1 Einführung
Bereits seit den Anfängen der Hospizbewegung ist es ein grundlegender Anspruch, ehrenamtliche Hospizbegleiter1 auf ihre anspruchsvolle Aufgabe vorzubereiten und dafür zu schulen. Das Prinzip »erst die Schulung, dann die Begleitung« wird inzwischen landesweit eingefordert. Mit den gestiegenen Anforderungen an Hospizbegleiter wurden die Schulungsinhalte erweitert. Die Grundannahme dieses (für Erwachsenen-Hospizdienste formulierten) Bandes ist nicht, dass die Begleitung Sterbender ausschließlich von geschulten Menschen erbracht werden kann. Dies würde dem Ziel widersprechen, Sterben als Teil jeden Lebens und die Begleitung Sterbender als gesellschaftlichen Auftrag zu betrachten. Gemeint ist vielmehr, dass die Begleitung Sterbender, die durch einen ambulanten Hospizdienst geleistet wird, gewisse Qualitätsmerkmale aufweisen und den Betroffenen Sicherheit geben sollte, dass die ehrenamtlich Mitarbeitenden eines Dienstes für ihre Aufgabe vorbereitet sind.
1.1 Fachliche Basis
Die beschriebenen Themen und Ziele ergeben sich aus
• den Fragen und der praktischen Arbeit der erfahrenen ehrenamtlichen Hospizbegleiter,
• den Erfahrungen der Palliativfachkräfte in der Koordination,
• der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern,
• den Qualitätsanforderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz (heute Deutscher Hospiz- und Palliativverband, DHPV) von 2005,
• den im Jahr 2001 formulierten Mindeststandards des Bayerischen Hospiz- und Palliativverbandes (BHPV),
• Studien, welche die Qualität ehrenamtlicher Arbeit einschließlich der Schulung zum Inhalt haben,
• und letztlich aus der Begegnung mit dem sterbenden Menschen und seinen Nahestehenden selbst.
In den Qualitätsanforderungen des DHPV zur Vorbereitung Ehrenamtlicher in der Hospizarbeit wurde formuliert (Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz 2005, S. 8):
»Von den zukünftigen ehrenamtlichen Mitarbeitern wird erwartet: Die Bereitschaft,
• sich persönlich mit den Themen Sterben, Tod und Verlusterfahrung auseinander zu setzen
• eigene Erfahrungen und die anderer zu reflektieren und zu akzeptieren
• eine eigene hospizliche Haltung herauszubilden, die in der achtsamen und respektvollen Begegnung mit dem sterbenden Menschen und seinen ihm Nahestehenden mündet.
• sich in der Begegnung mit dem sterbenden Menschen und seiner ihm Nahestehenden zurückzunehmen und sich an deren Bedürfnissen zu orientieren
• sich auf das Lernen in einer Gruppe einzulassen
• sich in dem zur Mitarbeit vorgegebenen Rahmen des Dienstes oder der Einrichtung einbinden zu lassen.«
Auf dieser Basis wurde dieser Band entwickelt. Die Schulung von ehrenamtlichen Hospizbegleitern lässt sich nicht durch ein Regelwerk standardisieren. Regionale Unterschiede in der Hospizlandschaft erfordern individuelle Zugänge. Allerdings ist es möglich, einen Rahmen zu beschreiben, der den Hospizeinrichtungen Orientierung gibt und es ihnen ermöglicht, ihren regionalen Besonderheiten und Interessen den erforderlichen Stellenwert einzuräumen. Auf diese Weise gelingt es, trotz individueller Erfordernisse eine gemeinsame Grundlage zu schaffen, Hospizbegleitern den Wechsel von einer Einrichtung in eine andere zu erleichtern sowie Transparenz im multiprofessionellen Kontext bzw. in der vernetzten Struktur der Hospiz- und Palliativversorgung herzustellen.
1.2 Juristische Basis
Diese Transparenz spielt besonders dann eine Rolle, wenn Hospizdienste Verpflichtungen im Rahmen des § 39a SGB V und des § 37b SGB V eingehen. Im Einzelnen sind Hospizdienste gefordert,
• nur Ehrenamtliche in ihren Dienst aufzunehmen, die einen Befähigungskurs absolviert haben (§ 4 Abs. 4 der Rahmenvereinbarung nach § 39a Abs. 2 Satz 7 SGB V zu den Voraussetzungen der Förderung sowie zu Inhalt, Qualität und Umfang der ambulanten Hospizarbeit vom 03.09.2002, i. d. F. vom 14.04.2010),
• den ehrenamtlichen Hospizbegleitern für den Antrag (in der Anlage zum Antrag nach § 39a SGB V) eine Unterschrift abzuverlangen, dass sie diesen Absatz erfüllen und einen entsprechenden Befähigungskurs absolviert haben,
• im Antrag (in der Anlage zum Antrag nach § 39a SGB V) das Schulungskonzept darzulegen, das denselben Stellenwert einnimmt wie der Nachweis der Qualifikation der hauptamtlichen Koordinationskraft,
• mit Spezialisierter Ambulanter Palliativversorgung i. S. d. § 37b SGB V zusammenzuarbeiten, die durch ihre Richtlinie (§ 6 Abs. 3) und die gemeinsamen Empfehlungen des »Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA)« (Abschnitte 4.1 und 4.2) gezielt auf Hospizdienste verwiesen ist, welche die Qualitätsanforderungen nach § 39a SGB V erfüllen.
Die Schulung ehrenamtlicher Hospizbegleiter braucht einen individuellen, regionalen Ansatz, der in der Gewichtung der Themen im Kurskonzept und der Entscheidung über die jeweiligen Lerntiefen zum Tragen kommt. Sie braucht aber auch ein (vergleichbares) Mindestmaß an Qualität und Quantität, um die Erfüllung der Anforderungen gegenüber Betroffenen, Netzwerk- und Kooperationspartnern sowie Kostenträgern zu gewährleisten.
2 Inhaltliche und organisatorische Aspekte
2.1 Inhaltliche Rahmenbedingungen
2.1.1 Grundfragen
Bei der Planung der Kurse zum Hospizbegleiter stellen sich viele Fragen:
• Was ist das Ziel des gesamten Kurses?
• Welche Kursinhalte sind zum Erreichen der Qualitätsanforderungen notwendig?
• Mit welcher Priorität, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge sollen sie gelehrt werden?
• Welche thematischen Zusammenhänge sollen hergestellt werden?
• Welche Themen unterrichten Kursleitende selbst, für welche werden (externe) Referenten beauftragt?
• Wird es ein Wochenende in einem Tagungshaus geben? Wenn ja, mit welchem Thema?
• Was sind die Ziele der einzelnen Unterrichtsthemen, die erreicht werden sollen?
• Welche Vereinbarungen braucht es dafür mit externen Referenten?
• Welche Methoden sind geeignet?
• Woran ist erkennbar, dass ein Unterrichtsziel erreicht ist?
Damit die Kursteilnehmer zu hilfreichen Begleitern für Schwerkranke, Sterbende und Nahestehende werden, soll mit der gesamten Schulung erreicht werden, dass sie
• Wissen vermittelt bekommen, das rund um die letzte Lebenszeit wichtig ist,
• sich Fertigkeiten aneignen, die für die Begleitung sterbender Menschen und ihrer Nahestehenden hilfreich sind,
• sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen und eine hospizliche Haltung entwickeln.
Es gibt einige wichtige Haltungen, die in Praxis und Forschung als bedeutsam eingestuft werden. Durch eine Studie, die auf den Aussagen von mehr als 1.000 Ehrenamtlichen beruht, konnten Empathie, aktives Zuhören, Nächstenliebe/Menschenliebe, Offenheit, Toleranz, Ehrlichkeit, Geduld, Wertschätzung, Achtsamkeit und Zuverlässigkeit (Begemann und Seidel 2015, S. 67) als entscheidende Merkmale ehrenamtlicher Hospizarbeit bestätigt werden. Das Kurskonzept ermöglicht die Entfaltung bzw. Vertiefung dieser Haltungen.
2.1.2 Aufbau
Dieser Band soll als Entscheidungshilfe dienen, das eigene Kursk...