Klassenmanagement
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Klassenmanagement

Ein Handbuch für Studium und Praxis

  1. 184 Seiten
  2. German
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Klassenmanagement

Ein Handbuch für Studium und Praxis

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Über dieses Buch

Klassenmanagement ist in letzter Zeit wieder ins Zentrum der deutschsprachigen Didaktik und Lehrerbildung gerückt. Gemeint ist damit die Fähigkeit zur Steuerung der Interaktionsprozesse in einer Schulklasse mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit von Schülerinnen und Schülern auf den Lerngegenstand auszurichten und Störungen effektiv zu bearbeiten. Klassenmanagement gehört so als eigenständiger Kompetenzbereich zur Lehrerexpertise und setzt besondere Strategien und Techniken und damit auch ein besonderes Wissen voraus. Zum ersten Mal wird in dieser Einführung zum Thema Klassenmanagement ein kohärentes Curriculum entworfen, das von einem weiten Begriff des Klassenmanagements ausgeht und die relevanten Forschungstraditionen zusammenführt. Im Mittelpunkt stehen praxisnahe Fragen zur Einführung von Regeln, zu Aufbau und Veränderung von Verhalten, zur Steuerung der Aufmerksamkeit, zum Umgang mit Störungen und zur Bearbeitung von Konflikten. Abschließend werden Wege der Entwicklung und Weiterentwicklung von Kompetenzen des Klassenmanagements vorgestellt. Das Buch ist vor allem als ein Arbeitsbuch für die Lehreraus- und -weiterbildung konzipiert und mit zahlreichen Arbeitsaufgaben, Fallbeispielen und Checklisten versehen.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783170275942
Auflage
1
Thema
Bildung

1 Die Schulklasse als soziales System

Klassenmanagement wurde eingangs als Steuerung von Interaktionsprozessen im sozialen System Schulklasse beschrieben. Wie kann dieses besondere soziale System im Unterschied zu anderen sozialen Systemen charakterisiert werden? Was zeichnet die Interaktion zwischen Lehrkräften und Schülern aus? Welchen sozialen Erfahrungsraum stellt eine Schulklasse für die Schülerinnen und Schüler dar? Und schließlich: Was können Lehrkräfte tun, um den sozialen Erfahrungsraum Schulklasse lerndienlich zu gestalten?
Bei der Beantwortung dieser Fragen gehen wir zunächstvon soziologischen Ansätzen aus, die sich dem Strukturfunktionalismus und dem symbolischen Interaktionismus zurechnen und fragen mit diesen Ansätzen, was das Interaktionssystem Schulklasse von anderen Interaktionssystemen, wie beispielsweise der Familie, unterscheidet und welche besonderen sozialen Erfahrungen dieses soziale System jenseits der durch Lernziele und Lehrplan definierten Lernprozesse ermöglicht (1.1). Wir nähern uns in einem zweiten Schritt sozialpsychologischen und soziologischen Theorien zu formellen und informellen Gruppen und fragen, welche spezifischen Funktionen die Schulklasse als Zwangsgruppierung erfüllt, wie sich Gruppenbildungsprozesse vollziehen und welche Rolle die Führung durch die Lehrkraft spielt (1.2).

1.1 Die Schulklasse als sozialer Erfahrungsraum

Schulen sind in modernen Gesellschaften Institutionen von herausragender Bedeutung für die Formung individueller Lebensläufe. Sie leisten nicht nur die Versorgung der jeweils nachwachsenden Generation mit dem Grundbestand an Wissen, der für gesellschaftliche Teilhabe in Alltag und Beruf notwendig ist (Qualifikation), sie erbringen darüber hinaus spezifische Erziehungsleistungen, vermitteln Werte, Normen und Traditionen, die die Voraussetzung für den Fortbestand und die Weiterentwicklung einer Gesellschaft darstellen (Integration) und sie verleihen Zertifikate über erbrachte Leistungen, die für weiterführende Qualifikationsinstanzen, wie Universitäten oder die Berufsausbildung, Zutrittsberechtigungen darstellen und nehmen damit erheblichen Einfluss auf die spätere soziale Platzierung von Schülerinnen und Schülern (Selektion) (vgl. Fend 1981). Diese drei Funktionen bestimmen das Lernen in Schulklassen oder anders formuliert: Die Einrichtung von Schulklassen ist eine Antwort moderner Gesellschaften auf die Fragen der Sicherung einer systematischen und effektiven Qualifikation, der Integration einer im Verhältnis zu vormodernen Gesellschaften stark individualisierten und pluralisierten Gesellschaft und der Verteilung von Chancen unter dem Vorzeichen der Leistungsgerechtigkeit. Die drei Funktionen stellen gewissermaßen die Geschäftsgrundlage für die implizite Ordnung der Schulklasse dar: Es ist nicht verhandelbar, dass spezifisches Wissen, das als allgemein im Sinne von gesellschaftlich relevant gilt, vermittelt wird, dass die Lernprozesse durch die Normen und Traditionsbestände, die das Selbstverständnis der Gesellschaft prägen, in grundsätzlicher Weise bestimmt werden und dass Leistungen beurteilt werden müssen – und zwar nach Maßstäben, die prinzipiell den Anforderungen der Gleichbehandlung und Fairness genügen.
Wenn wir Schule als sozialen Erfahrungsraum mit der Familie vergleichen, wird deutlich, welche konkreten Einschränkungen des sozialen Miteinanders sich aus den drei Funktionen ergeben. Die Teilnahme an Schule ist nicht freiwillig. Die Themen, über die kommuniziert werden darf, sind für den größten Teil der Schulzeit festgelegt. Lernprozesse sind nach relativ starren Zeitschemen organisiert, die den Wechsel vom einen zum anderen Fach, vom einen zum anderen Jahrgang und schließlich von der einen zur anderen Schulform genau definieren. Die Zusammensetzung von Klassen erfolgt nach dem Prinzip der Homogenisierung von Eingangsvoraussetzungen (Alter), von dem in der Regel nur dann abgewichen wird, wenn das Leistungsalter und das biologische Alter deutlich auseinanderklaffen (Überspringen, Sitzenbleiben).1 Das Verhalten der Interaktionspartner ist durch Rollenerwartungen weitgehend festgelegt – wobei die Rollen von Lehrkräften und Schülern in einem asymmetrischen Verhältnis stehen. Die Lehrkräfte (insbesondere die Fachlehrer) sind als Rollenträger nur in einem ganz bestimmten Ausschnitt ihres Verhaltens wahrnehmbar. Schließlich muss vieles von dem, was gelernt wird, auch beurteilt werden, und um Fairness zu garantieren, sind nicht nur Prinzipien der Beurteilung, sondern auch die Normwerte für Übertritte in die nächste Klasse festgelegt.
Der Soziologe Talcott Parsons (1968) – und im Anschluss an ihn auch Robert Dreeben (1980) – haben die Bedingungen der Interaktion in der Schulklasse genauer analysiert. Im Vergleich mit der Schule erscheint der soziale Erfahrungsraum der Familie sehr viel weniger determiniert. Obwohl es in Familien sicher Tabuthemen gibt, sind die Inhalte der Kommunikation doch nicht in derselben Weise festgelegt, wie dies in der Schule der Fall ist. Es ist auch kaum zu bestreiten, dass in Familien Rollenerwartungen, z. B. an die Eltern oder die Geschwister, die Kommunikation prägen; die Mitglieder der Familie begegnen sich aber sehr viel stärker als individuelle Personen und nicht so sehr als Rollenträger. Anders als in Schulen kann deshalb beim Ausfallen einer Person, etwa durch den Tod eines Elternteils, die Rolle nicht so einfach »wiederbesetzt« werden. Weil Individuen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen wahrgenommen werden, ist es auch unvorstellbar, für alle den gleichen Maßstab anzulegen; im Gegenteil: Fortschritte werden nach individuellem Maßstab gewürdigt und jedes Mitglied erfährt im Idealfall die Unterstützung, die es benötigt: Nicht Leistungsgerechtigkeit, sondern Bedürfnisgerechtigkeit ist die übergeordnete Norm, an der sich das Verhalten der Erwachsenen gegenüber den Kindern orientiert. Konkurrenzverhalten widerspricht – obwohl es natürlich vorkommt – den Normen der Fürsorge und der Gemeinschaft. Grundvoraussetzungen für diesen besonderen Charakter des sozialen Systems der Familie sind – neben der Tatsache, dass es sich nach Zahl und Umfang um eine kleine Gruppe handelt –, dass sich ihre Mitglieder in ganz unterschiedlichen Situationen gegenseitig erleben und sich im Alltag beobachten können, dass zwischen den Mitgliedern eine starke affektive Bindung besteht und diese Bindung in der Regel von lebenslanger Dauer ist und schließlich, dass infolge der Betonung biologischer Faktoren wie Alter und Geschlecht die Unterschiedlichkeit der Individuen im Vordergrund steht (Parsons 1968; Dreeben 1980).
Der soziale Erfahrungsraum der Schule weist dagegen, wie oben beschrieben, ganz andere Merkmale auf und ermöglicht infolgedessen – so Parsons und Dreeben – ganz andere Sozialisationserfahrungen. Jenseits des Erwerbs fachlicher Kompetenzen lernen Schülerinnen und Schüler – so die These der strukturfunktionalistischen Theoretiker – wichtige Orientierungen und Erwartungen kennen, die für die Teilhabe an modernen Gesellschaften unverzichtbar sind. Die Internalisierung dieser Orientierungen ist eine notwendige Voraussetzung, um in der modernen Gesellschaft bestehen und in Berufsrollen erfolgreich handeln zu können. Vor allem in Schulklassen lernen Heranwachsende, dass
  • Handlungserwartungen für alle Schülerinnen und Schüler ohne Ansehen der Person in derselben Weise gelten,
  • sozialer Status auf Leistung und nicht auf askriptiven Merkmalen wie soziale Herkunft, Geschlecht oder Alter beruht und dass Leistungsorientierung mit sozialen Vergleichsprozessen und damit Wettbewerbsorientierung einhergeht,
  • Rollen immer spezifische Erwartungen mit sich bringen und alle Gesellschaftsmitglieder in unterschiedlichen Rollen agieren und demnach Widersprüche zwischen diesen Rollen aushalten oder bearbeiten müssen,
  • in vielen, vor allem beruflichen Interaktionen, affektiv neutrales Verhalten und gerade keine persönliche Zuwendung erwartet wird und
  • sie selbst für die Gestaltung ihres Lebenslaufs Verantwortung übernehmen müssen.
Wie der Übergang von der Familie, in der vorwiegend partikularistische Orientierungen herrschen, in die Schule vonstatten geht, ist eine zentrale Frage gelingender Sozialisation (Tillmann 2000, 125).
Zwar sind die beschriebenen Erfahrungen, die Schule dem einzelnen Schüler zumutet, notwendige Voraussetzungen für den Erwerb zentraler Orientierungen moderner Gesellschaften, diese Erfahrungen geraten aber in der gesamten Schulkarriere immer wieder in Widerspruch zu Normen der Fürsorge, der Gemeinschaft, der persönlichen Zuwendung, der Einzigartigkeit von Individuen und stellen deshalb eine nicht versiegende Quelle für Störungen der Interaktion im Klassenzimmer dar. Festzuhalten ist auch: Im Unterschied zur Interaktion in anderen sozialen Situationen kann die Interaktion in der Schule in der Regel nicht abgebrochen werden, wenn es nicht gelingt, Rollenerwartungen und eigene Identität zur Deckung zu bringen. Der Zwang zur Anwesenheit wird auch in Situationen durchgesetzt, die für Schülerinnen und Schüler selbstwertbedrohlich sind. Aus der Sicht vieler Schüler besitzen die abstrakten, von der Institution Schule sanktionierten und im Machtvorsprung der Lehrkräfte verkörperten Rollenerwartungen nicht selten den Charakter der Repressivität, der Rigidität und der Kontrolle (Habermas 1973).
Den Vertretern der strukturfunktionalistischen Soziologie ist oft vorgeworfen worden, dass sie Sozialisation ausschließlich unter den Vorzeichen einer möglichst geräuschlosen Integration des Individuums in die Gesellschaft verstehen (Tillmann 2000, 135). Insbesondere Vertreter des symbolischen Interaktionismus haben diese Sicht scharf kritisiert und den Prozess der Sozialisation als konflikthaften Prozess beschrieben, in dem ein Individuum zwischen der eigenen Identität, die das Resultat mehr oder weniger reflektierter biografischer Erfahrungen darstellt, und den abstrakten Normen und Rollenanforderungen der Gesellschaft eine aktive Vermittlung herstellen muss. »Role-making« und »role-taking« (Mead 1968) greifen ineinander! Empathie und Perspektivenübernahme, Frustrationstoleranz (Fähigkeit, die Aufschiebung bzw. Verweigerung unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung auszuhalten), Ambiguitätstoleranz (Fähigkeit, Uneindeutigkeiten und Widersprüchlichkeiten auszuhalten) und Rollendistanz (Fähigkeit, institutionalisierte Erwartungen zu interpretieren und zu bewerten) sind unverzichtbare Voraussetzungen für die aktive Bewältigung der Widersprüche zwischen den eigenen Ansprüchen und den Erwartungen der anderen (Habermas 1973). Anzumerken ist, dass insbesondere die Fähigkeit zur Rollendistanz, aber auch die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme auf sprachliche und kommunikative Kompetenz angewiesen ist. Wir kommen im siebten Kapitel auf die Bedeutung von Perspektivenübernahme und Empathie für die produktive Bearbeitung von Konflikten zwischen Lehrkräften und Schülern zurück.
Der Psychologe Erikson hat in seinem Phasenmodell der Entwicklung die Identitätsproblematik der Adoleszenzphase zugeordnet (Erikson 1966). In der Jugendphase, die sich sowohl in körperlicher als auch in sozialer Hinsicht als krisenhafter Prozess vollzi...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. 1 Die Schulklasse als soziales System
  7. 2 Unterrichtsexpertise und Klassenmanagement
  8. 3 Dimensionen des Klassenmanagements
  9. 4 Einführung von Regeln und Einübung von Verhalten
  10. 5 Steuerung des Unterrichtsflusses
  11. 6 Klassenmanagement in schülerzentrierten Lernsettings
  12. 7 Bearbeitung von Konflikten in der Schulklasse
  13. 8 Entwicklung von Expertise im Klassenmanagement
  14. Literatur
  15. Anhang A Der KODEK-Schülerfragebogen zur Erfassung von Kompetenzen des Klassenmanagements
  16. Anhang B Der KODEK-Beobachterfragebogen zur Erfassung von Kompetenzen des Klassenmanagements
  17. Anhang C Checkliste zum KODEK-Videozirkel mit »Prinzipien des Klassenmanagements«
  18. Sachregister