Höllensturzsinfonie
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Höllensturzsinfonie

  1. 252 Seiten
  2. German
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Höllensturzsinfonie

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Wer ist dieser Mann, der in einem Krankenhausbett erwacht? Seinen Papieren nach heißt er Rene Bargton, aber der Name sagt ihm nichts. Auch sonst kann er sich an nichts erinnern. Und wer ist dieser irre Brick mit der langen Narbe im Gesicht, der behauptet, dass er den Mann kenne und der ihm dieses seltsame, in Leder gebunde Buch zu lesen gibt? Welche Rolle spielt Edgar Magnus Imnusom, in dessen Diensten ein stummer Junge steht und der dieses abgelegene Hotel leitet, in dem Bargton versucht haben soll, sich zu erhängen? Und wo liegt Urgon Dal, wo die heilige Stadt Schallkallack?Fabian Oppolzer entwirft in seinem zweiten Roman Höllensturzsinfonie mit großer Fabulierlust und auf mehreren Erzählebenen ein Verwirrspiel um die Suche nach der letzten, unvollendeten Sinfonie des genialen Komponisten Anton Gerber, der seine Partitur im Feuer vernichtet und sich im Anschluss das Leben genommen hat. Oppolzer führt uns durch fragmentierte Weltengefüge mit seltsamen Kausalitäten, merkwürdigen Apparaturen, mystischen Orten, wo niemand und nichts das ist, was es vorgibt zu sein.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783902844804

VIERTER TEIL

DER MANN MIT DER NARBE

1

Mein linker Schuh drückt unangenehm auf meine Ferse und ich ziehe ihn aus, sobald ich im Büro des Pflegepersonals Platz genommen habe.
„Etwas nicht in Ordnung?“, fragt der Pfleger und hält mir den Telefonhörer hin.
„Nein, nein“, sage ich. „Der Schuh drückt.“
„Sind das Ihre Schuhe?“
Ich nicke „Ich denke schon. Ja.“
„Sind Sie sicher? Herr Wallmann sucht schon den ganzen Morgen nach seinen Schuhen. Er wollte mir schon ins Ohr beißen, weil er sie nicht finden kann.“
„Nein. Aber … doch. Sie passen eigentlich recht gut. Nur beim Laufen drückt es.“
Ich blicke in den Schuh hinein, kann aber nichts weiter Ungewöhnliches erkennen, stelle ihn dann unter den Sitz und nehme den Hörer entgegen.
„Ja … hallo“, sage ich.
„Rene …“ Ich erkenne die Stimme sofort. Sie gehört der Frau, die mich gestern besucht hat, der Frau, die felsenfest davon ausgegangen ist, dass wir ein Paar gewesen sind … und, dass ich sie angelogen habe … die mir diese merkwürdigen, leeren Briefe gegeben hat.
„Hallo“, sage ich. Ich erinnere mich an ihren Namen.
„Sarah. Ich … wegen gestern… es tut mir leid.“
„Rene“, sagt sie mit zitternder Stimme, „ich habe nicht viel Zeit. Du musst zu mir kommen.“
Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll.
„Rene? … Du musst zu mir kommen.“ Ihre Stimme klingt gefährlich ruhig, nur eine Winzigkeit zu schrill, eine Winzigkeit, die mir sofort den Ernst ihrer Lage bewusst macht. „Ich … ich kann hier nicht weg, weißt du nicht mehr?“, sage ich. „Ich bin nicht freiwillig hier … zumindest kann ich nicht einfach so verschwinden. Außerdem … ich kann mich nicht erinnern. Das war nicht gelogen. Es ist wirklich so. An gar nichts. Nicht an dich, nicht an mich und auch nicht an irgendetwas anderes … und jetzt … ich soll zu dir kommen?“
„Du musst einen Weg finden“, sagt sie. Ihre Stimme versiegt zu einem Flüstern. Das Gespräch wird kurz unterbrochen.
„Hallo“, rufe ich in den Hörer, es knackt ein paar Mal, ein Rauschen, dann ist die Leitung wieder frei.
Sie nennt mir eine Adresse, ihren Namen und ich kann hören, wie viel Kraft es sie kostet ruhig zu bleiben. Sie ist in Gefahr, da gibt es keinen Zweifel.
„Ich … was ist überhaupt los?“, schreie ich fast in den Hörer. Einer der Pfleger sieht zu mir herüber. Ich winke mit der Hand ab, zwinge mich zu einem schnellen, falschen Grinsen und wiederhole meine Frage noch einmal, diesmal viel leiser:
„Was ist los?“
Es braucht ein paar Momente, bis sie soweit ist, um zu antworten.
„Kann ich dir nicht sagen … ich … bitte, bitte beeil dich.“
Ich atme tief ein, schließe die Augen, dann gebe ich mir einen Ruck.
„Okay … ich tue, was ich kann … aber … ich weiß nicht, ob es klappt.“
Wieder ist die Leitung für einen Moment unterbrochen. Ich spüre einen leichten Druck auf den Ohren. Dann dringt plötzlich ein Geräusch zu mir durch, ein rasselnder Atem, der sich wie schwarzes Öl durch den Hörer in mein Ohr rinnt. Ich erinnere mich an ein waberndes Dunkel, an einen blinden Wurm und an Tentakel, die nach mir greifen.
„Ruck di guck“, sagt eine Stimme klirrend kalt.

2

Mit schwachen Knien gehe ich zurück in mein Zimmer, mache die Tür hinter mir zu und setze mich auf mein Bett. Es braucht ein paar Minuten, bis ich mich gefasst habe. Ich zwinge mich, ganz ruhig zu atmen. Dann zünde ich mir eine Zigarette an und konzentriere mich auf das Rauchen, auf nichts anderes. Erst nachdem ich sie ausgedrückt habe, beginne ich über meine Situation nachzudenken.
Ruck di guck, denke ich. Ruck di guck. Dann fällt mir etwas ein.
Ich ziehe meinen Schuh aus und greife diesmal hinein. Und tatsächlich, da ist eine Wölbung zu spüren. Nach genauerem Betasten bin ich mir sicher, dass sich ein Gegenstand unter dem Leder befindet. Allerdings ist sie fest eingeklebt und lässt sich nur sehr schwer vom Schuh lösen. Ich brauche meine ganze Kraft, meine Fingernägel reißen dabei ein.
Ich bin verrückt, denke ich, als ich schließlich einen kleinen, silbernen Schlüssel unter der Sohle finde. Ich bin in einer psychiatrischen Anstalt und finde einen Schlüssel in meinem Schuh. Der Schlüssel fühlt sich sehr echt an. Er ist ganz kühl, der Kopf ist rund, der Schlüsselbart ist gezackt.
Wenn ich tatsächlich so verrückt bin, wie ich mich gerade fühle, wird es das Beste sein, den Schlüssel zurück in den Schuh zu stecken, mich zurückzulehnen und mir harte Psychopharmaka verschreiben zu lassen … und dann einfach über nichts mehr nachzudenken.
Ja, du solltest Medikamente nehmen, die Hände in den Schoß legen und darauf vertrauen, dass du eben verrückt bist und es nichts gibt, über das du dir Sorgen machen musst, außer, dass dein eigener Verstand versucht dir Angst einzujagen … dein Verstand, nichts anderes.
Aber ich bin mir nicht sicher. Ganz und gar nicht sicher. Der Schlüssel in meiner Hand fühlt sich echt an. Ich habe telefoniert … das können mir die Pfleger bestätigen … und, es gibt noch einen anderen Weg, um herauszufinden, ob das alles wirklich passiert oder nicht. Und wenn es stimmt, dann habe ich nicht mehr viel Zeit.
Der Boden glänzt frisch gewischt, es riecht nach Abflussreiniger und anderen Chemikalien, als ich langsam zum Ausgang laufe. Kurz vor dem Abendessen befinden sich alle Patienten in ihren Zimmern. Das ist Vorschrift. Die Pfleger machen zu dieser Zeit meistens Pause, sitzen im Büro oder sind draußen im Garten und rauchen.
Es ist also nicht weiter ungewöhnlich, dass mir niemand begegnet. Darüber bin ich ganz froh, ich habe nicht darüber nachgedacht, was zu tun ist, falls mich jemand aufhält.
Als ich die schwere Tür schließlich erreiche, blicke ich mich um, dann hole ich mit klopfendem Herzen den Schlüssel aus meiner Hosentasche, atme tief durch und stecke ihn in das Schloss. Er passt. Ohne Widerstand rutscht der gezackte Bart in den vorgesehenen Schaft. Ich halte einen Moment inne, bevor ich ihn langsam nach links drehe. Auch das geht ganz einfach, was sich bei der Größe der Tür merkwürdig anfühlt.
So sanft wie möglich lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Auch draußen ist keine Menschenseele zu entdecken. Die ganze Klinik scheint wie ausgestorben. Ohne Probleme gelange ich zum Haupteingang, die gläsernen Schiebetüren öffnen sich lautlos und ich trete hinaus in die Freiheit, nicke dem Pförtner sogar freundlich zu, dieser hebt seine müden Augen … und nickt zurück.
Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll und beschließe, einfach weiterzugehen, den Parkplatz zu überqueren und mir einen Plan zu machen, wenn ich außer Sichtweite bin. Ich erkenne den schwarzen Wagen von Dr. Gahl in etwa zwölf Meter Entfernung. Er ist unter einer hohen Birke geparkt. Dabei ist Dr. Gahl seit gestern weg.
Die Türen des Autos sind verschlossen, aber auf der Fahrerseite steht das Seitenfenster halb offen. Ohne mich groß verrenken zu müssen komme ich an den Türöffner. Wieder werfe ich einen Blick zurück. Alles ist ruhig. Dann setze ich mich hinter das Steuer.
Es ist ein befremdliches Gefühl. Ziemlich ratlos betrachte ich die Klinik am anderen Ende des Parkplatzes, dann wieder den kleinen silbernen Schlüssel, den ich immer noch in der Hand habe. Auch wenn ich nicht daran glaube, probiere ich es trotzdem, und versuche damit Dr. Gahls Wagen zu zünden. Es funktioniert nicht … natürlich nicht.
Eine ganze Weile überlege ich, wie ich Dr. Gahls Auto zum Laufen bringen könnte, aber mir fällt nichts ein. In Filmen reißen sie unter dem Lenkrad einfach ein paar Kabel heraus, halten sie zusammen und der Wagen springt an. Aber ich habe keine Ahnung, ob das wirklich geht und nicht den geringsten Schimmer, wo diese Kabel versteckt sind. Der Wagen ist neu und wirkt sehr stabil. Ich habe große Zweifel daran, überhaupt etwas herausreißen zu können, einfach so, nur mit den Händen.
In diesem Moment hält ein Taxi, keine zehn Meter von mir entfernt, als hätte ich es bestellt.
Schnell steige ich aus Dr. Gahls Auto und winke dem gelben Wagen.
Mit ein paar Schritten habe ich ihn erreicht, öffne die Beifahrertür. Das Taxi riecht merkwürdig intensiv nach Zimt. Der Fahrer, ein hagerer Südländer mit dünnem Oberlippenbart und fieser Visage, schenkt mir einen misstrauischen, abschätzenden Blick.
„Wer bist du … hast du Taxi gerufen?“, fragt er.
Ich zögere einen Moment.
„Ja“, sage ich dann.
Nachdem ich ihm die Adresse genannt habe, kaut er eine Weile schmatzend auf einem Kaugummi herum, als müsste er sich überlegen, ob er sich bereit erklärt … herablässt … mich mitzunehmen, aber dann zuckt er mit den Schultern und nickt, ohne mich dabei anzusehen. Ich nehme auf dem Beifahrersitz des gelben Mercedes Platz und sehe mich immer wieder nervös um. Aber die Klinik liegt friedlich in der Abenddämmerung. Noch scheint niemand mein Verschwinden entdeckt zu haben. Wir verlassen den Parkplatz der Klinik und biegen rechts auf die Hauptstraße Richtung Stadt ab.
Wider meines Erwartens fährt der Taxifahrer behutsam, niemals über 70 km/h. Er ignoriert die verärgerten Lichthupen und wütenden Fäuste der überholenden Fahrer.
„Wie viele Kilometer sind es?“, frage ich.
„Ungefähr 80.“
„In diesem Tempo sind wir sicher ewig unterwegs“, bemerke ich so freundlich, wie es geht.
„Hast es eilig?“, fragt der Fahrer.
„Ja, ziemlich eilig. “
„Ich fahr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Widmung
  4. Titel
  5. PROLOG
  6. ERSTER TEIL DAS HOTEL IMNUSOM
  7. ZWEITER TEIL DIE HÖLLENSTURZSINFONIE
  8. DRITTER TEIL GRABLEGUNG
  9. VIERTER TEIL DER MANN MIT DER NARBE
  10. FÜNFTER TEIL TRAUMLAND
  11. EPILOG