Paarprobleme und Paartherapie
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Paarprobleme und Paartherapie

Theorien, Methoden, Forschung - ein integratives Lehrbuch

  1. 343 Seiten
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Paarprobleme und Paartherapie

Theorien, Methoden, Forschung - ein integratives Lehrbuch

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Über dieses Buch

Eine weitgehend konstante Scheidungsrate von fast 50 % in Deutschland lässt erkennen: Paarprobleme sind ein aktuelles Thema und der Bedarf an effektiven Methoden der Paartherapie ist hoch. Dieses integrative, richtungsübergreifende Lehrbuch gibt einen umfassenden Überblick über derzeitige Erklärungsansätze, Präventions- und Therapiemöglichkeiten sowie deren Wirksamkeit. Grundlegende Einsichten zum Thema Beziehungen aus Geschichte, Sozialwissenschaften, Therapieforschung, Biologie und Neurowissenschaften werden mit neuen Erkenntnissen zur Emotionsregulation und Paarinteraktion verknüpft. Basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen wird ein innovatives Modell zeitgemäßer Paartherapie vorgestellt, das im deutschsprachigen Raum bislang einzigartig ist. Zusätzlich werden einige, noch wenig bekannte Konzepte aufgezeigt.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783170297777

1 Grundlagen: Historische Entwicklung, kultureller und gesellschaftlicher Rahmen von Paarbeziehungen

1.1 Warum Paarbeziehung – lebenslange Partnerschaft (und Paarprobleme) als anthropologische Grundkonstante

Es gibt wenige Grundmuster menschlichen Verhaltens, die derart über alle Kulturen und Epochen verbreitet sind wie die Institutionalisierung von Paarbeziehungen. Nicht nur findet man in praktisch allen Kulturen zu allen Zeiten, von einfachsten Jäger-Sammler-Gruppen bis hin zu hochkomplexen Gesellschaften, ein Zusammenleben von Mann und Frau in einer zumeist lebenslang dauernden Verbindung, sondern auch die ritualisierten Formen der Zusammenführung der beiden Partner in Form der Heirat sowie die darum herum gruppierten Regeln gleichen sich über viele Kulturen hinweg in hohem Maße (Levi-Strauss 1976).
Insofern kann man die heterosexuelle Paarbeziehung durchaus als eine anthropologische Grundkonstante, ja geradezu als einen Archetyp bezeichnen: im »Ethnografischen Atlas« des Kulturanthropologen Murdock (1967), einer Untersuchung von 849 menschlichen Gesellschaften und ihren Eheformen, fand sich, dass weit über 90% der untersuchten Ethnien eine lebenslange monogame Form des Zusammenlebens von Mann und Frau praktizierten. Warum das so ist, wird bei der Darstellung der biologischen, evolutionären, anthropologischen und psychologischen Grundlagen deutlicher werden. Ebenso stellt das Auftreten von Konflikten und Leid in diesen Paarbeziehungen eine Grundkonstante menschlichen Zusammenlebens dar, was eines der zentralen Themen der menschlichen Geistesgeschichte darstellt, angefangen von den frühesten Mythen und Märchen der Völker bis hin zur modernen Literatur. Eine Vielzahl der Mythen aller Völker handelt von Liebe, Untreue, Verrat und Versöhnung zwischen Göttern und Göttinnen sowie Helden und Heldinnen, und der kulturübergreifend verbreitetste Typus von Märchen, die sog. Heldenfahrt (Campbell 1999), endet mit der Verbindung zwischen dem Helden und der befreiten Jungfrau bzw. der Heldin und dem Königssohn.
Vor diesem Hintergrund lässt sich Paarbeziehung also folgendermaßen definieren: »Eine Paarbeziehung ist eine enge, persönliche und intime, auf Dauer angelegte, exklusive Beziehung zwischen erwachsenen Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts. Typischerweise zeichnet sich eine Paarbeziehung durch Liebe, persönliches Vertrauen und sexuelle Interaktion aus« (Huinink & Konietzka 2007).
In dieser Definition ist auch schon beinhaltet, dass wir zumindest für die gegenwärtige Spätmoderne in die Betrachtung von Paarbeziehungen immer auch homosexuelle Beziehungen mit einbeziehen müssen. Aufgrund meiner eigenen Erfahrung in der Paartherapie gleichgeschlechtlicher Beziehungen glaube ich an dieser Stelle die Behauptung wagen zu können, dass homosexuelle Paarbeziehungen sich in ihrer grundlegenden Dynamik nicht von heterosexuellen Beziehungen unterscheiden. Ich denke, dass dies in der Darstellung der theoretischen Grundlagen, in der ich auf biologische, anthropologische und psychologische Konzepte eingehe, belegt werden kann.
Nicht erst seit der Herausbildung der Psychologie als Wissenschaft in der Moderne haben Menschen versucht, Erklärungen für diese Konflikte in Paarbeziehungen und Wege zu deren Lösung zu finden. Ein frühes Beispiel ist die Theorie Platos, beim »Gastmahl« von Sokrates vorgetragen, dass in einer mythischen Vorzeit die Menschen ursprünglich vollständige Kugelwesen waren und durch einen Akt der Götter in eine jeweils männliche und weibliche Hälfte geteilt wurden, die sich nun ein Leben lang gegenseitig suchen, um wieder vollständig zu werden. Dies, so Plato, erkläre, warum Menschen mit einer solchen Energie und Sehnsucht nach Erfüllung in Liebesbeziehungen streben.

1.2 Aktuelle populäre Diskurse zu Paarbeziehung und Paarproblemen

Im gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskurs sind einige populäre, teilweise auf wissenschaftlichen Konzepten rekurrierende Erklärungsmuster zu finden, die meist dadurch gekennzeichnet sind, dass sie meinen, das Zu-Stande-Kommen von Paarbeziehungen und die Entstehung von Paarproblemen auf ein allgemeines erklärendes Prinzip gründen zu können. Einerseits haben diese Diskurse in der Regel einen substanziellen Kern, der auch in den weiter unten dargestellten theoretischen Konzepten wieder auftauchen wird, andererseits haben sie in ihrer simplifizierten Form teilweise für den Umgang mit Problemen in Paarbeziehungen und dementsprechend für die Paartherapie problematische Implikationen:

1.2.1 Diskurs 1: Paarbeziehung dient der Fortpflanzung und damit der Arterhaltung

Etwas salopp ausgedrückt, könnte man dieses Erklärungsmuster so zusammenfassen, dass Liebe zwischen Mann und Frau gewissermaßen ein Trick der Natur ist, um Fortpflanzung und damit Arterhaltung sicherzustellen. Die Argumentation geht in etwa so, dass Liebesgefühle dem sexuellen Begehren folgen bzw. diesem beigemengt sind, um sozusagen den Rahmen zu schaffen, in dem die Zeugung von Nachkommen stattfinden kann. Dieses Modell wird dann auch häufig zur Erklärung des Verfalls von Liebesbeziehungen über die Zeit hinweg herangezogen, da es aussagt, dass die Paarbeziehung, wenn die Nachkommen in der Welt sind, ihren Zweck erfüllt hat. In simplifizierter Form (»Männer kommen vom Mars, Frauen von der Venus«) will diese Theorie außerdem scheinbar geschlechtstypische Unterschiede im Beziehungsverhalten von Männern und Frauen erklären: Männer neigten zur Promiskuität, da sie von ihrer genetischen Ausstattung her unter Steinzeitbedingungen Jäger waren und deshalb heute Frauen jagen. Zudem sei es ihr Hauptinteresse, ihren Samen möglichst weit zu verbreiten, während Frauen stärker an Beziehung, Treue und Austausch/Gespräch mit dem Partner interessiert seien, weil sie evolutionsgeschichtlich schon immer für die Aufzucht der Kinder zuständig waren und damit auf soziale Beziehungen stärker angewiesen. Es wird deutlich, dass diese Theorie biologische und genetische Gegebenheiten als Erklärung für Beziehungsverhalten und spezifische Unterschiede zwischen Männern und Frauen nutzt. Tatsächlich finden sich in der sog. evolutionären Psychologie derartige Argumentationen, die aber in seriösen evolutionspsychologischen Modellen sehr viel komplexer daherkommen, worauf weiter unten ausführlicher eingegangen wird. Eine problematische Implikation dieses Erklärungsmodells ist, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau sowie die spezifischen Verhaltensweisen in Beziehungen, und eben auch die daraus entstehenden Probleme, weil naturgegeben, letztlich nicht veränderbar seien.

1.2.2 Diskurs 2: Paarbeziehung als quasi ökonomischer Austauschprozess

Dieses vor allem in wirtschaftsliberalen Gesellschaften wie den USA sehr weit verbreitete und beliebte Erklärungsmodell konzeptualisiert die Paarbeziehung im Grunde wie einen Handel zwischen zwei Geschäftspartnern. Hier wird als Sinn von Paarbeziehung die jeweilige Nutzenmaximierung für beide Partner gesehen. Beide Seiten vertreten ihre jeweiligen Interessen und es braucht vor allen Dingen Kompetenzen wie Kommunikation, Verhandlungs- und Problemlösungsfähigkeiten sowie Kreativität in der Auffindung von Lösungen bzw. bei der Kompromissfindung, damit Paarbeziehung gelingen kann. Auch dieses Modell stützt sich auf wissenschaftliche Konzepte, hier z. B. die psychologische Austauschtheorie (s. u.) sowie Verhandlungsmodelle im Bereich der Mediation (z. B. das Harvard-Verhandlungsmodell). Auch hier gibt es problematische Implikationen, z. B. dass man den Liebespartner wie einen Geschäftspartner wechseln kann, wenn das Verhältnis von Kosten und Nutzen nicht mehr stimmt. Dieser letzte Aspekt wird von der israelischen Soziologin Eva Illouz (2003) scharf kritisiert: Sie spricht in diesem Falle von »sexuellen Kapitalisten«, die mit immer neuen Partnern sexuelle Beziehungen eingehen, um dadurch die Steigerung ihres eigenen Wertes auf dem Liebesmarkt zu erfahren. Liebesbeziehungen und Liebespartner werden dabei zu nichts weiter als einem weiteren Produkt, das den Gesetzen des Konsums, von Angebot und Nachfrage unterliegt.
Eine problematische Voraussetzung dieses Modells ist darüber hinaus, dass es unterstellt, dass die Partner in Paarbeziehungen vorwiegend rational handeln und sich außerdem ihrer Bedürfnisse und Interessen vollständig bewusst sind und diese diskursiv vertreten können – was eine sehr idealistische Auffassung ist, wie nicht nur die Psychoanalyse aufgezeigt hat.

1.2.3 Diskurs 3: Paarbeziehung ist machbar und eine Frage der richtigen Technik

Dieser Diskurs ist eng verwandt mit dem vorangegangenen bzw. hat sich aus diesen quasi logisch entwickelt. Wenn Paarbeziehung vor allem eine Verhandlungssache ist und es darum geht, sich selbst und die eigenen Interessen angemessen und effektiv zu vertreten, dann ist es entscheidend, über die entsprechenden Kompetenzen und Techniken zu verfügen, damit Paarprobleme wieder aus der Welt geschafft werden können oder sie gar nicht erst auftreten. Es ist in der gegenwärtigen westlichen Kultur eine sehr verbreitete Auffassung, dass es bestimmte Regeln oder Techniken gäbe, mit denen man Paarprobleme effektiv bearbeiten oder gar gänzlich vermeiden kann, ja sogar mit denen Glück in der Paarbeziehung garantiert sei. Diese Auffassung wird durch eine Flut von Ratgeberliteratur befeuert, die entsprechende griffige Titel aufweist wie beispielsweise: »Fünf Regeln für eine glückliche Beziehung« (manchmal sind es auch sieben oder zehn), »Liebe dich selbst und du wirst mit einem Partner glücklich werden« etc. Das entscheidende Argument gegen diese Auffassung ist schlichtweg, dass wenn es so einfach wäre, Paarprobleme zu vermeiden oder zu bearbeiten, es wohl viel mehr glückliche Paare gäbe und nicht die eingangs erwähnte hohe Scheidungsrate in unserer Kultur. Eine höchst problematische Implikation dieses Diskurses ist die, dass Paaren, die in ihrer Beziehung in Schwierigkeiten oder gar Not geraten, vermeintlich einfache Lösungswege vorgegaukelt werden, mit denen sie angesichts der Komplexität von Paarbeziehung und Paarkonflikten nur scheitern können. Dies wiederum wird von nicht wenigen Paaren als persönliche Unzulänglichkeit erlebt, was sich z. B. in den intensiven Schamgefühlen äußert, mit denen sich viele Paare zur Paartherapie anmelden, nachdem sie mit den Strategien aus der Ratgeberliteratur kläglich gescheitert sind.

1.2.4 Diskurs 4: Die Erfüllung des Lebenssinns in der Paarbeziehung als reiner Liebe

Insbesondere in den westlichen Gesellschaften lässt sich seit einigen Jahrzehnten eine zunehmende Re-Romantisierung und Idealisierung von Liebesbeziehungen beobachten, die man auch als Gegenbewegung zu der oben beschriebenen zweckrationalen Sichtweise auf Paarbeziehungen verstehen kann. Hier werden gar nicht mehr andere Ursachen oder Begründungen für das menschliche Streben nach einer erfüllenden Liebesbeziehung gesucht, vielmehr wird das Finden des bzw. der »Richtigen« als letztendliche Erfüllung und Sinn des Lebens betrachtet. In der europäischen Geistesgeschichte taucht diese Idee besonders in der Romantik auf, wobei in der entsprechenden zeitgenössischen Literatur bezeichnender Weise diese Liebe in der Regel eine unglückliche Liebe ist, die tragisch, d. h. oft mit dem Tod beider Liebender endet (z. B. Gottfried Keller: »Die Liebe auf dem Lande«; Goethe: »Die Leiden des jungen Wehrter«). Das ist dann auch das Problematische an dieser Konzeptualisierung, dass sie reale Liebesbeziehungen letztlich überfrachtet und damit zum Scheitern verurteilt. Eine Folge dieser Auffassung von Paarbeziehung in den spätmodernen Beziehungsverhältnissen ist hier oft, dass der Beziehungspartner, wenn er sich denn doch nicht als der oder die Richtige erweist, aufgegeben wird und die Suche von neuem beginnt, womit in den westlichen Gesellschaften sicherlich ein erheblicher Anteil an der hohen Scheidungsrate erklärt werden kann.
Alle diese populären Modelle beziehen sich auf tatsächlich bedeutsame Elemente für das Zu-Stande-Kommen von Paarbeziehung, zugleich verabsolutieren sie aber das jeweilige Element über Gebühr. Weiter unten wird auf die jeweiligen Argumentationen ausführlicher und unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse eingegangen. Als ein erstes Fazit kann festgehalten werden, dass es bei Menschen, die heute in Paarbeziehungen leben und an den entsprechenden Schwierigkeiten in diesen Beziehungen leiden, ein hohes Bedürfnis gibt, Erklärungen für ihre eigenen Motivationen und die des Partners in der Beziehung und damit einen Zugang zum Verständnis der eigenen Probleme sowie zu deren Lösung zu finden. Was ebenfalls deutlich wird, ist, dass der Begriff der Liebe – auch wenn er nicht identisch ist mit Paarbeziehung – doch für die Erklärung des Zu-Stande-Kommens von Paarbeziehungen und für deren Verlauf bzw. Problematik eine irgendwie bedeutsame Rolle spielt; daher wird auf den Begriff der Liebe im Folgenden ausführlich eingegangen.

1.3 Der Begriff der Liebe und ihre Bedeutung für heutige Paarbeziehungen

1.3.1 Differenzierung von Liebesstilen

Reflektiert man über den Begriff der Liebe, dann wird dabei schnell klar, dass der deutsche Begriff »Liebe« zwar zunächst jedem unmittelbar verständlich erscheint, dabei aber doch gleichzeitig unscharf und vage bleibt. Ich kann mich an einen interessanten Vortrag erinnern, den ein Psychoanalytiker der Schule von Jaques Lacan hielt, indem er folgendes Szenario entwarf: ein Mann liegt neben seiner Frau im Bett und sagt zu ihr: »Ich liebe dich«. Im Verlaufe des zweistündigen Vortrages führte der Redner aus, dass, was zunächst so klar erscheint, buchstäblich alles bedeuten kann, angefangen von: »Ich bin glücklich, mit dir verbunden zu sein« bis hin zu »Ich werde dich töten«.
Der Paartherapeut Frank Natho (2014) hat kürzlich eine umfassende Untersuchung des Konzepts der Liebe in Paarbeziehungen im Verlauf der Geschichte vorgelegt. »Liebe ist ein komplexes Gefühlserleben, welches von Menschen unterschiedlich erlebt, beschrieben und interpretiert wird. Die Beschreibungen des Erlebens von Liebe und die Werte, die diesem Gefühl für die Beziehung und die eigene Person zugeschrieben werden, sind abhängig von Kultur, Zeitgeist und den jeweiligen wissenschaftlichen Trends« (S. 1), so die zusammenfassende Erkenntnis des Autors. Er zitiert eine berühmt gewordene Unterscheidung verschiedener Liebesstile, die ursprünglich auf Lee (1976) zurückgeht:
1. Eros: Dies meint die vor allem sexuell getönte Anziehung durch den anderen sowie die Betonung auf der körperlich-sexuellen Begegnung in der Liebesbeziehung.
2. Ludus: Dies meint die Betonung des spielerischen Aspekts von Liebe, d. h. des Spiels von Verführung, Annäherung und Distanzierung in einer Beziehung und meint darüber hinaus oft auch den eher spielerisch–unverbindlichen Umgang mit Beziehung überhaupt, d. h. die Betonung von Freiheit in der Paarbeziehung.
3. Storge: Hier ist der freundschaftliche Charakter der Verbindung im Sinne einer länger gewachsenen Vertrautheit, ja auch Kameradschaft gemeint; in Bezug auf die Paarbeziehung könnte man hier vom Charakter der Verbindung zwischen den Partnern als Gefährten sprechen.
4. Agape: Dies meint die altruistische Liebe, die gekennzeichnet ist durch die Sorge um das Wohlergehen des anderen und die von der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse absieht. Dieser griechische Begriff findet sich in der griechischen Urfassung des Neuen Testaments und beschreibt dort den Charakter des Verhältnisses zwischen den Mitgliedern der christlichen Gemeinde.
5. Pragma: Die pragmatische Liebe, die die Betonung legt auf das Zusammenpassen und die wechselseitige Bedürfnisbefriedigung im Sinne einer Passung beider Partner und eines Ausgleichs zwischen ihnen, darüber hinaus die Funktionsfähigkeit der Beziehung.
6. Mania: Die besitzergreifende Liebe, die rauschhaften Charakter hat, in der das Bedürfnis nach Bemächtigung des anderen das alles beherrschende Gefühl ist.
Die Herkunft der Begriffe aus dem Griechischen weist darauf hin, dass in der Antike z. T. schon eine erheblich größere Differenzierung in Hinsicht auf die unterschiedlichen Aspekte von Liebe vorgenommen wurde, als dies in unserer heutigen Kultur der Fall ist. Diese Aspekte können als unterschiedliche Betonungen oder Beziehungsstile verstanden werden, anhand derer sich verschiedene Paarbeziehungen oder auch die Partner in einer Beziehung voneinander unterscheiden; darüber hinaus können sie sich auch jeweils untereinander zu charakteristischen Liebes- bzw. Beziehungsstilen mischen. Es wird hier deutlich, dass in unserer Kultur wenig Differenzierung entwickelt wurde hinsichtlich der unterschiedlichen Aspekte und komplexen Gefühlsmischungen, die die Gefühle zwischen den Partnern in einer Paarbeziehung bestimmen können, so dass im Deutschen unter dem Begriff Liebe verschiedene und z. T. sehr unterschiedliche Konzepte und Vorstellungen gefasst werden. Bierhoff et al. (1993) haben diese Konzeptualisierung unterschiedlicher Liebesstile aufgegriffen, um daraus das »Marburger Einstellungs-Inventar für Liebesstile« zu entwickeln. Ein Ergebnis der Forschung mit diesem Konzept ist, dass offenbar die romantische, freundschaftliche und spielerische Liebe eher veränderbare Einstellungen sind, während die besitzergreifende, pragmatische und altruistische Liebe eine höhere Stabilität in der Persönlichkei...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. 1 Grundlagen: Historische Entwicklung, kultureller und gesellschaftlicher Rahmen von Paarbeziehungen
  7. 2 Theoretische Erklärungsmodelle für die Beziehungsdynamik und die Entstehung von Konflikten in Paarbeziehungen
  8. 3 Was macht Paarbeziehung im 21. Jahrhundert aus – ein empirisch fundiertes, integratives Grundmodell
  9. 4 Theoretische Modelle zu Paarbeziehung, Paardynamik und der Intervention bei Paarproblemen aus den therapeutischen Schulen
  10. 5 Der Forschungsstand zur Wirksamkeit von Paartherapie
  11. 6 Ein integratives Modell von Paartherapie
  12. 7 Kontexte der Behandlung von Paarproblemen
  13. 8 Abschließende Bemerkungen
  14. Literaturverzeichnis
  15. Stichwortverzeichnis