Wirtschaftliche Potentiale des Alters
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Bis vor Kurzem wurde Altern fast ausschließlich als Bedrohung für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen. In jüngster Zeit werden stattdessen die Kompetenzen und Potentiale des Alters betont. In dem Buch werden die verschiedenen Facetten dieser Potentiale erstmals umfassend dargestellt: von Begriffen wie Produktivität und Innovation bis zur Bedeutung der Älteren auf formalen und informellen Arbeitsmärkten. Einen Schwerpunkt bildet die Analyse einzelner seniorenwirtschaftlicher Sektoren (u. a. Handel, Handwerk, Wohnungs- und Gesundheitswirtschaft) und Regionen.

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783170281127

1 Einleitung: Seniorenwirtschaft – ein neuer Wachstumszyklus?

Nach einer jahrzehntelangen Verdrängung hat das Thema »demographischer Wandel« nunmehr Öffentlichkeit und Politik nicht nur erreicht, sondern sorgt für hektische Betriebsamkeit. Dabei zeigt sich aktuell ein gewisser Perspektivenwechsel. Noch vor einigen Jahren wurde das Altern der Gesellschaftnahezu ausschließlich als Bedrohung und Last für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft wahrgenommen. Nun ändert sich diese Sicht; die jahrzehntelang dominante Defizitthese erhält Konkurrenz durch die Betonung von Kompetenzen und Potentialen. Seitens der Wissenschaft wird schon seit längerem nicht nur auf die Probleme, sondern auch explizit auf die Chancen einer alternden Gesellschaft hingewiesen (zusammenfassend die von Kocka, Staudinger 2009 herausgegebenen Bände zum Thema »Altern in Deutschland«). Auch Politik und Wirtschaft scheinen zunehmend zu erkennen, dass die konsumrelevanten Interessen älterer Menschen eine gute Grundlage sein können, um mit entsprechenden Produkten und Dienstleistungen Nachfrage zu generieren sowie Umsätze und Beschäftigung zu steigern bzw. zu sichern: »Neue Märkte und Berufe entstehen, Altern schafft Bedarf« (Naegele 1999: 436).
Im Fünften Altenbericht der Bundesregierung, der die (ökonomischen) »Potentiale des Alters in Wirtschaft und Gesellschaft« fokussiert, wird der Seniorenwirtschaft ein eigenes Kapitel gewidmet (BMFSFJ 2006). Das für Seniorenpolitik zuständige Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zudem das Programm »Wirtschaftsfaktor Alter – Unternehmen gewinnen« initiiert, welches insbesondere die Expansion der Idee und der Chancen der Seniorenwirtschaft in Deutschland anvisiert. Inzwischen scheint bei den relevanten Wirtschaftsakteuren1angekommen zu sein, über welche Wirtschaftsmacht ältere Menschen verfügen. Experten sprechen – bezogen auf die Gruppe 60 + – derzeit von einer Kaufkraft/Jahr von deutlich über 400 Milliarden Euro (Adlwarth 2008). Bereits heute kaufen sie 45 % aller Neuwagen, 80 % aller Oberklassewagen, 50 % aller Gesichtspflegeprodukte und buchen 50 % aller Reisen (BMFSFJ 2007; Wirtschaftswoche 2006).
Angesichts der demographischen Entwicklung, des kollektiven Alterns der Bevölkerung und ihrer stark gestiegenen Kaufkraft werden ältere Verbraucher künftig eine der wichtigsten Kundengruppen auf privaten Konsumgüter- und Dienstleistungsmärkten sein. Dadurch lassen sich – so die Erwartung – erhebliche ökonomische Potentiale für Wachstum und neue Arbeitsplätze erschließen. Tatsächlich besaßen – historisch betrachtet – Ältere noch nie eine größere Marktmacht als heute. Auch neueste empirische Studien über Einkommenslage und -dynamik sowie über Vermögen und Verschuldung beschreiben diese Zielgruppe als außerordentlich bedeutsam für die private Nachfrage. Dies gilt insbesondere für Westdeutschland. So liegt das Geldvermögen älterer Menschen im Durchschnitt deutlich über dem Niveau aller Haushalte (Adlwarth 2008; DIW 2007; Eitner 2009; Fachinger 2009). Für die zukünftige Entwicklung lässt sich mit großer Sicherheit prognostizieren, dass »die Einkommen der Älteren bis dahin [2030] preisbereinigt um etwa 20–48 % zunehmen werden« (Motel-Klingebiel, Zeman 2007: 71).
Zur Seniorenwirtschaft werden u. a. solche Branchen gezählt, deren Leistungen verstärkt von älteren Menschen bzw. von jenen, die sich auf das Alter vorbereiten, in Anspruch genommen werden. Diese ist dabei nicht als ein eigenständiger, klar abgrenzbarer Wirtschaftsbereich zu verstehen, sondern vielmehr als ein Querschnittsmarkt, der zahlreiche Wirtschaftsbereiche umfasst. Dazu gehören u. a. der Gesundheits- und Pflegemarkt, soziale und hauswirtschaftliche Dienste, Wohnen und Handwerk, private Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (z. B. im Zusammenhang mit der privaten Altersvorsorge), die großen Bereiche Freizeit, Tourismus, Kommunikation, Bildung, Unterhaltung und Kultur sowie die damit zusammenhängenden Bereiche der Informationstechnik und der Neuen Medien. Nach vorliegenden Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sind vor allem die folgenden Gütergruppen »demographiereagibel«, d. h. hier steigen die Verbrauchsausgaben mit dem Alter der Konsumenten:
  • Wohnen (inkl. Energie und Wohnungsinstandsetzung) (kontinuierlich steigend),
  • Gesundheit und Pflege (mit einem deutlichem Anstieg ab einem Lebensalter von 75 Jahren),
  • soziale Dienstleistungen,
  • Freizeit, Kultur und Unterhaltung (mit Rückgängen in der Altersgruppe der über 75-Jährigen),
  • Urlaub und Reisen.
Mit der politischen Förderung des Konzepts der Seniorenwirtschaft als eigenständigem Politikfeld werden unterschiedliche gesellschaftliche wie ökonomische Ziele assoziiert:
Mikroökonomisch: Hierbei geht es um die Nutzung der demographisch beeinflussten/veränderten Konsumgüternachfrage für Innovationen, Umsatz- und Absatzerfolge im einzelbetrieblichen wie gesamtwirtschaftlichen Waren-, Produkt- und Dienstleistungsangebot sowie für die Entwicklung und Bearbeitung neuer Märkte. Im Einzelnen werden neue, demographiesensible Produkte und Dienstleistungen erschlossen/entwickelt. Diese sind dabei teilweise durchaus altenspezifischer Art wie etwa Hausnotrufsysteme oder spezielle hauswirtschaftliche Dienste für Ältere; zunehmend fallen darunter aber auch solche, die in das Konzept des universal design eingebunden sind und auf ein seniorenspezifisches oder -typisierendes Marketingkonzept verzichten.
Makroökonomisch: Nutzung der gestiegenen Marktmacht/Kaufkraft älterer Menschen zur Stärkung der privaten Binnennachfrage. Dies gilt für alle großen Wirtschaftsbereiche mehr oder weniger gleichermaßen. So sind bereits heute die über 50-Jährigen in vielen Gütergruppen (z. B. Nahrungsmittel, Bekleidung, Reisen) für annähernd 50 % der Konsumausgaben verantwortlich. Szenarien zeigen, dass im Jahr 2035 die über 50-Jährigen knapp 60 % der Gesamtkonsumausgaben tätigen werden.
Arbeitsmarktpolitisch: Schaffung neuer bzw. Sicherung vorhandener Arbeitsplätze. Diese für die Gesundheitswirtschaft schon sehr früh (z. B. vom Sachverständigenrat im Gesundheitswesen) betonten Wachstums- und Beschäftigungseffekte (SVR-KAIG 1996) lassen sich insbesondere, z. B. anhand einer kürzlich vorgelegten Studie des IW zur demographisch induzierten Bedeutungszunahme des Pflegesektors, für die professionelle Pflege (s. Kap. 8.9.1) feststellen (Enste, Imperz 2008).
Gesellschaftspolitisch: Der Verweis auf die vorhandenen Potentiale einer alternden Gesellschaft und Vorschläge, wie diese Potentiale ökonomisch und gesellschaftlich besser genutzt werden können, relativieren demographische Krisenszenarien.
Gerontologisch: Diese Perspektive zielt insbesondere auf die Unterstützung der selbstständigen Lebensführung im Alter und die Erhöhung der Lebensqualität älterer Menschen durch ein entsprechendes Güter- und Dienstleistungsangebot. Dies war ein Anknüpfungspunkt für das erste Memorandum zur »Wirtschaftskraft Alter« vom März 1999, mit dem das IAT (Institut für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen) und die FFG (Forschungsgesellschaft für Gerontologie, Dortmund) erstmalig bundesweit auf die wachsende Bedeutung der Seniorenwirtschaft hingewiesen (Barkholdt et al. 1999) und damit z. B. in NRW den Anstoß für die Landesinitiative Seniorenwirtschaft gegeben haben (s. Kap. 10.1).
Allerdings sind derartige Beschäftigungs- und Wachstumseffekte nicht voraussetzungslos zu erreichen. Es bedarf auch im Bereich der Seniorenwirtschaft förderlicher Rahmenbedingungen. Insbesondere der Alterssicherungs- und der Rentenpolitik kommt eine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der Steuerungsmöglichkeiten im »Seniorenmarkt« zu. Wie zu zeigen sein wird, betreffen förderliche Rahmenbedingungen dabei nicht nur die Nachfrage-, sondern auch die Angebotsseite.
Verschiedene Studien weisen dem sogenannten Silver Market gute bis sehr gute Entwicklungsperspektiven zu, wenngleich die Effekte etwa von (ggf. weiteren) Reformen der Alterssicherung oder der jeweiligen gesamtwirtschaftlichen Situation nur schwer abzuschätzen sind. Aus sozialwissenschaftlicher und gerontologischer Sicht gibt es erst wenige Studien, die sich explizit dieses Feldes annehmen. Im Rahmen makroökonomischer Potentialanalysen werden zumeist nur Indikatoren wie Altersstruktur und Produktivität der Beschäftigten aufgerufen, während die reale Bedeutung des »Wirtschaftsfaktors Alter« nur langsam in den Blick der Forschung gelangt. Es ist inzwischen jedoch Konsens, dass sich intern differenzierte »Wachstumsmärkte« des Alters herauskristallisieren, z. B. intensive Formen der »Service-Ökonomie« für Hochaltrige oder Wellness- und gesundheitsförderliche Angebote für das »junge Alter«. Auch wenn die tangierten Branchen mit unterschiedlicher Intensität langsam reagieren, gilt: Die Option, dass ein Land wie Deutschland mit einer der ältesten Bevölkerung der Welt zu einem »Leitmarkt« für wirtschaftlich-soziale Innovationen für das Alter werden könnte, wird derzeit noch nicht breit diskutiert.
Die Fokussierung auf den Wirtschaftsfaktor Alter birgt allerdings auch Gefahren in sich, weil die Fixierung auf die privilegierten Alten mit hoher Kaufkraft gesellschaftliche Spaltungstendenzen und soziale Ungleichheiten verschärfen kann. Es wird dann weiteres Sozialkapital (zusätzlich zum vorhandenen ökonomischen Kapital) dort akkumuliert, wo es ohnehin schon vorhanden ist, während immer mehr ältere Menschen davon ausgeschlossen werden bzw. sich ausgeschlossen fühlen. Über den Umweg Wirtschaftsfaktor Alter kann andererseits auch Respekt vor dem Alter re-etabliert werden. Denn in einer ökonomiezentrierten Gesellschaft stellt die Kaufkraft – trotz aller Einseitigkeiten und Ambivalenzen – immer noch einen zentralen Integrationsfaktor dar. Der Hinweis auf die auch ökonomisch nachweisbare »Wirtschaftsmacht« dient insofern auch der Identitätsbildung älterer Menschen, stärkt ihre Rolle als Konsument und lenkt den Blick auf Ressourcen und Handlungspotentiale.
In den letzten Jahren haben sich Ausgrenzungsprozesse im Finanzmarktkapitalismus intensiviert und treffen Menschen nicht nur materiell (Verarmungsaspekt), sondern führen auch zu subjektiver Verunsicherung und Identitätsverlust. Insofern berührt die Thematisierung des Wirtschaftsfaktors Alter auch die alten sozialen Ungleichheiten und zudem die Debatte um soziale Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Dieser Diskurs hat eine lange Geschichte, wird allerdings oftundifferenziert und pauschal geführt: »Generationengerechtigkeit wurde zum Kampfbegriff für eine Kürzung der Sozialleistungen für das Alter. Und da die Älteren die gewichtigsten Klienten des Wohlfahrtsstaates sind, richtete sich der Kampf – manchmal als unbeabsichtigter Neben-, manchmal als beabsichtigter Haupteffekt – gegen den Wohlfahrtsstaat insgesamt. Die deutsche Version lautet, der Wohlstand der heutigen Rentner und Pensionäre verursachte enorme ökonomische Folgekosten (Arbeitslosigkeit durch zu hohe Lohnnebenkosten, Kinderarmut, Staatsverschuldung), ebenso wie ökologische Schäden (hemmungslose Ausbeutung der Ressourcen, Umweltzerstörung) zu Lasten der jüngeren Generationen, welche die heute Älteren nie hätten tragen müssen. Letztere würden sich derweil geruhsam in eine sozial abgefederte Konsumentenrolle zurückziehen und in der Toskana oder auf Teneriffa überwintern. Die Wohlfahrtsbilanz über den gesamten Lebenslauf sei somit ungerecht zwischen den Generationen verteilt« (Kohli 2006: 121).
Im Folgenden wollen wir nicht näher auf diesen Diskurs eingehen, sehen aber durchaus die problematischen Effekte einer zu engen »ökonomistischen« Fokussierung auf das Thema. Der Altersstrukturwandel hat viele Facetten, und hierzu zählen auch die gewachsenen ökonomischen Potentiale. Die Produktivität Älterer darf jedoch nicht nur nach traditionellen Rentabilitätskriterien der formellen Ökonomie bewertet werden. Generationenbeziehungen oder soziales Engagement können nur bruchstückhaft in »Geldflüssen« gemessen werden. Dennoch spiegelt sich die Wirtschaftsmacht Alter zunehmend in den verschiedenen Segmenten der Seniorenwirtschaft wider. Allein im Sektor der Gesundheitswirtschaft, der umfassender als die Seniorenwirtschaft ist, wurden nach aktuellen Schätzungen (Henke, Troppens 2010a) 2005 fast 5,4 Mio. Menschen beschäftigt. Nach der erweiterten Abgrenzung der Gesundheitswirtschaft arbeitet hier fast jeder siebte Erwerbstätige (13,8 %); die Konsumausgaben machen 17,6 % der Gesamtwirtschaft aus.
Die Entwicklung der Seniorenwirtschaft ist nicht zuletzt auch auf den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme zurückzuführen, der z. B. den Anteil der in Armut lebenden über 65-Jährigen in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert hat. Seit der Einführung der Pflegeversicherung 1994/5 zählt beispielsweise Pflegebedürftigkeit nicht mehr zu den zentralen Armutsrisiken. Umso bedeutsamer ist die künftige soziale Sicherungspolitik, insbesondere die Rentenpolitik, für die weitere Entwicklung der Seniorenwirtschaft. Zudem ist die stark wachsende Gruppe der Älteren in sich heterogen, was u. a. dazu führen wird, dass sich die Einkommens- und Vermögensdifferenzen weiter spreizen werden (BMFSFJ 2006). Auch die Zunahme der sozialökonomischen und kulturellen Unterschiede zwischen den Alten erschwert eindeutige Aussagen zur internen Richtungsentwicklung der Seniorenwirtschaft.
Dennoch verdeutlicht die Ausgabenstruktur der Rentnerhaushalte, dass Ältere nicht nur über eine hohe Kaufkraft verfügen, sondern hinsichtlich der Einkommensverwendung Schwerpunkte z. B. bei Gesundheits- und Körperpflegedienstleistungen sowie Reisen setzen. Diese Branchen gelten daher als »boomende« Märkte der Seniorenwirtschaft, in denen sich jedoch eine eindeutige Zuordnung zu einzelnen (statistisch definierten) Wirtschaftsbranchen als schwierig erweist, da zwischen einzelnen Sektoren Vermischungen entstanden sind (etwa Freizeit, Wellness und Gesundheit oder Tourismus). Diese neuen Verknüpfungen sind ökonomisch und wirtschaftssoziologisch wichtig und werden mit dem Begriff des »Cluster« erfasst. Das Cluster »Gesundheitswirtschaft« z. B. umfasst Medizintechnik, Pharmawirtschaft, Life Sciences, Biotechnologie, Umweltmedizin, Gesundheitsurlaub, Naturkost, betriebliche Gesundheitsförderung, Gesundheitspädagogik, Telemedizin/medizinische Ratgeber (in Presse, Funk und Fernsehen) etc. Der Erfolg der »Jobmaschine« Senioren- und Gesundheitswirtschaft ist aufgrund der Cluster-Struktur an bestimmte Bedingungen gebunden. Diese bestehen neben der Clusterbildung und der damit zusammenhängenden Vernetzung und Koordinierung auch im kontinuierlichen Wissensaustausch zwischen den zentralen Akteuren aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaftsowie in einer gemeinsamen Definition und Koordination der angestrebten Ziele und Vorgehensweisen.
Als förderliche Einflussfaktoren für eine Expansion der Seniorenwirtschaft gelten die folgenden Trends:
  • Der demographische Wandel: Zunahme der Zahl Älterer und steigende Lebenserwartung der Bevölkerung werden zu einer weiter wachsenden Nachfrage insbesondere nach sozialen und gesundheitsbezogenen Dienstleistungen und Produkten führen.
  • Der soziale und kulturelle Wandel: Damit einher geht u. a. ein steigender Bedarf an personenbezogenen Dienstleistungen auch für Ältere. Die derzeit beobachteten Individualisierungs- und Pluralisierungstendenzen, der Strukturwandel der Familien sowie gestiegene Mobilitätsanforderungen unterstützen diesen Trend zusätzlich.
  • Der medizinisch-technische Fortschritt: Als eine weitere Wachstumsquelle haben sich in den vergangenen Jahren medizinisch-technische Innovationen erwiesen. Durch Produktinnovationen wurde u. a. eine Leistungsausweitung in den Bereichen Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation ausgelöst.
  • Wachsendes Konsumenteninteresse an Lebensqualität: In den letzten Jahren zeigt sich, dass Menschen mehr Zeit und private Mittel aufwenden, um es sich körperlich und geistig gut gehen zu lassen: Schon heute investieren rund zwei Drittel der Bevölkerung regelmäßig in ihre Gesundheitsvorsorge (mit wachsender Tendenz).
  • Der Trend zur Eigenverantwortung: Der Perspektivwechsel wird gestützt durch eine empirisch nachweisbare Zunahme der individuellen Gesundheitsvorsorge.
Das vorliegende Buch bietet einen Überblick über die verschiedenen Facetten der wirtschaftlichen Potentiale des Alters. In den ersten beiden Kapiteln werden Themen aufbereitet, die bislang im Zusammenhang mit den Folgen des demographischen Wandels eher stiefmütterlich behandelt wurden. Sowohl »Produktivität« als auch »Innovation« werden im Alltag eher als von der Alterung der Gesellschaft negativ beeinflusste Phänomene wahrgenommen. Ausgehend von einer breiten bzw. modernen Interpretation der beiden Begrifflichkeiten werden wir zeigen, dass durch die Alterung der Gesellschaft sowohl verschiedene Formen von Produktivität aktiviert bzw. gestärkt werden als auch Innovationen entstehen können. Kapitel 4 und 5 fassen zentrale Daten zu den demographischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Seniorenwirtschaft zusammen. Hierbei werden insbesonde...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. 1 Einleitung: Seniorenwirtschaft – ein neuer Wachstumszyklus?
  6. 2 Produktivität des Alters – die gesellschaftliche Perspektive
  7. 3 Alter als wirtschaftlicher Innovationsmotor
  8. 4 Demographische und sozioökonomische Grundlagen
  9. 5 Der Konsum älterer Menschen: Bedarf, Struktur und Verhalten
  10. 6 Ältere Arbeitnehmer
  11. 7 Informelle Arbeit im Alter: Ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement
  12. 8 Sektoren der Seniorenwirtschaft
  13. 9 Sektorenübergreifende Herausforderungen für die Seniorenwirtschaft
  14. 10 Die Förderung der Seniorenwirtschaft als strukturpolitische Strategie
  15. 11 Japan – der Pionier
  16. 12 Wirtschaftliche Potentiale des Alters im Diskurs
  17. Literatur
  18. Stichwortverzeichnis