ausgingen. Wir mussten dann erst einmal klar kommen mit der Situation.
Und was war es, was man beobachten konnte oder was ist den anderen Leuten aufgefallen?
Dass mein Sohn beispielsweise nicht auf Ansprache reagiert hat. Da war dann der Verdacht, dass er irgendwie hörbehindert ist. Dass er in der Kita überhaupt nicht gesprochen hat. Zu Hause schien er uns damals noch relativ normal. Er war sehr zurückhaltend und zurückgezogen. Das waren seinerzeit die Auffälligkeiten. Nach der Diagnose kamen dann natürlich noch weitere, die dann schon noch deutlicher wurden.
Und wie haben sich dann Eure familiäre und Deine berufliche Situation verändert?
Na, ich hatte mich ja gerade selbstständig gemacht, einen Kredit aufgenommen und da war es ja nicht so einfach, das ganze Leben dann umzuplanen. So haben wir dann die üblichen Maßnahmen ergriffen, wie Integrationskita2, und uns erst einmal orientiert. Also, wie ich gerade schon gesagt hatte, die Auffälligkeiten kamen dann eigentlich erst später und die ganzen Probleme, so dass sich dann peu à peu so Notwendigkeiten, das Leben zu verändern, herausgestellt haben. Zum Beispiel etwa ein Jahr nach der Umschulung – nein, nach dem Wechsel in die Integrationskita. Als die Integrationskita plötzlich sagte, das Kind ist nicht kitafähig. Wo man sich dann tatsächlich überlegen musste, kann man denn jetzt überhaupt noch arbeiten? Weil es auch zeitweilig unmöglich schien, überhaupt eine neue Kindertagesstätte zu finden.
Aber letztlich habe ich dann Glück gehabt, dass es bisher nicht so weit kommen musste, dass es wirklich ganz real und konkret anstand, dass ich meinen Beruf hätte aufgeben müssen.
Wie hast Du dann eine neue Kita gefunden?
Wir haben ganz extrem herumtelefoniert und uns vorgestellt. Dann haben wir irgendwann zufällig einen Tipp bekommen – weil die Kitas eigentlich alle abwinkten – als ein autistisches Kind umgezogen ist, von Berlin weggezogen ist, dass ein Platz frei wurde. Das war großer Zufall und für uns ein extremer Glücksfall.
Wer hat Euch damals geholfen?
Ganz unterschiedliche Leute. Zunächst war das Jugendamt sehr hilfreich, weil die uns in einer Krisensituation die Einzelfallhilfestunden sehr erhöht haben, so dass ich dadurch eben auch nicht aufhören musste zu arbeiten. Als die Kita sagte: »Ihr Sohn darf hier nur noch drei bis vier Stunden am Tag sein«, konnten wir den Rest der Zeit dann durch Einzelfallhilfe abdecken beispielsweise.
Und Familie und Freunde – wie sind die damit klar gekommen?
Die Familie ist recht gut damit klar gekommen. Die stand uns von Anfang an sehr unterstützend zur Seite. Bei den Freunden war es sehr, sehr unterschiedlich. Viele Freundschaften hatten sich relativ schnell erledigt. Weil sie damit gar nicht klargekommen sind und letztlich hatte es sich in der Situation seinerzeit dann so entwickelt, dass wir als Eltern gar keine Zeit mehr hatten, noch irgendwelche Freundschaften oder sozialen Kontakte zu pflegen.
Also die Freunde, die seinerzeit da waren, waren restlos überfordert. Was aber kein Wunder ist, denn wir waren es ja nicht weniger.
Hast Du damals dann schon die Möglichkeit gesucht, Dich mit anderen Eltern, die ähnliche Probleme haben, auszutauschen?
Klar, das war das allererste, was man versucht hat, und das war auch seinerzeit das Allerhilfreichste. Dass wir Kontakt zur den Elterngruppe gefunden haben, wo Eltern, die die Diagnose bekommen haben, dann tatsächlich erst einmal aufgefangen werden. Dadurch hatten wir das Gefühl, dass wir nicht die Einzigen sind mit dem Problem und dass wir von den Erfahrungen der anderen profitieren können und relativ zielgenau die Ratschläge bekommen, was zu veranlassen ist in sozialer und rechtlicher Hinsicht, was Therapien betrifft usw.
Wenn Du so auf die erste Zeit zurückblickst, was würdest Du sagen, was war das Schwerste und was war das Schönste?
Das Schwerste seinerzeit war, jetzt mit der Situation zurechtzukommen, ganz klar. Weil ich bis dato in meiner Verwandtschaft oder engeren Bekanntschaft keinerlei Eltern mit behinderten Kinder kannte und auch sonst keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen hatte. Und es für mich, wie für viele Leute, die nicht betroffen sind, wahrscheinlich die Vorstellung war, jetzt ist alles zu Ende. Mit so schweren Behinderungen wird man überhaupt nicht klar kommen. Was sich alles relativ schnell als großer Irrtum herausgestellt hat.
Was das Schönste seinerzeit war, kann ich inzwischen nicht mehr sagen, weil das tatsächlich mit einer Situation zusammenfiel, wo sich die ganzen autistischen Symptome so rasant entwickelt haben, dass man eigentlich nur noch funktioniert hat.
Glaubst Du, dass es Dinge gibt in Deinem Leben, die Du nur dadurch gelernt hast, dass Dein Sohn eine Behinderung hat? Sachen, die Du sonst nie erfahren hättest?
Klar. Also sehr viel. Zum einen tatsächlich so das Verhältnis zu Behinderungen, das hat sich natürlich durch die eigene Betroffenheit extrem verändert und ist realistisch geworden und … also da bin ich schon sehr froh, natürlich, man hat jetzt einen anderen Blick auf die Dinge. Man hat sich mit sehr vielen speziellen Sachen beschäftigen müssen, zwangsläufig, mit denen man sonst nie irgendwas zu tun gehabt hätte. Beispielsweise pädagogische Konzepte, Therapieansätze, kann ich alles gar nicht aufzählen, womit man zwangsläufig in Kontakt gekommen ist.
Meinst Du, dass letztendlich Deine Beziehung zu Deinem Mann an der Behinderung Deines Kindes kaputt gegangen ist, oder dass sie dadurch beeinträchtigt wurde?
Beeinträchtigt bestimmt. Ob die daran kaputt gegangen ist, vermag ich nicht zu sagen, das ist relativ spekulativ. Ich denke, dass eine Beziehung in so einer Extremsituation ziemlich stark sein muss und viele Gemeinsamkeiten zwischen den Partnern bestehen müssen, gerade auch in Erziehungsfragen oder Lebenshaltungsfragen. Und dass eine Beziehung, die nicht ganz so stabil ist, sicherlich unter normalen Umständen eine größere Überlebenschance hat, als wenn man mit einem Kind mit einer Behinderung klar kommen muss.
Und das gilt gerade mit einem Kind mit einer autistischen Behinderung, weil sich kleinste Differenzen ja tagtäglich auswirken können. Also insofern hat der Umstand der Behinderung und des Umgangs damit es vielleicht so ein bisschen forciert, dass die Beziehung kaputt gegangen ist, aber die Ursache war es sicherlich nicht, nein.
Und im Augenblick: Deine Beziehung zu Anderen; gibt es jetzt andere Prioritäten durch Deine Lebenserfahrung oder glaubst Du, dass sich das nicht verändert hat?
In der Beziehung zu Anderen?
Ja.
Hm. Nicht grundsätzlich. Also meine Maßstäbe oder die Schwerpunkte in der Beziehung zu Anderen haben sich grundsätzlich nicht geändert, aber haben sich eher noch ausgeprägt, würde ich sagen. Also haben noch einen größeren Stellenwert bekommen. Man pflegt keine belanglosen Beziehungen mehr, wie man das früher vielleicht getan hat. Man wird jetzt schon viel wählerischer, ganz klar! Also man legt Wert darauf, dass die Freunde, die man hat – also ich kann das jetzt nicht so richtig erklären – also auf die Sachen, die einem früher schon wichtig waren, legt man jetzt noch mehr Wert. Vorurteilsfreiheit beispielsweise, eine gewisse Lockerheit im Umgang mit Dingen, die gewinnt natürlich auch bei den sozialen Kontakten eine größere Bedeutung.
Glaubst Du, dass die Beziehung zu Deinem Kind anders ist, weil es eine Behinderung hat?
Ist eine schwierige Frage. Ich glaube nicht, ehrlich gesagt! Weil ich mein Kind ja nicht als behindertes Kind wahrnehme, sondern als mein Kind mit seinen Schwächen und seinen Stärken, und warum sollte das anders sein als bei einem nicht behinderten Kind, das auch seine Schwächen und Stärken hat?
Wenn Du jetzt zurück blickst: Gab es auch Situationen, wo es für Dich auch einfach emotional schwierig war mit Deinem Kind? Also ich glaube, dass das ein großes Tabu ist in unserer Gesellschaft.
Also, um ehrlich zu sein, gab es eine Situation, wo das Auswirkungen auf meine emotionale Beziehung zum Kind hatte. Allerdings nicht im Sinne von: »Ich hasse Dich!« oder so. Ich hätte nie in Betracht gezogen, mich von meinem Kind zu trennen. Auch nicht in den allerschlimmsten Momenten, die wir erlebt haben. Aber es war zeitweilig insofern extrem, als die Ausprägung der autistischen Symptome auf dem Höhepunkt war, denn da bin ich gar nicht mehr an ihn herangekommen.
Wie alt war er da ungefähr?
Das war ca. mit vier Jahren plus minus sechs Monate. Da hatte ich den Eindruck, ich werde als Mutter oder sonst als Mensch von ihm gar nicht mehr wahrgenommen und kann überhaupt gar keine Beziehung mit ihm aufrechterhalten. Das ist schon eine verzweifelte Situation.
Und dann – wie hat sich das dann wieder verändert?
Das hat sich in dem Moment verändert, in dem wir eine brauchbare Therapie gefunden haben, die den Beziehungsaufbau letztlich ermöglicht hat. Die uns in die Lage versetzt hat, Sachen mitunter zusammen zu machen. Und dadurch wurde dann mehr und mehr entwickelt, dass eben auch Reaktionen auf Verhaltensweisen von uns kamen und unsere Reaktionen von meinem Kind wahrgenommen wurden. Das, was man ja gemeinhin unter Beziehung versteht, wechselseitige Reaktion aufeinander.
Für die Zukunft, was würdest Du Dir wünschen für ihn?
In welcher Hinsicht?
… überhaupt für das Leben.
Dass er wirklich selbstständig werden kann und selbstbestimmt in der Lage ist, irgendwie Entscheidungen zu treffen. Also soweit es eben geht. Mit den Beeinträchtigungen, die er hat.
2 »Kita« ist eine in der Bundesrepublik übliche Abkürzung für »Kindertagesstätte«, also einen Kindergarten. Eine Integrationskita wird von Kindern mit und ohne Behinderung besucht (Anmerkung von Brita Schirmer).

Horst E.
»Da habe ich gemerkt, dass es ja mindestens tausend Eltern gibt, die mit einem autistischen Kind leben müssen«

Wie war Eure Lebenssituation, als Dein Junge geboren wurde?
Als mein Junge geboren wurde, hatten wir vier Geschäfte und einen Baubetrieb. Wir waren eine Familie mit drei Kindern und Leo war das letzte Kind, welches zu uns gekommen ist. Die Diagnose haben wir bekommen als der Junge viereinhalb Jahre alt war.
Und was habt Ihr vorher bemerkt?
Also ich bin ja nun ein etwas älterer Mensch, ich hab’ eigentlich immer gesagt, es ist ganz normal, wie der Junge sich bewegt. Er hatte überhaupt keine Angst und war sehr aktiv und für mich war das eigentlich ganz normal. Aber meine Frau hat immer wieder gesagt, irgendetwas stimmt nicht, er reagiert nicht. Und ich hab’ immer gesagt: »Lass ihn doch!« Wenn er auf den Baum geklettert ist, der hatte überhaupt keine Höhenangst – überhaupt nichts! Und wir haben immer wieder gesagt: »Lass ihn!«
Auffällig ist es für mich geworden, als wir ihn in den Kindergarten gegeben haben auf Drängen von anderen Leuten. »Der muss doch Kontakt mit anderen Kindern haben, Ihr seid doch viel zu alt für das Kind. Der muss doch auch mit jungen Leuten zu tun haben«, so ungefähr, und die mir dann erzählt haben, dass er überhaupt keinen Kontakt zu anderen Kindern knüpft, sondern nur...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Einführung
  7. Elterninterviews
  8. Nachwort
  9. Literatur