Die Mythen der Rechten
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Die Mythen der Rechten

Was sie uns glauben machen wollen – und wie wir uns dagegen wehren können

  1. 176 Seiten
  2. German
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Die Mythen der Rechten

Was sie uns glauben machen wollen – und wie wir uns dagegen wehren können

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Über dieses Buch

Deutschland versinkt in "AuslĂ€nder-KriminalitĂ€t". Schweden wird von einer "muslimischen Vergewaltigungswelle" ĂŒberrollt. Zuwanderer werden bei der Arbeitssuche bevorzugt, Kinder in den Schulen "frĂŒhsexualisiert" und die Antifa vom Staat finanziert. Solche Aussagen klingen absurd, doch fĂŒr viele AnhĂ€nger von AfD, Neuer Rechter und Pegida sind sie Fakt, unumstĂ¶ĂŸliche Wahrheiten, die vor allem ĂŒber das Internet massenhaft weiterverbreitet werden.Und lĂ€ngst ist es nicht mehr nur der rechte Rand, der solche Mythen als wahr akzeptiert. Immer öfter sickern sie in den öffentlichen Diskurs ein – unwidersprochen. In "Die Mythen der Rechten" gehen Autoren der Frankfurter Rundschau einigen dieser vermeintlichen Wahrheiten auf den Grund. Das Buch zeigt auf, wie die Mythen-Maschine der Rechten funktioniert – und was man ihr entgegensetzen kann.

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Information

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GeschÀndete Fakten

FĂŒr die meisten Menschen war die massenhafte sexualisierte Gewalt in der Neujahrsnacht 2016 in Köln ein Schock. Nicht jedoch fĂŒr rechte Publizisten. Diese sind sich nĂ€mlich schon seit einem Jahrzehnt einig, dass, bedingt durch die Zuwanderung aus islamischen Kulturkreisen, die Zahl der Vergewaltigungen steigt. Vermeintliche Belege fĂŒr die These liefert eine rechte US-amerikanische Denkfabrik.
GefĂŒhlte Wahrheiten haben die Eigenart, sich festzusetzen, noch ehe die Wirklichkeit die vermeintlich passenden Belege liefert. Nach den sexuellen Angriffen auf Frauen in Köln zu Silvester 2016 sahen sich die WortfĂŒhrer des rechten Diskurses bestĂ€tigt. Etwa 650 Frauen wurden laut dem im Juli 2016 veröffentlichten Abschlussbericht des Bundeskriminalamtes allein in Köln in dieser Nacht Opfer von Sexualstraftaten. Deutschlandweit sollen es in dieser Neujahrsnacht mehr als 1.200 gewesen sein. Die Zahl der TĂ€ter kann nur geschĂ€tzt werden. Etwa 2.000 mĂŒssten es nach Ansicht der Experten vom BKA gewesen sein. Ermittelt wurden allerdings nur 120 TatverdĂ€chtige. Der ĂŒberwiegende Teil von ihnen stammt aus arabischen beziehungsweise nordafrikanischen Staaten – darunter einige erst kurz zuvor eingereiste FlĂŒchtlinge. Zwei fĂŒr die rechte Deutung dieser Nacht entscheidende Punkte.
„Was sich in der Kölner Silvesternacht und Ă€hnlich in Hamburg und in Stuttgart abgespielt hat, war der Einsatz von sexueller Gewalt zur DemĂŒtigung des weiblichen Teils der einheimischen Bevölkerung – eine typische Taktik bei der Landnahme durch auslĂ€ndische MĂ€chte“, schrieb JĂŒrgen ElsĂ€sser, Herausgeber des rechten Monatsmagazins „Compact“, am 6. Januar 2016 auf seinem Blog. Kaum eine Woche nach den Übergriffen stand die Interpretation fĂŒr den rechten Publizisten fest: Jetzt trete ein, wovor er und andere schon lange warnten. Bereits am 4. Januar titelte das rechte Internetportal Journalistenwatch: „FlĂŒchtlingsgewalt gegen Frauen – schon lange alltĂ€glich“.
Die Autoren konnten darauf vertrauen, dass ihre Leser wissen, worauf sie anspielen. Die Angst vor der „SchĂ€ndung“ einheimischer Frauen durch „Fremde“ gehört zum Standardrepertoire rechter Anti-Migrations-Diskurse. Im Netz bĂŒndeln einschlĂ€gige Portale und Blogs seit Jahren bestĂ€tigte wie unbestĂ€tigte Meldungen ĂŒber sexuelle Übergriffe durch Migranten zu einem scheinbar schlĂŒssigen Gesamtbild, das die gemeinsame Kernthese belegen soll: Die Vergewaltigung einheimischer Frauen durch Zuwanderer ist ein MassenphĂ€nomen.
„Unbemerkt von der Öffentlichkeit, weil partei- und medienĂŒbergreifend mit lautem Schweigen bedacht, breitet sich (...) ein grausiges PhĂ€nomen mit rasanter Geschwindigkeit aus: die Vergewaltigung einheimischer MĂ€dchen und Frauen durch Zuwanderer beziehungsweise Nachkommen von Zuwanderern moslemischen Glaubens“, schrieb das islamophobe Hetz-Portal „Politically incorrect“-News (PI-News) am 5. Januar 2006 – zehn Jahre vor der Kölner Neujahrsnacht. FĂŒr das sich angeblich schnell ausbreitende PhĂ€nomen sollte mehr als neun Jahre spĂ€ter eine andere Online-Publikation eine passende Allegorie finden.
Im September 2015 kolportierte die Webseite des New Yorker Gatestone-Instituts eine „Welle von Vergewaltigungen durch Migranten“ in Deutschland. Wer drei Monate spĂ€ter – im Dezember 2015 – die Stichworte „Vergewaltigungen“ und „Deutschland“ in die Suchmaske von Google eingab, kam an diesem Artikel nicht vorbei. Zehntausende Querverweise und mehr als 44.000 Empfehlungen bei Facebook beförderten ihn im Ergebnis-Ranking auf Platz eins – noch vor den entsprechenden Eintrag des Online-Lexikons Wikipedia.
Die Kernaussage von Autor Soeren Kern Ă€hnelt der des PI-News Artikels von 2006 frappierend: „Der Anstieg von Sexualverbrechen in Deutschland wird von der Tatsache befeuert, dass die ins Land kommenden FlĂŒchtlinge/Migranten zum großen Teil muslimische MĂ€nner sind.“ Etwas sachlicher formuliert, wird auch hier impliziert, dass bei MĂ€nnern aus islamisch geprĂ€gten Kulturkreisen die Neigung zu sexualisierter Gewalt ausgeprĂ€gter ist als bei anderen Bevölkerungsgruppen. Und dass „unsere Frauen“ das primĂ€re Ziel sind. Illustriert wird Kerns Artikel mit einem Foto ankommender mĂ€nnlicher FlĂŒchtlinge am MĂŒnchner Hauptbahnhof. „Wo sind die Frauen?“, lautet die suggestive Bildunterschrift.
Es wĂ€re bloß ein rassistischer Artikel von vielen, wenn ihm nicht durch die Tatsache, dass er von einem US-Institut veröffentlich wurde, die Aura einer gewissen SeriositĂ€t anhaften wĂŒrde. Das rechtsextreme Magazin „Zuerst“ adelt ihn folgerichtig zur „Studie“, auch wenn Ansatz und Methodik alles andere als wissenschaftlich sind.
In seinem Aufsatz widmet sich der Gatestone-Autor zum einen sexualisierter Gewalt in FlĂŒchtlingsunterkĂŒnften und Erstaufnahmeeinrichtungen, zum anderen Übergriffen auf deutsche Frauen durch Asylbewerber. Beides kommt seiner Ansicht nach massenhaft vor, werde jedoch – auch da stimmt er mit PI-News ĂŒberein – von Behörden und Medien bewusst verschwiegen oder kleingeredet. Paradoxerweise fĂŒhrt Kern als Belege fast ausschließlich „Mainstream-Medien“ und Polizeimeldungen an – also gerade jene Institutionen, denen er vorwirft, solche VorfĂ€lle unter den Teppich zu kehren.
Eine genauere Betrachtung seiner Quellen nimmt der Autor nicht vor. Als Beleg fĂŒr seine These von der massenhaften Vergewaltigung einheimischer Frauen durch Migranten prĂ€sentiert er eine Auswahl von 13 FĂ€llen, in denen Asylbewerber deutsche Frauen vergewaltigt oder dies versucht haben sollen. NatĂŒrlich sei das Problem grĂ¶ĂŸer, die Auswahl nur ein Überblick. Zumal es sich nur um FĂ€lle aus dem Jahr 2015 handele, betont Kern.
Schon diese Behauptung ist falsch. Von den 13 aufgefĂŒhrten FĂ€llen ereigneten sich sechs 2014. Und wĂ€hrend Kern so tut, als stĂŒnde bei allen FĂ€llen zweifelsfrei fest, dass die TĂ€ter Migranten waren, waren zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Artikel in mindestens zwei FĂ€llen die TĂ€ter noch gar nicht ermittelt (und waren es auch sieben Monate spĂ€ter nicht, wie die FR auf Nachfrage bei den zustĂ€ndigen Polizeidienststellen erfuhr).
Als Beleg fĂŒr die Vergewaltigungswelle durch Migranten bleiben Kern somit elf FĂ€lle – in einem Zeitraum von 13 Monaten im gesamten Bundesgebiet. Etwas wenig, um von einer Epidemie zu sprechen. Vielleicht bewog den Autor genau diese Einsicht dazu, sein Schreckens-Portfolio zu erweitern – um neun weitere FĂ€lle, in denen die TĂ€terschaft, wie Kern eingestehen muss, nicht geklĂ€rt ist. Jedoch legen seiner Ansicht nach die TĂ€terbeschreibungen der Opfer nahe, dass es sich um MĂ€nner mit Migrationshintergrund gehandelt haben muss.
Kern unternimmt erst gar keinen Versuch, seine Behauptung statistisch zu untermauern. Dabei könnte ihm auf den ersten Blick – bei dem es in der rechten Publizistik nicht selten bleibt – die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) sogar Munition liefern. Sie zeigt zumindest auf, dass Vergewaltigung in Deutschland tatsĂ€chlich ein MassenphĂ€nomen ist. 2015 etwa wurden laut PKS 7.022 FĂ€lle versuchter oder vollendeter Vergewaltigung zur Anzeige gebracht. Experten gehen allerdings von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2004 zufolge sind 40 Prozent aller Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr bereits Opfer sexualisierter Gewalt geworden.
FĂŒr die rechte Publizistik dĂŒrfte vor allem die Tatsache interessant sein, dass 2015 im Tatfeld Vergewaltigung und sexuelle Nötigung knapp 33 Prozent der ermittelten VerdĂ€chtigen Nicht-Deutsche waren. Unter den rund 5.900 TatverdĂ€chtigen, befanden sich knapp 400 Asylbewerber. Beide Gruppen – AuslĂ€nder allgemein und Asylbewerber im Speziellen – sind im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil ĂŒberreprĂ€sentiert. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere lĂ€sst sich statistisch schwerer fassen.
Denn die PKS erfasst weder Herkunft noch NationalitÀt der Opfer. Untersuchungen hierzu sind rar. 2009 kam eine Studie der London Metropolitan University, die 100 Akten von VergewaltigungsfÀllen in Deutschland auswertete, zu dem Ergebnis, dass in 27 Prozent der FÀlle die Opfer Nicht-Deutsche waren.
Auch wenn sich dieses Ergebnis nicht eins zu eins auf die PKS ĂŒbertragen lĂ€sst, liegt der Schluss nahe, dass AuslĂ€nder und Migranten sowohl auf der Opfer- als auch auf der TĂ€terseite ĂŒberreprĂ€sentiert sind. Denn bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung handelt es sich, Ă€hnlich wie bei Mord, meist um „Nahfeldtaten“. Das bedeutet, dass sich Opfer und TĂ€ter in der Regel kennen. 2015 waren Opfer und TatverdĂ€chtige in 61,8 Prozent der FĂ€lle verwandt oder nĂ€her miteinander bekannt.
Diese ÜberreprĂ€sentation auf beiden Seiten ist typisch fĂŒr die Kriminalstatistik. Sie löst sich in der Regel dann auf, wenn die Vergleichsgruppen anders zugeschnitten und etwa um Komponenten wie Wohnort oder soziale Situation ergĂ€nzt werden. Das Ergebnis ist immer dasselbe: AuslĂ€nder und Deutsche in vergleichbaren Lebenssituationen neigen in etwa gleichem Maße zur StraffĂ€lligkeit. Mit einer Ausnahme: Jugendliche mit Migrationshintergrund zeigen sich anfĂ€lliger fĂŒr schwere Gewalttaten, was in der einschlĂ€gigen kriminalistischen Literatur zumeist auf strukturelle Integrationsdefizite zurĂŒckgefĂŒhrt wird.
In der rechten Publizistik werden solche differenzierten Betrachtungen vermieden. Selektive Wahrnehmung ist das Konzept. Wo es keinen Beleg gibt, ersetzt Wiederholung die BeweisfĂŒhrung. Kern etwa behauptet – wie unzĂ€hlige andere rechte Autoren auch –, dass die Zahl der Vergewaltigungen in Deutschland stĂ€ndig steige. Belegen kann er diese Behauptung nicht. Genau genommen kann das niemand.
Das Problem der PKS ist, dass sie nur die polizeilich registrierten FĂ€lle zusammenfasst. Polizeiexperten kritisieren sie als „Arbeitsnachweis“, manchmal gar als „bessere Strichliste“. Über das tatsĂ€chliche KriminalitĂ€tsniveau gibt sie nur bedingt Auskunft. Das gilt umso mehr fĂŒr Sexualstraftaten, bei denen Experten von einer Dunkelziffer ausgehen, welche die Zahl der gemeldeten Delikte bei Weitem ĂŒbersteigt. In diesem Sinne kann die PKS bestenfalls einen Hinweis auf die Entwicklung des KriminalitĂ€tsniveaus geben.
Soeren Kern allerdings konnte beim Verfassen seines Artikels noch gar nicht wissen, wie sich die Zahl der gemeldeten VergewaltigungsfÀlle 2015 entwickelt hat. Denn zum Zeitpunkt des Erscheinens lag die PKS 2015 noch gar nicht vor.
Was er hingegen hĂ€tte wissen können, ist, dass die Zahl der angezeigten FĂ€lle im Jahr 2014 (7.345) im Vergleich zum Vorjahr (7.408) rĂŒcklĂ€ufig war – und den niedrigsten Wert seit 2009 erreichte. Zum Vergleich: 2006, als PI-News von einem sich rasant ausbreitenden PhĂ€nomen fabulierte, wurden noch 8.118 FĂ€lle angezeigt. Und schon damals war die Zahl der gemeldeten Vergewaltigungen im dritten Jahr in Folge rĂŒcklĂ€ufig.
Seit mindestens zehn Jahren also behaupten rechte Publizisten voller Überzeugung, dass immer mehr Frauen in Deutschland vergewaltigt wĂŒrden – auch wenn die Statistik einen gegenteiligen Trend nahelegt. Und dieser Trend setzt sich fort. 2015 sank die Zahl gemeldeter Vergewaltigungen erneut auf 7.022. Kerns alarmistische Grundannahme ist schlichtweg nicht belegbar. Man könnte auch einfach sagen: frei erfunden.
„GefĂŒhlte Wahrheiten“, von ihrem Publikum lĂ€ngst verinnerlicht, brauchen jedoch keine Beweise. Es bleibt aber die Frage, warum ein US-amerikanisches Institut dem Autor Soeren Kern eine Plattform bietet. Die Selbstbezeichnung des Gatestone-Instituts suggeriert eine wissenschaftliche Einrichtung, von der man die Einhaltung gewisser Mindeststandards erwarten sollte – die Kerns Text nicht einmal ansatzweise erfĂŒllt.
Doch tatsĂ€chlich hat sich das Gatestone nicht der Wissenschaft, sondern der Politik verschrieben. Das 2012 von der MilliardĂ€rin Nina Rosenwald initiierte Institut ist eine Denkfabrik, deren Autoren und Förderer versuchen, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. Als Ziele nennt das Institut den Einsatz fĂŒr Menschenrechte, fĂŒr „eine starke und freie Wirtschaft“ sowie die AufklĂ€rung â€žĂŒber Bedrohungen unserer persönlichen Freiheit, SouverĂ€nitĂ€t und Redefreiheit“.
Inhaltlich positioniert sich das Institut klar: fĂŒr bedingungslose SolidaritĂ€t mit Israel, gegen Kompromisse mit dem Iran und gegen die „Islamisierung“ des Westens. Die Hauptbedrohung fĂŒr die persönlichen Freiheiten, soviel wird aus den Veröffentlichungen deutlich, ist aus Gatestone-Sicht der politische Islam. Kurz gefasst, vertritt das Institut die klassische Kampf-der-Kulturen-These, wie sie Samuel Huntington Mitte der 90er Jahre formulierte: der freiheitlich-progressive Westen gegen eine mehr oder minder einheitliche islamische Welt.
Europa dient in diesem Zusammenhang als abschreckendes Beispiel: ein Kontinent, der aufgrund anhaltender Zuwanderung aus muslimischen LĂ€ndern bereits auf bestem Wege dazu ist, „islamisiert“ zu werden. Das Institut befindet sich damit voll auf einer Linie mit Europas Rechtspopulisten, zu denen es offenkundig gute Kontakte unterhĂ€lt.
2012 trat auf Einladung des Instituts der Vorsitzende der islamophoben niederlĂ€ndischen Freiheitspartei, Geert Wilders, in New York auf. Dort behauptete er unter anderem, dass der Islam „in erster Linie eine gefĂ€hrliche Ideologie“ sei, die „das Gesetz der Scharia der ganzen Welt auferlegen“ wolle.
Die vermeintlichen Belege fĂŒr diese Theorie vom expandierenden Islam, der im Begriff sei, Europa zu erobern, wofĂŒr die Vergewaltigung „unserer Frauen“ nur ein erster Anhaltspunkt ist, liefert das Gatestone-Institut praktischerweise gleich selbst. Soeren Kern hat inzwischen nachgelegt und wieder ein passendes Sprachbild gefunden. In einem Folge-Artikel vom April 2016 behauptet er: „Die Zahl sexueller Gewalttaten in Deutschland ist explodiert.“
Danijel Majic
Die Fallzahlen 2016
Mittlerweile liegen auch die Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2016 vor. Wie von vielen Experten bereits prognostiziert, hat sich die Zahl der gemeldeten Delikte – wenig ĂŒberraschend – erhöht. Dies war schon allein deshalb zu erwarten, weil infolge der Zuwanderung 2016 rund 980.000 Menschen mehr in Deutschland lebten, als im Jahr zuvor.
Die Zahl der gemeldeten FĂ€lle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung stieg deutlich von 7.022 im Jahre 2015 auf 7.919 in 2016. Die Zahl der nicht-deutschen TatverdĂ€chtigen betrug insgesamt 2.512 und stieg damit um 38,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon gelten 963 als Zuwanderer. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der TatverdĂ€chtigen ist mit 14,9 Prozent ĂŒberproportional hoch.
Weiterhin gilt, dass Vergewaltigungen klassische Nahfeldverbrechen sind. Laut PKS standen bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in 63,4 Prozent aller FĂ€lle TĂ€ter und Opfer in einer formellen oder informellen Beziehung oder waren miteinander verwandt.

Hinter schwedischen Statistiken

Nicht erst seitdem US-PrĂ€sident Donald Trump Schweden als vermeintliches Beispiel fĂŒr ein durch zu starke Zuwanderung außer Fugen geratenes Gemeinwesen missbrauchen wollte, ist das skandinavische Land bei Rechten in aller Welt verschrieen. Hauptthema ist die auffallend hohe Anzahl an polizeilich registrierten Vergewaltigungen, die von rechten Autoren regelmĂ€ĂŸig zur „Vergewaltigungsepidemie“, fĂŒr die hauptsĂ€chlich muslimische Zuwanderer die Verantwortung trĂŒgen, umgedeutet wird. Dabei gibt es dafĂŒr eine sehr einfache und unspektakulĂ€re ErklĂ€rung.
Wenn rechte Publizisten nach einem Beleg fĂŒr das Scheitern einer „multikulturellen Gesellschaft“ suchen, ist das Beispiel Schweden schnell zur Hand. Seit mindestens sieben Jahren steigt dort wahlweise die Zahl der Vergewaltigungen „rapide“ (Junge Freiheit), wird das Land von einer „Vergewaltigungsepidemie“ ĂŒberrollt (Fjordman), oder es entwickelt sich zur „Vergewaltigungsmetropole des Westens“ (Gatestone-Institut).
Als Beleg fĂŒhren alle einschlĂ€gigen Publikationen die auffĂ€llig hohe Vergewaltigungsquote an. NatĂŒrlich steht fĂŒr rechte Blogs und Zeitschriften auch fest, wer dafĂŒr verantwortlich ist: muslimische Zuwanderer. Eine These, die 2016 neue Nahrung durch Berichte erhielt, wonach die schwedische Polizei bei mehreren FĂ€llen von sexualisierter Gewalt durch Asylbewerber deren Herkunft nicht öffentlich gemacht habe.
TatsĂ€chlich ist die Rate der polizeilich gemeldeten Vergewaltigungen in Schweden auffĂ€llig hoch. 2014 lag sie laut der Eingangsstatistik des Nationalen Rats zur KriminalitĂ€tsprĂ€vention bei 69 FĂ€llen auf 100.000 Einwohner. Ein Wert, der Schweden erneut – wie seit gut einer Dekade – einen Spitzenplatz in entsprechenden internationalen Vergleichen bescherte.
Auch die absoluten Zahlen wirken auf den ersten Blick angesichts einer Einwohnerzahl von gerade einmal zehn Millionen ĂŒberproportional hoch. Rund 6.700 Vergewaltigungen wurden der schwedischen Polizei 2014 angezeigt. Zum Vergleich: Laut der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden in Deutschland mit mehr als acht Mal so vielen Einwohnern im selben Zeitraum 7.345 FĂ€lle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung zur Anzeige gebracht.
Das Zahlenmaterial d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titelseite
  2. Impressum
  3. Inhalt
  4. Vorwort
  5. „Alle Fremden sind Verbrecher“
  6. „Alles fĂŒr die, nichts fĂŒr uns“
  7. „Die verderben unsere Kinder“
  8. „Unser Volk stirbt aus“
  9. „Die lĂŒgen uns nur an“
  10. Glossar
  11. Herausgeber
  12. Autoren
  13. Bildnachweis