Werte im Unterricht
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Werte im Unterricht

Empathie, Gerechtigkeit und Toleranz leben

  1. 231 Seiten
  2. German
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Werte im Unterricht

Empathie, Gerechtigkeit und Toleranz leben

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Gemeinsame Werte bilden die Grundlage unserer Gesellschaft. Große Bedeutung kommt dabei der Institution Schule zu. Die zentrale Frage, mit der sich Lehrerinnen und Lehrer konfrontiert sehen, ist: Wie kann Werteerziehung in den Unterricht integriert werden? Hier setzt das Buch an. Es vermittelt zunächst Lehrpersonen das nötige Hintergrundwissen über Werte und verknüpft es mit konkreten Ideen für die Praxis. An realen Unterrichtsdialogen und zahlreichen Unterrichtsvorschlägen zeigt es exemplarisch Möglichkeiten auf zu Klassendiskussionen über Werte wie Liebe, Freundschaft, Empathie und Gerechtigkeit. Das Buch bietet so praktisches Handlungswissen für Lehrende, wie Werteerziehung in der Schule gelingen kann.

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Information

1 Ist eine Wertebildung nur Ausdruck des relativen Kontextes, innerhalb dessen sie stattfindet?

Anjas Einwand gegen das Phänomen des Altruismus zu Beginn dieses Buches ist so grundlegend, dass wir uns noch einmal mit ihm beschäftigen sollten. Verallgemeinert besagt er nämlich: Gutes Handeln an sich gibt es nicht. Unsere Wertungen sind immer auf einen relativen Kontext bezogen – auf den der persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse und Interessen, des eigenen sozialen Milieus oder des historisch-gesellschaftlichen Kulturkreises. Denn, wenn wir zwischen objektiv und subjektiv Gutem, d. h. einem guten Handeln an sich oder nur für mich nicht unterscheiden können, wie das Wort Helfersyndrom nahelegt, dann erübrigt sich das Unternehmen einer Werteerziehung. Diese würde allenfalls der Anpassung an den Zeitgeist oder sogar, wie das Beispiel zeigt, der Heuchelei dienen.
Die Diskussion, ob Menschen nur subjektiv oder auch objektiv Gutes erkennen können, ist nicht neu. Schon Sokrates führte sie mit den Sophisten, Lehrern im Athener Stadtstaat (Polis), die ihre Schüler über gelingendes Leben unterrichteten. Dabei wirft er ihnen Unkenntnis der eigentlichen Ziele von Erziehung vor, da sie z. B. gar keinen Unterschied zwischen dem Angenehmen und dem Guten machten.

»Tu Gutes« – ein Anspruch an mich oder nur Geschmacksache? Der ›Schlagabtausch‹ im Dialog Gorgias2 zwischen Sokrates und den beiden Sophisten Polos und Kallikles

(1) Sokrates: Die Mächtigen tun zwar, was ihnen beliebt, aber nicht, was sie wirklich wollen! Denn eigentlich wollen wir Menschen Gutes tun. Die nicht tun, was sie in Wahrheit wollen, sind zu bemitleiden, denn sie sind unglücklich.
Polos: Unglücklich und bemitleidenswert ist doch wohl eher, wer zu Unrecht den Tod erleidet (also das ohnmächtige Opfer, nicht der mächtige Täter).
Sokrates: Nein, Polos, nicht so sehr wie der Täter!
Polos: Wieso?
Sokrates: Weil es etwas Schlimmeres als Unrecht tun nicht gibt!
Polos: Ist es aber nicht noch schlimmer, Unrecht zu erleiden?
Sokrates: Nein, ganz sicher nicht!
Polos: Und du selberdu würdest lieber Unrecht leiden wollen als Unrecht tun?
Sokrates: Wollen würde ich keines von beiden. Müsste ich aber wählen, dann würde ich lieber Unrecht leiden als Unrecht tun!
(2) Kallikles: Nach der Natur ist es schändlicher und schlechter, Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun; nach der Menschensatzung ist es – angeblich – umgekehrt. Wer aber wirklich ein Mann ist, der duldet es nicht, dass ihm Unrecht geschieht! Das ist eher etwas für den Sklaven, der ohnehin besser tot wäre als lebendig. Die Schwächlinge sind es, die sich die Gesetze ausdenken.
Sokrates: Was heißt denn stärker? Meinst du mit den Stärkeren vielleicht die Intelligenteren?
Kallikles: Ja, so meine ich es.
Sokrates: Und … müssen sie auch über sich selbst herrschenoder nur über andere?
Kallikles: Über sich selber herrschen? Was meinst du damit?
Sokrates: Oh, gar nichts Ungewöhnliches, dass der Mensch sich selbst in der Gewalt hat – indem er ›herrscht‹ über seine Launen und über sein Begehren.
Kallikles: Meinst du diese Schwachköpfe, die ›Maß halten‹?
Sokrates: Natürlich, die meine ich!
Kallikles: Ungehindert genießen können – das heißt »gut« und ›glücklich‹ sein!
Sokrates: Dann stimmt es also gar nicht, dass glücklich sei, wer vollkommen bedürfnislos ist?
Kallikles: Da wären ja die Steine und die Toten am glücklichsten!
Sokrates: Und dein Glück wäre eher das Leben einer Ente!
(3) Sokrates: Wenn im Kriege der Feind sich zurückzieht – wer freut sich mehr darüber, die Tapferen (Guten) oder die Feigen (Schlechten) ?
Kallikles: Beide gleich viel.
Sokrates (damit gibst du indirekt zu): Es gibt das Gute und es gibt das Angenehme; und das eine ist nicht dasselbe wie das andere. Dann muss man das Angenehme um des Guten willen wählen – nicht aber das Gute um des Angenehmen willen?
Kallikles: Freilich.
Sokrates: Wenn aber ein Unterschied zwischen dem Guten und Angenehmen besteht, dann gilt auch: Unrecht leiden ist besser als Unrecht tun. Und nicht den Tod sollen wir fürchten, sondern, Unrecht zu tun.
1. Allgemeine Interpretation des Dialogausschnittes Sokrates meint, dass der Mensch gar nicht umhin kann, zwischen gutem Handeln und der Befriedigung eigener Bedürfnisse und Interessen zu unterscheiden (z. B. macht er die Erfahrung, dass gut zu handeln nicht unbedingt angenehm ist). Grundwerte sind im Prinzip nicht von einem wandelbaren kulturellen Kontext abhängig, sie werden nicht nur ›von außen‹ mitgeteilt, denn auf die Erkenntnis, dass Gutes und Angenehmes nicht dasselbe sind, kommt der Mensch von selbst, kraft seiner Vernunft, die die eigenen Erfahrungen reflektiert, oder, wie Immanuel Kant (1724–1804)3 später sagen wird, kraft des Gewissens. Ein Dialog mit anderen, wie Sokrates ihn vorführt, kann dieses selbstständige Nachdenken allerdings anregen (vgl. dazu den Dialog zum Lernen als Wieder-Erinnerung in Kap. 6.1.1). Es wäre ein Verstoß gegen die eigene geistige Natur, gegen die Selbsterkenntnis, nur zu tun, was einem angenehm ist, und darüber das Gute zu vernachlässigen. Deshalb würde der Mensch nach Sokrates dadurch letztlich unglücklich (über sich selbst).
2. Interpretation des Dialogausschnittes nach Abschnitten Im ersten Abschnitt widerspricht Sokrates Polos, der Unrecht-Leiden für schlimmer hält als Unrecht-Tun. Das ergibt sich aus dem Vernunftgebot, dass das Gute dem Angenehmen vorzuziehen ist. Polos glaubt, Sokrates unterschätze das Leiden, und erinnert ihn daran, dass er ja konsequenterweise mit seinem eigenen Leben für eine solch heroische Ansicht einstehen müsse. Doch dass es Polos ist, der Sokrates unterschätzt, wird aus Sokrates’ Antwort deutlich, natürlich wolle niemand leiden, tatsächlich müsse man es aber manchmal, und zwar, wenn Gutes und Angenehmes einander entgegenstehen. Das Gute sei hochwertiger als das Angenehme. Besser der Körper erleide Schaden als die Seele. Sokrates nimmt hier den kategorischen Imperativ Kants – das Handeln nach eigenem Gewissensentscheid – vorweg (vgl. Kap. 1.2.1).
Im zweiten Abschnitt vertritt Kallikles als härtere Spielart der Skepsis eine frühe Form des Sozialdarwinismus. Naturgesetz sei das Recht des Stärkeren, alle anderen staatlichen Gesetze dagegen nur von Menschen ›gesetzt‹, d. h. Spiegel ihrer Machtverhältnisse, nicht einer (illusionären) Gutheits- oder Gerechtigkeitsidee. Zwischen dem Angenehmen und dem Guten gebe es keinen Unterschied, d. h., das Ziel des Lebens könne nur Genuss sein.
Sokrates zerpflückt zunächst den eher auf individuelle Körperkraft bezogenen und deshalb zu simplen Stärke-Begriff des Skeptikers, indem er Kallikles fragt, ob Schwache, die sich gegen Mächtige zusammentun, um Gesetze gegen sie durchzusetzen, nicht stärker als diese sind, da intelligenter? D. h., des Menschen Natur ist geistig. Dies ist seine eigentliche Stärke. Die sokratische Hinterfragung der Ansicht Kallikles’ (es gibt Sklaven und Freie – Ziel des Lebens ist, zu den Herrschern zu gehören, weil diese ihre Bedürfnisse und Interessen befriedigen können) lässt sich aus moderner Perspektive kühn als Kritik an der antiken Klassengesellschaft interpretieren. Heute würden wir sagen, mehr als Konkurrenz und Einzelkämpfertum entspreche Kooperation und Absprache der menschlichen Natur. Außerdem gibt Sokrates Kallikles einfach mal den Hinweis, dass nicht alle Menschen so denken wie er. Eine Gruppe von Philosophen vertrete eine ganz gegenteilige Glücksauffassung. Deren Ziel sei möglichste Bedürfnislosigkeit, die ›Beherrschung‹ der Triebe. Zweimal spielt Sokrates also darauf an, dass Kallikles den Unterschied zwischen Mensch und Tier vernachlässigt, einmal beim Stärke-Begriff der ›Kraftnatur‹, außerdem beim Glücks-Begriff der Triebbefriedigung: Das sei das Leben einer Ente.
Im dritten Abschnitt versucht Sokrates Kallikles noch einmal an einem Kriegs-Beispiel klarzumachen, dass Menschen ganz spontan einen Unterschied zwischen dem Guten und dem Angenehmen machen (und mit ihrer Intuition richtig liegen). Hier muss man wissen, dass nach antiker Vorstellung der tapfer Kämpfende als der gute Mensch, der feige Fliehende als der schlechte gilt. Auf Sokrates’ (Fang-)Frage antwortet Kallikles, dass beide wohl gleichermaßen erleichtert sind, wenn der Feind sich zurückzieht. (D. h., beiden ist es gleich ›angenehm‹.) Sokrates übertölpelt ihn hier ein wenig, indem er ihn ›im Nachhinein‹ darauf hinweist, dass er seine, Sokrates’ Unterscheidung zwischen den Tapferen und den Feigen spontan nicht in Frage gestellt habe. Indirekt wisse er also um den Unterschied zwischen Guten und Schlechten und, da beide die gleiche Erleichterung bei Situationsentspannung empfänden, auch um den Unterschied zwischen dem Guten und dem Angenehmen. Sokrates macht Kallikles also auf eine Inkohärenz in seinem Denken aufmerksam.
Dieser Dialogausschnitt vermittelt außerdem einen Eindruck, warum die sehr von sich selbst überzeugten Ratsherren der Stadt Athen Sokrates’ Gesprächsführung so provozierend fanden, dass sie ihn schließlich zum Tode verurteilten. Sokrates entlarvt Scheinwissen, indem er seine Gesprächspartner in Widersprüche verwickelt. Wem es um Ansehen und Macht statt um Wahrheit geht, der fühlt sich dadurch bloßgestellt.
Bezüglich des eingangs erwähnten Fallbeispiels ist noch darauf hinzuweisen, dass die Skepsis Anjas gegenüber gutem Handeln zu würdigen und nicht nur zu kritisieren ist. Sie erkennt nämlich, dass Handlungsmotive vielfältig sein können und Menschen sich über ihre wahren Absichten Illusionen machen können bzw. sie manchmal auch bewusst vor anderen verschleiern. Damit ist sie einen Schritt weiter auf dem Weg zu Freiheit oder Mündigkeit. Teilt man nach dem Höhlengleichnis Platons (vgl. Politeia [Der Staat] VII, 514–520) Freiheits- oder Mündigkeitserziehung in drei Stufen ein, befindet Anja sich immerhin schon auf der zweiten. Anzumerken ist, dass die moralische Entwicklung nach Lawrence Kohlberg (1927–1987) als ähnlich befreiender Aufbruch angesehen werden kann: Die drei Niveaus Kohlbergs – das präkonventionelle, das konventionelle und das postkonventionelle – können in manchen Zügen mit denjenigen des Höhlengleichnisses parallelisiert werden (vgl. Kap. 2.2.2).

Das Höhlengleichnis Platons in Kurzform: der befreiende Aufbruch vom Dunkel der Ignoranz zum Licht der Erkenntnis (vgl. Politeia [Der Staat] VII, 514–520)

Zu Anfang ihres Lebens sind Menschen in einer Höhle gefangen, so fest gekettet, dass sie immer nur nach vorn auf eine Felswand blicken können. Sie wissen nicht, dass die Höhle einen Ausgang in ihrem Rücken hat, von woher ein Licht scheint, das Abbilder von Gegenständen, die sich ebenfalls hinter den Menschen, aber näher an ihnen befinden, auf die Felswand wirft. Sie können nur diese Projektionen, nicht aber die Dinge selbst und das Licht sehen, und halten die Abbilder deshalb fälschlich für die Realität. Die Schattenwelt irriger Anschauungen könnte jeder Einzelne jedoch prinzipiell verlassen, indem er sich losmacht und auf den steilen und ein...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. 1 Ist eine Wertebildung nur Ausdruck des relativen Kontextes, innerhalb dessen sie stattfindet?
  7. 2 Führt Werteerziehung zu verantwortungsvollem Handeln?
  8. 3 Liebe als Grundlage aller Werte
  9. 4 Freundschaft
  10. 5 Empathie
  11. 6 Gerechtigkeit
  12. 7 Toleranz
  13. 8 Dankbarkeit
  14. 9 Heiterkeit und Humor
  15. Literatur