Kooperation in sozialen Organisationen
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Kooperation in sozialen Organisationen

Grundlagen und Instrumente der Teamarbeit

  1. 244 Seiten
  2. German
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Kooperation in sozialen Organisationen

Grundlagen und Instrumente der Teamarbeit

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Arbeitsteilige Gesellschaften setzen auf gelingende Kooperation und Teamarbeit. Dem Anspruch steht jedoch auch in sozialen Diensten allzu oft ein ernüchternder Arbeitsalltag gegenüber. Dieses Lehrbuch stellt im ersten Teil arbeits-, organisations- und sozialpsychologische Grundlagen von Kooperation und Teamarbeit vor. Der Spezifik sozialer Dienstleistungen als Emotions- und Interaktionsarbeit wird dabei ein besonderer Stellenwert gegeben. Der zweite Teil behandelt Methoden zur Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit und geht auf Praxisfragen gelingender Kooperation ein. Das Buch bietet Praxisbeispiele, Fragen zur Selbstüberprüfung und weiterführende Literaturhinweise.

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Information

Jahr
2009
ISBN
9783170280588

1 Einführung

1.1 Praxisbeispiel einer Teamentwicklung

An den Anfang möchten wir einen Erfahrungsbericht aus der Teamentwicklung stellen. Das Beispiel zeigt, wie ein konkreter Konflikt bearbeitet wird und wie soziale Kooperation durch professionelle Intervention gesteuert werden kann.

Teamentwicklung in einer Jugendhilfeeinrichtung

Seit einem Jahr arbeitete ich in einem Wohngruppenteam einer größeren Jugendhilfeeinrichtung als Supervisor. Der Leiter der Gesamteinrichtung bat mich um ein Gespräch und schilderte mir das Problem in einem ambulanten Team der sozialpädagogischen Familienhilfe seiner Einrichtung. Hier sei das Arbeitsklima sehr schlecht und der Krankenstand vergleichsweise hoch. Auch komme es in letzter Zeit gehäuft zu Klagen über mangelnde Kooperationsbereitschaft und fehlende Absprachen.
Mit diesen Informationen und einem Auftrag der Einrichtungsleitung zur Unterstützung der Teamarbeit ausgestattet, verabredete ich mit dem Leiter des Familienhilfeteams den Besuch einer Teamsitzung. Nach einer persönlichen Vorstellung unterbreitete ich das Angebot, an Fragen der Teamkooperation und -kommunikation zu arbeiten. Die anwesenden 7 Teammitglieder (2 Mitarbeiter waren erkrankt) begrüßten die Idee. Man habe im letzten Jahr in zwei Supervisionssitzungen, der sonst auf die Beratungsfälle konzentrierten Supervision, Teamprobleme besprochen. Hierdurch sei es aber nur kurzzeitig zu Verbesserungen des Arbeitsklimas gekommen. Ich sah mich so auch mit einem Auftrag durch das Team ausgestattet, an dessen Präzisierung jedoch noch zu arbeiten war.
Nach der Vorstellung der Arbeitsweise bei Teamentwicklungsmaßnahmen (s. Kapitel 6.2) wurden Einzelinterviews zur Problemanalyse (Ist-Zustand), eine Besprechung der Ergebnisse (Feedback und Handlungsplanung) und ein erster eintägiger Workshop (Trainingsphase) vereinbart. Die Problemanalyse in den Einzelinterviews ergab als Problemschwerpunkte: die Unklarheit über die Aufgaben und Kompetenzen der Teamleitung, die Unsicherheit zweier neuer Kollegen über ihren Platz in dem sonst aus „alten Hasen“ bestehenden Team und den Konflikt zwischen zwei „Streithähnen“ im Team. Die Mitarbeiter1 zeigten sich unzufrieden mit der Struktur der Teamsitzungen, dem Übermaß an organisatorischen Inhalten und dem Mangel von fachlichen Themen. Im ersten Feedbackgespräch mit dem Team, an dem auch die während der ersten Teamsitzung erkrankten Kollegen teilnahmen, mischte sich Betroffenheit über die offen gewordenen Konflikte mit einer optimistischen Stimmung, sich nun an die (Veränderungs-)Arbeit machen zu wollen. Das Motto des ersten Workshops wurde mit „Unsere Teamrollen“ überschrieben. Parallel – um erste Erfolge der gemeinsamen Veränderungsbemühungen zu organisieren und erlebbar zu machen – wurde eine Maßnahmenliste erstellt, die kleinere Probleme im Teamalltag benannte (vom Nachkaufen von Materialien bis zum Sammeln der Ideen für Besprechungspunkte zur Teamsitzung) und Verantwortlichkeiten für dessen Beseitigung bzw. Umsetzung festlegte.
Der erste ganztägige Workshop „Unsere Teamrollen“ fand dann in einem separaten Weiterbildungshaus statt. Nach einer Begrüßungs- und Einstimmungsphase (Warming-Up) wurde in unterschiedlichen Konstellationen von Gesamtgruppe, Kleingruppen und Paarübungen gearbeitet. Eine Übung, die sich der Geschichte des Teams zuwendete, war das Teamogramm – eine Zeitlinie zum Thema: Wer kam wann, mit welcher Idee zur Arbeit in der Familienhilfe in das Team? Ausgangspunkt für die Teamarbeit bildete der Bestand gemeinsamer Teamziele. Deshalb beschäftigte sich eine Gesprächsrunde zur Teamreflexion mit den Leitfragen: Wo arbeiten wir gemeinsam? Wo brauchen wir einander? Eine weitere Übung griff die wechselseitige Wahrnehmung der Rollen im Team auf. Sie bestand aus der Rückmeldung zu den von anderen Teammitgliedern wahrgenommenen Stärken eines Mitarbeiters. Leitfrage war: Was schätze ich an ...? Abschließend führten wir eine Teamaufstellung durch. Hier ging es um eine räumliche Darstellung der Teamkonstellation (Frage: Wer steht wie nah/fern zu wem? s. Anhang B; dazu auch Faulstich, 2007).
Das vier Wochen danach durchgeführte zweite Feedbackgespräch, ein Gruppengespräch auf Grundlage schriftlicher Befragung, ergab für alle Teammitglieder ein deutlich verbessertes Teamklima und für die „neuen“ Kollegen eine größere Sicherheit in der eigenen Rolle. Als nächstes Workshop-Thema wurden die Teamkommunikation und die Regeln für die Teamarbeit vereinbart. Auf meiner Nachhausefahrt dachte ich bereits über hilfreiche Übungen zur Gruppenkommunikation nach ...
Der Praxisbericht spricht einige in der Kooperation und Teamarbeit häufig zu findende Problemstellungen an und beschreibt die Interventionen einer Teamentwicklungsmaßnahme (Reflexion und eingesetzte Methoden s. Anhang). Der Bericht soll uns als Problemanriss für das Lehrbuch dienen, in dem theoretische Grundlagen und Methoden zur Förderung gelingender Kooperation in sozialen Organisationen zusammengetragen sind. Die Kapitel 2 und 3 stellen die allgemeinen und theoretischen Grundlagen von sozialer Kooperation und sozialen Konflikten auf der Basis empirischer Forschung dar. Es wird auf die verschiedenen Ebenen von Kooperation, Theorien und Prinzipien von Kommunikation und Entscheidungen sowie die Ziele und Formen von Kooperation eingegangen. Als zentrale Bedingungen von Kooperation werden die Rolle der Führung und die Bedeutung von Kultur und Gesellschaft vorgestellt.
Das Schlagwort von der „Dienstleistungsgesellschaft“ verweist auf die zunehmende Bedeutung, die diesem Sektor der Erwerbsarbeit in der Gesellschaft zukommt. Wir behandeln in Kapitel 4 personenbezogene Dienstleistungen als Gegenstand der Kooperation und spezifische strukturelle Probleme bei der Erzeugung sozialer Dienstleistungen wie beispielsweise die Auftragssituation oder den Einfluss des Selbstverständnisses sozialer Organisationen. In der Dienstleistungsproduktion spielen Emotionen und Gefühle eine herausragende Rolle. Insofern werden die Besonderheiten der Emotionsregulation bei personenbezogenen Dienstleistungen und die dabei auftretenden spezifischen Belastungsfaktoren vertieft.
Arbeitsgruppen als die typische Struktur der Kooperation sind Gegenstand von Kapitel 5. Zur Begriffsklärung werden Gruppen, Arbeitsgruppen und Teams kontrastiert und ein Systematisierungsversuch der Gruppen unter entwicklungsgeschichtlichen, zeitlichen und strukturellen Aspekten, sowie als Arbeits-, Innovations- und Entscheidungsteams vorgenommen. Die Bildung von Teams ist mit der Erwartung einer Effektivitäts- und Effizienzsteigerung von Seiten der Organisationsleitung verbunden. Mit den Quellen von Prozessgewinnen und -verlusten in Gruppen beschäftigt sich Kapitel 5.3. Koordination der Gruppenaktivitäten, motivationale Faktoren, kognitive Aspekte, wie Gruppen sich bilden und welche Gruppenrollen es gibt, wird in Kapitel 5.4 ausgeführt, gefolgt von einem Exkurs über Modelle der Teamarbeit. Die Teamdiagnostik, ihre Zielsetzung, das methodische Vorgehen und Instrumente beschließen das Kapitel.
Strategien zur Weiterentwicklung von Kooperation und Gruppenarbeit werden in Kapitel 6 vorgestellt. Dazu gehören die Grundlagen der Organisationsentwicklung, Ziele und Inhalte von Teamentwicklung, der Beitrag der Weiterbildung, die Supervision in der Klienten- und Teamarbeit und die Intervision als Raum kollegialer Reflexion. Als exponierte Themen zur Verbesserung von Kommunikation und Kooperation werden in Kapitel 7 die Besprechungs- und Konferenzgestaltung, das Konfliktmanagement, das Selbstmanagement und die Selbstführung behandelt.

Warum noch ein Buch zur Teamarbeit?

Bei der Analyse von Chancen und Risiken für gelingende Kooperation in sozialen Organisationen integriert das Lehrbuch drei Zugänge: das Wissen über Voraussetzungen von Kooperation und Konflikt, die Analyse des Arbeitsgegenstandes personenbezogener Dienstleistungen und die Beschreibung von Arbeitsgruppen mit ihren Strukturen und ihrer Eigendynamik. Kooperation wird auf der interpersonellen Ebene betrachtet, wobei drei verschiedene Interaktionen im Fokus stehen: Kooperation zwischen Klienten und Mitarbeitern, zwischen Mitgliedern eines Teams und zwischen Mitgliedern von Organisationseinheiten einer oder verschiedener Organisationen. Der Methodenteil bündelt Grundlagen zentraler Interventionsstrategien zur Weiterentwicklung der Teamarbeit und vertieft wichtige Gestaltungsfragen der Kooperation. Als Lehrbuch weist es sich auch dadurch aus, dass jedes Kapitel Fragen zur Selbstüberprüfung und vertiefende Literatur zum Selbststudium enthält. Im Anhang erfolgt eine Reflexion des Praxisbeispiels und die in der Teamentwicklung verwendeten Übungen werden dargestellt. Mit einem Glossar und Stichwortverzeichnis möchten wir Ihnen als Leser und Leserinnen die Orientierung erleichtern.

1.2 Das Team – zwischen Idealisierung und Pragmatismus

Mit dem Teambegriff werden sehr unterschiedliche Vorstellungen verbunden. Jeder erinnert sich an das siegreiche Lachen und die Freude der deutschen Fußball- und Handballnationalmannschaft, denkt an eine gemeinsam geschaffte Gruppenleistung und das „An-einem-Strang-Ziehen“ bei Aktivitäten im Freundes- oder Familienkreis. Als Emotionen finden sich der Spannungsbogen von gemeinschaftlicher Anstrengung und dem Glücksgefühl nach vollbrachter Arbeit, die Freude in der Gemeinschaft (von Siegern) und der Stolz dazu zu gehören.
Die Faszination und Attraktivität des Teambegriffs im beruflichen Kontext basiert auf zweierlei: Teamarbeit verspricht dem gestiegenen Komplexitätsgrad von Arbeitsprozessen, den Anforderungen an Flexibilität und abgestimmter Koordination der zunehmend spezialisierteren Aufgaben in den psychosozialen Berufen besser gerecht zu werden als traditionelle hierarchische Organisationsstrukturen. Auch verspricht die Arbeitsorganisation in Teams eine Antwort auf den durch Sparmaßnahmen und einen offenen Markt sozialer Dienstleistungen erhöhten Effektivitäts- und Effizienzdruck, sowie gestiegene Qualitätsanforderungen (auch) in sozialen Organisationen. Die Gemeinschaft der Mitarbeiter bekommt dabei ein großes koordinatorisches Potential, eine emotional bindende und den Einzelnen anspornende Wirkung zugeschrieben.
Das Zutrauen gegenüber der Selbstorganisation des Teams scheint jedoch oft eher einem Glauben als dem Wissen um strukturelle und gruppendynamische Einflussfaktoren zu entspringen – ähnlich dem Placebo-Effekt, der auf die selbstheilende Wirkung einer positiven Erwartung (des Klienten) setzt, ohne diese im Einzelnen zu kennen und den eigenen Beitrag dazu differenziert zu bestimmen. In dieser Situation die Potentiale und Grenzen der Gruppenkoordination kritisch zu hinterfragen, würde den Placebo-Effekt löschen und beantwortet geglaubte Gestaltungsfragen neu stellen. Hierin liegt ein Teammythos, der einer simplifizierten Vorstellung der Selbstorganisation von Systemen entspringt (zur Selbstorganisation s. Krieger, 1996; Willke, 1996), frei nach dem Motto: Teams müssen nur gelassen werden, sie regeln das Wichtige dann schon selbst. Die Zunahme an Handlungsfreiheit würde in den meisten Teams sicher gern angenommen, die Kehrseite dieses Selbstorganisationsmythos bildet jedoch die Null-Investitions-Annahme, d. h. da Teamarbeit sich in diesem Denken spontan von allein regelt, braucht es dementsprechend auch wenig Investition in seine Weiterentwicklung. In diesem Sinne argumentiert auch Nellessen (1999, S. 70f.). „Der Synergieeffekt von Gruppen und Teams wird wohl als so robust und leicht abrufbar eingeschätzt, daß manche glauben, den Teammitgliedern dann schon einen Gefallen zu erweisen, wenn sie sie als Gruppe agieren lassen. Mit allen vorhandenen Handicaps hat das Team im Handumdrehen fertig zu werden.“
Der in den folgenden Kapiteln vorgestellte Stand der Forschung belegt das Gegenteil. Teamarbeit ist auf die kontinuierliche Pflege der Kooperationsstrukturen, regelmäßige Überprüfung und Selbstvergewisserung hinsichtlich der gemeinsamen Arbeitsziele, -methoden und Standards angewiesen, will sie dauerhaft wirkungsvoll sein und ihre Vorteile gegenüber Einzelarbeit realisieren. Dies gilt insbesondere für die psychosoziale Arbeit, die den Mitarbeiter als wesentliches „Arbeitsmittel“, Medium und Katalysator für Veränderungs- und Entwicklungsprozesse bei den Klienten braucht.
Gelingende Kooperation ist ein voraussetzungsvoller Prozess, der viel persönliche Investition von Vertrauen, Engagement und Frustrationstoleranz (so viel wie bei den Klienten auch) benötigt. Es gilt, die Gestaltungsfragen aktiv anzugehen und sich der dafür entwickelten Methoden zur Verbesserung von Kooperation und Teamarbeit zu bedienen (s. Kap. 6 und 7).
Neben der Perspektive der Organisationsleitung auf die Teamarbeit gibt es eine zweite: die Sichtweise der Mitarbeiter. Im Team zu arbeiten entspricht dem Wunsch nach einer menschlichen Form sinnstiftender Berufsarbeit, weg von der anonymen und routinemäßigen Verrichtung isolierter Teilfunktionen, hin zu einer ganzheitlichen und selbstorganisierten Arbeitsausführung in einer vertrauten Gemeinschaft. Für die veränderten Bedürfnisse an einer persönlich erfüllenden Arbeit bietet die Teamidee eine breite Projektionsfläche. Auf dieser lassen sich auch institutionskritische Ideen einer egalitären, basisdemokratischen und solidarischen Organisation von Arbeit bündeln. Diese Idee von Teamarbeit – die sich bereits in der Zeit der Studentenbewegung abzeichnete – beschreibt Perle (1969, S. 18 f.) in seinen Thesen zur Arbeit in pädagogischen Einrichtungen:
„Die Verhältnisse in vielen Einrichtungen der Erziehungspraxis sind aber – wie in vielen anderen gesellschaftlichen Organisationen auch – weitgehend autoritär und herrschaftlich angelegt. [...] Teamarbeit könnte repressive Tendenzen und Situationen am erfolgreichsten verändern und abbauen. Dazu müssen angstfreie soziale Kontakte zwischen den Mitarbeitern her gestellt, das offene und kritische Gespräch gewollt, persönliche wie kollektive Nöte und Bedrückungen öffentlich gemacht werden. Personale Emanzipation ist nur über Gruppensolidarisation zu gewinnen!“
Ein ähnlich optimistisches Bild zeichnen Scherpner, Fink und Kowollik (1976, S. 45 f.) von der Teamarbeit in der Sozialpädagogik, die sie gebunden sehen an ein „Gefühl der Gemeinsamkeit, der gegenseitigen Wertschätzung und des Vertrauens“, die spontane Kooperationsbereitschaft, regelmäßige Kommunikation, partnerschaftliche Koordination, eine klare Aufgabenverteilung, die Bereitschaft eigene Interessen den gemeinsamen Aufgaben unterzuordnen, der Identifikation mit den gefassten Beschlüssen.
Auch wenn von dem Enthusiasmus der damaligen Aufbruchszeit heute wenig geblieben ist, so zeigt dies doch eine auch heute vielfach bestehende Erwartung an das Team als Instrument der Selbstverwirklichung, der persönlichen Emanzipation und der Selbstbehauptung bzw. Rebellion gegen „die da Oben“ (zur historischen Entwicklung der Vorstellungen in der Gruppen- und Teamarbeit s. Buchinger, 2004). Dies führt auch von Mitarbeiterseite zu dem Mythos – jetzt jedoch verbunden mit einer anderen Intention – einer sich selbst organisierenden Teamgemeinschaft (verwandt mit der Null-Investitions-Annahme aus der Perspektive der Organisationsleitung). Nach außen ist in manchen Teams daraus ein überstarkes Abgrenzungsbedürfnis gegen die anderen „da draußen“ geworden, nach dem Motto „Wenn wir uns nur gut verstehen, dann läuft die Arbeit auch gut“ (Null-Interventions-Annahme). Nach innen findet sich dies in dem Generalverdacht gegenüber Funktionsdifferenzierung, die die Gleichheit aller gefährden würde, gegenüber „geregelten“ Entscheidungswegen und Hierarchien im Team (Null-Differenzierungs-Annahme). Hier findet sich eine Analogie zu der von betriebswirtschaftlicher Seite vorgebrachten Skepsis gegenüber starken Hierarchien, methodisch umgesetzt in Restrukturierungsmaßnahmen unter dem Stichwort der „flachen Hierarchien“ beginnend in den 80er Jahren.
Dass diese Ideen auch heute noch in der Teampraxis wirksam sind, illustriert eine Aufzählung häufiger Fehler bei der Teamarbeit durch Fengler (1997, S. 121), die er aus seiner Erfahrung mit psychosozialen Teams u. a. in der Supervision ableitet. Häufige Fehler sind danach:
  • „Verweigerung von Führung,
  • Ablehnung einer klaren Struktur der Weisung und Zuständigkeit,
  • unklare Ermessensspielräume,
  • Entscheidungslosigkeit,
  • Schweigen über Qualität und Kontrolle.“

Worin liegt die besondere Notwendigkeit von Teamarbeit für soziale Dienstleistungsberufe?

Eine pragmatische Beschreibung der Notwendigkeit von Kooperation und Teamarbeit leitet sich aus fachlichen Erfordernissen und formalen Vorgaben ab. In verschiedenen Verordnungen und Gesetzen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit und Teambildung festgelegt. So finden sich in der Psychiatrie-Personalverordnung und dem „Leitfaden zur Qualitätsbeurteilung“ in Psychiatrischen Kliniken (Aktion Psychisch Kranke e. V., 1996) multiprofessionelle Teams als wichtige Struktur des therapeutischen Prozesses und zur Erreichung der Behandlungsziele verankert (Brünger, 2004). Auch für di...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Geleitwort
  6. 1 Einführung
  7. Theoretische Grundlagen
  8. Exkurs: Modelle zur Beschreibung von Teamarbeit
  9. Interventionsformen und Methoden
  10. Anhang