1 Der kĂ€mpfende Eros â antagonistische Modellvorstellungen ĂŒber seelische Energie
Basierend auf Sigmund Freuds innovativen und revolutionĂ€ren Entdeckungen wurden in den letzten hundert Jahren psychoanalytische Konzepte weiterentwickelt. Es sind Hilfsvorstellungen und Modelle, mit denen wir seelische VorgĂ€nge studieren und unser VerstĂ€ndnis erweitern können. Sie werden, wie in jeder lebendigen Wissenschaft, durch neuere nachfolgende Konzepte ergĂ€nzt und ĂŒberprĂŒft, wobei allerdings besonders darauf zu achten ist, dass erobertes Wissen nicht wieder verlorengeht. Das wĂ€re z. B. der Fall, wenn man die wichtigen, durch Beobachtung gewonnenen Forschungsergebnisse der Bindungstheorie nach J. Bowlby (welche die grundlegende Bedeutung des frĂŒhesten Mutter-Kind-Dialogs fĂŒr den Aufbau der inneren Welt des Kindes und seine Affektregulierung nachweist) benutzen wĂŒrde, um die Triebtheorie mit ihren Kerninhalten (wie die infantilen SexualitĂ€t, die libidinösen BesetzungsvorgĂ€nge oder die unbewussten Phantasien) fallen zu lassen, weil sie nicht so leicht direkt empirisch zugĂ€nglich sind. So verweist z. B. Gertraud Diem-Wille (2009, 160), darauf, dass die Bindungstheorie durch âWeglassung der tiefen Dimensionen der SexualitĂ€t und des Todestriebes, der Phantasie und des dynamisch Unbewusstenâ besonders leicht rezipiert wurde und groĂe Verbreitung fand. So betrachtet hat diese Theorie nur noch wenig mit Psychoanalyse zu tun. Peter Fonagy und Mary Target versuchten eine Synthese zwischen Bindungstheorie und Objektbeziehungstheorie.
Es fĂŒhrt uns jedenfalls weiter, die unterschiedlichen theoretischen Modelle miteinander in Beziehung zu setzen und sie womöglich zu integrieren, damit sie einander ergĂ€nzen und gegebenenfalls korrigieren können. Dabei ist zu berĂŒcksichtigen, dass jeder theoretische Standpunkt nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit in den Blick bekommt.
Eine weitere EinschrĂ€nkung besteht darin, dass unser Wissensdrang immer wieder durch emotionale Faktoren wie WĂŒnsche und Ăngste gefĂ€hrdet ist, die unbewusst zum Ăbersehen von Wahrnehmbarem oder zur Verleugnung von Wahrgenommenem fĂŒhren können. âWir alle heften unsere Ăberzeugung an Denkinhalte, in denen Wahres und Falsches vereint istâ (Freud 1907, 108). Oft lassen wir zugunsten einer scheinbar besseren, sichereren oder einfacheren ErklĂ€rung unbemerkt Ă€ltere Erkenntnisse wieder fallen, wir âvergessenâ sie wieder, und Neugierde wird wieder durch Unwissenheit ersetzt: âThere always seem to be two different movements simultaneously taking place within the act of knowing: an unconscious denial of that which has been consciously gainedâ (Kohon 1999a, 170). Wir werden bereits hier auf widerstreitende KrĂ€fte aufmerksam. So wie die Gezeiten aus dem Zusammenwirken von Schwer- und FliehkrĂ€ften entstehen und den Meeresspiegel ansteigen und absinken lassen, ist auch unser Wissenspegel EinflĂŒssen ausgesetzt, die zu TĂ€uschungen fĂŒhren können.
Die Psychoanalyse geht aufgrund ihrer Erkenntnisse davon aus und weist nach, dass wir ânicht einmal Herr im eigenen Hause (sind), sondern auf kĂ€rgliche Nachrichten angewiesenâ (Freud 1917, 295) bleiben, was in uns unbewusst â gewissermaĂen in unterirdischen, schwer zugĂ€nglichen, abgeschlossenen RĂ€umen unseres Seelenlebens â vorgeht. So wie Ebbe und Flut lassen sich auch die gegensĂ€tzlichen KrĂ€fte, die in uns wirken, nicht von uns steuern. Dennoch sind wir aber gleichsam nicht ohne âPaddelâ, mit dem wir uns auch â manchmal â von unwegsamen Ufern abstoĂen oder unserem Treiben eine neue Wendung geben können, wenn wir Gefahren oder anziehende Ziele erkennen. Und wir sind auch in der Lage, DĂ€mme und KanĂ€le zu bauen, um uns vor Ăberflutung, aber auch vor Austrocknung zu schĂŒtzen.
1.1 Libido (âLiebeâ) und ihre Gegenspieler
Die zentrale psychische Energie wird in der Psychoanalyse als Libido bezeichnet. Sie Ă€uĂert sich im Sexualtrieb und umfasst in einem erweiterten Sinn all jene seelischen PhĂ€nomene, die wir mit âLiebeâ bezeichnen. Die Libido kann man sich als eine Kraft vorstellen, die sich entfalten, mit Liebesobjekten verbinden und sie umfassen, aber auch sich wieder von ihnen zurĂŒckziehen, sie aufgeben und gleichsam âaustrocknenâ lassen kann. Denn der Libido wirken KrĂ€fte entgegen, die auf ihre EindĂ€mmung oder Vernichtung zielen, ob sie nun in Form von zerstörerischer Aggression oder stiller Auflösung und Zersetzung wirksam werden. Diese hochkomplexen VorgĂ€nge sind hĂ€ufig aus psychodynamischen und konflikthaften GrĂŒnden aus dem Bewusstsein verdrĂ€ngt worden.
Freud hat seine Trieblehre mehrfach ĂŒberarbeitet und dabei unterschiedliche Triebbegriffe verwendet; so spricht er von Lebenstrieb(en), Eros und Liebestrieb einerseits und Todestrieb(en), Destruktions- und Aggressionstrieb andererseits.
Im âAbriĂ der Psychoanalyseâ fasst Freud seine theoretischen Annahmen zusammen und fĂŒhrt die vielfachen Triebe auf zwei Grundtriebe zurĂŒck, die er Eros und Destruktionstrieb nennt. Das Ziel von Eros ist demnach Bindung, wĂ€hrend sein Antagonist Entbindung (Auflösung und Zerstörung) anstrebt. Diese beiden Grundtriebe wirken meist miteinander und gegeneinander, sie vermischen sich und erzeugen so die âBuntheit der Lebenserscheinungenâ (Freud 1938, 71). So kann man etwa in den biologischen Funktionen das Zusammenwirken beider beobachten, da z.B. der Akt des Essens eine Zerstörung der Nahrung durch ZerbeiĂen zum Zweck der Einverleibung bedeutet, oder der Sexualakt in einem Eindringen besteht, das innigste Verbindung anstrebt. Freud verweist auf die Analogie zu diesen Grundtrieben im Anorganischen, wo Anziehung und AbstoĂung als entgegengesetzte KrĂ€fte herrschen. Entscheidend ist das MischungsverhĂ€ltnis von Eros und Destruktionstrieb: âEin stĂ€rkerer Zusatz zur sexuellen Aggression fĂŒhrt vom Liebhaber zum Lustmörder, eine starke Herabsetzung des aggressiven Faktors macht ihn scheu und impotentâ (Freud 1940, 71).
Es fĂ€llt vielleicht sogar in dieser kurzen Zusammenfassung auf, dass hier Aggression und Destruktion nicht von einander unterschieden werden; dieses Problem wurde zum Gegenstand spĂ€terer theoretischer Ăberarbeitungen und wird auch in unseren Ăberlegungen zu einem Versuch fĂŒhren, zwischen Aggression und Destruktion zu differenzieren.
Auch dass Freud in dieser Arbeit festhĂ€lt, dass die Energie des Eros als Libido zu bezeichnen ist, aber fĂŒr die Energie des Destruktionstriebes eine entsprechende Bezeichnung fehlt, hat spĂ€tere Analytikergenerationen beschĂ€ftigt. Am umfassendsten ist wohl die Neuformulierung des Triebmodells von Schmidt-Hellerau (1995). Ich greife hier einige ihrer Gedanken auf, die zum VerstĂ€ndnis meiner Fallgeschichten hilfreich sein können. Schmid-Hellerau schlĂ€gt in ihrem formalisierten konsistenten Modell der psychoanalytischen Trieb- und Strukturtheorie âLebenstrieb & Todestrieb â Libido & Letheâ vor, sich von Freuds Ansicht zu trennen, dass die Aggression ein Charakteristikum des Todestriebs sei, und stattdessen unser Hauptaugenmerk auf die ebenfalls von Freud beschriebenen gerĂ€uschlosen, stummen, auf die Ruhe eines Nirwana ausgerichteten Strebungen zu richten. Der Libido des Lebenstriebes stellt sie den Begriff âLetheâ als Energiebegriff des Todestriebes gegenĂŒber. Lethe bedeutet âVergessenâ und enthĂ€lt â wie der gleichnamige Fluss, der in der Mythologie die Welt der Lebenden von der der Toten trennt â âim Bild eines Stromes die Idee eines durch den Trieb gerichteten Energieflussesâ (Schmid-Hellerau 1995, 316). Sprachlich kann uns der Begriff vertraut klingen, wenn wir z. B. an Lethargie oder ein lethargisches Verhalten denken. Im Gegenzug zur libidinösen Besetzung (ein wichtiger Begriff, auf den ich gleich noch nĂ€her eingehe) könne man auch âvon einer lethischen Besetzung [âŠ] oder einer lethischen Tendenz sprechen.â Letzteren Ausdruck wĂŒrde ich eindeutig vorziehen, weil âTendenzâ als ein Streben nach Ruhe und Auflösung stimmiger ist als âBesetzungâ, wodurch wieder das gegenlĂ€ufige Streben nach Bindung und Festhalten ausgedrĂŒckt wĂŒrde. âLethische Tendenzâ erinnert auch an Freuds Satz: âDas Nirwanaprinzip drĂŒckt die Tendenz des Todestriebes aus, das Lustprinzip vertritt den Anspruch der Libidoâ (Freud 1924, 373). Der Todestrieb leistet âstumm und unauffĂ€llig und in verdrĂ€ngender Funktion zum lauten DrĂ€ngen des Lebenstriebs [âŠ] seinen Beitrag zum inneren Gleichgewicht des Organismus. So wie der Todestrieb dafĂŒr sorgt, dass der Lebenstrieb sich nicht in der unendlichen Weite der AuĂenwelt erschöpft, sorgt umgekehrt der Lebenstrieb dafĂŒr, dass der Todestrieb sich nicht in den stillen Innenwelten eines Nirwana verliertâ (Schmid-Hellerau 1995, 314).
WĂ€hrend es also in der Theorie fĂŒr die Kraft, die sich in der Liebe Ă€uĂert und die Vereinigung mit dem Liebesobjekt anstrebt, einen klar definierten Begriff, nĂ€mlich âLibidoâ gibt, findet man fĂŒr ihre Gegenspieler auf unterschiedlichen theoretischen Ebenen mehrere Bezeichnungen: Lethe, Indifferenz und GleichgĂŒltigkeit weisen auf die fehlende Besetzung hin, Hass, Aggression und Destruktion auf die zerstörerische Tendenz.
ZunÀchst taucht im allgemeinen Sprachgebrauch als Gegensatz zu Liebe meist Hass auf.
Hass bindet nicht weniger an ein Objekt als Liebe, und gerade darin liegt manchmal der unbewusste Trick: Wenn man ein vorher geliebtes Objekt aus Ă€uĂeren oder inneren GrĂŒnden nicht (mehr) lieben kann, ist es oft leichter, es zu hassen als es aufzugeben; so kann man es zumindest weiter festhalten, wenn auch mit feindseligen GefĂŒhlen und Phantasien, NĂ€he ist es immerhin. Ein typisches Beispiel wĂ€re ein âRosenkriegâ zwischen Partnern, die sich nicht trennen können.
Aggression fokussiert die AnnĂ€herung an ein Objekt; man will es ergreifen und sich seiner bemĂ€chtigen, manchmal auch aufgrund der Frustration, dass anders keine NĂ€he zu ihm zu erwarten wĂ€re. Die NĂ€he der Aggression zum Hass ist offensichtlich, was tatsĂ€chlich zur Zerstörung fĂŒhren kann. WĂ€hrend âHassâ stĂ€rker die feindselige Haltung ausdrĂŒckt, ist bei âAggressionâ der Drang zur Tat deutlicher. Hinter manchen aggressiven Handlungen können sich auch libidinöse WĂŒnsche gut verbergen, denn Aggression sucht â wie Hass â die NĂ€he des Objekts.
Destruktion will das Objekt vernichten. Selbst wenn die Vorstellung vielleicht nicht so weit gediehen ist, dass die tatsĂ€chliche Vernichtung samt ihrer Konsequenz realisiert wird, nĂ€mlich dass das Objekt dann nicht mehr da wĂ€re, so sind doch alle Intentionen auf die Auslöschung des Objekts gerichtet. Besonders starr ist die destruktive Zielsetzung dann, wenn das Objekt bewusst oder unbewusst als Bedrohung fĂŒr das eigene Ăberleben empfunden wird.
Bei GleichgĂŒltigkeit fehlt die affektive Besetzung des Objekts, es wird weder geliebt noch gehasst. Dem ist entweder nie ein affektiver Bezug zu dem Objekt vorausgegangen, oder es ist aus irgendwelchen GrĂŒnden eine Abwendung von ihm erfolgt. Letztere wĂ€re dem von Schmidt-Hellerau eingefĂŒhrten Begriff Lethe zuzuordnen, der das âVergessenâ eines Objekts ausdrĂŒckt.
Freud stellt in âTriebe und Triebschicksaleâ (1915) der Liebe drei Gegenpole gegenĂŒber: Neben dem Hass und der GleichgĂŒltigkeit (Indifferenz) fĂŒhrt er als dritten Gegensatz geliebt zu werden an. Freud weist darauf hin, dass das seelische Leben ĂŒberhaupt von drei PolaritĂ€ten beherrscht wird:
- Subjekt (Ich) â Objekt (AuĂenwelt)
- Lust â Unlust
- Aktiv â Passiv
Geliebt zu werden statt zu lieben, also PassivitĂ€t statt AktivitĂ€t, ist demnach auch als Gegensatz zum Lieben zu sehen. Das Ich verhĂ€lt sich dabei passiv gegenĂŒber dem Objekt und lĂ€sst keine Reaktion erkennen. Es ist selbst zum Objekt der Liebe, zum Liebesobjekt, gemacht worden, dessen SubjektivitĂ€t (ob es die Liebe erwidert, ignoriert oder ablehnt) zunĂ€chst nicht erkennbar oder zumindest nicht deklariert ist.
Sowohl bei der Liebe als auch bei der Aggression ebenso wie bei den ihr verwandten Formen Hass und Zerstörung wird das Objekt vom Subjekt stark affektiv besetzt, beim Geliebtwerden ist das handelnde Subjekt (der/die Liebende) ausgeblendet.
Wir haben bereits gesehen, wie flieĂend die ĂbergĂ€nge sein können und wie sich diese seelischen PhĂ€nomene vermischen können. Ein Liebesakt beinhaltet ein kraftvolles Herangehen an das Liebesobjekt, wĂŒtende ĂuĂerungen können LiebeswĂŒnsche verbergen, Liebe kann in Hass oder GleichgĂŒltigkeit umkippen usw. So unsicher also zunĂ€chst die vorherrschende Absicht ist, so eindeutig ist bei der Aggression der Akzent auf der AnnĂ€herung. Aggression kommt von aggredi, das heiĂt im Lateinischen herangehen. Diese AnnĂ€herung an ein Objekt kann in feindlicher, aber manchmal auch in begehrlicher Absicht geschehen. Destruere hingegen heiĂt zerstören und lĂ€sst keinen Zweifel an der dominierenden vernichtenden Absicht. Wieder einmal verrĂ€t uns die Sprache selbst so viel, bzw. genauer gesagt: Wir haben oft mit unseren Wortschöpfungen bereits einmal ein Wissen fixiert, das wiederum zur Ahnung verblassen oder durch Bedeutungsverschiebungen sogar ganz entschwinden kann; gelegentlich finden wir es dann in der Sprache wieder als etwas, was uns manchmal wie eine von auĂen kommende Eingebung erscheinen mag.
Wenn das liebende Subjekt und das geliebte Objekt identisch ist, also jemand sich selbst liebt, spricht man von Selbstliebe oder von Narzissmus â nach der mythologischen Gestalt des Narziss, der sich in sein Spiegelbild verliebte und auf den ich spĂ€ter im Kapitel ĂŒber âMy Fair Ladyâ und Prof. Higgins noch ausfĂŒhrlich eingehen werde. Auch Selbstliebe steht im Gegensatz zu jener Liebe, die sich auf ein Liebesobjekt richtet.
1.2 Die grundlegenden Modellvorstellungen von Besetzung (Cathexis) und RĂŒckzug der Besetzung (Decathexis) sowie von einer Ă€uĂeren und einer verinnerlichten Welt der Objekte
Zwei bereits verwendete Begriffe verlangen nun genauere Beachtung: Besetzung und Innenwelt; sie hĂ€ngen eng miteinander zusammen. Die innere Welt wird vom Kind allmĂ€hlich aufgebaut aufgrund der Erfahrungen, die es mit seinen frĂŒhen, engsten Bezugspersonen macht. Mit ihnen erlebt es immer wieder die Befriedigung seiner BedĂŒrfnisse, die wahrgenommen und anerkannt werden. Aber vor allem an seinem begehrtesten âTriebobjektâ, der Mutter, erlebt es auch notwendigerweise immer wieder dessen Abwesenheit, und gerade diese Abwesenheit hat zur Folge, dass das Kind ein inneres Bild, eine innere ReprĂ€sentanz des Ă€uĂeren Objekts errichtet. Durch diesen Vorgang wird die Beziehung zwischen Kind und Mutter verinnerlicht und weniger abhĂ€ngig von ihrer unmittelbaren PrĂ€senz. Man nennt diesen Prozess Verinnerlichung. âDas verinnerlichte Objekt gewinnt ĂŒber die momentane Befriedigung hinaus, die es gewĂ€hrt oder versagt, mehr und mehr Konstanz und wird geliebt [âŠ]. Das leitende oder, vielleicht angemessener, das begleitende GefĂŒhl der Verinnerlichung ist die Liebeâ (MĂŒller-Pozzi 2002, 98f.). Die Verinnerlichung kommt durch die libidinöse (oder aggressive) Besetzung des Objekts zustande. Es ist, als ob sich das Kind unmittelbar nach der Befriedigung eines starken, drĂ€ngenden BedĂŒrfnisses, des Hungers, vornehmen wĂŒrde: âDas merke ich mirâ, schlieĂlich ist es die Quelle der Erfahrung, dass aus dem unangenehmen GefĂŒhl des Hungers das angenehme der SĂ€ttigung geworden ist. Zu einem solchen Vorsatz könnte freilich auch eine negative Erfahrung fĂŒhren, etwa wenn sich ein eifersĂŒchtiges Geschwisterchen dem Baby oft nĂ€hert, um es heimlich zu zwicken, dann ist es gut, wenn das Baby das feindlich gesinnte Objekt, das sich nĂ€hert, in âEr-innerungâ der erlebten Feindseligkeit rasch wiedererkennt und rechtzeitig zu schreien beginnt.
Wir sehen hier, welche wichtige Konsequenz und Funktion die Trennung und Abwesenheit eines Objekts hat. Was mit dem Merken der Mutter bzw. zunĂ€chst nur ihres die Befriedigung spendenden Körperteils, der Brust, beginnt, fĂŒhrt allmĂ€hlich zum Aufbau einer ganzen inneren Welt von libidinös besetzten Objekten. âDie Vorstellung des Objekts bildet sich in dessen Abwesenheit, der Quelle allen Denkensâ (Green 1990, 189).
Aber nicht nur die Objekte der AuĂenwelt, auch das eigene Ich wird spĂ€ter in dieser inneren Welt reprĂ€sentiert und libidinös besetzt, wie Freud in âZur EinfĂŒhrung des Narzissmusâ 1914 ausfĂŒhrte. Damit begegnen wir einem weiteren Dualismus, dem von Ich- und Objektlibido, der als Gegensatz erscheint, aber auch wechselseitige Beeinflussung ausĂŒbt.
Freud veranschaulichte mehrmals die BesetzungsvorgĂ€nge der Libido mit einem Protoplasmatierchen, so z. B. in den âVorlesungen zur EinfĂŒhrung in die Psychoanalyseâ: âDenken Sie an jene einfachsten Lebewesen, die aus einem wenig differenzierten KlĂŒmpchen protoplasmischer Substanz bestehen. Sie strecken FortsĂ€tze aus, Pseudopodien genannt, in welche sie ihre Leibsubstanz hinĂŒber flieĂen lassen. Sie können diese FortsĂ€tze aber auch wieder einziehen und sich zum Klumpen ballen. Das Ausstrecken der FortsĂ€tze vergleichen wir nun der Aussendung von Libido auf ihre Objekte, wĂ€hrend die Hauptmenge der Libido im Ich verbleiben kann, und wir nehmen an, dass unter normalen VerhĂ€ltnissen Ichlibido ungehindert in Objektlibido umgesetzt und diese wieder ins Ich aufgenomme...