Verhaltensprobleme in der Sekundarstufe
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Verhaltensprobleme in der Sekundarstufe

Unterricht - Förderung - Intervention

  1. 373 Seiten
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Verhaltensprobleme in der Sekundarstufe

Unterricht - Förderung - Intervention

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Über dieses Buch

Bei der Umsetzung von Inklusion an Schulen bilden die Schülerinnen und Schüler mit Auffälligkeiten in der emotionalen und sozialen Entwicklung eine besonders hartnäckige Problemgruppe und nachhaltige Belastung für die Lehrkräfte. Das Buch liefert Grundlagenwissen zur Entstehung und Ausprägung von Verhaltensstörungen gepaart mit praktischen Handreichungen für die tägliche Unterrichtspraxis im Sekundarbereich. Besondere Schwerpunkte bilden dabei Basis-Informationen zu Diagnostik, Förderung, Interventionsformen und Trainingsprogrammen. In einem zweiten Schritt werden die häufigsten Erscheinungsformen auffälligen Verhaltens in Verbindung mit konkreten didaktischen und methodischen Hinweisen thematisiert. Schließlich bietet eine "Toolbox" von Lehrkräften erprobte Instrumente, die bei spezifischen Problemen wirksam eingesetzt werden können.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170301900
Auflage
1
Thema
Bildung

I Theoretische Rahmung

Einführung in die Problematik von Verhaltensstörung in der Sekundarstufe

Andreas Methner und Kerstin Popp

Der Friederich, der Friederich,
das war ein arger Wüterich!
Er fing die Fliegen in dem Haus
und riß ihnen die Flügel aus.
Er schlug die Stühl’ und Vögel tot,
die Katzen litten große Not.
Und höre nur, wie bös er war:
Er peitschte, ach, sein Gretchen gar!
(Hoffmann, 1988, S. 2)
Dieses Zitat aus einem sehr alten Kinderbuch, dem »Struwwelpeter« von Heinrich Hoffmann belegt, dass das Problem von Verhaltensproblemen bei Kindern und Jugendlichen nicht neu ist. Dies vereinfacht uns die konkrete Situation nicht. Zu hoffen ist auch, dass wir seit Heinrich Hoffmann bessere Möglichkeiten des Umgangs mit diesen Problemen haben. Worum geht es uns heute?

1 Prävalenz von Verhaltensproblematiken in der Schule

Eine gut fundierte Erhebung zur Prävalenz von Verhaltensproblematiken aus neuerer Zeit ist die KiGGS-Studie. Seit dem Sommer 2014 liegen die Ergebnisse der ersten Welle nach der Basiserhebung vor. In der Ergebnisauswertung wird festgestellt:
»In den letzten Jahrzehnten vollzog sich […] ein Wandel im Gesundheits- und Krankheitsspektrum von Kindern und Jugendlichen, der unter anderem mit einer Zunahme psychischer Auffälligkeiten […] und einer Verschiebung von akuten zu chronischen Erkrankungen einherging« (Ellert, Brettschneider & Ravens-Sieberer, 2014, S. 798).
Bezogen auf die KiGGS-Studien bemerken Petermann und Koglin (2015, S. 5):
»Es zeigte sich, dass bei 7,6% der Kinder aggressives Verhalten auftrat, wobei sich Jungen und Mädchen kaum unterscheiden (7,9 und 7,2%). Es liegen auch keine bedeutsamen Unterschiede in verschiedenen Altersgruppen vor. In der Gruppe der Sieben- bis Zehnjährigen konnten 7,9% der Kinder mit aggressiven Verhalten bestimmt werden, in der Gruppe der Elf- bis 13jährigen sind es 7,5% und in der Gruppe der 14- bis 17jährigen sind es 7,4%«.
In einer durchschnittlichen Klasse mit 22 Schülern ist bei dieser zahlenmäßigen Größenordnung davon auszugehen, dass mindestens zwei von ihnen Auffälligkeiten im sozialen Handeln zeigen. Während die Prävalenz von ADHS relativ konstant bei 5% liegt (Vgl. Schlack et al., 2014), steigen die psychischen Auffälligkeiten rapide an und werden derzeit bei 20% aller Kinder und Jugendlichen vermutet (vgl. Hölling et al., 2014, S. 818). Im Hinblick auf die große Verbreitung von Verhaltensauffälligkeiten in allen Schulformen ist der Forderung von Roland Stein zuzustimmen, dass alle Lehrkräfte grundlegende Kompetenzen besitzen müssen, »um psychische Störungen oder deren Entstehung früh zu erkennen und damit grundlegend umgehen müssen« (Stein, 2011, S. 327).

2 Was ist eine Verhaltensstörung?

Trotz zahlreicher Kinder und Jugendlichen mit abweichendem Verhalten bleibt umstritten, was man eigentlich unter einer Verhaltensstörung verstehen kann. Noch immer gilt die Definition von Myschker als die am weitesten genutzte:
»Verhaltensstörung ist ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann« (Myschker & Stein, 2014, S. 51).
Myschkers Definitionsansatz weist für den Einstieg in die Thematik zahlreiche Vorteile auf:
• Er zeigt mit dem Wort »Erwartungen« den subjektiven Gehalt der Beurteilung. Jeder Mensch beurteilt aus seiner individuellen Sicht, wann ein Verhalten abweichend ist oder nicht.
• Er verdeutlicht, dass den Handelnden durch seine gezeigten Verhaltensweisen erhebliche Nachteile entstehen. So können beispielsweise Kinder und Jugendliche, die eine gute schulische Anpassung zeigen und gut in den Klassenverband integriert sind, ihre Emotionen besser regulieren, emotionale Situationen erkennen und sich in andere besser hineinversetzen. Dagegen zeigen Heranwachsende, welche schlechter mit ihren Emotionen umgehen können, häufig durch aggressive Verhaltensweisen und Schwierigkeiten im Umgang mit Gleichaltrigen auf (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2008, S. 27).
• Er warnt, dass ohne eine spezielle Förderung sich die Thematik nicht erledigt und sich eine Verhaltensstörung manifestiert. Lehrkräfte müssen sich der Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung annehmen, sonst ist die Erfüllung des schulischen Bildungsauftrages für alle Schüler gefährdet, denn neben entsprechenden kognitiven und methodischen Kompetenzen bedarf es eines normadäquaten Sozialverhaltens.
Doch ist der Definitionsansatz nicht kritiklos geblieben, da er einseitig den Begriff der Verhaltensstörung in den Blick nimmt und beispielsweise die Umfeld- oder Risikofaktoren vernachlässigt. Zahleiche weitere Versuche wurden unternommen (vgl. Hillenbrand, 2008) und insbesondere hat sich der Begriff des Förderbedarfs in der emotionalen und sozialen Entwicklung im schulischen Bereich verfestigt (vgl. u. a. KMK-Empfehlungen 1994 und 2000). Die Kommission unterstreicht damit den engen Zusammenhang von emotionalem Erleben und sozialem Handeln. Emotionale Fertigkeiten sind zwingende Voraussetzung für die Entwicklung einer angemessenen sozialen Kompetenz (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2008, S. 23).

3 Emotionales Erleben

Kinder und Jugendliche durchlaufen eine Entwicklung, in der nicht nur körperliche und geistige Veränderungen vor sich gehen. Im Verlauf dieser Entwicklung ist ein Kompetenzzuwachs zu verzeichnen, der auch emotionale und soziale Kompetenzen einschließt. Im Bereich der emotionalen Fähigkeiten beschreibt Saarni (2002) acht Schlüsselfertigkeiten:
1. Die Fähigkeit, sich seiner eigenen Emotionen bewusst zu sein.
2. Die Fähigkeit, die Emotionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen.
3. Die Fähigkeit, über Emotionen zu kommunizieren.
4. Die Fähigkeit zur Empathie.
5. Die Fähigkeit zur Trennung von emotionalem Erleben und emotionalem Ausdruck.
6. Die Fähigkeit, mit negativen Emotionen und Stresssituationen umzugehen.
7. Die Fähigkeit, sich der emotionalen Kommunikation in sozialen Beziehungen bewusst zu sein.
8. Die Fähigkeit zur Selbstwirksamkeit, erfordert die Akzeptanz des eigenen emotionalen Erlebens, welche es ermöglicht, in sozialen Interaktionen bei anderen Menschen erwünschte Reaktionen hervorzurufen.
Bei diesen Fähigkeiten handelt es sich um Entwicklungsprodukte der kindlichen Ontogenese, die entsprechend der körperlichen und physischen Voraussetzung, aber auch gemäß der Förderung im sozialen Milieu in unterschiedlichen Art und Weise ausgeprägt werden. Fachvertreter merken an Saarnis Modell kritisch an, das die Herleitung der acht Fertigkeiten nicht auf einem theoretischen Erklärungsmodell beruht, sondern auf ihren empirischen Untersuchungen fußt, die jedoch nicht detailliert erläutert sind (vgl. Petermann & Wiedebusch, 2008, S. 15). Doch für die schulische Arbeit ist der Ansatz gewinnbringend, denn aus dem Blickwinkel der Förderung muss hervorgehoben werden, dass Fähigkeiten erlernt sowie trainiert und durch die Lehrkraft beobachtet werden können. Doch wäre die Annahme falsch, den Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung alleinig auf schlecht ausgebildete emotionale Fähigkeiten zu reduzieren.

4 Soziales Handeln

Viele Jugendliche besitzen die Kompetenz, gezielt den wunden Punkt ihrer Mitschüler und Lehrkräfte zu finden und sie damit an den Rand der Verzweiflung zu treiben. Diese Jugendlichen sind damit emotional sehr kompetent, wissen nur nicht, wie sie in sozialen Situationen angemessen handeln, womit der Bereich der sozialen Kompetenz angesprochen ist. Der Begriff der sozialen Kompetenz ist nicht einheitlich definiert. Beck, Cäsar und Leonhardt (2007, S. 13) definieren:
»Soziale Kompetenz ist eine Menge an kognitiven, emotionalen und motorischen Fertigkeiten, die einem Individuum zur Verfügung stehen und in spezifischen Situationen auch umgesetzt werden können, um soziale Aufgabenstellungen alters- und entwicklungsentsprechend angemessen und effektiv zu bewältigen.«
Die Autoren stellen die Handlungssicherheit mit dem Begriff der »Fertigkeit« heraus, jedoch bedeutet diese Sicherheit noch nicht die Anwendung. Für eine Anwendung muss das Individuum (subjektiv) Sinn in seinem Handeln sehen (vgl. Mutzeck, 2000, S. 65). Dieser Aspekt wird durch Hinsch und Pfingsten (2002) mit dem Begriff der »Konsequenz« des Handelns mehr betont. Sie schlagen folgende Definition vor:
Die »Verfügbarkeit und Anwendung von Verhaltenswissen, die in bestimmten sozialen Situationen zu einem langfristigen günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen« (Hinsch & Pfingsten, 2002, S. 5).
Nach Schlee (2002, S. 45) bilden Menschen gedankliche Konstruktionen, mit deren Hilfe sie Sinn- und Handlungsorientierung gewinnen. Im Sinne der genannten Definition ist die »Verfügbarkeit […] von Verhaltenswissen« die gedankliche Konstruktion eines jeden Menschen. Der Mensch als aktives Wesen orientiert sich in seinem Handeln an Sinn und Bedeutung (vgl. Schlee, 2007, S. 179), folglich sind Handlungen geplant und zielgerichtet (vgl. Mutzeck, 2008, S. 58). Demnach wird der Handlungsbewertung (vgl. in der Definition von Hinsch und Pfingsten unter Begriff Konsequenz) große Bedeutung geschenkt (vgl. Mutzeck, 2008, S. 61). Die Anwendung dieses Verhaltenswissens steht in Verbindung mit der subjektiven Handlungsbewertung. Die Handlungssicherheit (Fähigkeit) und die subjektive Handlungsbewertung (Konsequenz) sind somit zwei elementare Bestandteile sozialer Kompetenz und sind für jegliche Interaktion wesentlich. Damit sind sie nicht fachlich gebunden, sondern können (im schulischen Kontext) als überfachliche Kompetenz bezeichnet werden. Um sozial kompetentes Verhalten herauszubilden, ist es notwendig,
• soziale Situationen differenziert wahrnehmen zu können,
• diese differenziert bewerten (interpretieren) zu können,
• ein ausreichendes Handlungsspektrum zu haben
• und dies real umzusetzen.
In der Einführung zur Toolbox in diesem Buch werden weitere grundlegende Bedingungen für die Entstehungen von Handlungen aufgezeigt.
Ein weiterer Definitionsversuch stammt aus der Feder von Opp. Er verwendet den Begriff der Gefühls- und Verhaltensstörung:
»Der Begriff Gefühls- und Verhaltensstörungen beschreibt eine Beeinträchtigung (disability), die in der Schule als emotionale Reaktionen und Verhalten wahrgenommen werden und sich von altersangemessenen, kulturellen und ethnischen Normen so weit unterscheiden, dass sie auf die Erziehungserfolge des Kindes und Jugendlichen negativen Einfluss haben« (Opp, 2003, S. 509 f.).
Auch in der KiGGS-Studie wird dieser Begriff verwendet.
»Nationale und internationale bevölkerungsrepräsentative Studien weisen Häufigkeiten von 9–22% von Kindern und Jugendlichen mit Auffälligkeiten des Erlebens und Verhaltens auf« (Hölling et al., 2014, S. 807).
Hier rückt der Normbegriff in den Blickwinkel des Interesses, der von Peter Jogschies im vorliegenden Band eingehender diskutiert wird. Michael Fingerle setzt sich vertieft mit den zwei psychologischen Konstrukten: Selbstregulation (zu der unter anderem die Emotionsregulation zu zählen ist) und soziale Kompetenzen auseinander.

5 Sehen von Verhaltensstörungen

Nach den bisherigen Ausführungen wird verständlich, dass es nicht möglich sein wird, »Verhaltensstörung«, »Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung«, wie auch andere Begriffe für diese »uralte Erfahrung in der Erziehung« (Möckel 2007, S. 14) allgemeingültig und exakt zu definieren. Das Verhalten eines Schülers wird von gesellschaftlichen, institutionellen und persönlichen Normen und Wertevorstellungen bestimmt, aber auch beurteilt. Dabei wird immer wieder auf den subjektiven Anteil bei der Bewertung von Verhalten aufmerksam gemacht (vgl. Schlee, 1993). Die Art der Wahrnehmung wird auch von subjektiven Vorstellungen geprägt:
»Der Begriff Verhaltensstörung könnte immer dann Verwendung finden, wenn es dem Beobachter nicht gelingt, für eine bestimmte Verhaltensweise einen Sinn zu konstruieren, die dieses konkrete Verhalten für ihn in diesem konkreten Kontext plausibel erscheinen lässt. Oder einfacher formuliert: Er findet das Verhalte...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titel
  3. Copyright
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. I Theoretische Rahmung
  7. II Erscheinungsformen
  8. III Toolbox
  9. IV Schlusswort
  10. Autorinnen und Autoren