Typisch untypisch - Berufsbiografien von Asperger-Autisten
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Typisch untypisch - Berufsbiografien von Asperger-Autisten

Individuelle Wege und vergleichbare Erfahrungen

  1. 360 Seiten
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Typisch untypisch - Berufsbiografien von Asperger-Autisten

Individuelle Wege und vergleichbare Erfahrungen

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Über dieses Buch

Wie gestalten erwachsene Asperger-Autisten ihr Erwerbsleben? Welche Berufswege gehen sie, welche Erfahrungen gesellen sich dabei typischerweise hinzu, und gibt es Faktoren, die sich als förderlich oder hemmend für die Biografie erweisen? Antworten auf diese Fragen geben 22 Berufsbiografien von Asperger-Autistinnen und -Autisten. Die Einblicke in individuelle Werdegänge bilden ein weites Spektrum beruflicher Erfahrungen ab, in denen sich dennoch jeweils autismusspezifische Gemeinsamkeiten finden. Ergänzt durch Interviewskizzen und wissenschaftliche Aussagen entsteht ein Werk mit überindividueller Perspektive und bedeutsamer Aussagekraft.Mit dieser strukturierten Selbstbetrachtung gelingt die Herausarbeitung überindividueller Besonderheiten dennoch ganz untypischer Menschen.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783170326194

Zum Buchgeläut

Alternative zum Fernsehprogramm

Es gibt zahlreiche wichtigste Fragen mit evidenzorientiertem Objektivitätsanspruch, die zu Asperger-Autisten (und ja, auch zu den viel selteneren Autistinnen im Besonderen, z. B. von Preißmann, 2013a; Baldwin & Costley, 2015) gefragt und beantwortet werden möchten – so ist es für Forschende durchaus von Interesse zu wissen, ob AutistInnen annehmen, mehr oder weniger zum favorisierten Fernsehprogramm zu wissen als eine Vergleichsperson (Dritschel et al., 2010). Dies könnte hypothetisch – mit einem Zwinkern in diesen einläutenden Buchraum gestellt – bezogen werden auf die bestens erforschte Problematik von autistischer Einsamkeit und exklusiver sozialer Isolation (z. B. Muller et al., 2008), denn mit etwas muss die Leere ja gefüllt werden. Wenn dem so wäre, könnte dies den Erfolg der gemeinschaftsstiftenden inklusiven Gruppentherapien für Autisten anschaulicher erklären, als es die inhaltlichen Konzepte dieser sozialen und kommunikativen Kompetenztrainings (u. a. Matzies, 2010; Gawronski et al., 2012; Ebert et al., 2013; Freitag et al., 2013, van Elst, 2016) nahelegen. Bölte (2011, S. 593) beschreibt sein Trainingskonzept arztserienreif als den » Versuch des Trainings fehlender μ-Suppression durch Neurofeedback und der Reanimation von Gyrus fusiformis und Amygdala durch Förderung fazialer Affekterkennung«. Derzeit werden im deutschen Fernsehen dreiundzwanzig Arzt-/Krankenhausserien ausgestrahlt, inklusive der herzigwarmen Tierarztserien.
Hat ein, von einigen der Mitautoren absolviertes, therapeutisches Gruppentraining nun beruflich wie privat geholfen, mittels gefilmter Rollenspiele zukünftig ein nicht funktionierendes Fernsehgerät beim Händler reklamieren zu können oder mit dem Chef über Sonderurlaub zum Überstundenabbau zu verhandeln? Gab es in den Videos mehr zu bestaunen als selbst für Privatsender fernsehuntauglichePeinlichkeiten? Oder fand der signifikanzhaschende Weg aus isolierender Fernsehsessel-Depression über den Austausch mit anderen statt? Autistinnen selbst zumindest wundert es nicht, dass Freundschaften und berufliche Zugehörigkeiten auch für Autisten wichtig sind, auch, aber nicht vorrangig, um Einsamkeit zu überwinden. Und auch nicht, um sich über Fernsehserien zu unterhalten, die zumindest niemand aus dieser Autorengruppe je regelmäßig gesehen hat.
Einen Beruf zu erlernen und einem Erwerb nachzugehen ist von selbstverständlicher Wichtigkeit – die Lebenswege von Asperger-AutistInnen in der Ausbildungs- und Berufswelt sind allerdings oft von Verständnislosigkeit, Niederlagen trotz fachlich sehr guter Leistungen sowie von Kompromissen zwischen eigentlichen Interessen und absolvierbaren Möglichkeiten geprägt. Sie gehören zu den unfreiwilligen Berufswechslern, von denen Reutter (2004) spricht: zu der Gruppe mit einem deutlich höheren Diskontinuitätsrisiko in der Erwerbsbiografie, als es die Gesamtheit aufweist.
Als wir mit der Zusammenstellung der Beiträge dieses Buches begannen, war uns bewusst, dass kaum eine Asperger-Autistin/ein Asperger-Autist einen unkomplizierten kontinuierlichen Ausbildungs- und Berufsweg gegangen ist oder einen solchen für die Zukunft antizipiert. Überrascht hat uns dann aber dennoch die Realität, die recht deckungsgleich einen großen Teil der von den Individuen abstrahierten wissenschaftlichen Ergebnisse widerspiegelt; eine Lebensrealität, die sich in vergleichbaren Schwierigkeiten und Erfahrungen sowie auch Reaktionsweisen zeigt. Es finden sich – ganz losgelöst von den individuellen Talenten und damit fachlichen Verortungen – einander ähnelnde Lerngewohnheiten, Entscheidungsgrundlagen zur Berufswahl, Erfahrungen mit Sozialkontakten in der Arbeitswelt, förderliche und hinderliche Faktoren im Arbeitsumfeld sowie aus der Grundkonstitution entstandene gesundheitliche Schwierigkeiten, hier vor allem im psychischen und psychosomatischen Bereich. Und autistische Gendereffekte, die finden sich ebenfalls. Allein dies zu wissen, zu erkennen: da sind andere Menschen mit ähnlichen Berufs- und damit Lebenswegen, mit Talenten und Nichterfüllbarkeiten, das führt zum einen zu einer Erleichterung zur eigenen Person im Sinne einer befriedenden Entschuldung der ganz individuellen Versagtheiten und zum anderen zu einer kooperativen, selbstbewussten Forderung nach einem Arbeitsumfeld, das für AutistInnen, als rund einem Prozent der Mitgesellschaftsbildenden, notwendig wäre, um die Arbeitsinhalte auf Dauer und in guter Qualität zu erfüllen – und das bei einem durchaus eigenen Kompetenzportfolio. Die Berufsbiografien in diesem Buch zeigen eine spannende Bandbreite. Eine Vielfalt von Talenten agiert in oft zufälligen, mehr oder weniger optimalen, beruflichen Kontextbedingungen – die aber dennoch immer wieder entscheidend sind für erfolgreiche, komplizierte oder auch scheiternde Berufswege. Es ist nicht das fachliche Können, sondern es ist das Aushaltenkönnen von reizüberflutenden Situationen, von sozialen Überforderungen und unplanbaren Arbeitsinhalten, das entscheidend für den Berufserfolg ist – und manchmal ist es auch bereits die örtliche Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes, der durch eine verwirrende, übervolle öffentliche Verkehrswelt führt. Oft werden ganz individuelle Tricks (und Tics) entwickelt, um sich in der Berufswelt dennoch zu behaupten; manchmal helfen auch diese nicht, einer Erschöpfungsreaktion bis hin zur Frühberentung vorzubeugen. Immer wieder erweist sich eine erst im Erwachsenenalter, nach einer Berufsodyssee, erhaltene Diagnose »Sie sind Asperger-Autist« als zu spät, um noch einen Berufsweg zu planen, der auch bis zum Ü-60-Rentenalter gegangen werden kann. Dieses Buch gibt Beispiele, zeigt Typisches auf von untypischen Menschen. Die Biografien sind eine Alternative zum Fernsehprogramm, sie sind nicht serienreif und dennoch interessant für Menschen, die Fragen haben zu möglichen und unmöglichen Berufswegen von Autisten.

Umgangsformen kränke(l)n

Es scheint in der IT-Branche chic, sich einen sonderlingigen Autisten zu halten, der als PC-Gräuling informationstechnische Herausforderungen löst, weil er (
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!) sowieso bereits in binären Codes denkt. IT-Firmen, bis hin zu SAP, die daraus werbewirksame Öffentlichkeitsarbeit machen, stellen Autisten ein, denn » Detailgenauigkeit, Akribie, ein hervorragendes Gedächtnis und eine besondere Art, logisch zu denken, seien häufige Eigenschaften. Was im normalen Umgang nur krankhaft erscheint, ist das perfekte Profil, um Software zu testen oder technische Geräte« (wirtschaftswoche, IT-Firmen wollen Autisten, 21.06.2013). Was einen nicht krankhaften, also den normalen Umgang mit KollegInnen betrifft, so hätte eine normal-sensible Formulierung durchaus nichtbinäres Feingefühl bewiesen – entsprechend einem respektvollen Umgang der Personalverantwortlichen mit autistischen BewerberInnen. Manchmal ist ein kleiner Wortersatz entscheidend. Sozial und journalistisch krankhaft könnte es sein, nicht mit empathischer Sensibilität beispielsweise »sonderbar«, »ungewohnt« oder »sehr eigen« zur Kennzeichnung autistischer Besonderheiten zu wählen.
Wenn wir in diesem Buch Berufsbiografien von Asperger-AutistInnen beschreiben, dann sind diese im Autismus-Spektrum eher auf der Seite der milden Formen autistischer Merkmalsausprägungen siedelnd. Um dies zu kennzeichnen, haben wir den Begriff »Asperger« beibehalten. Viele Autisten lassen sich nicht gerne den Hans Asperger nehmen, nicht nur, weil er damit dann endgültig gestorben ist, seine Grundlagenarbeit allerdings überlebenswert und alltagstauglich ist. Mit dem DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) wurde im Jahr 2013 das Asperger-Syndrom als eigenständige Diagnose gestrichen und fällt seitdem unter die »Autismus-Spektrum-Störungen« (ASS). Im ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) konnte sich der Asperger als eigenständige Form des Autismus unter F84.5 noch halten, soll aber und wird wohl in der Version ICD-11 ebenfalls den Asperger zugunsten eines Spektrums verlieren: 7A20 Spektrum autistischer Störungen (Autism spectrum disorder, ASD). Ob es für die dann ehemaligen »Aspies« beruflich von Vorteil ist, sich nicht mehr von anderen, auch den nicht so funktionalen Formen des Autismus zu unterscheiden, das ist zu bezweifeln. Die Entnamisierung und dann Zuordnung zu einer krankhaften »Störung« bereits im Namen führt weiter weg von der akzeptierenden Sichtweise des Autismus als einer Normvariante der Informationsverarbeitung (Attwood, 2008). »Störung« ist keine gute Selbstwerbung für fitte Employees – es ist einfacher, sich als guter Mitarbeiter zu vermarkten, wenn nicht ein genereller Defekt mitverkauft werden muss. Auch für Personalverantwortliche ist es einfacher, eine präzisierte Asperger-Autistin vor sich zu haben, als einen Menschen irgendwo auf einem sehr weiten Spektrum.
Massen meidende Spektrumsautisten werden so durch DCM-5 und ISD-11 auf fast tragikomische Weise in einer Masse vereint. Es gibt auch massenhaft mehr Autisten. Die sehr deutlich steigenden Zahlen für die Prävalenz der ASS von 0,04 % im Jahr 1965 auf aktuell fast 1 % werden gerne mit den Weiterentwicklungen der Untersuchungsinstrumente, der Klassifikationskriterien sowie mehr Wissen zum Autismus durch wissenschaftliche Untersuchungen erklärt (vgl. Sinzig, 2015, S. 673) – aber gibt es wirklich ein so weites Spektrum, das rund das Fünfundzwanzigfache an Autistinnen dort hineinpasst? Welche Umgangsformen mit Autismus werden sich dann entwickeln?
Viele Asperger-Autisten haben hohe kognitive Fähigkeiten oder kreative Talente. Wenn es um berufstätige AutistInnen geht, dann wird das Fähige anschaulich gerne auch als »hochfunktionaler Autismus« betitelt. »Funktional« bedeutet dennoch nicht gleichzeitig auch »funktionierend«, insbesondere wenn es auf die Berufswelt bezogen wird. Ob die normalen und somit gängigen Umgangsformen berufsbereiter Autistinnen siechend sind, wie in der oben zitierten Presse zu lesen, wäre eine Diskussion wert. Der Umgang mit funktionalen AutistInnen ist es jedoch immer wieder. Wie kann es normal sein, dass rund 70 % der Asperger-Autistinnen als Schulabschluss das Abitur vorweisen – der Bundesdurchschnitt liegt bei 30 % – und 35 % der Asperger-Autisten sehr fachkompetent einen Hochschulabschluss erreichen – der Bundesdurchschnitt liegt derzeit bei 27 % –, um dann mit rund 18 % Arbeitslosenquote dreimal so häufig ohne Job zu sein wie der hierlandige Durchschnittsmensch? Etwas funktioniert nicht mit der Integration, denn auch sehr gut ausgebildeten Autistinnen begegnen auf dem Arbeitsmarkt große Schwierigkeiten. Trotz der Qualifizierung wird überdurchschnittlich oft kein Arbeitsplatz auf dem normalen Arbeitsmarkt gefunden oder dieser kann nicht für eine längere Zeit gehalten werden. Wahrscheinlich liegt es nicht allein daran, dass AutistInnen nicht generell Technikfreaks sind oder »allein« in Binärwelten leben.
Dass der Ausgleich zum sozialen Anderssein nicht immer auch den Hang zu abstrakten unbelebten Themengebieten der Technik, Mathematik oder Naturwissenschaft inkludiert, das hat bereits Hans Asperger, in seiner grundlegenden, typologisierenden Abhandlung angemerkt:
»Sie haben, vor allem die intellektuell gut Begabten unter ihnen, ein besonders schöpferisches Verhältnis zur Sprache, sind imstande, ihr originelles Erleben, ihre originellen Beobachtungen auch in einer sprachlich originellen Form auszudrücken – sei es nun durch ungewöhnliche Wörter, von denen man annehmen müßte, daß sie dem Lebenskreis dieser Kinder ganz fernliegen, oder sei es durch neugebiIdete oder wenigstens umgeformte Ausdrücke, die oft besonders treffsicher und bezeichnend, oft freilich auch recht abwegig sind.[…] Hinter der Eigenständigkeit der sprachlichen Formulierung steht die Originalität des Erlebens. […] Als weiterer »aparter« Zug findet sich bei manchen autistischen Kindern eine sonst nicht zu beobachtende Reife des Kunstverständnisses.« (Asperger, 1944, S. 115 f.)
Der kreativen Kunst von AutistInnen wird sogar eine eigene, hohe Qualität zugesprochen, die sich unter anderem in der sehr authentischen, autopoietischen und nicht manipulierbaren Ausdruckweise zeigt. Eine Kunst, die ohne den Paradigmenüberbau der Bildenden Kunst auskommt und dann, losgelöst von zeitgenössischen Gestaltungsprinzipien und Strömungen, ihrerseits andere Künstler inspiriert (Theunissen, 2010).
»Was diese Kunst so ungewöhnlich macht und uns in ihren Bann zieht, sind vor dem Hintergrund besonderer (impliziter) Gedächtnisleistungen […] Entstehungsbedingungen und Darstellungsfähigkeiten […], bestimmte Stilmittel wie Präferenzen für Formalisierung, Schematisierung, Formwiederholung, manieristische Deformation und auffällige Farbigkeit.« (Theunissen, 2010, S. 113).
Die hier versammelten Berufsbiografien bilden es ab, diese weite Spektrumsansiedlung möglicher Talente, vom Künstlerischen über das Sprachliche bis hin, natürlich, auch zum Technischen.
So verschieden damit die »gesunden« Interessen und Begabungen von Asperger-Autisten, und damit ihre beruflichen Themenpräferenzen, sind, es gibt weitere unkränkliche Gemeinsamkeiten, die als Basis für eine zukunftskluge Wahl des Berufs mit dienlich sein können. Neben den flotten kognitiven Fähigkeiten zum logischen und kreativen Denken – was bei fachlichen Problemen zu unkonventionellen Lösungen führen kann – bilden Konzentrationsfähigkeit und hohe Arbeitsmotivation bis hin zum Perfektionismus eine starke Arbeitsfitness. Detailorientiertheit und Sorgfalt lächeln beim Gedanken an nicht benötigte Arbeitspausen und Small-Talk-Ablenkungen, sie machen Autisten, zusammen mit schneller Auffassungsgabe und Merkfähigkeit zu einem effektiven Fachpersonal, das auch noch loyal und gerechtigkeitsliebend ist (Sünkel, 2013). Dieses Profil ist wieder nicht nur für technische Berufe ideal, aber damit diese Stärken genutzt werden können, sollten Arbeitsbedingungen in besonderer Form gestaltet werden – und das meint nicht die Festlegung auf einen durch externe Annahmen bestimmten Berufsinhalt für Kranke, sondern die gemeinsame Gestaltung der Kontextfaktoren im Rahmen eines wertschätzenden und tolerierenden Umgangs mit Eigenarten.

Malemployment unterm Apfelbaum

Die Möglichkeit, einen Beruf gemäß dem eigenen Können zu erlernen und mit diesem dann seinen Lebensüberhalt zu verdienen, ist ein wichtiges, salutogenetisches Element der positiven Selbstsicht sowie Bestandteil der ganz persönlichen Würde und Welthaltung. Wenn das Grundgesetz in Artikel 12 festlegt » Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen«, so meint dies genau diese Möglichkeit, die Option einer, in der Chance gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt. Den Beruf zur Grundlage der eigenen Lebensgestaltung zu machen, sich im fachlichen Wettbewerb zu behaupten, weil Autistinnen nicht einer sozialen Umwelt gegenüberstehen, sondern ein mitgestaltender Teil derselben sind. Autisten benötigen die Aussicht zum beruflichen Dasein. Das bedeutet, trotz der Eigenarten, das jeweilige fachliche Können in einem Beruf unter Beweis zu stellen. Ein Beruf, für den eine Person sich als geeignet empfindet, in dem die notwendigen Rahmenbedingungen gemeinsam einrichtbar sind und in dem ein Beitrag zur gesamtgesellschaftlichen Leistung erbracht werden könnte. Der Weg dorthin ist oft länger und beinhaltet mehr Umwege für autistische Berufstäter, weil die Lebensphase bis zu einer Diagnosestellung oft weit ins Erwachsenenalter reicht – und bis dahin weder die Person selbst noch die umgebenden Menschen einschätzen können, was es ist, das einen so angreift, wo denn eigentlich die zu lösende Problemlage zu verorten ist. Solange das Seltsame keinen Namen hat, besitzt es keinen nennbaren Umgangscharakter.
Produktiv tätig zu sein ist somit ein Grundrecht, das nicht mit dem Erhalt eines Schwerbehindertenausweises endet, den einige Autistinnen, unter Abwägung des Für und Wider, beantragt und dann auch erhalten haben. Asperger-Autisten benötigen inhaltlich keine »Behindertenarbeit« mit geringstem fachliche...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Geleitwort
  6. Zum Buchgeläut
  7. Johannes
  8. Seven
  9. Benjamin
  10. Franziska
  11. Annabelle
  12. Joachim
  13. Sarah
  14. Uli
  15. Birgit
  16. Pedro
  17. Hermine
  18. Frank
  19. Sonja
  20. Hajo
  21. Jimmy
  22. Emma
  23. Garibaldi
  24. Steffi
  25. Jürgen
  26. Christiane
  27. Thomas
  28. Ulrich
  29. Sind Asperger-Autisten zu exklusiv für Inklusion?