Mein loser Faden
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Mein loser Faden

  1. 152 Seiten
  2. German
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Mein loser Faden

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Über dieses Buch

Gilman ist der Anführer einer rechtsextremen Gruppe, die Todeslisten ihrer Mitschüler führt. Als Pete von Gilman den Auftrag bekommt, für 500 Dollar Bill zu töten, weil er dessen Notizbuch haben will, sucht Pete bei Larry Hilfe. Larry wirkt gefühlskalt und ist gewaltbereit, er erledigt den Job scheinbar ohne Mitgefühl. Aber Larry wird von Schuldgefühlen gequält, er glaubt sich verantwortlich für den Tod eines Freundes. Und er fühlt sich in Sorge zu seinem kleinen Bruder hingezogen, den er aber dennoch schwer misshandelt. Als Larry beginnt, im Notizbuch des ermordeten Bill zu lesen, nehmen seine Verwirrung und Zerrissenheit noch zu. Die Schraube der Gewalt wird immer fester angezogen, bis es kommt, wie es kommen muss – es fallen Schüsse …Verwirrung und Zerrissenheit und das Umfeld, aus dem jene hervorgehen, stehen im Zentrum von "Mein loser Faden", das neben Gus van Sants "Elephant" die wohl schockierendste Reise in den Kopf eines amerikanischen Teenagers ist. Cooper gelingt es meisterhaft, sich diesem heiklen Sujet ohne jeglichen Voyeurismus anzunähern, er zeigt erbarmungslos auf, dass Gewalt nicht nur die Ränder unserer Gesellschaft betrifft, sondern dass sie aus ihrer Mitte entspringt und ihr eine lange Entwicklung emotionaler Verwahrlosung vorausgeht. "Mein loser Faden" ist eine Reportage über jugendliche Depression, moralische Leere und die Verwirrungen der Liebe, es ist klaustrophobisch und das Erschütterndste daran ist die Erkenntnis, wie nahe Gewalt an Liebe oder besser dem Wunsch danach liegt.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783903081666

1.

Wir parken auf den Hügeln mit Blick auf die Stadt. Es dämmert, oder auch nicht. Da unten können sie nicht mehr so sehen wie zuvor. Sie werden eine Zeit lang brauchen, um das festzustellen. Wenn es soweit ist, wird es von hier oben vermutlich großartig aussehen. Das ist sein Ding.
„Schön“, sagt er. Es ist gerade passiert.
„Vermutlich.“
Er hat ein Gesicht aus Norwegen oder so, das mir nie in die Augen schaut. Abgesehen davon ist er nur ein Freund meines Bruders.
„Ist dir langweilig?“, sagt er.
„Nein.“ Ich muss abwesend wirken, aber ich bin ganz bei mir.
„Sicher?“, sagt er.
Wenn ich nicht antworte, schreibt er in sein Notizbuch. So ist er. Dauernd kritzelt er da was hinein. Niemand kann lesen, was er geschrieben hat. Man kann es verschließen, nur für alle Fälle.
„Tun wir’s.“
Er schließt sein Notizbuch und verstaut es in seinem Rucksack. „Ich weiß nicht mehr, was ich getan habe, bevor ich dich und Jim kennengelernt habe“, sagt er. Jim ist mein Bruder.
„Nicht viel.“
Ein Zwölftklässler zahlt mir fünfhundert Dollar, damit ich ihn töte. Eigentlich hat Pete den Auftrag bekommen. Aber er hat mich gebeten zu helfen. Ich weiß den Namen des Zwölftklässlers noch nicht, oder was sein Problem ist. Ich kann den Jungen gerade gut genug leiden, um vorzutäuschen, dass wir Freunde sind. Mein Fall ist er nicht, aber vermutlich ein ungeheures Paradebeispiel eines solchen für irgendjemand anderen. Vor zwei Tagen trank Jude mir zuliebe genug, um ihn zu verführen. Ich habe vorgegeben, weggetreten zu sein und dann zugesehen. Es hat mich so wütend gemacht, dass ich schon da beschlossen habe, ihn zu töten. Also hat es vermutlich funktioniert. Sie und ich haben über nichts davon gesprochen, aber es hat mich verändert. Es sind Kleinigkeiten im Verhalten, die ich feststelle. So wie heute Nachmittag. Bevor ich abgehauen bin, habe ich zu ihr gesagt, sie würde mich nicht genug lieben. Daraufhin hat sie beinahe dasselbe zorniger zu mir gesagt. Nachdem ich weg war, wurde ich deswegen wütend. Vielleicht schieße ich mir ja in den Kopf, nachdem ich ihn getötet habe. Das ist anders.
Wir fahren zur Hütte von Judes Eltern. Sie liegt östlich der Stadt, in jenem Ferienort, wo einige ihrer Freunde snowboarden. Sie hat mir eine primitive Karte gezeichnet. Wir sind immer noch irgendwo in der Wüste, aber ich kann etwas Großes von gebirgiger Form sehen. Außerhalb des Autos ist es sehr schwarz, bis auf dieses Funkeln zur Linken. Für mich sieht es nach einer Stadt aus, aber ihm zufolge ist es zu vereinzelt. Sonst haben wir eine Weile nichts gesagt.
„Ich weiß“, sagt er.
„Was weißt du?“ Ich wüsste nicht, wie er das könnte.
„Ich sag’s dir später.“
Wir beschließen, etwas zu essen. Ich will mich hinsetzen, und da ist ein nicht überfülltes IHOP1. Es ist wie die Millionen anderen im ganzen Land. Er bestellt Pfannkuchen und zieht sein Notizbuch heraus. Ich bestelle ein Steak, weil es länger dauert, um es zuzubereiten. Dann gebe ich vor, pinkeln zu gehen und suche die Telefonzelle.
„Pete, ich bin’s.“ Er ist bereits mit Jude bei der Hütte, aber ich weiß, dass sie ihn nicht fickt. Sie mag große, introvertierte, dünne Typen wie mich.
„Ja“, sagt er. „Wart mal eine Sekunde. Sch.“
„Wir sind auf dem Weg.“
„Wo seid ihr?“, sagt er. „Halt’s Maul, Jude. Ich kann ihn nicht hören.“
Vor einem Jahr habe ich versehentlich meinen Freund Rand getötet. Er saß tief in der Scheiße wegen Drogen und musste mir sein Auto verkaufen. Aber er ist mir gegenüber deswegen ausgerastet, und ich habe ihm einen zu festen Faustschlag verpasst. Niemand gab mir die Schuld, also tat ich es auch nicht. Das ist nicht die ganze Wahrheit, aber als Pete mich gebeten hat, ihm bei der Sache zu helfen, war das für mich okay. Der Junge denkt, das mit Rand sei interessant. Er fragte mich eine Weile, ob ich gerne Leute schlage. Als ich schließlich Nein gesagt habe, hat er geweint. Er ist sehr tiefgründig, weshalb ich zugewartet habe. Das ist mein Ding, menschliche Tiefe. Aber als ich sah, wie er Jude gefickt hat, habe ich die Tiefen erkannt, in die ich würde hinabsteigen müssen.
„Wie war dein Essen?“, sage ich im Sitzen. Mein Steak ist gekommen.
„Gut.“ Er war zusammengesackt und aß oder schrieb kaum.
„Was ist mit dir los?“
„Ich sag’s dir später“, sagt er. Dann schaut er mir zu, wie ich esse, mit diesem ernsten Blick, den er oft macht. Ich schwöre, es ist Vertrauen. Genau so sieht es aus.
Wir sind vom Highway abgefahren, auf eine unbefestigte Straße. Wir sitzen Seite an Seite auf der Motorhaube. Es ist so warm. Wenn man sich die Sterne als weit entfernte, auf den Kopf gestellte Stadt bei Nacht vorstellt, kommen sie einem wichtiger vor. Diesen Trick habe ich von ihm gelernt, aber er kann ihn besser.
„Ich weiß“, sagt er, nach viel Stille.
„Was weißt du?“
„Was passiert“, sagt er.
Ich bin nicht sicher, ob er meint, in Hinblick auf das Getötetwerden, oder am Himmel, oder was. „Ja?“
„Diese Nacht mit Jude“, sagt er.
„Also hat sie es dir erzählt.“ Das scheint zweideutig genug.
„Ich hab’s in deinen Augen gesehen“, sagt er.
„Bullshit.“
„Und jetzt auch“, sagt er. Er rutscht von der Motorhaube, dann höre ich die Beifahrertür quietschen.
„Was gesehen?“
„Aber tust du mir zuerst einen Gefallen?“, sagt er. Dann händigt er mir sein unverschlossenes Notizbuch aus und eine Taschenlampe.
Sein Notizbuch ist an manchen Stellen so intensiv, dass ich fast geweint habe und anfing, Seiten zu überspringen. Worte waren mein Ding, bis Rand gestorben ist und ich festgestellt habe, dass sie zu simpel sind. Jetzt lese ich nur Bücher über den Tod. Vielleicht ist es so wie bei dem Jungen, der einen größeren Kick von einem Lichtmuster bekommt als von dem, was wirklich erleuchtet ist. Ich meine, ich denke gern, dass Bücher über den Tod heimlich vom Leben handeln. Vielleicht kann ich es nicht erklären.
„Hasst du mich jetzt?“, sagt er. Wir fahren wieder und ich denke.
„Du bist ein guter Schreiber.“
„Danke“, sagt er. „Wir besuchen also Jude?“ Ich sagte ihm einfach, dass es so wäre.
„Ich hab gedacht, das würde dir gefallen.“
Ich schätze, er muss eine Sekunde lang nachdenken. „Das ist fair“, sagt er.
Das ist hart. „Willst du bis morgen warten?“
„Ja“, sagt er.
„Weil …“ Ich kann es nicht beenden. Das Warum ist zu heftig. Zum Teil hat es mit dem zu tun, was ich in seinem Notizbuch gelesen habe.
Er wartet eine Sekunde, vermutlich für den Fall, dass ich es doch tue. „Ja, ich weiß“, sagt er. Ich denke, dass es vielleicht tatsächlich so ist. Deshalb ist es noch heftiger.
Soweit ich gelesen habe, war die Mutter des Jungen eine Hure, bis sie jemand umgebracht hat. Sie hat sich nie die Mühe gemacht, ihm einen Namen zu geben. Das wusste ich. Er war immer der Junge. Als er zehn war, hat sie angefangen, seinen Arsch als Nebenerwerb zu verkaufen. Das wusste ich nicht. Als sein Arsch mehr einbrachte als ihrer, wurde sie eifersüchtig und schlug ihn. Einige Männer drehten durch und prügelten die Scheiße aus ihm heraus. Irgendwann drehte dann er durch und fing an, sich zu verbrennen und mit einem Messer zu ritzen. Das wusste ich nicht. Dann wurde der Schaden, den er sich zufügte, so schlimm, dass die Männer nicht zahlen wollten, und sie setzte ihn bei seiner Großmutter ab. Dann wurde sie umgebracht. Seine Großmutter gab ihm den Namen Bill, aber das ist nicht legal.
„Jude. Sag Pete, ich werde mich verspäten.“
„Wo seid ihr?“, sagt sie. „Es ist Larry, Pete.“
„Ich weiß nicht.“
„Oh, Scheiße“, sagt sie. Das hat was zu bedeuten. Ich kenne sie.
„Was?“
An ihrem Ende ist Pause und Petes Stimme sagt im Hintergrund etwas, das ich nicht verstehen kann.
„Nein, was?“
„Ich werde mich einfach besser fühlen, wenn du hier bist“, sagt sie.
„Ich auch.“ Vielleicht werde ich Pete töten.
Er hat gerade geduscht. Ich sitze auf dem Bett. Als er Jude gefickt hat, hat sich keiner von den beiden ausgezogen, daher bin ich gewissermaßen geschockt.
„Fast fertig“, sagt er. Er durchsucht seinen Rucksack nach etwas Sauberem z...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Kapitel 1
  6. Kapitel 2
  7. Kapitel 3
  8. Kapitel 4
  9. Kapitel 5