Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen
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Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen

Strategien für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen

  1. 140 Seiten
  2. German
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Lernen von positiven Alternativen zu Verhaltensproblemen

Strategien für Kinder und Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Behavioural problems often make life very difficult for those affected by autism-spectrum disturbances and for those around them. Many parents, teachers and therapists are pushed to their limits with normal educational strategies, or may even regard the behavioural problems as an inevitable part of the personality of the individual affected. This book is intended to offer hope and provide specific strategies for understanding problems and addressing them in a concentrated way. What are the triggers and consequences of a behavioural problem, and what function does it serve? How can one intervene for prevention? What positive alternatives can be developed, and which consequences are useful? Autism-specific behavioural therapy and applied behaviour analysis are introduced here using example cases. Aspects discussed include self-stimulation and sensory problems, tantrums and aggressive behaviour, rigidity and compulsions, as well as concepts such as "counter-control" and "learned helplessness".

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783170301276
 
 
 
 
 

1          Einführung

Verhaltensprobleme machen das Leben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und ihrer Umwelt meist sehr schwer. Eltern, Lehrer, Schulbegleiter und Therapeuten sind häufig überfordert durch die heftigen Wutausbrüche, durch unflexibles, stereotypes, aggressives, (selbst-)destruktives oder auf andere Weise ungewöhnliches Verhalten. Oftmals leiden auch die Betroffenen unter ihrer Andersartigkeit und deren sozialen, schulischen und beruflichen Folgen. Strategien, die bei sogenannten »neurotypischen« Kindern, Schülern oder Klienten erfolgreich sind, helfen bei den meisten Personen mit ASS leider nicht.
•  Offensichtlich besteht Handlungsbedarf, wenn der vierjährige Michael bereits vom zweiten Kindergarten abgelehnt wird, nur, weil er im Morgenkreis ein bestimmtes Lied vermisst und aus diesem Grund solange schreit, bis alle es immer wieder singen.
•  Hilflosigkeit breitet sich in der Klasse von Erik aus, wenn dieser zum gefühlten 100-sten mal den Unterricht mit verblüffend echt klingenden Rasenmäher-Geräuschen stört.
•  Selbst die geduldigsten Eltern verlieren nicht nur ihre Nachtruhe, wenn ihr nicht-verbaler 14-jähriger Sohn um 4 Uhr nachts wiederholt mit den Türen knallt, damit man genau jetzt mit ihm eine Fahrradtour macht.
•  Auch herzzerreißendes Weinen oder blinde Wut bei kleinsten Anlässen kann die Beteiligten zermürben, z. B. wenn die Schaukel bereits besetzt ist, der Bäcker bereits alle Pizzabrötchen verkauft hat oder in sonst irgendeiner Weise eine imaginäre Ordnung gestört ist.
•  In noch extremeren Fällen steht eine Gefährdung der eigenen Person durch riskantes oder selbstverletzendes Verhalten im Vordergrund, wie z. B. im Fall der 18-jährigen Marianne, die versucht, sich mit einem Kissen auf dem Kopf und Handtüchern an den Beinen, vor den eigenen Schlägen zu schützen
•  Und was kann man tun, wenn das eigene Kind ständig »unter Strom« steht und der normale Alltag nicht ohne Endlosdiskussionen bewältigt werden kann?
•  Auch der Schüler, der zunehmend »hilfloser« wird, je weniger er vom Unterricht versteht und je mehr seine Schulbegleitung für ihn übernimmt, sollte ein Anlass für die Suche nach fachlicher Hilfe sein.
•  Selbst Erwachsene mit ASS scheitern oft – selbst nach erfolgreicher Ausbildung oder Studium – an den Anforderungen als Arbeitnehmer, Freund oder Partner. Die Äußerung eines erfolgreichen Unternehmers »Entweder habe ich Asperger oder ich bin ein A…, aber ich will meine Familie nicht verlieren« zeigt das Spektrum der Betroffenen und die Notwendigkeit von therapeutischer Hilfe.
Viele Eltern, Pädagogen und Therapeuten stoßen bei vergleichbaren Problemen mit normalen Erziehungs- oder Therapiestrategien an ihre Grenzen. Besorgniserregender ist es allerdings, wenn die Beteiligten oder Betroffenen aufgeben oder signifikante Probleme als unveränderbaren Teil der Persönlichkeit der Person mit Autismus ansehen. Ohne angemessene Intervention neigen herausfordernde Verhaltensweisen dazu schlimmer zu werden (Autism Speaks, 2012). Hierbei stellt sich oft die Frage, ob es ethisch vertretbar ist, nicht zu helfen, wenn andererseits Hilfe Entwicklungschancen eröffnen und eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft realistischer machen würde.
Dieses Buch ist nicht für diejenigen geschrieben ist, die froh und stolz sind »Aspies« zu sein und auch anderen Leidensdruck, Therapie- und Änderungswünsche absprechen. Vergleichbar zu den Grundsätzen jeglicher Erziehung geht es gewiss nicht darum, Menschen in eine unveränderliche Norm zu zwingen, sondern ihnen Chancen zu geben – soweit es ihr Potential erlaubt – aktiv an einem normalen Alltag und dem Leben in der Gemeinschaft teilhaben zu können. Eine weitere selbstverständliche Grundlage ist, dass die Umgebung sich nach Möglichkeit an die Besonderheiten des Betroffenen anpassen sollte, was hier unter präventiven Strategien beschrieben wird.
Im vorliegenden Band geht es sowohl um präventive als auch um reaktive Strategien, die beim Abbau von Verhaltensproblemen und der Entwicklung von positiven Verhaltensweisen berücksichtigt werden müssen. Hierbei werden solche Auffälligkeiten beschrieben, die mit herkömmlichen Methoden kaum beeinflusst werden, wie andauernde Selbststimulationen, die Neugier, Spiel- und Sozialverhalten sowie Sprache verhindern können. Unflexibles oder gar zwanghaftes Verhalten kann den Betroffenen und seine Umwelt ebenfalls stark einschränken und Entwicklungschancen oder soziale Möglichkeiten reduzieren. Auch selbstverletzendes Verhalten ist oft ein Anlass für eine verhaltenstherapeutische Intervention. Ebenfalls für viele Familien stark belastend sind Probleme ihrer Kinder mit extremer Aggression oder destruktiven Tendenzen. Diese sind nicht selten Anlass für die meist schwere Entscheidung, das Kind in einem Heim unterzubringen.
Der vorliegende Band kann als eine Einführung in häufige Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen mit ASS und in ihre positiven Alternativen verstanden werden. Die dargestellten Ausführungen, Tabellen und Beispiele sollen das Vorgehen einer Verhaltensplanung konkret machen. Sie können allerdings nicht ein fachliches Training in ABA/AVT-Methoden (Applied Behavior Analysis und Autismusspezifische Verhaltenstherapie) oder als Verhaltenstherapeut bzw. BCBA (Board Certified Behavior Analyst) ersetzen (Bernard-Opitz & Nikopoulos, 2016).
Im Folgenden wird versucht, Eltern, Erzieher, Lehrer und andere Interaktionspartner in das Krankheitsbild und seine Besonderheiten einzuführen, Verständnis für den Betroffenen zu entwickeln und darauf aufbauend proaktive und reaktive Interventionen vorzustellen. Einsicht und Sensibilität für Andersartigkeit und eine positive Einstellung der Umwelt sind hierbei wichtige Voraussetzungen für die Entwicklung von positivem Alternativverhalten wie z. B. angemessenes Sozial- und Kommunikationsverhalten, Spiel- und Freizeitverhalten oder aber auch einer erfolgreichen Bewältigung von emotionalen Problemen.
Dieses Buch hat sehr profitiert von Diskussionen mit Kollegen, Lehrern, Eltern, und Co-/Therapeuten. Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Hans-Heinz Wolpers sowie Frau Ute-Genser-Dittmann für die detaillierte Korrektur und das Feedback zu meinem Manuskript. Meine Anerkennung gilt auch Frau Annika Grupp vom Kohlhammer-Verlag, die die »Autismus Konkret«-Serie sowie dieses Werk mit Enthusiasmus und Kompetenz betreut hat. Erneut bin ich meiner Tochter Andra dankbar für ihre erfrischenden Strichzeichnungen.
Das vorliegende Buch enthält zahlreiche Beispiele aus meiner Praxis. Diese sind durch Pseudonyme und zum Teil auch durch Veränderung von Details anonymisiert. Ich weiß es sehr zu schätzen, dass Eltern ihr Einverständnis zur Veröffentlichung von Fotos ihrer Kinder gegeben haben.

2 Welche Autismusmerkmale, Stärken und Schwächen müssen beim Umgang mit Verhaltensproblemen berücksichtigt werden?

2.1 Was sind zentrale Merkmale von Autismus-Spektrum-Störungen?

Nach der neuen Klassifikation durch das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (5. Auflage, American Psychiatric Association [APA], 2013) sind Autismus-Spektrum-Störungen durch Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion sowie eingeschränkte und wiederholende Verhaltensweisen, Interessen und Tätigkeiten gekennzeichnet.

2.1.1 Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation und der sozialen Interaktion

Ein zentrales Merkmal von ASS sind Auffälligkeiten in der Kommunikation und im Sozialverhalten. Beide Bereiche lassen sich kaum voneinander trennen, was bereits am ersten Blickkontakt von Kindern, ihrer Mimik und Gestik deutlich wird. Kinder mit ASS zeigen meist sehr früh mangelnden oder ungewöhnlichen Blickkontakt, so dass sie das soziale Geschehen um sie herum meist weniger mitbekommen als neurotypische Personen. Oft haben sie keinen Dreiecksblick (»joint attention«), zeigen nicht und kommunizieren weder über Mimik noch Gestik. Speziell junge Kinder mit ASS oder Kinder und Jugendliche mit starken Einschränkungen reagieren darüber hinaus zunächst oft nicht auf Lob, subtile Mimik des Gegenübers oder komplexe Erklärungen. Zum Teil suchen sie Aufmerksamkeit durch negatives Verhalten, auch, da sie komplexe Erklärungen, Benimmregeln, das sog. »Hidden Curriculum« (»Verstecktes Curriculum«, Smith Myles et al, 2004) oder soziale Hierarchien nicht verstehen.
Etwa 25% der Personen mit ASS entwickeln keine verbale Sprache, wobei Gründe u. a. in einer intellektuellen Behinderung, mangelnder Nachahmungsfähigkeit, unzureichendem Sprachverständnis oder fehlender Motivation zu kommunizieren gesucht werden können. Etwa 50% haben keine funktionale Sprache (Wendt, 2017). Einige Kinder und Jugendliche lernen, sich durch visuelle Systeme wie Handzeichen, Bilder oder Kommunikationsgeräte zu verständigen (Bundesverband evangelische Behindertenhilfe, 2007; Bondy & Frost, 2001).
Bei sprechenden Kindern treten oft sprachliche Stereotypien auf, wie z. B Wiederholungen von Lauten, Geräuschen oder Phrasen, was für Familien und Klassenkameraden recht anstrengend sein kann. Einige Kinder wiederholen zunächst gern das Gehörte (sog. »Echolalie«) und müssen mühselig lernen, ihre Bedürfnisse mitzuteilen. Auch ein eingeschränktes Repertoire an sprachlichen Funktionen ist häufig. So müssen beschreibende, berichtende, fragende oder reziproke Äußerungen meist gezielt geübt werden. (vgl. Bernard-Opitz, 2014b).
Auch bei Kindern und Jugendlichen mit weniger Unterstützungsbedarf sind Probleme mit kommunikativer Kompetenz oft der Grund für Verhaltens- oder emotionale Probleme (Prutting & Kirchner, 1987). Stigmatisierung und Mobbing sowie Ausgrenzung können die Folge sein. So fällt es vielen schwer, nicht ausdauernd über ihr Lieblingsthema zu monologisieren. Einige Betroffene können Themen nicht dem Gesprächsverlauf anpassen und sind nicht in der Lage, Sprecher- und Hörerrolle flexibel zu wechseln. Darüber hinaus ist es oft nicht leicht, die eigene Mimik, Gestik und Körperhaltung an das Gespräch und den Gesprächspartner anzupassen. Selbst Lautstärke, Intonation der Stimme und Flüssigkeit der Sprache werden in einigen Fällen von Gleichaltrigen als seltsam beurteilt (Koegel, 1994). Daher sollten obige Probleme als zugrundeliegende Merkmale von Verhaltensproblemen berücksichtigt werden und beim Aufbau von angemessenem Verhalten eine zentrale Rolle einnehmen.

Beachte!

Verhaltensprobleme und emotionale Schwierigkeiten sind oft bedingt durch Schwierigkeiten im Verstehen und in der Kommunikation.
Vielen Betroffenen mangelt es darüber hinaus an einem Interesse an anderen, so dass sie sich von Sozialkontakten zurückziehen und keine Freundschaften entwickeln. Manche wünschen sich Freunde oder Partner, aber es fällt ihnen schwer, mit anderen angemessen zu spielen, Gespräche zu beginnen, auf den Partner einzugehen und im Umgang mit anderen einfühlsam und flexibel zu sein. Die Unfähigkeit, sich in den anderen hineinzudenken, ist auch bei Personen mit »high functioning autism« oft eine zentrale Schwierigkeit (sog. »Theorie des Denkens«). Meist gelingt es ohne gezielte Programme nicht, die Perspektive des anderen einzunehmen. So können sie schlecht oder gar nicht erkennen, dass der andere nicht das sieht, wünscht, weiß oder glaubt, was sie sehen, wünschen, wissen oder glauben.
• Fabi steht im Kindergarten immer an »seinem Platz« in der ersten Reihe, wenn die Erzieherin eine Geschichte vorliest. Die hinter ihm sitzenden Kinder schubsen ihn häufig zur Se...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Vorwort zur Reihe »Autismus Konkret«
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1 Einführung
  7. 2 Welche Autismusmerkmale, Stärken und Schwächen müssen beim Umgang mit Verhaltensproblemen berücksichtigt werden?
  8. 3 Wie können Verhaltensprobleme verstanden werden?
  9. 4 Was sind die Funktionen und die zugrundeliegenden Bedingungen von Verhaltensproblemen?
  10. 5 Wie kann man Verhaltensprobleme verändern?
  11. 6 Beispiele für die Behandlung von Verhaltensproblemen entsprechend ihrer Funktion oder Ursachen
  12. 7 Zusammenfassung und Ausblick
  13. Literatur