Psychoanalyse und Psychopharmakologie
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Psychoanalyse und Psychopharmakologie

Grundlagen, Klinik, Forschung

  1. 222 Seiten
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Psychoanalyse und Psychopharmakologie

Grundlagen, Klinik, Forschung

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Über dieses Buch

Psychoanalysis is, in theory and practice, indispensable for psychiatry - and vice versa. Psychoanalysis becomes impoverished if it does not pose itself the challenges that can occur in psychiatric therapy. The book enters new territory when it asks how a psycho-pharmacological treatment and a psychoanalytic treatment interact: What is changed in the therapeutic relationship, if psychotropic drugs are issued? How does the medication dose change, if it is reflected psychodynamically? How can the interaction of psychodynamic and neurobiological effects be scientifically classified? The work gets to the bottom of these important questions and clarifies the meaning and the effects of psychopharmacology for certain mental disorders on a psychoanalytic basis.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170284340

Teil 1
Das Verhältnis von psychoanalytischer und psychopharmakologischer Therapie: Grundlagen

Die Analyse der therapeutischen Beziehung und die Psychopharmakotherapie

Joachim Küchenhoff

Der Ausgangspunkt: Die Notwendigkeit, therapeutische Beziehung und Psychopharmaka-Gabe zusammen zu betrachten

Psychopharmaka werden nicht einfach verabreicht; ihre Gabe ist unausweichlich und immer in eine Beziehung eingebettet, ob das der Therapeut will oder nicht. Der praktisch tätige Psychiater weiß das. Weil die Compliance oder Adherence, weil die verlässliche und motivierte Einnahme von verordneten Medikamenten nicht ohne weiteres gewährleistet sind, weil also viele Patienten die ihnen verordneten Medikamente gar nicht nehmen, ist es schon für den biologisch eingestellten Therapeuten notwendig, die Faktoren, die die Patienten abhalten, zu erkennen. Dieser Frage widmen sich viele Forscher. Die Mitarbeit des Patienten in der Medikamenteneinnahme wird mit ausgefeilten empirischen Methoden erfasst, und die Techniken, mit der sich die Adherence verbessern lässt, sind verfeinert worden. Beispielsweise sind psychoedukative Maßnahmen und das Gespräch mit den Patienten nach dem Vorbild des sogenannten Motivational Interviewing für die Förderung der Compliance angepasst und ausgearbeitet worden. Dabei zeigt sich auch in der Forschung, dass psychosoziale Faktoren einen Einfluss haben, dass »reine« Techniken nichts bringen, dass stattdessen die Kombination einer Vielzahl von Vorgehensweisen erfolgversprechender ist (Kane, Kishimoto & Correll, 2013). Es braucht mehr als z. B. eine einfache Psychoedukation.
Dieses Ergebnis ist wichtiger, als es auf den ersten Moment erscheint. Denn zunächst heißt es doch wohl nichts anderes, als dass die Medikation eingebunden sein muss in eine gute und überzeugende therapeutische Beziehung. Dazu gibt es empirische Daten. In der Behandlung schizophrener Patienten etwa führt die gute therapeutische Beziehung zu einer besseren Adhärenz in Bezug auf die Einnahme von Psychopharmaka (McCabe et al., 2012). »Die therapeutische Beziehung ist für die psychopharmakologische Therapie ebenso wichtig wie für die Psychotherapie«, hält ein Standard-Lehrbuch trocken und bestimmt fest (Tasman et al., 2015, S. 2390).
Aber die gute therapeutische Beziehung gibt es nicht gratis und automatisch. Das oben zitierte Ergebnis, dass verschiedene Vorgehensweisen kombiniert werden müssen, ist auch deshalb so wichtig, weil es darauf hinweist, wie komplex die Aufgabe wird, wenn man sich entschließt, die Medikation wirklich in eine Beziehung einzubetten. Dazu ist es natürlich auch notwendig, die therapeutische Beziehung angemessen zu fördern. Das heißt aber auch, dass die Frage beantwortet werden muss, ob und allenfalls wie eine solche Beziehung hergestellt werden kann, was die Faktoren sind, die sie beeinflussen, belasten oder stören, mit einem Wort: wie sich die therapeutische Beziehung selbst, und das Pharmakon als ihr Bestandteil, verstehen lässt. Allzu gern wird die »gute therapeutische Beziehung« wie eine Zutat, eine Ingredienz behandelt, die noch zu den biologischen Effekten gleichsam hinzugegeben werden muss, als ein Gewürz oder ein Bindemittel, damit das Behandlungsregime gut zu einer Einheit verbacken werden kann. So einfach ist es eben nicht.
Halten wir also fest: Wir wissen, dass wir nicht nicht kommunizieren können, und diese Aussage ist zu einem – allerdings unvermindert wichtigen – kommunikationstheoretischen Gemeinplatz geworden, der sich auch auf die Vergabe von Medikamenten bezieht: Auch wenn der Psychiater sich nicht darauf einstellt, unabhängig also von seinen Überzeugungen, ist die Verabreichung von Medikamenten oder das Ausstellen eines Rezeptes ein kommunikativer Akt, eine Gabe. Und diese Kommunikation findet im Rahmen einer persönlichen Beziehung statt, die wiederum verankert ist in einem aktuell wirksamen soziokulturellen Milieu. Die Verordnung von Psychopharmaka findet auf mindestens drei Ebenen statt. Sie ist neurobiologisch-naturwissenschaftlich begründet. Sie ist gebunden an eine therapeutische Beziehung. Die Gabe selbst ist an gesellschaftliche Diskurse und Zeichensysteme angeknüpft, die darauf Einfluss nehmen, welchen Stellenwert ein Psychopharmakon hat, wie der psychisch Kranke in der Gesellschaft situiert und angesehen ist, wie die Medien psychiatrischen Behandlungen reflektieren etc.
Das alles begründet noch nicht die Notwendigkeit einer psychodynamischen Reflexion. Beziehungsanalyse aber ist die Stärke und der Kern psychoanalytischer Verfahren. Deshalb sind sie – jedenfalls prinzipiell – besonders geeignet, das komplexe Beziehungsgeschehen der Medikamentengabe nicht nur zu beschreiben, sondern auch in seiner Qualität, seiner Dynamik und seinen Auswirkungen zu reflektieren. Gabbard (Gabbard, 2000a) hat von einer dynamischen Psychopharmakotherapie gesprochen, und die brauchen wir in der Tat.
Bislang sind wir davon ausgegangen, dass es der Psychiater in seiner privaten Sprechstunde oder in der Klinik ist, der Medikamente verordnet und dies im Rahmen einer – wie auch immer gearteten – therapeutischen Beziehung tut. Psychopharmaka machen indes vor den Toren der psychoanalytischen Praxis nicht halt. Sie werden auch im Verlaufe von Psychoanalysen häufiger verordnet, als dies vielen Analytikern lieb sein dürfte. Es ist davon auszugehen, dass die meisten unter depressiven Stimmungen leidenden Analysanden sich früher oder später die Frage stellen, ob sie eine medikamentöse Zusatzbehandlung ihrer Leiden erwägen sollten. Wie viele Psychoanalytiker selbst Psychopharmaka einnehmen, darüber existieren keine verlässlichen empirischen Daten. Psychopharmaka sind in irgendeiner Weise in der psychoanalytischen Behandlung präsent; dieser Tatsache gegenüber steht der Umgang mit ihnen. In der Regel sind sie ungebetene oder ungeliebte Gäste, die leicht übersehen oder an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt werden. Psychopharmaka wurden lange Zeit in der Psychotherapie, gerade von Psychoanalytikern, zwar gegeben, der damit verbundene Wechsel in der Behandlungskonzeption wurde aber nicht reflektiert. Viele Psychoanalytiker oder psychodynamische Psychotherapeuten vertreten eine Krankheitstheorie und Behandlungskonzeption, in denen die psychopharmakologische Therapie nur als Ultima Ratio zugelassen ist. Hämisch und kritisch wurde diese Haltung als »psychopharmacological Calvinism« bezeichnet (Radden, 2004), wobei nicht die Psychoanalytiker gemeint waren, sondern all jene, die gleichsam eine Weltanschauung aus der psychosozialen oder existentiellen Verursachung der Melancholie oder der Schizophrenie gemacht haben und die biologische Dimension ausgesperrt haben aus ihrer Krankheitstheorie. Dieser Gesichtspunkt indes ist entscheidend, und wir werden darauf zurückkommen: Sind alle angewandten Methoden auch Teil des komplexen Krankheitsverständnisses? Wird die Gabe eines Antidepressivums während der psychoanalytischen Psychotherapie auch in die Krankheitskonzeption, die gegenüber dem Analysanden vertreten wird, eingebunden? Es scheint, als ob vielmehr die Verordnung gleichsam als Versagen der eigenen Möglichkeiten des Analytikers erlebt wird, über das zudem noch geschwiegen wird – Medikamente sind nötig, vielleicht auch aus rechtlichen Gründen zwingend, aber sie erzeugen Schamgefühle. Eine merkwürdige Stummheit umgibt diese zusätzliche Behandlung, die schamvoll verschwiegen wird und oft nicht zum Gegenstand des therapeutischen Gesprächs wird. Neuere Untersuchungen gehen aber von einer Quote von 20 bis 35 % Psychopharmaka-Einnahme während Psychoanalysen aus (Cabaniss & Roose, 2005, S. 399) – Grund genug, dass sich die psychoanalytischen Forscher mit dem Praxisfaktor Psychopharmakologie auseinandersetzen und gegen die pharmakotrope psychoanalytische Scham ankämpfen. Die folgenden Überlegungen werben nicht für Psychopharmaka, aber für einen psychoanalytischen Realismus, also dafür, nicht die Augen zu verschließen auch vor diesem Zusammenhang zwischen psychopharmakologischer und psychoanalytischer Behandlung, sondern sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Der dritte und letzte Punkt, warum es unabweislich wird, sich mit der Verbindung von Psychotherapie und Psychopharmakologie zu befassen, ist in der empirischen Forschung begründet. In der Forschung zeigt sich, dass die Kombination von Psychotherapie und Psychopharmakologie in der Behandlung schwerer seelischer Störungen sehr hilfreich ist. In den S3-Behandlungsleitlinien für unipolare Depressionen etwa wird für die schwere unipolare Depression die Kombination der Verfahren gefordert, die der Medikation unter ärztlicher Begleitung überlegen ist (Küchenhoff, 2012a). In die gleiche Richtung weisen Forschungsstudien, die sich auf psychoanalytisch fundierte Verfahren konzentrieren. Sie weisen darauf hin, wie wichtig eine Kombination von Pharmako- und psychoanalytischer Therapie sein kann: »Neuere Studien belegen eindeutig die Effizienz der Kombination von Psychopharmakologie und psychoanalytischer Therapie. Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Indikationen und Kontraindikationen einer integrierten Behandlung« (Lebovitz, 2004, S. 585, eig. Übersetzung).

Das Psychopharmakon und sein Einfluss auf die therapeutische Beziehung

Diskursformen

Pharmaka werden von Ärzten verschrieben, nicht von Psychotherapeuten oder Psychoanalytikern. Der Therapeut, der sie einsetzt, wird in diesem Moment zum Arzt. Die Medikamentengabe ist Teil des medizinischen Diskurses, mehr noch: Das Medikament konstituiert einen medizinischen Diskurs. Unter Diskurs wird hier die Bindung des sozialen Handelns und des Sprechens an einen sozialen Zusammenhang und an ein Regelwerk von Zeichen verstanden, das den Teilnehmern an einer Kommunikation die Kommunikationsformen vorgibt. Wenn etwa der Therapeut Medikamente verordnet, tritt er als Experte auf, er verpflichtet sich in seiner Rolle und durch die Übernahme der ärztlichen Aufgaben dazu, Fachwissen zu erwerben und es weiterzugeben. Deshalb sucht der Patient ihn auf; der die Medikamente verschreibende Arzt muss zwischen den pharmakologischen Möglichkeiten auswählen, muss das rechte Medikament empfehlen, muss über Wirkungen und Nebenwirkungen aufklären und die Effekte der Therapie überwachen. Sobald ein Medikament verordnet wird, wird eine medizinische Beratungs- und Expertensituation geschaffen. Arzt und Patient verpflichten sich einem medizinischen Diskurs. In der Arzt-Patient-Beziehung sind die Rollen eindeutig verteilt. Der Arzt besitzt das Wissen; er »verordnet«, wobei er dem Patienten nicht eine Behandlung anordnen kann.
Damit unterscheidet sich die Rollendefinition des Arztes fundamental von der des Psychoanalytikers. Natürlich verfügt der Analytiker ebenso über ein differenziertes Fachwissen. Aber er setzt es gebrochen ein. Im psychoanalytischen Gespräch der Kur versteht sich der Analytiker als derjenige, dem Wissen von Seiten des Analysanden unterstellt wird, als das »Sujet supposé savoir« (Lacan, 1978/1980). Bei ihm – das kann diese Formel meinen – ist das Wissen so untergestellt oder deponiert, dass es bei ihm in Sicherheit gebracht worden ist oder von ihm verwahrt werden kann; aber die Formulierung kann zugleich bedeuten, dass das Wissen des Analytikers auf einer Täuschung beruht, dass er über kein eigenes und unabhängiges Wissen verfügt, sondern nur das vom Anderen verstehen kann, was ihm von diesem vermittelt wird. Auch der Analytiker schwebt stets in Gefahr, in einen »Herrendiskurs« (»discours du maitre«) zu verfallen, also Macht auszuüben (Lacan, 1978/1980, S. 242 ff.; s. Widmer, 1990, v.a. 158 ff.). Durch die Verordnung von Medikamenten findet notgedrungen ein Diskurswechsel statt, jedenfalls dann, wenn eine Psychotherapie auf analytischer Grundlage durchgeführt wird; man kann ihn übersehen (wollen), vermeiden lässt er sich nicht.

Der psychoanalytische Raum und das Psychopharmakon

Damit eine psychoanalytische Psychotherapie oder eine Psychoanalyse fruchtbar werden kann, braucht sie einen räumlich-zeitlichen Rahmen, der es zulässt, dass freie Assoziationen geäußert werden, in dem Phantasien möglichst ohne Bewertung und Zensur zugelassen sind und in dem sich in der therapeutischen Beziehung ein Übergangsraum ausbildet, der ein Raum der Kreativität ist (Küchenhoff, 2016). Dieser Raum kann empfindlich gestört werden durch die Medikamentengabe. Der Diskurswechsel, der soeben beschrieben wurde, kann zu einem veränderten Krankheitskonzept führen. Auf der Seite des Patienten kann es dazu kommen, dass er sich selbst objektiviert, also wie ein Objekt des psychiatrisch-psychopathologischen Blicks ansieht. Teil der Krankheitsvorstellung sind dann nicht mehr die eigene Subjektivität und die Suche nach den persönlichen Faktoren, die mit der Krankheit etwas zu tun haben könnten. Die Gefahr ist infolgedessen groß, dass der Patient den Spielraum oder Möglichkeitsraum verliert, der für die Entfaltung seiner Subjektivität in der Behandlung so wichtig ist und der es ermöglicht, die eigenen Erfahrungen mit der Krankheit zu verbinden und sie in seine persönliche Geschichte einzuordnen. Der Diskurswechsel kann diese Fähigkeit des Patienten zu denken, seine Erzählungen von sich und von anderen im Blick auf die eigene Lebensgeschichte oder die Gegenwart zu erweitern, seine narrative Kompetenz beeinträchtigen (Cheuk, 2010, S. 655 ff.). Ebenso sehr aber kann sich auf Seiten des Analytikers der Phantasieraum, seine Fähigkeit zur Rêverie einschränken, die freilich für die psychoanalytische Tätigkeit zentral ist (Warsitz & Küchenhoff, 2015); die Medikamentengabe zwingt ihn unter Umständen dazu, auf die Äußerungen des Analysanden nicht mehr mit seiner gleichschwebenden Aufmerksamkeit, seinem eigenen Vermögen zu phantasieren und mit dem »dritten Ohr« zu hören, sondern die Worte und Verhaltensweisen des Analysanden als Symptome aufzufassen, die einen Hinweis darauf geben, ob die Medikamentengabe gerechtfertigt ist oder nicht, ob der Analysand auf die Medikation anspricht oder Ähnliches.
An dieser Stelle sei vor vorschnellen Parteinahmen gewarnt, die dazu führen, dass die eine Seite für einen verunreinigenden und störenden Faktor gehalten wird, die andere hingegen für die einzig angemessene. Es sei auch gewarnt davor, in Alles-oder-Nichts-Kategorien zu denken. Wenn Diskurswechsel und Verengungen des analytischen Raums beschrieben werden, so sollen damit die nichtpharmakologischen, beziehungsdynamischen Wirkungen der Psychopharmaka-Verordnung reflektiert und sichtbar gemacht werden. Über diese Wirkungen sollte man nicht hinweggehen, sondern sie festhalten und mit ihnen in der Praxis rechnen. Damit ist freilich nicht die Aussage verbunden, dass der Diskurswechsel starr und endgültig ist, auch nicht, dass der psychoanalytische Raum zerstört wird und sich nicht mehr wieder aufrichten lässt. Diskursform und Übergangsräume sind verändert, aber nicht dauerhaft ge- oder gar zerstört.

Pharmakotrope Übertragungen

Das Medikament tritt als etwas Drittes in die therapeutische Beziehung. Auf dieses Dritte werden Phantasien gerichtet, an die sich unterschiedliche Übertragungsphantasien anknüpfen können. Wenn der Analytiker derjenige ist, der auch selbst die Medikamente verordnet, dann kann die ärztliche Funktion, die dieser Medikation inhärent ist, zu einer Folie werden, auf die Übertragungen projiziert werden; der Therapeut wird u. U. zum strafenden Vater, zur behütenden und sorgenden Mutter, zum abwesenden und aus der Ferne machtvoll agierenden Elternteil (u. a. Kapfhammer, 1997). Auf den Psychiater, der sich auf die Medikation konzentriert, ohne über Übertragungsbeziehungen nachzudenken, richten sich natürlich gleichwohl dieselben Übertragungsphantasien, nur bleiben sie dann...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titel
  3. Copyright
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Teil 1 Das Verhältnis von psychoanalytischer und psychopharmakologischer Therapie: Grundlagen
  7. Teil 2 Allgemeine psychodynamische Psychopharmakologie
  8. Teil 3 Spezielle psychodynamische Psychopharmakologie