Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit
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Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit

Medizinische und pflegerische Grundlagen - ethische und rechtliche Bewertungen

  1. 177 Seiten
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Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit

Medizinische und pflegerische Grundlagen - ethische und rechtliche Bewertungen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF) stellt eine ethisch kontrovers diskutierte Möglichkeit dar, das eigene Leben angesichts einer schweren, unheilbaren Erkrankung oder angesichts hohen Alters selbstbestimmt zu beenden. Die Begleitung eines Menschen beim FVNF kann für Ärztinnen und Ärzte, aber auch für Pflegende und Angehörige eine große Herausforderung darstellen, auch weil ethisch und rechtlich umstritten ist, ob und wenn ja, unter welchen Umständen diese Begleitung eine Form der Hilfe zur Selbsttötung darstellt.Das Werk geht auf medizinische und pflegerische Aspekte des FVNF ein und diskutiert unterschiedliche Bewertungen aus medizin- und pflegeethischer, theologischer sowie juristischer Perspektive.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783170341968

1 Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF): Ein einleitender Überblick

Michael Coors, Alfred Simon, Bernd Alt-Epping

1.1 Der FVNF und die Suizidhilfe-Diskussion

Nachdem der Deutsche Bundestag am 06.11.2015 nach langen gesellschaftlichen und politischen Debatten eine gesetzliche Regelung der Hilfe zur Selbsttötung beschlossen und im neuen § 217 StGB die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt hatte, standen sehr schnell Abgrenzungsfragen im Raum. Dazu gehört auch die Frage, was im Sinne dieses Gesetzes als Selbsttötung gilt und was nicht. Während sich relativ leicht klären lässt, dass Hilfe zur Selbsttötung klar von der palliativen Sedierung und von der Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen aufgrund einer selbstbestimmten Willensäußerung der Patientin oder des Patienten zu unterscheiden ist, wird die Frage, ob der Freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit mit dem Ziel des Herbeiführens des eigenen Todes eine Form der Selbsttötung ist, unterschiedlich beantwortet und kontrovers diskutiert. Die unterschiedlichen Perspektiven auf diese Frage und die Konsequenzen der unterschiedlichen Antworten werden in den Beiträgen dieses Bandes ausgeführt – bewusst auch jenseits der im engeren Sinne juristischen Frage, wie der FVNF mit Blick auf § 217 StGB zu bewerten ist.
Die Diskussion wird dadurch verkompliziert, dass es primär nicht nur um die Frage geht, ob der FVNF eine Form des Suizids ist oder nicht, sondern darum, welche moralischen Verpflichtungen sich ergeben, wenn ein Mensch den Wunsch nach FVNF bzw. nach Begleitung beim FVNF äußert. Genau wie in der Diskussion um den Suizid und die Suizidhilfe geht es in erster Linie um die Frage, ob, und wenn ja, welche Hilfe gegenüber Menschen angebracht ist, die ihr Leben auf dem Weg des FVNF beenden wollen. Diese Frage hängt nun aber offensichtlich damit zusammen, wie der FVNF selbst bewertet wird. Diese Bewertung macht sich dann mitunter daran fest, ob der FVNF als Suizid begriffen wird oder nicht. Das heißt, die ethische Diskussion über den FVNF und die Hilfe dabei wird letztlich ausgehend von unterschiedlichen Bewertungen des Suizids und der Hilfe zum Suizid diskutiert – genau dies spiegelt sich darin, dass der FVNF in der deutschsprachigen Diskussion erst ausgehend von der neuen Gesetzgebung zur Suizidhilfe zu einem breiter wahrgenommenen ethischen Thema wurde.
Dieser »parasitäre« Charakter der Diskussion macht sie zum Teil besonders unübersichtlich, weil sich hier unterschiedliche Positionierungen zum Umgang mit Suizid und Suizidhilfe und unterschiedliche Positionen bezüglich des FVNF überlagern: So gibt es (1.) Positionen, die den FVNF als Suizid charakterisieren und damit gegen ein Verbot der Hilfe zur Selbsttötung argumentieren und es gibt (2.) Positionen, die dieselbe Identifikation von FVNF und Suizid vornehmen, um damit den FVNF und die Begleitung hierbei zu problematisieren. Zugleich gibt es (3.) Positionen, die die Identifikation des FVNF mit dem Suizid ablehnen, sei es aus rein definitorischen Gründen, oder sei es, weil sie die Begleitung von Menschen beim FVNF deutlich von der Hilfe zur Selbsttötung abgrenzen wollen, die ihnen als ethisch problematisch gilt. Eine weitere (4.) Position sieht den FVNF zwar als eine Form des Suizids an, vertritt aber die Auffassung, dass die medizinische Begleitung dabei (zumindest in der Regel) keine Hilfe beim Suizid ist, sondern eine palliative Begleitung von Menschen, die sich durch den FVNF selbst töten.

1.2 Die Diskussion im internationalen und deutschsprachigen Kontext

Die Praxis des Freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit und die Diskussion darüber ist nicht neu, sondern hat durch die neue Gesetzgebung in Deutschland nur eine verschärfte Relevanz erfahren, die dann auch die ethische Diskussion forciert. In der internationalen Fachliteratur wird das Thema »Voluntary stopping eating and drinking« (VSED) schon sehr viel länger auch ethisch diskutiert (z. B. Bernat et al. 1993; Quill et al. 1997).
In Deutschland haben Chabot und Walther schon im Jahr 2006 ein Buch unter dem Titel »Ausweg am Lebensende« publiziert, das inzwischen in fünfter Auflage erschienen ist. Die Autoren plädieren – wie auch schon Bernat et al. (1993) – für die Option des FVNF als Alternative zur Suizidhilfe, insbesondere angesichts dessen, dass diese in den meisten Ländern verboten und für viele, insbesondere Ärztinnen und Ärzte, eine ethisch problematische Option darstellt. Hier bietet für Chabot und Walther der FVNF einen Ausweg an, den sie auch als Weg des passiven Suizids kennzeichnen – eine Bezeichnung, die in der aktuellen Diskussion u. a. von Birnbacher (2015) aufgegriffen wird. Dass das Buch von Chabot und Walther inzwischen in fünfter Auflage erschienen ist, macht deutlich, dass hier offensichtlich ein Bedarf getroffen ist: Angesichts zahlreicher Probleme im Umgang mit schwierigen ethischen Entscheidungen am Lebensende gibt es Bedarf an »Auswegen am Lebensende«. Ob der FVNF in diesem positiv wertenden Sinn ein Ausweg ist oder ob er eine »palliative option of last resort« (Quill et al. 1997), also eine ultima ratio Option und keine Option neben anderen darstellt, ist sicher eine der wesentlichen ethischen Fragen, die in den Beiträgen dieses Bandes diskutiert wird.

1.3 FVNF oder »Sterbefasten«? Zur Begrifflichkeit

Für die deutsche Diskussion, insbesondere für die breitere öffentliche Wahrnehmung, sind darüber hinaus einzelne Erfahrungsberichte von betroffenen Angehörigen von Bedeutung (zur Nieden 2016; Luckwaldt 2018). Insbesondere in diesen deutschsprachigen Erfahrungsberichten wird der FVNF häufig als »Sterbefasten« bezeichnet, ein Begriff, der auch in der medialen Darstellung häufig Verwendung findet. Dieser Begriff ist aus mehreren Gründen problematisch: Zunächst darf man bezweifeln, dass der Begriff des Fastens eine angemessene Beschreibung des Vorgangs des FVNF ist. Denn Fasten bezeichnet zunächst »die völlige Enthaltung von Speise und (in der Regel) Trank aus kultischen Gründen« (Gerlitz et al. 1983). Religionsgeschichtlich stand dabei ursprünglich eine reinigende Funktion des Fastens im Vordergrund: Böse Geister und Dämonen sollten durch das Fasten vertrieben werden. Das Fasten konnte aber auch als Buße für begangene Sünden, aus Trauer oder mit dem Ziel der ekstatischen Gottesbegegnung geschehen (Gerlitz et al. 1983). Grundsätzlich zielt das religiös-kultische Fasten nie auf den Tod, sondern auf eine Vertiefung des (religiösen) Lebens und auf Reinigung von den Mächten der Sünde und des Todes.
Zum anderen zielt der Begriff »Sterbefasten« offensichtlich darauf, die ursprünglich positive moralische Bewertung des Fastens im religiösen Kontext auf den FVNF zu übertragen. Sowohl in seiner religiösen als auch in der säkularisierten Form ist Fasten in der Regel positiv konnotiert und es verbindet sich damit zugleich der Respekt vor der Leistung des Verzichts. Zudem könnte der Begriff des »Sterbefastens« im euphemistischen Sinne einen symptom- und belastungsfreien Prozess suggerieren, der aus klinischer Perspektive keineswegs gesichert ist. Das Thema des FVNF unter dieser Überschrift zu diskutieren, hieße also, die Frage der ethischen Bewertung tendenziell schon beantwortet zu haben und dementsprechend sind die einschlägigen Bücher und Onlineportale (wie z. B. www.sterbefasten.de), die unter dieser Überschrift zu finden sind, auch darauf ausgerichtet, den FVNF im positiven Sinne als einen Ausweg am Lebensende zu propagieren.
Eine solche Position zu beziehen, ist vollkommen legitim. Im besten Falle werden die damit getroffenen Entscheidungen ethisch reflektiert und begründet. Weil das Ziel dieses Bandes aber eine offene Diskussion über die unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten des FVNF ist, greifen wir im Titel bewusst zu dem zwar sperrigen, aber dafür klar deskriptiven Begriff des Freiwilligen Verzichts auf Nahrung und Flüssigkeit.

1.4 FVNF und Ernährung am Lebensende

Mit diesem Begriff wird zunächst weitgehend klar beschrieben, worum es geht – zu ergänzen wäre lediglich, dass das Ziel des FVNF das Herbeiführen des eigenen Todes ist. Insbesondere die Betonung der Freiwilligkeit des Verzichts ist dabei alles andere als trivial, denn die Freiwilligkeit unterscheidet den FVNF deutlich von anderen, ähnlichen Phänomenen. Freiwilligkeit setzt nämlich zunächst voraus, dass eine bewusste Entscheidung für den Verzicht getroffen wurde. Dies trifft aber für viele, häufig hochaltrige, Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen oder anderweitig schwer kranke, sterbende Patientinnen und Patienten nicht zu, die aufgrund ihres körperlichen Gesamtzustandes keinen oder einen verringerten Bedarf an Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr haben. Diese Menschen entscheiden sich nicht dafür, auf Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten, sondern sie essen und trinken einfach zunehmend weniger, weil sie keinen Hunger und keinen Durst mehr haben. Das kann mitunter auch pathologische Gründe haben, aber es ist in vielen Fällen ein ganz normaler Verlauf im hohen Alter, bei schwerer Krankheit und/oder am Lebensende.
Die Abgrenzung zwischen Fällen, in denen es sich um eine klare, freie Entscheidung zum Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit handelt und Fällen, in denen der Bedarf an Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr schwindet, wird allerdings in der Praxis häufig auch fließend sein. Gerade darum stellen wir die Diskussion um den FVNF in diesem Band auch in den Horizont der weiteren Diskussion zum Umgang mit Ernährung am Lebensende überhaupt.

1.5 Zum Aufbau des Buches

Im ersten Teil des Buches finden sich an der Praxis orientierte Beiträge, die aus unterschiedlichen Perspektiven schildern, was bei der Begleitung eines Menschen beim FVNF zu beachten ist. Matthias Pfisterer stellt einleitend aus ärztlich-geriatrischer Perspektive einen Fall vor, um in die Problematik des Umgangs mit Fragen der Ernährung am Lebensende und mit dem FVNF einzuführen (
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Kap. 2). Roland Hanke geht sodann alle aus hausärztlicher Perspektive relevanten Aspekte der Begleitung eines Patienten beim FVNF durch (
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Kap. 3). Angelina Verhorst berichtet vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Pflegerin im Hospiz über die pflegerischen Herausforderungen in der Begleitung von Menschen beim FVNF (
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Kap. 4). Barbara Schneider geht sodann aus psychiatrischer Perspektive darauf ein, was grundsätzlich im Umgang mit Todeswünschen allgemein und Suizidwünschen im Besonderen zu beachten ist (
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Kap. 5). Diese praxisorientierten Beiträge sind natürlich nicht frei von moralischen Bewertungen, aber die ethische Diskussion dieser Bewertungen steht hier nicht im Vordergrund.
Im zweiten Teil des Buches rücken dann die moralischen Bewertungsfragen und ihre ethische Reflexion in den Vordergrund. Annette ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. 1 Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF): Ein einleitender Überblick
  6. Teil 1: Medizinische und pflegerische Grundlagen
  7. Teil 2: Ethische und rechtliche Bewertungen
  8. Teil 3: Fazit der Herausgeber
  9. Autorenverzeichnis
  10. Sachregister