Psychoanalyse im 21. Jahrhundert
eBook - ePub

Psychoanalyse im 21. Jahrhundert

Eine Standortbestimmung

  1. 200 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Psychoanalyse im 21. Jahrhundert

Eine Standortbestimmung

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Psychoanalysis is not only the oldest, most comprehensive and most thoroughly researched psychotherapeutic procedure & it is also a theory and a method from which many decisive stimuli towards the development of enlightened and reflective consciousness emerged during the twentieth century. Its critical ideas have led to major cultural changes. Will it be able to maintain this role in the twenty-first century as well, or will it come to be regarded as superfluous due to developments in neurobiology and the cognitive sciences?This volume brings out why psychoanalytic thinking will still continue to be central to human experience and action and why it is likely to become even more important & although it will also continue to face considerable resistance.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Psychoanalyse im 21. Jahrhundert von Wolfgang Mertens, Cord Benecke, Lilli Gast, Marianne Leuzinger-Bohleber, Wolfgang Mertens im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Psychology & Psychoanalysis. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Jahr
2013
ISBN
9783170247918
Auflage
1

1 Psychoanalyse als Methode, Theorie und Praxis

Einführung
Es ist immer noch zu wenig bekannt, dass die Psychoanalyse nicht nur die älteste, am gründlichsten beforschte und wohl auch anspruchsvollste Psychotherapieform darstellt, sondern dass sie ihre Theorien und Konzepte einer Methode verdankt, die sich von den herkömmlichen psychologischen und sozialwissenschaftlichen Forschungsmethoden deutlich unterscheidet. Dabei gibt es kein menschliches Thema, bei dem nicht psychoanalytisches Denken und Forschen gefragt sind.
Nach einem kurzen Überblick über eine kulturkritisch eingestellte psychoanalytische Erkenntnishaltung und über die Aktualität der Psychoanalyse erfolgt in diesem Kapitel eine erste Übersicht über Theorie, Methode und Praxis, eine Einteilung, die bereits Freud vornahm, die aber auch für die zeitgenössische Psychoanalyse grundlegend ist. Weitere Überblicke sind den Themen der mittlerweile zahlreichen Therapieverfahren sowie den diversen Anwendungsfeldern der Psychoanalyse gewidmet.

Lernziele

• Einschätzen können, warum psychoanalytisches Denken zentral für menschliches Erleben und Handeln ist und warum diesem so viele Widerstände entgegengesetzt werden
• Mit den Argumenten für die Aktualität der Psychoanalyse vertraut werden und sich mit kritischen Gegenargumenten auseinandersetzen können
• Die Unterscheidung von psychoanalytischer Theorie, Methode und Praxis kennenlernen
• Sich einen Überblick über die Disziplinen der Psychoanalyse verschaffen
• Die Grundzüge der psychoanalytischen Methodologie kennenlernen
• Einen Überblick über die Verfahren der psychoanalytischen Praxis in der Klinik und in anderen Anwendungsfeldern bekommen

1.1 Warum Psychoanalyse?

Auf Schritt und Tritt begegnen jedem von uns tagtäglich Phänomene, die unserem Wunsch, etwas unmittelbar zu verstehen, Grenzen setzen: Wie kommt es, dass sich ein für seine herausragende intellektuelle Kritik bekannter Rhetorikprofessor an seinen NSDAP-Beitritt als junger Mann nicht mehr erinnern kann? Wie kann es geschehen, dass ein erfolgreicher Liedermacher auf dem Höhepunkt seiner Karriere sein Leben durch Drogen und Alkohol zu zerstören beginnt? Warum haben zwei junge Menschen, deren Liebe wie ein Fels in der Brandung zu sein schien, sich nach wenigen Jahren völlig auseinander gelebt? Wie kommt es, dass auch intelligente Menschen immer wieder von narzisstischen Politikern angezogen werden und diesen ihre Stimme geben? Warum töten sich scheinbar friedliebende Menschen im Namen ihrer religiösen Ideale? Wieso werden missbrauchte Kinder später selbst häufig zu Vergewaltigern? Warum verliert jemand an der Börse viel Geld, obwohl er zuvor viele Artikel über die Risiken von Börsenspekulationen gelesen hat? Warum wählt ein Firmeninhaber einen untauglichen Manager als seinen Nachfolger, der die Firma innerhalb weniger Jahre in den Konkurs treibt? Wie kann es geschehen, dass ein erfolgreicher Mensch eine außereheliche Affäre beginnt und damit seinen Beruf und seine Reputation aufs Spiel setzt? Wie lässt sich verstehen, dass ein engagierter Verfechter eines ökologiebewussten Umgangs mit endlichen Ressourcen mit dem Gedanken liebäugelt, sich ein überdimensioniertes SUV anzuschaffen?
Meistens werden dafür biologische, genetische oder umweltbedingte Ursachen gefunden wie hormonelle Veränderungen, Midlife crisis, schlechte Erbanlagen, Gedächtnisverlust, strukturelle Gewalt; aber auch psychologische Konzepte wie posttraumatisches Belastungssyndrom, kognitive Dissonanz, Gruppendenken und Herdentrieb werden bemüht, um Unverständliches erklärbar zu machen.
Es ist naheliegend, dass bei all diesen Themen psychoanalytische Konzepte und – sofern es sich ergibt – auch psychoanalytische Praxis und ihre Methoden gefragt sind. Genau genommen gibt es kein menschliches Thema, bei dem nicht psychoanalytisches Denken und Forschen erforderlich sind und dies aus einem einfachen Grund: Menschliches Handeln ist immer ein Geflecht aus bewussten Vornahmen und unbewussten Handlungsgründen, die im Kontext einer spezifischen Kultur und Gesellschaft entstanden sind. Und da diese als eine Art biographische Aufschichtung zu denken sind, kommt man ohne eine diachrone Betrachtung von lebensgeschichtlichen Einflüssen und Verarbeitungsprozessen in einem bestimmten soziokulturellen Umfeld nicht aus.
Was aber waren und sind immer noch die Gründe dafür, dass psychoanalytische und im weiteren Sinn tiefenpsychologische Erkenntnisse es so schwer haben, auf eine breitere Akzeptanz zu stoßen? Ist es die narzisstische Kränkung, nicht »Herr im eigenen Hause« zu sein, die Freud als Rezeptionsbarriere formulierte und die in den letzten Jahren interessanterweise von Hirnforschern wieder geltend gemacht wird, wenn sie behaupten, dass das bewusste Ich eine illusionäre Größe und die Willensfreiheit eine Fiktion sei? Sind es die aus forschungstechnischer Sicht sehr viel größeren Schwierigkeiten, das Unsichtbare unbewusster Vorgänge, die erschlossen werden müssen und nicht einfach am sicht- und messbaren Verhalten abgegriffen werden können, zu erforschen? Aber hat schließlich nicht auch die moderne Atomphysik erst einmal das Zeitalter der klassischen Physik überwinden müssen und letztere wiederum den unmittelbaren Augenschein des konkret Erfahrbaren? Stellt psychoanalytisches Denken vielleicht größere Anforderungen an das abstrakte Denken, deren Konstrukte nicht unmittelbar beobacht- und messbar sind?
Und hängen damit vielleicht auch die Schwierigkeiten im Denken zusammen, die viele Menschen empfinden, wenn sie sich unbewusste Prozesse in sich selbst vorstellen sollen? Allenfalls kann man anderen Menschen noch ein unbewusstes Seelenleben zugestehen, aber sich selbst? Alle Gedanken sind doch bewusst gedachte und alle Entscheidungen bewusst getroffene. Einzig in einer übermäßig affektiven Handlung oder in einem z. B. durch äußere Substanzen veränderten Gehirnzustand lassen sich unbewusste Vorgänge vorstellen. Ansonsten aber gelten alle Handlungen doch überwiegend als rational geplant. Dass der Augenschein eines angeblich über sich selbst autonom verfügenden Ichs trügt, ist mit dem gesunden Menschenverstand nicht zu vereinbaren.
Sollten wir deshalb nicht doch unsere psychische Entwicklung und unsere geistige Gesundheit ausschließlich biologisch orientierten Psychiatern überlassen, die uns schon die richtigen chemischen Dosierungen empfehlen, wenn uns unsere Selbstbeobachtung im Stich lässt? Sind nicht Stimmungsaufheller heutzutage viel besser geeignet, allgegenwärtige Depressionen zu bekämpfen? Wozu dann noch eine aufwändige Auseinandersetzung mit sich selbst? Es sollte uns aber auf jeden Fall aufhorchen lassen, wenn wir erfahren, dass Psychopharmaka nicht nur bislang noch ungenügend erforschte Nebenwirkungen für den Menschen zur Folge haben können, sondern auch dass Fische wie z. B. Barsche aufgrund der gewaltigen Mengen an Arzneimittelrückständen, die in den Weltmeeren gelandet sind, bereits ein verringertes Sozialverhalten aufweisen und ihr Immunsystem dadurch verändert wird (Brodin et al., 2013).
Gegen diese introspektive und selbstreflexive »Denkfaulheit«, die sogar die Ökobilanz zu beeinträchtigen beginnt, wird in den folgenden Kapiteln dafür plädiert, den Umgang mit den Manifestationen unbewusster Prozesse nicht allein der pharmazeutischen Industrie oder der neurowissenschaftlichen Forschung zu überlassen, die uns jeden Tag mit neuen Erkenntnissen überrascht, die freilich nur auf den ersten Blick wirklich erstaunlich und neu wirken, sondern sich der Bewusstmachung, der Auseinandersetzung und den »Individuationsaufgaben« zu stellen. Dies soll heißen, sich quer zu dem derzeitigen Boom der Neurowissenschaften und Pharmakotherapie mit den psychologischen Phänomenen der eigenen Existenz im gesellschaftlichen Umfeld, in dem wir gegenwärtig leben, zu befassen und auseinanderzusetzen. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Selbstverständlich können neurowissenschaftliche Erkenntnisse faszinierend sein und in den letzten Jahren wurde die Neuropsychoanalyse als neue Disziplin mit einer eigenen Fachzeitschrift gegründet, in der international bekannte Wissenschaftler und Psychoanalytiker als Herausgeber und Autoren fungieren (s. auch den in dieser Reihe erscheinenden Band »Psychoanalyse und Neurowissenschaften«).
Gewarnt wird aber vor einer ausschließlich instrumentellen und auf technische Verwertung abzielenden Naturbeherrschung der positivistischen Wissenschaften, die ungeachtet aller nicht mehr wegzudenkender Erleichterungen, die der wissenschaftlich-technische und medizinische Fortschritt mit sich brachte, nicht nur bedauernswerte reflexive und ethische Leerstellen hinterlassen, sondern auch die Gefahr einer potenziell sich selbst zerstörenden Menschheit hervorgebracht hat, deren Anzeichen nicht mehr zu übersehen sind (s.
arrow
Kap. 2
). Vor allem die psychoanalytische Kulturkritik hat mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen immer wieder auf die Grenzen eines überwiegend an ökonomisch verwertbaren Fakten orientierten Menschen- und Weltbildes aufmerksam gemacht (s. den in dieser Reihe geplanten Band »Psychoanalyse und Sozialwissenschaften«).
So ist die Gefahr nicht ganz von der Hand zu weisen, dass auch im Bereich der Psychotherapie eine unpersönliche und von Sinnzusammenhängen abgeschnittene Zweckrationalität Einzug halten könnte, die dann die Ausgangsbasis für ökonomische Kosten-Nutzen-Analysen darstellen soll (s.
arrow
Kap. 6
). Da viele heutige Menschen sich vermutlich in ihrem Selbstverständnis nach derartigen Vorgaben zu modellieren beginnen und in der Konsequenz ihre eigenen, zutiefst menschlichen Belange als überflüssig empfinden, wenn sie sich nicht einem unmittelbaren Verwertungs- und Karriereinteresse unterwerfen lassen, werden ethische und politische Dimensionen in der psychoanalytischen Kulturkritik von großer Brisanz.
Zwar mutet das Eintreten für eine Erkenntnishaltung, die einer humanistischen und aufklärerischen Disziplin verpflichtet ist, gelegentlich wie ein Kampf gegen Windmühlenflügel an, aber dennoch darf das Einstehen für eine andere Erkenntniskultur nicht aufgegeben werden. Damit wird einer überwiegend zweckrationalen und instrumentellen Wissenschaftsauffassung und ihrer von ökonomischen Eliten gesteuerten Verwertungspraxis eine Auffassung entgegengesetzt, die sich vor allem durch Respekt vor der Eigengesetzlichkeit und Autonomie innerer wie äußerer Natur charakterisieren lässt.

1.2 Zur Aktualität der Psychoanalyse

Die Schriften psychoanalytischer Autoren – angefangen von Sigmund Freud, über Melanie Klein, Donald Winnicott, Michael Balint, Heinz Kohut, Jacques Lacan bis hin zu Judith Butler, Julia Kristeva, Jessica Benjamin, Stephen Mitchell, Jean Laplanch...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Geleitwort zur Reihe
  6. 1 Psychoanalyse als Methode, Theorie und Praxis
  7. 2 Möglichkeiten und Grenzen der Psychoanalyse als ein Projekt der Aufklärung – Warum die Psychoanalyse auch im 21. Jahrhundert unverzichtbar bleibt
  8. 3 Was bleibt von der klassischen Triebtheorie?
  9. 4 »Ich ist ein Anderer« – Die Abhängigkeiten des Ich
  10. 5 Wissenschaftstheoretische Strömungen im 19. und 20. Jahrhundert und ihre Auswirkungen auf die Psychoanalyse
  11. 6 Psychoanalytische Psychotherapieforschung
  12. 7 Bewusste und unbewusste Prozesse – Wird das Bewusstsein vernachlässigt?
  13. 8 Bewusste und unbewusste Prozesse – Höheres Bewusstsein ist notwendig
  14. 9 Für ein neues psychoanalytisches Verständnis von Spiritualität
  15. Literatur
  16. Sachregister
  17. Personenregister