Die Hand erzählt vom Daumen
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Die Hand erzählt vom Daumen

  1. 100 Seiten
  2. German
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Die Hand erzählt vom Daumen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Plav spricht mit seinem Daumen, aber er verschließt sich vor der Welt. Plav ist sensibel und hochbegabt, lebt sein Talent aber nur nachts aus, wo er die Stadt auf der Suche nach Fundstücken durchstreift, mit und an denen er wie besessen arbeitet. Er schnitzt Figuren und Marionetten, baut Skulpturen aus Schrott; tagsüber arbeitet er in einer Spritzgussfabrik. Er fühlt sich fremd und empfindet dieses Fremdsein als Schuld. Er ist früh mit seiner Mutter aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland gekommen, nach Westberlin. Ihren schwierigen Sohn empfindet die Mutter zunehmend als Störung und Belastung. Als sie eine Beziehung zu einem deutschen Mann eingeht, eskaliert die Situation.Thomas Podhostnik nimmt sich auch in seinem zweiten Roman dem Thema der örtlichen und sprachlichen Fremdheit an, der vermeintlichen Schuld, die daraus erwächst. In einer dem Film und der Malerei entlehnten, komprimierten Bildsprache reiht er auf drei Textebenen Szenensplitter aneinander, die das poetische Abbild eines Helden zeigen, den die Verzweiflung zur Provokation treibt, ein grausames Echolot, seine Gefängnismauern abzutasten: Wie viel kann sich der Fremde unter den Menschen erlauben, bevor er ausgestoßen wird?

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783902844026
Plav war am Morgen fertig. Der Frau fehlte noch der Kopf. Tabak und Blättchen fehlten. Er zog sich Socken an und Schuhe. Fuhr mit dem Fahrrad zur Tankstelle.Javaanse Jongens. Plav grinste die Verkäuferin an. Sie legte den Tabak auf den Tresen. Er wog das Päckchen in der Hand. Das sind niemals vierzig Gramm. Was? Das sind vielleicht zweiunddreißig Gramm, lass es sechsunddreißig sein. Die Verkäuferin nahm ein neues Päckchen von der Zigarettenwand. Das sind niemals vierzig Gramm, hast du eine Waage? Ich wette mit dir, ums Päckchen. Sie wog das Päckchen in der Hand und lächelte. Bitte, sagte sie, das macht dreiachtzig. Plav wog die Päckchen gegeneinander. Das sind vierzig Gramm, das merke ich gleich. Ich wette mit dir, um die Kasse. Die Verkäuferin trat einen Schritt zurück. Ich muss jetzt jemanden holen. Plav rückte seine Brille zurecht, sagte: OCB, blau. Er zog den Geldschein hervor und gab ihn ihr, zusammen mit einem der Tabakpäckchen. Das Päckchen kannst du ausmustern. Plav nahm sich ein beleuchtbares Feuerzeug aus dem Ständer. Während die Verkäuferin das Wechselgeld aus den Kassenfächern sammelte, drückte er das Licht gegen seine Handfläche.
Lavoro come una bestia. Cavallo redete in seinen Spind hinein, tupfte mit dem Handtuch den Schweiß von der Stirn. Plav drehte eine Zigarette, rief: Der Bauch fällt dir noch auf die Füße! Mein Blinddarm arbeitet mehr!
Cavallo sprühte Deodorant unter die Achseln, bevor er das frische Hemd überzog. Er setzte sich auf die Holzbank zwischen den Spinden und goss Milchkaffee aus der Thermosflasche in die Tasse. Plav steckte sich die Zigarette hinters Ohr und setzte sich ihm gegenüber. Er zog eine Flasche aus dem Rucksack, wischte mit der Hand die Feuchtigkeit vom Glas, hob die Flasche gegen das Licht und bewegte sie hin und her. Die Flasche war bis in den Hals gefüllt mit Brei. Plav drehte den Deckel ab und leckte die Breispritzer von der Deckelunterseite. Cavallo würgte mit herausgestreckter Zunge.
Cavallo aß aus einer Tupperbox Gurkenscheiben und Salami. Plav klopfte den Essensbrei aus der Flasche, verteilte ihn mit der Gabel auf dem Teller, sagte: Schmeckt gut sämig. Hirse und Dinkel, mit Berglinsen und Mungobohnen. Er steckte den Finger in den Brei und hielt ihn Cavallo an den Mund. Die weißen Würmer sind Spaghetti. Die Flocken, die aussehen wie Schuppen, Hafer. Die grünen Fitzelchen Kresse. Selbst gezogen auf meiner Plantage. Ein Wattebett, einen Meter auf dreißig Zentimeter. In einer Blechwanne mit daumendick Wasser, damit es Feuchtigkeit zieht. Auch die Feuerbohnensprossen. Cavallo rann der Schweiß über die Stirn, er sah zur Seite, auf die Spindwand. Plav stahl ihm eine Salamischeibe aus der Tupperbox. Ich habe die bauchigen Flaschen neben dem Altglascontainer gefunden, in einem Sechserträger aus blauem Draht. Zwei haben gefehlt, eine war zerbrochen. Kleinfingerdick ist das Glas. Wie britische Milchmänner sie haben. Im Rucksack sind noch die anderen zwei, für Mittag und Nachmittag. Für unterwegs und zwischendurch habe ich Einmachgläser. Er warf die Salamischeibe Cavallo in die leere Tasse. Niemals werde ich satt, alles verbrennt. Darum bin ich schneller und stärker, ich rieche besser. Dir drückt die Scheiße aus allen Löchern. Ist das auch Kresse da, fragte Cavallo und zeigte auf den Spind, den Plav offen gelassen hatte. Plav trat den Spind zu. Ein Bubikopf. Frisst du den auch, fragte Cavallo, er öffnete beim Lachen den Mund bis zum goldenen Backenzahn.
Später krempelte Plav das blaue Hosenbein bis unters Knie. Er balancierte auf der Holzbank barfuß auf einem Bein, streckte die Arme zur Seite wie der Seiltänzer auf dem Seil und machte eine Kniebeuge, dann noch eine. Cavallo stellte seinen beschuhten Fuß mit der Stahlkappe Plavs nacktem Fuß entgegen. Cavallo ging in die Hocke, keuchte, verlor das Gleichgewicht, mit rotem Kopf setzte er sich. Plav lachte und rief: Mein Bein kann, wie ich will! In diesem Moment trat der Lehrling in die Umkleide. Cavallo zog den Mund in die Breite, als wolle er lächeln. Weil du so leicht bist, sagte er. Du musst nichts heben, du bist ein dünner Draht. Der Lehrling steckte sich Kartoffelchips in den Mund, die er mit seinen dicken Fingern aus der Chipstüte zog. Plav streckte Cavallo den nackten Fuß ins Gesicht. Lutsch mich am Zeh, vielleicht gibt’s Kraft! Er griff nach der Zigarette hinterm Ohr. Ein Schweißtropfen fiel ihm von der Nasenspitze, seine Zehen wurden langsam weiß. Das Hosenbein spannte um seinen Oberschenkel und die Ader über dem Schienbein schwoll. Er machte eine Kniebeuge und noch eine. Der Lehrling hielt ihm die Feuerzeugflamme vors Gesicht. Plav packte ihn am Arm, rief: Ich schaffe zwanzig, mit dem fetten Lehrling auf dem Rücken! Der Lehrling verschluckte sich. Das Feuerzeug und die Chipstüte fielen zu Boden. Ums Weihnachtsgeld!
Ich habe sie beobachtet. Sie können mit den Arbeitern und verstehen die Abläufe. Wie lange sind Sie jetzt Maschinenführer? Gefällt Ihnen die Arbeit? Der Abteilungsleiter mit der Glatze und den behaarten Unterarmen drückte mit den Fingern der einen die Finger seiner anderen Hand. Plav saß mit dem Rucksack auf dem Schoß und dem Bubikopf in der Hand dem Abteilungsleiter gegenüber, sagte: Dödelarbeit. Was ich da denken muss, zieh ich mir aus dem Rückenmark. Plav stellte den Bubikopf unter seinen Stuhl. Ein Klima hier, als ob du die Hand in eine Plastiktüte steckst, mit einem Einmachgummi ums Handgelenk. Mach das mal. Der Abteilungsleiter deutete auf das Gitter in der Wand über dem Aktenschrank und in die Zimmerecke. Eine Belüftungsanlage. Den Luftbefeuchter habe ich gekauft. Ich habe von trockener Luft manchmal Nasenbluten. Er klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. Wollen Sie meine linke Hand werden? Ich bin Ingenieur, hier versteht mich keiner, Sie haben Abitur. Plav lachte und schüttelte den Kopf, er zog aus dem Rucksack die Rollschuhe mit weißen Schnallen und schwarzen Rollen, die nicht mehr rund waren. Im Rucksack schlugen die Flaschen gegeneinander. Er habe die Rollschuhe hinterm Zaun gefunden. Dort, wo er habe hinpissen wollen, habe er sie glänzen sehen. Plav zeigte dem Abteilungsleiter einen Riss in der Schnalle, das Leder war schon bröselig. Ich habe eine Nadel zu Hause. Wie mein Mittelfinger so lang und gebogen. Eine echte Sattlernadel. Hinten abgeflacht, für besseren Griff. Die geht durch Leder, einfach so. Plav zog eine Linie mit ausgestrecktem Mittelfinger durch die Luft. Weißt du, ich hab mein Zeugnis nie abgeholt. Der Abteilungsleiter zerdrückte ein Kleenex in der Hand, das er aus einer Schachtel gezogen hatte. Plav sagte: Einmal hab ich mir die Nadel durch den Finger gestochen. Ich bin erfroren, als ich gesehen habe, wie die Nadel durch den Finger gegangen ist. Durch die Haut, das Fleisch, den Kochen. Die blanke Spitze hat hinten herausgeschaut. Das Blut ist mir aus dem Kopf gefallen, ich bin ohnmächtig geworden. Ich habe ein nasses Geschirrtuch um den Finger gewickelt. Die Kombizange geholt. Die Hand zwischen die Schenkel genommen, mit einem Ruck die Nadel herausgezogen. Wieder bin ich ohnmächtig geworden, gegen den Radiator gestürzt. Mit dem Brillengestell direkt auf die Kante. Ganz verbogen war es. Eine Delle genau über der Schläfe. Plav jauchzte vor Lachen und setzte die Brille ab, er zeigte dem Abteilungsleiter die Stelle mit dem abgesprungen Lack auf dem Bügel, sagte: Ich will mich nicht anstrengen, für nichts. Wer bezahlt mir die Zeit?! Da klopfte es und ein Arbeiter öffnete die Tür. Cavallo würgt Lehrling, sagte er, er trat nicht ein. Es gibt Kampf. Sofort rannte der Abteilungsleiter aus dem Büro. Der Arbeiter kratzte sich am graustoppeligen Kinn, er war groß und hatte einen schmalen Kopf, mit hoher Stirn und einem schwarzen Haarkranz. Plav rief ihm zu: He, Asslan! Machst du dir weiter Lachsschinken aufs Brot? Weil du glaubst, es ist Fisch?!
Herr Bogdanović. Der Vertreter streckte Plav die Hand entgegen. Sie haben es vergessen, wir haben einen Termin. Sie erinnern sich. Wo ist Ihre Frau? Ist sie drin und macht nicht auf? Plav nahm den Finger vom Lichtschalter und machte einen Schritt auf den Vertreter zu. Der Vertreter stand vor der Nachbarwohnung. Plav klingelte und klopfte dreimal fest bei Bogdanovićs und rief laut die Vornamen, die Schultern berührten einander, Plavs kantige Schulter und die gepolsterte Jackettschulter des Vertreters. Ich bin nicht Bogdanović. Der Vertreter hob seine Aktentasche vom Boden. Darf ich trotzdem Ihre Toilette benutzen? Plav zuckte die Achseln, ging zu seiner Tür und schloss sie auf. Jeder muss jeden auf sein Klo lassen.
Die Wände der Einraumwohnung bedeckten Regale und Fächer, Werkzeugenden und Werkstoffe ragten hervor. Stahl-, Blei- und Kupferrohre und Drähte. Äste mit und ohne Rinde. Farbige Plastikstäbe und Weinflaschen. Aus den Bodendielen hoben sich Krokodilrücken, Fischflossen, Augen, Brüste, Schildkrötenpanzer, Hände. Die Fensterkreuze waren Aale, verknotet in der Körpermitte. Die Fenstergriffe hatten die Form von Daumen. In die Scheiben waren Blumen gekratzt. Plav sagte: Die Schuhe kannst du anlassen. Am Morgen ist mir die Schachtel aus den Händen gefallen, als ich einen Nagel einschlagen wollte. Der Vertreter wippte über seine Schuhsohlen vor und zurück und schaute zur Decke. Plav sagte: Brettchen von Weinkisten.
Plav hob die ausgehängte Tür, auf der in blauen Buchstaben WC stand, aus dem Weg. Die Spülung ist der Gummischlauch. Du wirst schon sehen. Du musst den Knoten lösen, dann fallen Schlauch und Wasser in die Schüssel. Plav lehnte die Tür zurück an den Türrahmen, als der Vertreter hineingestiegen war. Du hast Glück. Ich war schon bereit zu springen. Um dir mein Knie in den Bauch zu schlagen. Dann mit der Faust. Von oben auf den Kopf, ein-, zweimal, dass du liegen bleibst. Ich hab aber gesehen, du bist nicht gefährlich. Plav öffnete die Hand, mit dem Schlüsselbund darin. Ohne etwas in der Hand brichst du deine Finger. Es ist mir recht unangenehm, sagte hinter der Tür der Vertreter.
Plav packte aus dem Rucksack die drei leeren Milchflaschen mit Breiresten und den Teller, Gabel und Messer, einen Trinkschlauch, die Rollschuhe und den Bubikopf. Die Milchflaschen spülte er sofort aus und stellte sie zum Trocknen auf ein Geschirrtuch. Er wusch den Teller, die Gabel und das Messer, trocknete alles ab und steckte es in den Rucksack. Als der Vertreter an der WC-Tür klopfte, rannen gerade die letzten Schlucke Wasserwein in Plavs Mund. Er hängte den leeren Trinkschlauch über die Stuhllehne. Der Vertreter tastete mit den Fingern aus dem Türspalt. Bist du fertig? Ja, antwortete der Vertreter. Nimm die Finger weg, sonst klemme ich sie dir ein.
Ich habe auch einige im Wohnzimmer, Soleirolia soleirolii, sagte der Vertreter, er hob die Hand über seinen Kopf. Die Töpfe hängen an Kordeln von der Decke. Plav sagte: Zu hoch. Er machte eine Bewegung mit der Hand, als fiele etwas herab. Der Bubikopf kriecht gern aus dunklen Ritzen über Steine und Felsen, daher die Frisur. Sie sind Innenarchitekt, fragte der Vertreter, der an den Tisch herangetreten war, an dem Plav Wein in zwei Gläser schenkte. Man erwartet das nicht, einen solchen Raum in so einem Haus. Er drückte die Aktentasche an seine Brust. Plav hob das Glas zum Toast. À la vôtre! Dann tranken beide. Plav musste auflachen. Etwas ähnlich Dummes habe er in seinem Leben noch nie gehört! Er wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Dann zog er einen offenen Karton wie eine Schublade unterm Tisch hervor. Der Karton war so groß, dass er unterm Tisch gerade Platz gefunden hatte. Ob er sehen wolle? Plav hob eine Holzskulptur heraus und legte sie auf den Tisch, die Metallhände tickten auf die Tischplatte. Er strich über die Maserung, sagte: Essigbaum. Der Grünstich hat mich an die Grundschullehrerin erinnert. Einmal hat sie mich in den Rücken gezwickt, die Haut ganz rumgedreht. Plav ahmte mit den Fingern das Zwicken, dann das Drehen nach. Er sei der Beste des Jahrgangs gewesen, habe sein Zeugnis aber nie abgeholt. Er sei vor allem gut gewesen in Fremdsprachen. Auch in Mathe war ich Bester und in Sport. Der Vertreter lächelte und nippte am Wein. Plav fasste sich an die Schulter und verzog wie bei einem Schmerz das Gesicht. Ich hab den Stamm neben e...

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