Kleine Weltgeschichte der Philosophie
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Kleine Weltgeschichte der Philosophie

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Kleine Weltgeschichte der Philosophie

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Über dieses Buch

Störig's account, which has already become a classic in the philosophical literature, has now reached its 18th edition. It gives special attention to the lively debates and increasing collaboration between philosophy and research in the individual scientific disciplines that can be seen in central topics such as language, the place of humanity in the universe, the ecological crisis, and the relationship between brain and mind. With a print run of more than half a million in German and translations into Spanish, Italian, Dutch, Czech, Hungarian and Japanese, Störig's work is one of the most successful books in the German language.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170318816

Siebenter Teil
Hauptrichtungen philosophischen Denkens im 20. Jahrhundert

Eine neue Epoche
Das 20. Jahrhundert hat der Menschheit vernichtende Kriege, Verfolgung, Umsturz, Völkermord, Atombomben, bedrohliche Bevölkerungsvermehrung und Umweltgefährdung gebracht, zugleich aber einen einzigartigen Aufschwung der Wissenschaft, der nicht nur in geometrischer Progression das Wissen vermehrt, der vielmehr die Grundfesten und Grundlagen unseres Weltbildes erschüttert und verändert hat.
Bei dieser Feststellung werden die meisten Leser zuerst an die Physik denken. Die Revolution der Physik wurde in der Mathematik vorbereitet. Während bis ins 18. Jahrhundert die großen Philosophen in ihrem mathematischen Wissen auf der Höhe der Zeit oder gar, wie Descartes und Leibniz, schöpferische Mathematiker waren, lockerte sich im 19. Jahrhundert der Zusammenhang zwischen Mathematik und Philosophie. Hegel, Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche waren keine Mathematiker. Die folgenreiche Entwicklung in der Mathematik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Herausbildung der nichteuklidischen Geometrie durch den Russen Lobatschewski, den Ungarn Bolyai, die Deutschen Gauß und Riemann kam zunächst gar nicht in den Gesichtskreis der Philosophen – sowenig wie die bahnbrechende Leistung Gottlob Freges in Logik und Mathematik. In der neuen Geometrie erscheint unsere überlieferte, auf Euklid zurückgehende, für den Alltagsverstand und auch noch für Kant selbstverständliche Geometrie des Raumes, dessen drei Dimensionen senkrecht aufeinanderstehen, nur als Spezialfall unter anderen, in sich widerspruchsfreien Geometrien. Auf die Philosophie wirkte sie erst ein, als sie, vor allem durch die Relativitätstheorie, in der Physik praktische Bedeutung erlangte (was ihre Väter kaum vorausgesehen hatten – ausgenommen Gauß, der ahnte, daß der A-priori-Raum unserer Anschauung und der Raum der Physik verschieden sein könnten).
Die Wende in der Physik ist bezeichnet vor allem durch die Quantentheorie Max Plancks (1900) und die Relativitätstheorie Albert Einsteins (»spezielle R.« 1905, »allgemeine« 1916). Wellenmechanik (de Broglie, Schrödinger, Dirac), Quantenmechanik (Heisenberg) und die Physik der Elementarteilchen bezeichnen weitere Schritte. Man kann, ohne auf den Inhalt der Theorien näher einzugehen, doch in einigen Sätzen von den grundlegenden Veränderungen im Weltbild der Physik einen Eindruck vermitteln.
Die Physik des 19. Jahrhunderts und alle Philosophie, die auf ihr aufbaute, ruhte auf Grundannahmen: Man nahm letzte, unzerstörbare, körperliche Einheiten, die Atome, an. Man nahm einen strengen Determinismus, einen nirgends durchbrochenen strengen Kausalzusammenhang aller Naturvorgänge an. Man hielt die Materie für das letzte und einfachste Element des Seienden und versuchte, alle anderen Phänomene aus ihr zu erklären. Alle diese Annahmen sind seit der Jahrhundertwende erschüttert:
Der Begriff der Materie wurde problematisch. Seit die Physik in das Atom eingedrungen ist, hat sie erkannt, daß die Atome keineswegs letzte unteilbare körperliche Bestandteile des Wirklichen sind, sondern höchst komplizierte Gebilde. Diese komplizierte Struktur darzustellen, hat die Physik zu einer Reihe von völlig der Anschauung entzogenen mathematischen Formeln greifen müssen. Es kann keine Rede mehr davon sein, daß der »Materialismus« eine einfache Erklärung des Weltganzen ermöglicht. Die Materie selbst bedarf der Erklärung. Ihr Begriff ist mit dem der Energie verschmolzen; die Materie erscheint nur als eine Manifestation der Energie.
Die subatomaren Bausteine der Welt können nicht als rein körperliche Bestandteile aufgefaßt werden. Ein Elektron erscheint unter bestimmten Beobachtungsbedingungen als etwas, was punktförmig an einem bestimmten Ort ist; unter anderen Bedingungen erweist es sich als durch größere Raumteile ausgedehnte Welle.
Die Makrophysik konnte bei der Formulierung ihrer Gesetze das beobachtende Subjekt außer Betracht lassen. Die Mikrophysik kann das nicht. Mikrophysikalische Vorgänge sind nicht voll objektivierbar. Jede Beobachtung ist hier ein Eingriff in den Ablauf des Geschehens.
Das Problem der Kausalität wird neu diskutiert. Kausalität im mikrophysikalischen Bereich muß durch statistische Wahrscheinlichkeit ersetzt werden.
Raum und Zeit, für Isaac Newton der unverrückbare Rahmen alles Geschehens, können seit Einstein und Hermann Minkowski (Mathematiker, 1864–1909) nicht mehr je für sich betrachtet werden, sie bilden ein vierdimensionales Kontinuum. Der Begriff »gleichzeitig«, auf die Weiten des Weltraums angewandt, ist sinnlos.
Astronomie und die zur exakten Wissenschaft gewordene Kosmologie haben, seit Edwin Hubble (1889–1953) die Galaxienflucht und damit die Expansion des Weltraums entdeckte (die von Einstein und anderen schon in mathematischer Form erwogen worden war), unser Bild vom Ganzen der Welt so radikal verändert, wie es die kühnste Spekulation nicht hätte ausdenken können. Mit modernen Teleskopen, insbesondere dem nach Hubble benannten, das auf einer Umlaufbahn um die Erde kreist, blicken wir Milliarden Jahre in die Tiefen des Raumes und damit der Vergangenheit. Unser Milchstraßensystem, bestehend aus 200 Milliarden Sternen von der durchschnittlichen Größe unserer Sonne, ist eine von Millionen ähnlichen Galaxien. Das Alter des Universums wird auf eine Größenordnung von 15 Milliarden Jahren geschätzt. Es ist fraglich, ob dieser Wandel des Weltbildes von den Philosophen in genügendem Ausmaß zur Kenntnis genommen und bedacht wird.
Die Biologie ist zunehmend als Leitwissenschaft an die Stelle der Physik getreten, nicht nur deshalb, weil Darwins bahnbrechende Erkenntnisse – deren Annahme starker Widerstand vor allem aus der Kirche entgegenstand – erst allmählich ins allgemeine Bewußtsein eingedrungen sind. Genetik und Verhaltensforschung haben stark auf unser Bild vom Menschen eingewirkt und tun es noch.
In der Psychologie ist die Wende zum 20. Jahrhundert – ähnlich wie in der Physik durch die Gedanken Plancks und Einsteins – scharf markiert durch das Erscheinen von Sigmund Freuds (1856–1939) »Traumdeutung« im Jahre 1899. Damals begann die Entwicklung der Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie erst durch Freud, dann durch viele Schüler und Nachfolger, unter denen der Schweizer Carl Gustav Jung (1875–1961) hervorragt. Vieles an Freuds Lehren ist bis heute umstritten. Kein Zweifel aber, daß Freuds grundlegende Entdeckung des Reichs des Unbewußten und seiner überragenden Macht im seelischen Leben des Menschen das Weltbild, das Weltgefühl, das Menschenbild des 20. Jahrhunderts mitgeprägt hat, auch in Literatur und Kunst.
Die moderne Sprachwissenschaft oder Linguistik hat sich seit Einsetzen des Jahrhunderts (Ferdinand de Saussure; 1857–1913) so machtvoll entwickelt, daß die Philosophie an ihren Ergebnissen nicht vorübergehen kann. Tatsächlich ist es nur eine geringe Übertreibung, zu behaupten, Sprache sei das Hauptthema der Philosophie in unserem Jahrhundert, jedenfalls in seiner zweiten Hälfte, geworden.
Neben den wissenschaftlichen Entdeckungen steht die Entwicklung der Technik, ermöglicht durch die Fortschritte der Naturwissenschaft. Menschen haben die Erde verlassen und Sonden in ferne Regionen unseres Sonnensystems geschickt. Computer und künstliche Intelligenz revolutionieren Wirtschaft und Gesellschaft. Und über allem schwebt die Existenzbedrohung für die ganze Menschheit, durch die Kernwaffen, die seit der Entdeckung der Kernspaltung des Urans entwickelt und aufgehäuft wurden.
Eine solche Gefahr hat es in der bisherigen Geschichte der Menschheit nicht gegeben. Neben sie ist heute die Bedrohung getreten, die aus der Schere zwischen Bevölkerungsexplosion einerseits, Erschöpfung der Rohstoffe und Energiequellen sowie der Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen andererseits erwächst.
Die Philosophie hat sich mit all dem auseinanderzusetzen. Die Antworten, die sie versucht, sind vielfältig und widersprüchlich. Mindestens in einem Punkt jedoch beginnt sich eine Konvergenz abzuzeichnen:
Die Entfaltung der Philosophie in ihrer gesamten Geschichte erhält ihre Gliederung nach dem Auftreten überragender Denker sowie der von ihnen begründeten »Schulen« und Denkrichtungen. Im 20. Jahrhundert sind die Ergebnisse der empirischen Wissenschaften so übermächtig geworden, daß der Versuch eines einzelnen Mannes, seine Zeit »in Gedanken zu fassen« (Hegel) scheitern muß, wenn er nicht diese Ergebnisse kennt und verarbeitet, und da das verfügbare Wissen kaum noch überschaubar ist und täglich weiter zunimmt, übersteigt das die Kräfte eines einzelnen: Teamarbeit ist angesagt, Kooperation mit der Forschung verschiedenster Gebiete. So ist vorherzusehen, daß die Philosophie von heute und von morgen kaum noch gegliedert sein wird durch einzelne überragende Denker und ihre »Systeme«. Die Schwerpunkte werden vielmehr gesetzt durch Themen, Fragestellungen, Aufgaben, die die fortschreitende wissenschaftliche Erkenntnis stellt und die (wenn überhaupt) nur in Zusammenarbeit der Philosophen mit den zuständigen »Fachleuten« gelöst werden können. Insofern ist die »Verwissenschaftlichung« der Philosophie, die von so vielen gefordert und angestrebt worden ist, wenigstens in diesem Sinne weitgehend Realität geworden.
Ich versuche, dieser Sachlage bei der Gliederung dieses letzten Teils des Buches Rechnung zu tragen. Das erste der beiden Kapitel behandelt Entwicklungen, die in herkömmlicher Weise einem einzigen Philosophen oder einer Gruppe Gleichgesinnter zu danken sind. Das zweite Kapitel ist dagegen gegliedert nach Themen oder Problemfeldern, die von vielen Gelehrten, sowohl Philosophen wie Fachwissenschaftlern, verschiedenster Gebiete, bearbeitet werden (müssen). Es wird sich zeigen, daß das auch zu Erfolgen führt. In diesem zweiten Kapitel ist die Darstellung nicht mehr chronologisch oder nach Schulen, sondern nach Sachbereichen gegliedert.

Erstes Kapitel
Denker und Schulen der ersten Jahrhunderthälfte

I. Lebensphilosophie und Historismus

1. Allgemeines

Den Namen »Lebensphilosophie« hat man schon früher auf die Philosophie Schopenhauers und Nietzsches angewendet. Diese beiden hätten, wie Georg Schimmel, einer der neueren Lebensphilosophen, gesagt hat, die aufklärerische Vernunft im 19. Jahrhundert vom Thron gestoßen. Die neue Lebensphilosophie, die man etwa von 1880 bis 1950 ansetzen kann, ist Teil einer großen Gegenbewegung gegen Aufklärung und Rationalismus und darin Fortsetzung der Romantik. Es ist eine Philosophie, die das Leben, das mit den Mitteln des bloßen Denkens nicht zu erfassende »lebendige« Leben verstehen will. Der Vernunft weist sie teils eine dienende Rolle zu, teils steht sie ihr mit ausgesprochener Feindschaft gegenüber.
Allen neueren Denkern der Lebensphilosophie ist gemeinsam, daß sie, mehr oder weniger bewußt und ausdrücklich, auf den Schultern Schopenhauers und Nietzsches stehen. Gemeinsam sind ihnen ferner durch die gemeinsame Grundauffassung eine Reihe von Wesenszügen, die man wie folgt kennzeichnen kann1:
Diese Denker sind »Aktualisten«. Bewegung, Werden, Entwicklung gilt ihnen mehr als starres Sein.
Sie sehen die Wirklichkeit als organische. Die Wissenschaft, von der die meisten von ihnen ausgehen, ist die Biologie.
Ihre Liebe gehört dem Irrationalen. Begriffe, logische Gesetze, apriorische Formen gelten ihnen als nur sehr begrenzt taugliches methodisches Mittel. Intuition, gefühlsmäßiges Erfassen, unmittelbare Anschauung, »Verstehen« und Erleben werden bevorzugt.
In der Erkenntnistheorie sind sie nicht Subjektivisten. Die Welt besteht für sie nicht nur in unseren Köpfen. Es gibt eine von unserem Denken unabhängige objektive Wirklichkeit.
Die meisten sind Pluralisten, das heißt: Sie nehmen nicht ein einziges grundlegendes Prinzip an, sondern zwei, nämlich das »Leben« und ein diesem gegenüberstehendes, oder auch mehrere.

2. Bergson

Die ersten Anstöße zur neueren Lebensphilosophie gab der Franzose Henri Bergson (1859–1941). Die vier wichtigsten seiner Werke heißen: »Versuch über die unmittelbaren Gegebenheiten des Bewußtseins«, ins Deutsche übersetzt unter dem Titel »Zeit und Freiheit«; »Materie und Gedächtnis«; »Schöpferische Entwicklung« und »Die beiden Quellen der Moral und der Religion«. Was alle Bücher Bergsons auszeichnet, ist eine Sprache von seltener Schönheit, Klarheit und ein Reichtum an Bildern, Vergleichen, Beispielen; im Inhaltlichen eine solide Grundlage von Wissen in allen Zweigen der Naturwissenschaft. Dies ist einer der Gründe für Bergsons außerordentlichen Erfolg.
Bergson hatte, abgesehen von Schopenhauer, dessen Doppelansicht der Welt als Wille und Vorstellung der seinen sehr nahekommt, auch in Frankreich selbst Vorgänger, die er aber an Bedeutung weit übertrifft. Anfänglich ging Bergson von Spencer aus. Der Versuch, die Grundlage des Spencerschen Systems zu vertiefen, führte ihn aber schließlich zu einer gänzlichen Abwendung von diesem. In Frankreich ist Julien Benda (1867–1956) als Kritiker und Gegenspieler Bergsons hervorgetreten.
Raum und Zeit, Verstand und Intuition
Bergson geht aus von dem Verhältnis von Raum und Zeit. Kant hatte beide als im wesentlichen gleichberechtigte Formen unserer Anschauung behandelt. Bergson sieht hier einen tiefen Wesensunterschied.
Der Raum ist in sich homogen. Er ist ein Inbegriff gleichartiger Punkte. Man kann beliebig von einem zum anderen übergehen. Die Naturwissenschaft betrachtet in Wirklichkeit immer nur diesen Raum. Was sie Bewegung nennt, ist nur die Aufeinanderfolge der räumlichen Lage der Körper in ihm. Auch wo sie vorgibt, die Zeit zu messen, mißt sie in Wahrheit nur Veränderungen im Raum.
Die Zeit ist nicht homogen. Sie ist eine nicht umkehrbare Reihe. Ich kann in ihr keineswegs beliebig von einem Punkt zum andern übergehen. Jeder Moment ist etwas Neues, Einmaliges, Unwiederholbares. Die Zeit ist ein einziges unteilbares Fließen, ein Werden, das von der sogenannten Zeit der Naturwissenschaft durchaus verschieden ist. Der Raum ist. Die Zeit ist nicht, sondern wird immerzu.
Dem Raum und der Zeit entsprechen im Menschen zwei ebenso verschiedenartige Erkenntnisvermögen.
Dem Raum zugeordnet ist der Verstand. Sein Gegenstand ist das Feste, Räumliche, die Materie. In diesem Bereich ist der Verstand zu wahrer und richtiger Erkenntnis befähigt, denn er ist der Materie wesensverbunden (hier liegt ein Gegensatz zu Kant). Der Verstand ist das Organ des handelnden Menschen, des Homo faber, des Werkzeuge verfertigenden, auf die Natur tätig einwirkenden Lebewesens. Die wirkliche Zeit, die reine Dauer, kann der Verstand nicht begreifen. Wenn er sich der Zeit zuwendet, überträgt er seine der räumlichen Materie entsprechenden Formen auf die Zeit. Er zerstückelt sie, zerschneidet sie in zähl- und meßbare Einheiten und geht damit an ihrem wahren Leben vorbei.
Die reine Dauer vermögen wir nur durch Intuition zu erfassen. Der Mensch von heute ist allerdings so sehr an den Gebrauch des Verstandes gewöhnt, daß es ihm schwerfällt, sich von ihm loszureißen und in reiner Anschauung das Fließende, Fortlaufende, Organische der Zeit zu erfühlen. Diese Intuition dient im Gegensatz zum Verstand nicht dem praktischen Handeln. Sie ist das Organ des Homo sapiens, des anschauenden, erkennenden Menschen.
Da der Verstand auf die Praxis eingerichtet ist, kann die Philosophie nur mit der Intuition etwas anfangen. Das bringt notwendig einen gewissen Mangel an zwingenden logischen Beweisen mit sich. Der Philosoph v...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. Erster Teil: Die Weisheit des Ostens
  7. Zweiter Teil: Die griechische Philosophie
  8. Dritter Teil: Die Philosophie des Mittelalters
  9. Vierter Teil: Das Zeitalter der Renaissance und des Barock
  10. Fünfter Teil: Die Philosophie der Aufklärung und das Werk Immanuel Kants
  11. Sechster Teil: Die Philosophie im 19. Jahrhundert
  12. Siebenter Teil: Hauptrichtungen philosophischen Denkens im 20. Jahrhundert
  13. Schlußwort
  14. Personenregister
  15. Sachregister